„Er wurde als Mensch offenbart“
Auf dem Foto sieht man eine Seite aus dem Codex Sinaiticus, einer Pergamenthandschrift aus dem 4. Jh. Der Bildausschnitt zeigt einen Teil von 1Ti 3:16, wo es wörtlich heißt: „Er wurde im Fleisch offenbart.“ Wie man sieht, wurden über dem ursprünglichen Text jedoch zwei Buchstaben eingefügt, um aus dem griechischen Wort für „er“ das Wort für „Gott“ zu machen. (Diese Änderung wurde später vorgenommen, vermutlich erst im 12. Jh.) In anderen alten Handschriften findet man hier ähnliche Textänderungen. Einige Bibelübersetzungen geben die Stelle daher folgendermaßen wieder: „Gott ist geoffenbart worden im Fleisch“ (Schlachter 2000) oder „Gott ist offenbart im Fleisch“ (ältere Ausgaben der Lutherbibel). Dadurch entsteht der Eindruck, Gott selbst sei ein Mensch aus Fleisch und Blut geworden. Wie Nachschlagewerke aufzeigen, ist die Lesart „Gott“ im ursprünglichen Text von griechischen Handschriften aus der Zeit vor dem 8. oder 9. Jh. jedoch nicht zu finden. (Siehe z. B. A Textual Guide to the Greek New Testament von Roger L. Omanson, herausgegeben von der Deutschen Bibelgesellschaft.) Ein sorgfältiger Vergleich von alten Handschriften ermöglicht es Textforschern, die wenigen fehlerhaften Lesarten zu identifizieren, die sich in jüngere Abschriften eingeschlichen haben. (Siehe Anh. A3 und Worterklärungen zu „Codex Sinaiticus“.)
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