Junge Leute fragen sich:
Warum ist mein Lehrer so unfair?
DIE 14jährige Vicky spricht vielen Jugendlichen aus dem Herzen, wenn sie sagt: „Ich kann unfaire Lehrer nicht ausstehen.“ Eine 1981 durchgeführte Umfrage unter 160 000 amerikanischen Jugendlichen ergab, daß 76 Prozent der Befragten ihre Lehrer irgendeiner Art der Bevorzugung beschuldigten (The Private Life of the American Teenager).
Verständlicherweise ärgern sich Jugendliche über eine schlechte Note für eine, wie sie meinen, erstklassige Arbeit. Sie nehmen es dem Lehrer übel, wenn eine Strafe unangemessen hoch, ungerechtfertigt oder gar auf ein Vorurteil gegründet zu sein scheint. „Als ich einmal gähnte, mußte ich in den Flur hinausgehen, und das nur, weil ich ein Schwarzer bin“, behauptet der 12jährige Ivan.
Jugendliche ärgern sich auch, wenn die Lieblinge des Lehrers besonders aufmerksam oder bevorzugt behandelt werden. Die 13jährige Diane klagt die Lehrer an: „Sie bevorzugen die Klügsten oder die Hübschesten.“ Kein Wunder, daß die Jugendlichen bei der obenerwähnten Umfrage Fairneß für wichtiger hielten, als daß der Lehrer seine Unterrichtsfächer beherrscht.
Lehrer sind auch nur Menschen
Lehrer sind allerdings bei weitem nicht unfehlbar. Sie haben wie jeder andere Komplexe, Eigenarten und auch Vorurteile. Mitunter werden sie durch Emotionen daran gehindert, objektiv zu urteilen. Freddy stellte dies fest, als sein Lehrer einmal „jeden anschrie“. Er sprach den Lehrer taktvoll an und erfuhr dann die Ursache für dessen grobes Verhalten. „Es ist nur, weil ich heute morgen mit meinem Auto Probleme hatte“, erklärte der Lehrer. „Der Motor hat sich auf dem Weg zur Schule heißgelaufen, und so kam ich zu spät zum Unterricht.“
Auch dir kommt es vielleicht manchmal so vor, als würde der Lehrer — ohne ersichtlichen Grund — seinen Ärger an dir auslassen. Die Bibel ermahnt uns indessen: „Sei nicht eilig in deinem Geiste, gekränkt zu werden“ (Prediger 7:9). Mußt du darüber wirklich unglücklich sein? Ist es vielleicht nur ein kurzer Wutausbruch, der bald wieder vergessen ist? Kannst du versuchen, den Lehrer zu verstehen und über die Sache hinwegzusehen? Der Jünger Jakobus sagte: „Wir alle straucheln oft. Wer nicht im Worte strauchelt, der ist ein vollkommener Mann, imstande, auch seinen ganzen Leib zu zügeln“ (Jakobus 3:2).
