Terrorismus — ein Krieg im Innern
SEIT dem Ersten Weltkrieg sind mächtige Kolonialreiche zerschlagen worden. Neue Nationen, entstanden aus den Fragmenten, kämpfen um Souveränität. Es siedet und brodelt in ihnen, wobei die politische und die soziale Szene von einem Extrem ins andere fällt. Lateinamerika ist ein Hexenkessel innerer Auseinandersetzungen. Vergleiche eine Afrikakarte von 1914 mit einer von heute. Die riesigen Kolonialreiche sind verschwunden. An ihrer Stelle stehen mehr als 30 Nationen, von denen viele von inneren Unruhen geplagt werden.
Je unheilvoller die Kriege innerhalb der Nationen werden, um so mehr wächst die Furcht, daß die Nationen dem Nihilismus anheimfallen könnten. Ein Terrorist der japanischen Roten Armee sagte bei seinem Prozeß in Israel zu seinen Anklägern: „Wir wissen, ... [daß Kriege innerhalb der Nationen] noch erbitterter werden als Kämpfe zwischen den Nationen.“
Terrorist oder Freiheitskämpfer?
„Wer für den einen ein Terrorist ist, ist für den anderen ein Freiheitskämpfer.“ Linksgerichtete Terroristen verweisen auf George Washington. Schüttelte er nicht mit Hilfe revolutionärer Armeen die britische Herrschaft ab? „George Washington war ein Terrorist“, erklärte ein Angehöriger der Roten-Armee-Fraktion bei seinem Verfahren vor einem bundesdeutschen Gericht. „Einen Mann als Terroristen zu bezeichnen ist eine Ehre.“
Amerikaner mögen es empörend finden, wenn George Washington als Terrorist bezeichnet wird. Doch die Amerikaner betrachteten Fidel Castro einmal als heroischen Freiheitskämpfer. Das war noch zu der Zeit, als er mit einer Guerillabande die Armee des Diktators Batista niederkämpfte. Später wurde Fidel Castro aufgrund der Regierungsform, die er in seinem Land einführte, von den Vereinigten Staaten im selben Licht gesehen wie die Revolutionäre, die Zar Alexander II. durch einen Bombenanschlag töteten und die russische revolutionäre Bewegung in Gang setzten.
Manche sehen im Terrorismus ein Ungeheuer, das die Gesellschaft auf sich selbst hetzt. Andere betrachten ihn als ein Krebsgeschwür in der Zivilisation — Banden oder Bewegungen, klein oder groß, streben gewaltsam eine Veränderung dieses oder jenes politischen, wirtschaftlichen oder gar religiösen Systems an.
Taktik der Terroristen
Auf das Konto des heutigen Terroristen gehen Raubüberfälle, Diebstähle, Brandstiftungen, Bombenanschläge, Entführungen und Morde. Seine Taten sind für ihn keine Verbrechen im üblichen Sinne. Er tut seiner Meinung nach nichts weiter als das, was die Nationen sich gegenseitig im Krieg antun. Seine Handlungen sind Kriegshandlungen. Er führt Krieg gegen ein Gesellschaftssystem.
In der Regel schließt er sich mit Komplizen zusammen. Sie operieren in winzigen Zellen. Nachdem sie zugeschlagen haben, machen sie sich aus dem Staub. Sie sind Guerillakämpfer. Manchmal wachsen ihre Kampftruppen zu Armeen an. Aus Angst vor ihnen ziehen Nationen in den Krieg, führen Invasionen durch und holen zu grausamen Vergeltungsschlägen aus. Wie würden die Vereinten Nationen beispielsweise einen neutralen Geschichtsbericht über den heutigen Libanon — Kampfgebiet von Palästinensern, Syrern und Israelis — schreiben? Angenommen, alle fremden Truppen würden den Libanon verlassen, könnten sich dann die Parteien des Landes, bestehend aus maronitischen Christen, sunnitischen, schiitischen und drusischen Moslems, miteinander einigen? Wäre die Gewalttätigkeit einer Partei gegen die andere Terrorismus? Die Antwort hängt von demjenigen ab, den du fragst.
Um im einzelnen aufzuführen, wie der Terrorismus den Lauf der Nationen mitbestimmt hat, müßte man einen Großteil der Weltgeschichte der vergangenen 50 Jahre betrachten. Die Sturmsignale eines sich ausbreitenden Terrorismus, ausgelöst und gelenkt von inneren und äußeren Oppositionsbewegungen, drängen den Weltführern die beunruhigende Frage auf: Wie wird der „Krieg im Innern“ das Schicksal der Nationen beeinflussen?
[Herausgestellter Text auf Seite 3]
Wir wissen, daß Kriege innerhalb der Nationen noch erbitterter werden als Kämpfe zwischen den Nationen.