TITUS
Studienanmerkungen zu Kapitel 1
An Titus: Titel wie dieser waren offensichtlich nicht im Originaltext enthalten. Wie alte Handschriften zeigen, wurden sie später hinzugefügt, zweifellos um die Bibelbücher leichter auseinanderhalten zu können. Im Codex Sinaiticus, einer bedeutenden Handschrift aus dem 4. Jh., steht z. B. am Ende des Briefes: „An Titus“. Ähnliches steht auch in anderen alten Handschriften.
Von Paulus: Wtl. „Paulus“. Die einleitenden Worte des Briefes (Tit 1:1-4) entsprechen dem damals üblichen Muster. Ein Brief enthielt normalerweise den Namen des Absenders und den des Empfängers sowie einen Gruß (Tit 1:4). Im Fall des Titusbriefs ist die Einleitung ungewöhnlich lang (im Griechischen besteht Vers 1 bis 4a aus einem einzigen Satz). Paulus nennt nicht nur seinen Namen, sondern beschreibt auch sein Apostelamt und die Botschaft, die er predigt. Er richtet diesen Brief zwar an eine Einzelperson – seinen Mitarbeiter Titus –, doch möglicherweise leitet er sich so ausführlich ein, weil er wollte, dass der Brief auch anderen vorgelesen wurde. (Siehe Anm. zu Tit 3:15; vgl. Anm. zu Rö 1:1.)
einem Sklaven Gottes: Sklaven nahmen in der damaligen Gesellschaft die niedrigste Stellung ein. Doch der Ausdruck „ein Sklave Gottes“ ist keineswegs abwertend gemeint. (Siehe Anm. zu 1Th 1:9.) Als treuer Christ betrachtete Paulus es als Ehre, ein bescheidener Diener des Allerhöchsten und seines Sohnes zu sein. (Siehe Anm. zu Rö 1:1.) Auch Jakobus, Jesu Halbbruder, bezeichnete sich als „Sklave Gottes und des Herrn Jesus Christus“ (Jak 1:1; vgl. 1Pe 2:16; Off 7:3). Und Maria reagierte auf die Botschaft, die ihr ein Engel Jehovas überbrachte, mit den Worten: „Hier bin ich: Jehovas Sklavin!“ (Siehe Anm. zu Luk 1:38.)
Apostel: Siehe Anm. zu Rö 1:1.
der genauen Erkenntnis der Wahrheit: Paulus verbindet hier genaue Erkenntnis mit Gottergebenheit und Hoffnung (Tit 1:2; 2:11, 12; das griechische Wort für „genaue Erkenntnis“ wird in der Anm. zu Eph 4:13 näher erklärt).
Gottergebenheit: Siehe Anm. zu 1Ti 4:7.
die Hoffnung auf das ewige Leben, das Gott … vor langer Zeit versprochen hat: Paulus redet hier von einem Versprechen, das Gott „vor langer Zeit“ gegeben hat. (Vgl. Anm. zu 2Ti 1:9.) Vielleicht bezog er sich auf die Zeit, als sich Jehova ursprünglich vornahm, Menschen „ewiges Leben“ auf der Erde zu schenken. Er könnte auch an die Zeit gedacht haben, als Jehova dieses Vorhaben zum ersten Mal gegenüber Menschen äußerte (1Mo 1:27, 28; 2:17). Als Gott die Rebellen in Eden verurteilte, gab er sein ursprüngliches Vorhaben nicht auf (Ps 37:29). Damals sagte er voraus, dass es einen „Nachkommen“ geben würde, der den Teufel zermalmen wird. Wie die Bibel später offenbarte, sollten zu diesem „Nachkommen“ auch Menschen gehören, die für immer im Himmel leben würden (1Mo 3:15; vgl. Da 7:13, 14, 27; Luk 22:28-30). Paulus und andere gesalbte Christen hatten diese „Hoffnung auf das ewige Leben“ im Himmel. (Siehe Anm. zu Eph 3:11.)