Lehrer und ihre Lieblinge
Besonders mißmutig stimmt es die anderen Schüler, wenn Lehrer ihre Lieblinge begünstigen. Die 13jährige Caroline erklärt: „Die Lieblinge des Lehrers werden eindeutig bevorzugt. Meistens sind es diejenigen, die in der Schule gut sind und kaum Schwierigkeiten machen.“
Eine Umfrage unter Grundschullehrern brachte zutage, daß Lehrer tatsächlich dazu neigen, „passive Konformisten und Schüler mit überdurchschnittlicher Begabung, insbesondere aufgeweckte, artige Mädchen“, zu bevorzugen. Ein Universitätsprofessor wurde in der Zeitschrift Seventeen wie folgt zitiert: „Es kann auch sein, daß eine Schülerin die Aufmerksamkeit auf sich lenkt, weil sie gerade etwas gut beherrscht, was dem betreffenden Lehrer wichtig ist.“ Was auch immer der Grund ist, wenn ein Lehrer einem Schüler besondere Gunst oder Aufmerksamkeit schenkt, erregt er höchstwahrscheinlich den Unwillen der anderen Schüler. Caroline sagt: „Ich finde, das ist nicht fair gegenüber den anderen, die nicht zu den Lieblingen des Lehrers gehören.“
Warum verhalten sich einige Lehrer so? Vergiß nicht, daß an einen Lehrer hohe Anforderungen gestellt werden und daß er starkem Druck ausgesetzt ist. In dem Buch Being Adolescent (Heranwachsen) wird erklärt, daß sich Lehrer in einer „äußerst schwierigen Lage“ befinden. „Sie werden mit 20 und mehr Teenagern konfrontiert, die mit ihren Gedanken meistens woanders sind. Ihre Aufgabe ist es, die Aufmerksamkeit der Schüler auf Unterrichtsmaterial zu lenken, ... das zu deren persönlicher Erfahrungswelt keinen unmittelbaren Bezug hat und außerdem womöglich für sie schwer zu lernen ist. Sie haben eine Gruppe höchst launenhafter Jugendlicher vor sich, die sich leicht ablenken lassen und es im allgemeinen nicht gewohnt sind, sich länger als 15 Minuten auf eine Sache zu konzentrieren.“ Zweifellos wirst du zugeben, daß daran nicht nur ein Körnchen Wahrheit ist.
Ist es daher ein Wunder, daß die Lehrer Schüler mit Aufmerksamkeit überschütten, die „in der Schule gut sind und kaum Schwierigkeiten machen“? Schließlich ist es nur allzu menschlich, sich zu jemand hingezogen zu fühlen, der einem das Leben angenehmer macht. Allerdings verurteilt die Bibel „parteiische Unterschiede“ (Jakobus 3:17). Und höchstwahrscheinlich ärgerst du dich, wenn Schülern, die sich deiner Meinung nach beim Lehrer einschmeicheln wollen, mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als dir. Steckt aber unbedingt eine böse Absicht dahinter?
Vielleicht scheint es so. Bedenke andererseits, daß Jakob, wie die Bibel sagt, seinen Sohn Joseph mehr liebte als seine anderen Söhne. Warum? Einige seiner Söhne hatten ihm Kummer bereitet. Josephs Verhalten hingegen war tadellos. Zudem war Joseph der Sohn seiner geliebten Frau Rahel. Bedeutete dies aber, daß Jakob sich nicht um seine anderen Söhne kümmerte? Ganz im Gegenteil! Einmal sandte Jakob Joseph sogar zu seinen anderen Söhnen, damit er nach ihrem „Wohlergehen“ sehe. Und als Jakob auf dem Totenbett seine Söhne segnete, war er gegenüber allen fair und unparteiisch (1. Mose 34:30; 35:22; 37:2, 3, 14; 49:1-33).
Warum also ärgerlich oder eifersüchtig sein, wenn ein fleißiger Schüler der Liebling des Lehrers ist, solange dieser dich im Unterricht nicht vernachlässigt? Übrigens wäre es vielleicht gar nicht verkehrt, selbst ein bißchen fleißiger zu sein.
Krieg im Klassenzimmer
Wie steht es aber mit Lehrern, die gegenüber den Schülern wirklich feindlich eingestellt zu sein scheinen? Ein Schüler sagte von seinem Lehrer: „Er war der Meinung, wir alle hätten ihm den Krieg erklärt, und er beschloß, die Oberhand zu gewinnen. Er war ein Paranoiker.“ Viele Lehrer denken allerdings, sie hätten das Recht, ein wenig „paranoisch“ zu sein.
