Junge Leute fragen sich:
Meine Eltern gehen arbeiten — Was kann ich allein zu Hause tun?
„ES KANN ziemlich langweilig werden.“ Ein Fünfzehnjähriger namens Gary beschreibt, was er tut, wenn er nach Hause in eine leere Wohnung kommt. „Ich komme gegen drei Uhr nach Hause. Ich esse eine Kleinigkeit, sehe vielleicht etwas fern oder lasse meine Stereoanlage laufen.“ Sein Vater, ein geschiedener Mann, arbeitet den ganzen Tag.
Millionen Jugendlichen und Kindern — sowohl Kindern von Einzeleltern als auch Kindern von Doppelverdienern — geht es ähnlich. Sie werden dir aus erster Hand erzählen, daß es nicht immer einfach ist, berufstätige Eltern zu haben. Wie Gary verbringen sie wahrscheinlich ziemlich viel Zeit am Tag allein.
Beachte aber, was in einer Studie berichtet wurde, die vor kurzem in der Zeitschrift Psychology Today erschien. Fachleute auf dem Gebiet der Jugendfürsorge befürchteten, daß sich bei Kindern, die sich selbst überlassen sind, schwere Verhaltensstörungen entwickeln. Man stellte jedoch einen Vergleich an zwischen 48 Schlüsselkindern und 48 Kindern, um die sich nach der Schule Erwachsene kümmerten.a Das Ergebnis? „Entgegen den Erwartungen ergaben die Forschungen nur geringe Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Lehrer stellten fest, daß die soziale Anpassung bei Schlüsselkindern genauso gut ist wie bei anderen Kindern. Außerdem hat es den Anschein, daß Schlüsselkinder ebenso großes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen haben wie diejenigen, die während der Zeit nach der Schule von einem Erwachsenen beaufsichtigt werden.“
Was zeigt dies? Es ist zwar bestimmt nicht ideal, wenn du nach der Schule allein bist, aber das muß keine Katastrophe für dich sein. Es kommt darauf an, wie du mit der Situation fertig wirst.
Allein sein — die Gefahren
„Während Eltern sich früher hauptsächlich Sorgen darüber machten, was die Kinder wohl anstellten, wenn sie abends aus waren“, erklärt der Schriftsteller Vance Packard, „gilt heute, wenn Vater und Mutter berufstätig sind, ihre Hauptsorge wahrscheinlich eher der Frage, womit die Sprößlinge sich den Nachmittag vertreiben.“ Gemäß V. Packard ist eine leere Wohnung oft der Schauplatz sexueller Unmoral.
In der Wohnung allein zu sein birgt auch noch andere Gefahren in sich. Gary erzählt: „Nach der Scheidung meiner Eltern wohnte ich eine Zeitlang bei meiner Mutter [keine Christin]. Sie ließ mich ziemlich oft allein. Als sie wieder einmal nicht da war, bekam ich ihre Zigaretten in die Hände.“ Glücklicherweise war das nicht der Beginn einer lebenslangen Sucht. „Ich rauchte nur eine oder zwei“, erklärt Gary.
Die Bibel verurteilt natürlich sowohl unerlaubten Geschlechtsverkehr als auch unreine Gewohnheiten, wie zum Beispiel das Rauchen (1. Korinther 6:9; 2. Korinther 7:1). Zwar begehen nicht alle Kinder berufstätiger Eltern verkehrte Handlungen, aber viele empfinden das Alleinsein als ausgesprochen langweilig. Die Autoren des Buches Being Adolescent (Jugendlicher sein) haben festgestellt, daß es für Jugendliche, die gezwungenermaßen allein sind, typisch ist, passiv, träge, gelangweilt und nicht motiviert zu sein. Das Fernsehen oder das „Herumtreiben“ in Fußgängerzonen und Videozentren wird zu ihrer Hauptbeschäftigung. Sie fragen sich, was sie zu Hause tun sollen.