Gott, der nicht lügen kann: Jehova ist der „Gott der Wahrheit“ – zu lügen widerspricht ganz und gar seiner Persönlichkeit (Ps 31:5). Sein heiliger Geist, der bei allem, was er tut, zum Einsatz kommt, wird als „Geist der Wahrheit“ bezeichnet (Joh 15:26; 16:13). Jehova ist überhaupt nicht mit unvollkommenen Menschen zu vergleichen, die Lügen erzählen können (4Mo 23:19). Er hat auch nichts mit dem Teufel gemeinsam, der „ein Lügner und der Vater der Lüge“ ist (Joh 8:44). Paulus stellt hier heraus: Weil es für Gott unmöglich ist zu lügen, sind seine Versprechen absolut vertrauenswürdig (Heb 6:18).
Gottes, unseres Retters: Siehe Anm. zu 1Ti 1:1.
Titus: Ein griechischer Christ, der eng mit Paulus zusammenarbeitete. Als um 49 u. Z. die Frage der Beschneidung geklärt werden sollte, reiste Titus zusammen mit Paulus nach Jerusalem (Apg 15:1, 2; Gal 2:3 und Anm.). Einige Jahre später (um 55 u. Z.) wurde er von Paulus nach Korinth geschickt, um eine Hilfsaktion für bedürftige Christen in Judäa zu organisieren. Möglicherweise sollte er auch in Erfahrung bringen, wie die Korinther auf den ersten Brief von Paulus reagiert hatten. Als Titus mit einem positiven Bericht zu ihm kam, war Paulus erleichtert. Daraufhin schrieb er einen zweiten Brief an die Versammlung, den dann offensichtlich Titus nach Korinth brachte (2Ko 2:13 und Anm.; 2Ko 7:6, 7, 13-16; 8:1-6, 16, 17, 23; 12:17, 18). Vermutlich irgendwann zwischen 61 und 64 u. Z. war Titus auf Kreta. Paulus schreibt: „Ich habe dich auf Kreta gelassen, damit du korrigierst, was nicht in Ordnung ist, und … Älteste ernennst“ (Tit 1:5). Später bat Paulus ihn, zu ihm nach Nikopolis zu kommen (Tit 3:12). Als Paulus zum zweiten Mal in Rom inhaftiert war (um 65 u. Z.), ging Titus nach Dalmatien. (Siehe Anm. zu 2Ti 4:10.) Wahrscheinlich hatte er das mit Paulus abgesprochen oder sogar von ihm die Anweisung dazu erhalten. Titus war ein treuer Christ, eine Bereicherung für die Versammlungen, in denen er diente, und eine echte Hilfe für Paulus.
ein echtes Kind: Diese liebevolle Anrede gebraucht Paulus in seinen Briefen nur für Titus und Timotheus (1Ti 1:2 und Anm.). Es könnte sein, dass Titus die gute Botschaft durch Paulus kennengelernt hatte. Auf jeden Fall betrachtete Paulus ihn als sein Kind im Glauben. Durch ihren gemeinsamen Einsatz für die Versammlungen entwickelten sie ein enges Verhältnis zueinander (2Ko 8:23). Als Paulus den Brief an Titus schrieb, kannten sich die beiden schon mindestens zwölf Jahre.
Ich wünsche dir unverdiente Güte und Frieden: Siehe Anm. zu Rö 1:7.
Christus Jesus, unserem Retter: Da im vorigen Vers Gott als „unser Retter“ bezeichnet wird, schlussfolgern einige, Jesus sei Gott. Es gilt allerdings zu beachten, dass im vorliegenden Vers „Gott, der Vater“ und „Christus Jesus, unser Retter“ einzeln aufgeführt werden. Da Jesus derjenige ist, durch den Gott die Menschheit von Sünde und Tod befreit, kann er zu Recht als „unser Retter“ bezeichnet werden. In Heb 2:10 nennt Paulus Jesus „den Hauptvermittler … [der] Rettung“. Und wie Judas zeigt, arbeiten Gott und Christus bei der Rettung der Menschheit zusammen; er spricht von Jehova als „dem alleinigen Gott, unserem Retter, durch Jesus Christus, unseren Herrn“ (Jud 25). Der vorliegende Vers ist somit kein Beleg für die Ansicht, „Christus Jesus“ und „Gott, der Vater“ seien ein und derselbe. (Siehe Anm. zu 1Ti 1:1.)