Ein Jugendlicher sagte einem Awake!-Reporter: „In unserer Schule haben die Lehrer vor den Schülern Angst.“ Ja, wie in der Bibel vorhergesagt, leben wir in ‘kritischen Zeiten, mit denen man schwer fertig wird’. Jugendliche sind oft „ohne Selbstbeherrschung, brutal, ohne Liebe zum Guten“ (2. Timotheus 3:1-3). In der Zeitschrift U.S. News & World Report hieß es: „In vielen städtischen Schulbezirken leben die Lehrer in Furcht vor Gewalt.“
Wenn die Lehrer auch nicht immer gleich tätlich angegriffen werden, so fühlen sie sich doch oft in ihrer Würde verletzt. Der ehemalige Lehrer Roland W. Betts schreibt: „Kinder betrachten es von Natur aus als ihre Verpflichtung, sie [die Lehrer] ... [bildlich gesehen] zu stoßen, auf ihnen herumzutrampeln und auszuprobieren, wie lange sie sie biegen und strecken können, bevor es schließlich kracht ... Wenn die Kinder merken, daß sie einen neuen Lehrer bis an den Rand der Verzweiflung getrieben haben, gehen sie noch einen Schritt weiter.“ Habt ihr, deine Klassenkameraden und du, dem Lehrer schon einmal einen schlimmen Streich gespielt oder ihn sonstwie geärgert? Dann wundert euch nicht über seine Reaktion.
Die Bibel sagt: „Denn allein Bedrückung kann bewirken, daß ein Weiser unsinnig handelt“ (Prediger 7:7). In der Atmosphäre der Furcht und der Respektlosigkeit, die in einigen Schulen herrscht, reagieren manche Lehrer verständlicherweise zu heftig und werden übermäßig streng. Vielen werden sogar alle Illusionen genommen, und sie geben schließlich den Lehrerberuf auf. Könntest du daher nicht etwas Mitgefühl für die Lehrer aufbringen, die versuchen, schwierige Situationen in den Griff zu bekommen?
Warum ist Disziplin notwendig?
Es ist jedoch schwer, Verständnis aufzubringen, wenn es um so etwas Wichtiges wie die Noten geht. Der 11jährige Stefan klagt zum Beispiel: „Es ist nicht richtig, wenn sich ein Lehrer durch die Notengebung an einem Schüler revanchiert. Einer meiner Lehrer tut das. Wenn ein Schüler dabei erwischt wird, daß er Bonbonpapier unter die Schulbank wirft, macht der Lehrer einen Vermerk, und das wirkt sich später auf die Noten aus.“
Zugegeben, es scheint nicht gerade fair zu sein, den Schülern mit schlechten Noten zu drohen. Ist das aber wirklich ungerecht — oder einfach streng? Lehrer haben die Verantwortung, die Ordnung aufrechtzuerhalten, und manchmal sind dazu Strafen nötig. Die Bibel rät: „Ergreife die Zucht; laß nicht ab. Behüte sie, denn sie ist dein Leben“ (Sprüche 4:13). Denke daran, daß der Lernprozeß ohne Disziplin leidet. Ein Jugendlicher gibt zu: „Bei den Lehrern, mit denen man alles machen kann, lernt man nichts.“
Du gehst aber in die Schule, um zu lernen. Und das kann bedeuten, auch einmal stillschweigend eine nicht ganz gerechtfertigte Strafe oder den Ärger eines frustrierten Lehrers hinnehmen zu müssen. Von der Fähigkeit, mit Autoritätspersonen respektvoll umzugehen, kann es eines Tages abhängen, ob man Arbeit bekommt oder nicht. Natürlich bist du, wie ein künftiger Artikel zeigen wird, der Ungerechtigkeit in der Schule nicht hilflos ausgeliefert. Versuche aber, ein wenig Mitgefühl für deine Lehrer aufzubringen. Vielleicht wirst du erkennen, daß einige gar nicht so unfair sind, wie du gedacht hast.
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Die Aufmerksamkeit, die den Lieblingen des Lehrers geschenkt wird, erregt oft den Unwillen der anderen Schüler
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Die überhandnehmende Gewalt in der Schule hat den Lehrerberuf zu einer schweren Aufgabe gemacht