Der Wert des Alleinseins
In dem Buch Being Adolescent heißt es: „Gewöhnlich sind es Personen, die allein mit dem Leben fertig werden müssen, die berühmte Kunstwerke schaffen oder wissenschaftliche Entdeckungen machen. Oftmals hat man beim Alleinsein Gelegenheit, über das nachzudenken, was dem Leben Sinn verleiht. Doch die meisten Menschen haben Angst vor der Einsamkeit und setzen alles daran, nicht allein zu sein. Eine der besten Möglichkeiten, sich als Jugendlicher zu entwickeln, besteht darin, zu lernen, wie man das Alleinsein nutzt, um seine Ziele zu erreichen, statt es wie die Pest zu meiden.“
Jesus Christus machte guten Gebrauch vom Alleinsein. Bevor er seinen Dienst begann, ging er für 40 Tage und 40 Nächte in die Wildnis (Matthäus 4:1, 2). Zweifellos nutzte er diese Zeit des Alleinseins, um zu beten und über das große Werk, das vor ihm lag, nachzudenken. Später suchte er regelmäßig nach Gelegenheiten, allein zu sein (Lukas 5:16; Markus 1:35). Jesus war jedoch kein Einsiedler. In den Sprüchen heißt es warnend: „Wer sich absondert, wird nach seinem eigenen selbstsüchtigen Verlangen trachten“ (Sprüche 18:1). Er schuf also einen Ausgleich zwischen zeitweisem Alleinsein und Gemeinschaft mit anderen.
Du kannst es ebenfalls lernen, das Alleinsein produktiv zu nutzen. Es ist gut, zuerst deine Schularbeiten zu erledigen. Ein Jugendlicher, der mit einer Versammlung der Zeugen Jehovas verbunden ist, sagt: „Ich nutze die Zeit auch, um die [bibelerklärenden] Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet! zu lesen. Zudem habe ich Gelegenheit, mich auf unsere [christlichen] Zusammenkünfte vorzubereiten.“ Bei diesen Zusammenkünften hat er die nötige erbauliche Gemeinschaft, die den Ausgleich zum Alleinsein schafft.
Beteilige dich an der Hausarbeit
Eine Jugendliche namens Lecille erklärt: „Ich passe auf meine kleine Schwester auf und helfe meiner Mutter, das Haus in Ordnung zu halten. Auf diese Weise hat meine Mutter an den Wochenenden nicht so viel zu tun.“ Zugegeben, du hältst es vielleicht nicht für fair, daß du arbeiten mußt, wenn du spielen möchtest. Doch der Psychologe David Elkind sagt über das Verrichten wichtiger Hausarbeiten: „Bestimmt sind dies vernünftige Anforderungen an Kinder ... Man kann sogar sagen, daß es für viele Kinder in Familien, in denen nur ein Elternteil berufstätig ist, nützlich wäre, wenn man von ihnen erwarten würde, mehr im Haushalt mitzuhelfen.“ Hausarbeiten zu verrichten ist somit eine Möglichkeit, gegen Langeweile anzukämpfen — und Verantwortungsgefühl zu entwickeln.
Gary erinnert sich: „Von klein auf mußte ich Hausarbeiten verrichten, wie zum Beispiel mein Bett machen und den Abfall hinaustragen.“ Er gibt zu: „Ich mußte nie kochen, obwohl ich weiß, wie man Toastbrot in den Toaster steckt oder einen Sandwich macht.“ Hausarbeiten zu erledigen hat ihm nicht geschadet; im Gegenteil, es hat zu seiner emotionalen Entwicklung beigetragen.