Kreta: Die Insel Kreta liegt ganz im S des Ägäischen Meeres, rund 100 km südöstlich des griechischen Festlands. Sie ist etwa 250 km lang und an ihrer breitesten Stelle 56 km breit. Damit ist sie eine der größten Mittelmeerinseln. Als Paulus zu seiner ersten Verhandlung nach Rom reiste, fuhr das Schiff an der kretischen Küste entlang (Apg 27:7-9, 12, 13, 21). Nach seiner Entlassung aus der Haft in Rom kehrte Paulus offensichtlich nach Kreta zurück, um dort die gute Botschaft bekannt zu machen. Bei seiner Abreise ließ er Titus zurück, damit er die Arbeit fortführte. (Siehe Anh. B13; Mediengalerie, „Apostelgeschichte: Die Reise von Paulus nach Rom und seine 1. Gefangenschaft dort“ und „Reisen von Paulus nach ca. 61 u. Z.“.)
damit du korrigierst: Als Paulus von Kreta abreiste, übertrug er Titus eine verantwortungsvolle Aufgabe: Er sollte in den dortigen Versammlungen das, was nicht in Ordnung (oder „mangelhaft“) war, korrigieren bzw. richtigstellen. Wie am Inhalt des Briefes zu sehen ist, gab es für Titus noch viel zu tun. Paulus gibt ihm Anweisungen, wie er mit Personen umgehen sollte, die nicht auf ihn hören wollten, seine liebevolle Anleitung infrage stellten oder sogar Sekten förderten (Tit 1:9; 2:15; 3:10, 11).
von Stadt zu Stadt: In der Antike war Kreta für seine vielen Städte bekannt. Schon Jahrhunderte vor Paulus schrieb der griechische Dichter Homer von „den hundert Städten von Kreta“ (Ilias, II, 649). Wie viele Städte und Dörfer es auf Kreta im 1. Jh. u. Z. genau gab, ist nicht bekannt. Die Formulierung „von Stadt zu Stadt“ zeigt, dass Titus die ganze Insel bereisen und überall Älteste ernennen sollte, die sich um die Versammlungen kümmern würden (Tit 1:6-9).
Älteste ernennst: Paulus hatte Titus die Aufgabe übertragen, Männer zu ernennen bzw. einzusetzen, die in ihrer Versammlung die Führung übernehmen sollten (Heb 13:7, 17). Um sich als Ältester zu eignen, musste ein Christ bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Unter der Leitung Jehovas listet Paulus diese Erfordernisse in den folgenden Versen auf (Tit 1:6-9; siehe auch 1Ti 3:1-7). Die Befugnis, in den Versammlungen Älteste zu ernennen, hatten reisende Aufseher wie Titus, Paulus, Barnabas und offensichtlich Timotheus. (Siehe Anm. zu Apg 14:23.)
frei von Anklage: Ähnlich drückt sich Paulus auch in seinem ersten Brief an Timotheus aus (1Ti 3:10; siehe Anm. zu 1Ti 3:2).
Mann von nur einer Frau: Siehe Anm. zu 1Ti 3:2.
gläubige Kinder haben: Um als Ältester dienen zu können, muss ein Christ seine Familie gut anleiten. Etwas Ähnliches schrieb Paulus auch in 1Ti 3:4. (Siehe Anm.) Hier fügt er noch hinzu, dass die Kinder eines Ältesten gläubig sein sollen. Damit ist nicht gemeint, dass ein Vater seine Kinder zum Glauben zwingen sollte; das würde biblischen Grundsätzen wie dem Grundsatz der Willensfreiheit widersprechen (5Mo 30:15, 16, 19). Um sich als Ältester zu eignen, muss er vielmehr alles tun, was er vernünftigerweise tun kann, damit seine Kinder Glauben entwickeln. Dazu hält er sich genau an Jehovas Anleitung für Kindererziehung (5Mo 6:6, 7; siehe Anm. zu Eph 6:4; Kol 3:21).
