Geld — ein schlechter Herr
IN DER Werbebranche regt man die Kunden mit listigen psychologischen Tricks zum Kaufen an. Man versucht zu erreichen, daß die Leute „Dinge kaufen, die sie nicht brauchen, und das mit Geld, das sie eigentlich nicht haben, um manchmal Leute zu beeindrucken, die sie eigentlich gar nicht leiden können“.
Viele fühlen sich in der Hoffnung auf Sicherheit dazu veranlaßt, viel Geld zu verdienen. Werden die gewünschten Ergebnisse aber erzielt?
Liz, von der schon die Rede war, heiratete schließlich einen Mann in finanziell gesicherten Verhältnissen. Sie sagte: „Als ich heiratete, hatten wir ein wunderschönes Haus und zwei Autos. Unsere finanziellen Verhältnisse erlaubten es uns, alles zu genießen, was die Welt in bezug auf materielle Dinge, Reisen und Entspannung zu bieten hat. Seltsamerweise machte ich mir immer noch Sorgen um Geld.“ Sie erklärte: „Wir hatten viel zu verlieren. Es scheint, daß man sich um so unsicherer fühlt, je mehr man hat. Von Angst und Sorgen hat uns das Geld nicht befreit.“
Das Trachten nach Geld ist zwar ein unverkennbares Zeichen unserer Zeit, doch wirklich zufrieden macht es kaum jemanden. „Geldbesessenheit mag in den 80er Jahren, einem Zeitalter des Materialismus, natürlich erscheinen“, schrieb David Sylvester in der Zeitung Detroit Free Press. „Aber ich sehe in diesem Materialismus nur ein Symptom unseres Unbehagens.“
Kredit oder Schulden?
Unsere materialistische Gesellschaft ist darauf bedacht, selbst demjenigen, dessen Einkommen es nicht zuläßt, einzureden, daß er das Recht darauf hat, sich gewisse Luxusartikel zu leisten. Eine solche Betonung des Genusses von Besitz, gepaart mit Inflation, hat das Kreditkarten- oder Plastikgeldgeschäft aufblühen lassen. Als Grund führt man an, daß es töricht sei, mit einem Kauf zu warten, da doch die Preise mit Sicherheit steigen würden.
Großbritannien ist mit 22,6 Millionen Kredit- und Kundenkreditkarten derzeit der europäische Spitzenreiter im Gebrauch solcher Karten und läßt Frankreich, wo 6,9 Millionen Karten in Umlauf sind, weit hinter sich zurück. Dennoch ist der britische Markt „noch nicht gesättigt“. Wie sich doch die Zeiten geändert haben! „Früher wollte man keinesfalls Schulden machen“, hieß es in der Zeitung The Listener. „Heute nennt man es Kredit, und dieser wird dem Kunden von allen Seiten aufgedrängt.“
Als Folge davon ist die weltweite Schuldenlast unerträglich geworden und bedroht sogar die reichsten Nationen der Welt. Die Schulden sind im Verhältnis zum Einkommen des einzelnen höher denn je. Diese Situation ist keineswegs auf ein Land oder auf einen Kontinent beschränkt. „In der Vergangenheit haben Schwarze nie einen Kredit aufgenommen“, sagte ein Schwarzer aus Südafrika. Aber er merkte an: „Eben die Kreditangebote der Firmen, wie zum Beispiel der Einrichtungshäuser, sind es, die ihnen helfen, im Geschäft zu bleiben.“
„Wir sind“, so der Wirtschaftsjournalist David Sylvester, „eine Generation, die zuviel ausgibt, zuwenig investiert und so lebt, als gäbe es kein Morgen — oder falls doch, dann meinen wir, die soziale Sicherung werde uns schon auffangen.“ Hat diese materialistische Lebensauffassung zum Glück geführt?