Warum also nicht versuchen, ‘deine eigene Last zu tragen’, wenn es um Hausarbeiten geht? (Vergleiche Galater 6:5.) Es stimmt schon, daß die Forderungen und Erwartungen der Eltern zu hoch sein können, wie Dr. Elkind bemerkt. Wenn du also das Gefühl hast, daß man dir zuviel aufbürdet, beachte den Vorschlag in einem Artikel der Zeitschrift ’Teen: „Setz dich mit deinen Eltern hin, und arbeitet zusammen einen Plan aus, der dir etwas Zeit für Freunde und Schularbeiten übrigläßt ... und es dir gleichzeitig ermöglicht, deinen bereits beschäftigten Eltern Arbeit abzunehmen.“
„Ich fühle mich ... vernachlässigt“
Melissa, eine Jugendliche, klagt: „Ich fühle mich manchmal vernachlässigt. Papa kommt erst gegen 19 Uhr nach Hause. Dann will er nur essen und schlafen. Mit Mama ist es auch so. Sie kommt nach Hause und fängt an zu kochen. Wir haben nie Gelegenheit zu reden.“ Ein anderer Jugendlicher sagt: „Als ich jünger war und nur ein Elternteil arbeiten ging, war der Zusammenhalt in unserer Familie enger. Jetzt gehen beide arbeiten, und unser Verhältnis ist nicht mehr so eng, wie es früher einmal war.“
Du magst somit keine andere Wahl haben, als ‘die gelegene Zeit auszukaufen’, um mit deinen Eltern Gemeinschaft pflegen zu können. (Vergleiche Epheser 5:16.) Das bedeutet, das Beste aus der Zeit zu machen, die ihr gemeinsam zur Verfügung habt. Du könntest dich zum Beispiel anbieten, zusammen mit deinen Eltern einige Hausarbeiten zu verrichten. Eine berufstätige Mutter erklärt: „Man kommt sich näher, wenn man zusammen arbeitet.“ Gary und sein Vater haben festgestellt, daß es noch eine andere „gelegene Zeit“ gibt, um zusammenzusein: „Wir gehen immer gemeinsam einkaufen.“
Gemeinsam zu essen ist eine weitere Möglichkeit, ein gutes Verhältnis zu deinen Eltern zu fördern. Vermeide es, sofort den Kühlschrank zu „plündern“, wenn du nach Hause kommst, und versuche zu warten, bis ihr zusammen als Familie essen könnt. Du könntest sogar das Kochen lernen und deine Mutter oder deinen Vater von Zeit zu Zeit mit einer Mahlzeit überraschen (Sprüche 15:17). Einige herzliche Augenblicke beim Abendbrot können euch für die paar Stunden, die ihr getrennt wart, entschädigen.
Wenn deine Eltern Christen sind, versuche, mit ihnen regelmäßig einen „Austausch von Ermunterung“ zu pflegen (Römer 1:12). Gary sagt: „Mein Vater und ich studieren jeden Donnerstagabend ein oder zwei Stunden die Bibel.“ Könntest du deine Eltern bitten, eine ähnliche Vorkehrung zu treffen? Ihr gemeinsames Interesse an geistigen Dingen hat Gary und seinem Vater geholfen, ein enges Verhältnis zu bewahren.
Wenn deine Eltern berufstätig sind, werden sie wahrscheinlich nicht dasein, wenn du nach Hause kommst. Aber verzweifle nicht, und werde kein Einsiedler. Nutze deine Zeit weise und produktiv. Du wirst es nicht nur lernen, mit dem Alleinsein fertig zu werden — du wirst es vielleicht sogar lernen, deine wenigen Stunden des Alleinseins zu mögen.
[Fußnote]
a „Schlüsselkinder“ ist ein Begriff, der für Kinder gebraucht wird, die nach der Schule sich selbst überlassen sind, während ihre Eltern arbeiten. Siehe „Warum ist meine Mutter nicht zu Hause?“ in der Zeitschrift Erwachet! vom 22. Juni 1986.
[Bilder auf Seite 15]
Wenn du allein bist, kannst du dich auf viele schöpferische Arbeiten konzentrieren