ausschweifendes … Verhalten: Oder „wildes … Verhalten“. Das entsprechende griechische Wort bezieht sich oft auf einen aufwendigen, verschwenderischen und unmoralischen Lebensstil (1Pe 4:4). Ein verwandtes griechisches Wort kommt in Jesu Geschichte vom verlorenen Sohn vor. Nachdem dieser sein Zuhause verlassen hatte, führte er „ein ausschweifendes Leben“ und verschleuderte seinen Besitz mit Prostituierten (Luk 15:13 und Anm., 30).
aufsässiges Verhalten: In einem Nachschlagewerk wird das entsprechende griechische Wort definiert als „Autorität ablehnend“, „undiszipliniert“, „ungehorsam“. Lässt ein Vater zu, dass seine Kinder rebellisch sind und sich nicht zügeln lassen, eignet er sich nicht als Ältester.
als Gottes Verwalter: Paulus bezeichnet Versammlungsälteste hier als „Verwalter“. Damit war jemand gemeint, der das Eigentum seines Herrn verwaltete bzw. beaufsichtigte und für dessen Hausgemeinschaft sorgte. Im 1. Timotheusbrief, wo ebenfalls Erfordernisse für Älteste aufgelistet sind, spricht Paulus von der Christenversammlung als „Haus Gottes“ (1Ti 3:15). Mit der Bezeichnung „Gottes Verwalter“ stellt Paulus heraus, dass Älteste sich um die Hausgemeinschaft Gottes kümmern sollen. Dazu gehört, beim Lehren führend voranzugehen, ob innerhalb oder außerhalb der Versammlung. Als Verwalter müssen sich Älteste vor Gott, ihrem Herrn, dafür verantworten, wie sie ihre Aufgabe erfüllen. (Siehe Anm. zu Luk 12:42; 1Ko 4:1.)
frei von Anklage: Siehe Anm. zu 1Ti 3:2.
eigensinnig: Oder „selbstgefällig“, „arrogant“. Ein eigensinniger Mensch will seinen Willen durchsetzen. Er beharrt stur auf seiner Meinung, ohne die Ansicht anderer zu berücksichtigen. Oft fehlt ihm die Bereitschaft, mit anderen zusammenzuarbeiten oder auf ihre Gefühle einzugehen. Würde so jemand zum Ältesten ernannt, könnte er in der Versammlung großen Schaden anrichten. (Vgl. Anm. zu 1Ti 3:3.)
aufbrausend: Oder „jähzornig“, „reizbar“. Wer aufbrausend ist, lässt sich leicht provozieren und kann sich nicht beherrschen. Dadurch, dass er schnell wütend wird, erzeugt er eine angespannte Atmosphäre, was zu vielen Problemen führt (Spr 15:18; 22:24; 25:28; 29:22). Damit sich ein Christ als Ältester eignet, muss er „vernünftig“ sein, „nicht streitsüchtig“ (1Ti 3:3). Er orientiert sich an Jehova, der „nicht schnell zornig“ wird (2Mo 34:6; Ps 86:15).
nicht gewalttätig: Siehe Anm. zu 1Ti 3:3.
auf unehrlichen Gewinn aus: Siehe Anm. zu 1Ti 3:8, wo Paulus dasselbe griechische Wort verwendet; siehe auch Anm. zu 1Ti 3:3.
vielmehr gastfreundlich: Nachdem Paulus mit negativen Begriffen erklärt hat, wie ein Ältester nicht sein darf, wechselt er jetzt zu positiven Eigenschaften, die einen Ältesten auszeichnen sollten. Den Perspektivwechsel leitet er mit einem griechischen Wort ein, das wtl. „aber“, „sondern“ bedeutet (hier mit „vielmehr“ übersetzt). Damit macht Paulus deutlich: Von einem Ältesten wird nicht nur erwartet, schlechte Wesenszüge abzulegen. Er muss auch wertvolle Eigenschaften wie Gastfreundschaft entwickeln und für andere ein Vorbild sein. (Siehe Anm. zu 1Ti 3:2.)
das Gute lieben: Wer das Gute liebt, liebt alles, was in Jehovas Augen gut ist. Er sieht und schätzt das Gute in anderen und lobt sie dafür. Außerdem freut er sich, wenn er anderen Gutes tun kann. Dabei geht er auch gern über das hinaus, was von ihm erwartet wird (Mat 20:4, 13-15; Apg 9:36; 1Ti 6:18; siehe Anm. zu Gal 5:22).