Traurige Folgen
„Erfolgsmenschen in den Großstädten ,verschaffen sich Erleichterung durch Kokain‘“, lautete eine Schlagzeile im Londoner Daily Telegraph. Ja, mehr und mehr hochbezahlte junge Manager, die durch das Aushandeln von Geldtransaktionen enormem Druck ausgesetzt sind, werden von einer sich ausbreitenden Seuche erfaßt: Drogenabhängigkeit.
Das New Yorker Finanzviertel mit der Wallstreet im Zentrum ist von der gleichen Epidemie erfaßt worden. Ein Vollzugsbeamter der staatlichen Drogenbekämpfung sagte Berichten zufolge: „Diejenigen, die damit zu tun haben, sind äußerst verschwiegen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Im Finanzviertel wird nicht nur offenkundig Kokain geschnupft, sondern 90 Prozent haben nicht einmal etwas dagegen. Jene stark belasteten Senkrechtstarter stehen Todesängste aus und meinen, sie könnten kein Geschäft abschließen, ohne irgendeine Droge zu nehmen.“
Doch die kriminellen Handlungen, die die Finanzmärkte gegenwärtig beflecken, sind keineswegs auf den Drogenmißbrauch beschränkt. Es gibt Berichte über massiven Betrug und mißbräuchliche Ausnutzung von Insider-Informationen.
„Wie können Leute mit einem Jahreseinkommen von über einer Million Dollar so sehr in Geldnot sein, daß sie bereit sind, Gesetze zu brechen, um noch mehr Geld zu bekommen?“ fragte sich der Wallstreet-Psychiater Jay B. Rohrlich. Er beantwortete seine eigene Frage wie folgt: „Manche werden durch das Geld ebenso in einen Rausch versetzt und süchtig gemacht, wie andere dem Alkohol, dem Kokain oder anderen Suchtmitteln verfallen.“ Für sie wird, wie Rohrlich sagte, „Geld zum Gegengift gegen eingebildete Unzulänglichkeit“.
In unserer zunehmend materialistischen Welt runzelt keiner mehr die Stirn, wenn jemand ein Vermögen aufhäuft. Ergebnisse einer Umfrage, die in der französischen Zeitschrift Le Figaro veröffentlicht wurden, besagen, daß Geld nicht mehr „stinkt“. Interessanterweise antworteten 45 Prozent der befragten Franzosen auf die Frage, was ihnen das Geld nach ihrer Meinung bieten würde: „Glück.“ Aber traurigerweise trifft genau das Gegenteil zu.
Kann man irgend etwas gegen das übermäßige Verlangen nach Geld tun, das zu so viel Unglück geführt hat?
Die Notwendigkeit einer Selbstprüfung
Du denkst vielleicht, du seist dem Geld nicht verfallen. Ziehe aber folgendes in Betracht: Drehen sich deine Gespräche hauptsächlich um Geld oder um das, was man damit kaufen kann? Legst du großen Wert auf Geld? Führst du ins Feld, daß du nicht anders über Geld denkst als jeder andere auch, und rechtfertigst so dein Verlangen danach?
Es besteht kein Zweifel, daß einen das Geld in seinen Bann ziehen, ja versklaven kann. Ein weiser Lehrer warnte vor zweitausend Jahren vor der ‘trügerischen Macht des Reichtums’ und verglich das angenehme Gefühl, das jemand haben mag, der viel Geld besitzt, mit Dornen, die alle fruchttragenden Pflanzen in der Nähe ersticken (Matthäus 13:22). Die Bibel warnt auch davor, daß „die Geldliebe ... eine Wurzel von schädlichen Dingen aller Arten“ ist und daß diejenigen, die ihr nachstreben, ‘sich selbst mit vielen Schmerzen überall durchbohren’ (1. Timotheus 6:10).
Wenn Geld die Oberhand gewinnt, ist es wirklich ein schlechter Herr. Doch es ist in der Welt von heute auch von Nutzen — als Diener.