gesundes Urteilsvermögen haben: Siehe Anm. zu 1Ti 3:2.
gerecht: Siehe Worterklärungen zu „Gerechtigkeit“.
loyal: Ein loyaler Ältester ist Jehova unerschütterlich ergeben und hält sich treu an die Maßstäbe in Gottes Wort. Wenn Glaubensbrüder schwere Zeiten durchmachen oder verfolgt werden, hält er fest zu ihnen. Das entsprechende griechische Wort kann auch, wie in manchen Bibeln, mit „heilig“ oder „gottesfürchtig“ übersetzt werden. Es gibt jedoch gute Gründe, es mit „loyal“ wiederzugeben. In der Septuaginta z. B. steht das griechische Wort oft für einen hebräischen Begriff, der „loyal“ oder „Loyaler“ bedeutet (2Sa 22:26; Ps 18:25; 97:10). Und gemäß einem Nachschlagewerk bezeichnet das griechische Wort einen Menschen, „der loyal zu Gott steht“. (Siehe Anm. zu 1Ti 2:8.)
beherrscht: Siehe Anm. zu Gal 5:23.
beim Lehren: Oder „was seine Lehrkunst betrifft“. (Siehe Anm. zu 2Ti 4:2.)
an der zuverlässigen Botschaft festhalten: Dass ein Ältester „an der zuverlässigen Botschaft“ (wtl. „am treuen Wort“) festhält, zeigt sich zum einen an seiner Art zu lehren und zum anderen an seiner Lebensweise. Beim Lehren in der Versammlung verlässt er sich nicht auf seine eigenen Ideen, seine persönliche Erfahrung oder seine rhetorischen Fähigkeiten. Stattdessen stützt er sich auf das zuverlässige Wort Gottes, die Bibel (1Ko 4:6 und Anm.). Dadurch erreicht er das Herz seiner Zuhörer und motiviert sie, Jehova zu lieben und ihm zu dienen (Heb 4:12). Außerdem lebt er nach den Grundsätzen, die er lehrt, sonst wäre er ein Heuchler. Entspricht ein Ältester diesem Maßstab, trägt er zur Einheit der Versammlung bei und ist „eine Säule und Stütze der Wahrheit“. (Siehe Anm. zu 1Ti 3:2, 15.)
Mut machen: Oder „ermahnen“. (Siehe Anm. zu Rö 12:8.)
die sich nicht unterordnen: Paulus spricht hier von gewissen Judenchristen auf Kreta. Sie hielten hartnäckig an jüdischen Traditionen und Gesetzen zur Beschneidung fest, obwohl diese für Christen nicht mehr gültig waren. Die Männer wollten „sich nicht unterordnen“ und sich nicht an die Anweisungen der Apostel und Ältesten in Jerusalem halten.
Schwätzer: Laut einem Nachschlagewerk bezeichnet das entsprechende griechische Wort Personen, „die beeindruckende Worte mit wenig bis gar keinem Wahrheitsgehalt benutzen“. Sie waren Betrüger und schafften es, leichtgläubige oder im Glauben schwache Christen zu täuschen.
die an der Beschneidung festhalten: Gemeint sind gewisse Judenchristen auf Kreta. Spätestens seit dem 1. Jh. v. u. Z. gab es dort eine jüdische Gemeinde. Einige kretische Juden waren Pfingsten 33 u. Z. in Jerusalem und hörten Jesu Jünger über „die großen Taten Gottes“ reden (Apg 2:11). Jetzt setzten sich manche Judenchristen auf Kreta ausdrücklich für die Beschneidung ein, obwohl die leitende Körperschaft in Jerusalem die Frage etwa 12 bis 15 Jahre zuvor (um 49 u. Z.) unter Leitung des heiligen Geistes geklärt hatte. (Siehe Anm. zu Gal 2:12.) Titus hatte Paulus damals zu dieser historischen Zusammenkunft begleitet (Apg 10:45; 15:1, 2, 7, 22-29; Gal 2:1, 3).
den Mund stopfen: Das entsprechende griechische Verb bedeutet laut einem Fachwörterbuch „‚etw[as] auf den Mund legen‘, um zu bändigen (einen Maulkorb, ein Zaumzeug oder Ähnliches)“. Manche in der Versammlung verbreiteten falsche Lehren und untergruben so „den Glauben ganzer Haushalte“. Älteste mussten die Herde Jehovas vor solchen Personen schützen; sie mussten ihnen „den Mund stopfen“. Es galt zu verhindern, dass sich gefährliches Gedankengut in der Versammlung ausbreitete und andere infizierte. Die Ältesten konnten die Betreffenden zum Schweigen bringen, indem sie sie mit aller Deutlichkeit zurechtwiesen. Wenn nötig mussten Personen, die trotz wiederholtem Rat weiterhin falsche Lehren verbreiteten, sogar aus der Versammlung entfernt werden (Tit 1:9, 10, 13; 3:10, 11).
ihr eigener Prophet: Wahrscheinlich zitiert Paulus hier Epimenides, einen kretischen Dichter aus dem 6. Jh. v. u. Z. Das griechische Wort für „Prophet“ hat ein breites Bedeutungsspektrum und wurde manchmal allgemein für einen Sprecher oder einen Dolmetscher verwendet. Auch klassische griechische Schriftsteller bezeichneten Epimenides als Propheten. Andere verwendeten dasselbe Wort für den Dichter Homer und den Philosophen Diogenes. Paulus will nicht sagen, dass Epimenides ein von Gott inspirierter Prophet war (2Pe 1:21). Er zitiert hier lediglich einen Mann, der bei den Kretern angesehen war und wohl als eine Art Sprecher des Volkes galt.
„Kreter sind immer Lügner, gefährliche wilde Tiere, faule Fresser“: In alter Zeit hatten die Bewohner von Kreta den Ruf, unehrlich zu sein. Es gibt sogar ein griechisches Verb, das wtl. „wie ein Kreter handeln [oder „reden“]“ bedeutet und manchmal im Sinn von „lügen“, „betrügen“ verwendet wurde. Natürlich meint Paulus mit dieser verallgemeinernden Aussage nicht die treuen Christen auf Kreta (Apg 2:5, 11, 33). Stattdessen bezieht er sich auf bestimmte Kreter, die eine Gefahr für die dortigen Versammlungen darstellten. In den vorigen Versen spricht er von Personen, „die sich nicht unterordnen, Schwätzer und Betrüger, … die an der Beschneidung festhalten“ und „den Glauben ganzer Haushalte untergraben“. (Siehe Anm. zu Tit 1:10.) Mit dem Sprichwort will Paulus verdeutlichen: Bestimmte falsche Christen auf Kreta wurden dem Klischee absolut gerecht.
faule Fresser: Das griechische Wort für „Fresser“ bedeutet wtl. „Bauch“. Es beschreibt Menschen, bei denen sich alles nur ums Essen dreht. Solche Personen gab es natürlich nicht nur auf Kreta. (Siehe Anm. zu Rö 16:18; Php 3:19.) Mit diesem Teil des Zitats spielt Paulus offensichtlich auf Menschen an, die faul waren und nicht arbeiten wollten. Sie dachten nur daran, ihre Gier nach Essen zu stillen.
Diese Aussage ist wahr: Wtl. „Dieses Zeugnis ist wahr“. Im vorigen Vers zitiert Paulus einen Spruch, in dem eine weitverbreitete Meinung zum Ausdruck kam. Wahrscheinlich stammt er von Epimenides, einem kretischen „Propheten“. Paulus wollte nicht sagen, dass das Sprichwort auf alle Kreter zutraf. Doch offensichtlich passte es zu bestimmten Unruhestiftern in der Versammlung, vor denen er Titus warnen wollte. (Siehe Anm. zu Tit 1:12.)
musst du sie streng zurechtweisen: In den Versammlungen auf Kreta gab es Personen, die der gesunden christlichen Lehre widersprachen. Sie verbreiteten eigene Ansichten und untergruben „den Glauben ganzer Haushalte“ (Tit 1:9-11). Deshalb sollte Titus jeden zurechtzuweisen, der falsche Lehren oder schlechte Gewohnheiten übernommen hatte. Wenn Paulus von „streng“ spricht, meint er nicht, dass Titus taktlos oder schroff vorgehen sollte. (Vgl. 2Ti 2:24.) Vielmehr ging es darum, das Problem deutlich, mutig und entschlossen anzusprechen (Tit 2:15). Dabei musste Titus im Sinn behalten, was sein Ziel war: „damit sie im Glauben gesund sind“. Er hatte die Aufgabe, die Versammlungen zu schützen und die Abtrünnigkeit aufzuhalten. (Siehe Anm. zu 1Ti 5:20; 2Ti 3:16.)
Fabeln: Das entsprechende griechische Wort mýthos kann einem Wörterbuch zufolge mit „erdichtete Geschichte“, „Sage“, „Fabel“ übersetzt werden. Hier bezieht es sich auf jüdische Legenden. Die Juden konnten auf eine ganze Sammlung von wahren Geschichten in den inspirierten Hebräischen Schriften zurückgreifen. Doch sie wendeten sich von der Wahrheit ab und verbreiteten eigene Geschichten, die sie sich ausgedacht hatten. (Siehe Anm. zu 1Ti 1:4; 4:7.)
Geboten von Menschen: Diese Formulierung erinnert an Jes 29:13. Jesus bezog die Worte von Jesaja auf die damaligen religiösen Führer der Juden. Er sagte, dass „sich ihre Lehren auf Regeln von Menschen stützen“ (Mat 15:9; Mar 7:7). Paulus könnte an einige im Judentum verbreitete Vorschriften gedacht haben, die von Menschen stammten. Falsche Lehrer setzten sich für die Einhaltung solcher Regeln ein, mit der Behauptung, man würde dadurch Gott gefallen. In Wirklichkeit widersprachen diese Gebote „der gesunden Lehre“, durch die Christen „im Glauben gesund“ bleiben würden (Tit 1:9, 13; vgl. Kol 2:20-22; 1Ti 4:3-5).
Wahrheit: Gemeint ist die Gesamtheit der christlichen Lehren, die bis dahin offenbart worden waren. (Siehe Anm. zu Gal 2:5.)
Für reine Menschen ist alles rein: Mit „reine Menschen“ sind Menschen gemeint, deren Denken und Handeln mit Gottes Maßstäben übereinstimmt. In Fragen der Moral und der Anbetung wissen sie, was in Gottes Augen „rein“ ist und was er in seinem Wort verurteilt (Mar 7:21-23; Gal 5:19-21). Sie haben ein „reines Herz“ und behalten ein „reines Gewissen“ vor Gott (1Ti 1:5; 3:9; 2Ti 1:3; Mar 7:15). Mit „alles“ meint Paulus alles, was Gott nicht verurteilt. Er stellt „reine Menschen“ Ungläubigen gegenüber, deren Gewissen verunreinigt ist und für die „nichts rein“ ist.
Sie erklären öffentlich, sie würden Gott kennen: Die falschen Lehrer in den Versammlungen auf Kreta gaben vor, Gott zu kennen und ihm zu dienen. Gott zu kennen schließt allerdings ein, sich an seine Gebote zu halten und sich von ihm leiten zu lassen (Ps 25:4, 5; 1Jo 2:3, 4). Durch das, was sie taten, d. h. ihre Lebensweise, wurde deutlich, dass sie Gott nicht gehorchten und ihn nicht wirklich kannten. Für Jehova war ihre Heuchelei etwas Abscheuliches. (Vgl. Spr 17:15.)
für keinerlei gute Taten zu gebrauchen: Im Griechischen steht in dieser Wendung ein Adjektiv, das „unbrauchbar“, „ungeeignet“, „unqualifiziert“ bedeutet (2Ko 13:5; 2Ti 3:8). Wörtlich beschreibt es etwas, „was die Probe nicht besteht“. In den folgenden Versen (Tit 2:1 bis 3:8) erklärt Paulus, was Gott von Menschen erwartet, die ihm wirklich gefallen möchten.