Die Frauenbewegung führt Veränderungen herbei
SEIT den kleinen Anfängen der Frauenbefreiungsbewegung vor über 25 Jahren haben sich für Frauen in vielen Ländern der Welt wie nie zuvor am Arbeitsplatz, in der Regierung und im Gemeindeleben die Türen geöffnet.
Beginnende Veränderungen
„Das Problem ohne Namen“ — so nannte es die amerikanische Schriftstellerin Betty Friedan in ihrem 1970 erschienenen Buch Der Weiblichkeitswahn. Damals stellte sie ein Unbehagen unter Frauen des Mittelstandes fest, die sich in einem Leben, das sich nur um Ehemann und Kinder drehte, gefangen fühlten. Bei vielen Frauen, die eine nagende Frustration verspürten, einen undefinierbaren Groll, schlug dieses Buch eine Saite an, die noch heute vibriert.
„Ich hatte das Gefühl, mein Verstand liege brach“, sagte Lyn, eine Kanadierin, über ihre Ehe in den 70er Jahren. Sie erklärte gegenüber Erwachet!: „Ich hatte einen Mann und zwei Kinder, aber ich fühlte mich nicht ausgefüllt. Ich wollte ... wirklich jemand sein.“
Die Unzufriedenheit einzelner brachte eine durchgreifende gesellschaftliche Bewegung hervor, die versuchte, Frauen von der „Herrschaft“ der Männer zu befreien. Die Hauptangriffspunkte waren die Familie, die Feministinnen mit häuslicher Sklaverei verglichen, und der Arbeitsplatz, da die Chancen der Frauen begrenzt waren und sie meist weniger verdienten als die Männer.
Veränderungen bewirkt
Die bedeutendsten Veränderungen, die durch die Bewegung erwirkt wurden, sind ein kooperatives Denken der Gesellschaft in vielen Ländern — mehr Einsicht in bezug auf Frauenfragen, ein neuer Sinn für Fairneß beim Anhören der Probleme von Frauen und eine größere Würdigung ihrer Beiträge und Fähigkeiten auf vielen Gebieten.
Veränderungen im Denken sind in greifbare Reformen übergegangen. Frauen sind nun Seite an Seite mit Männern in vielen Industrieberufen tätig, die früher für sie tabu waren. Wenn auch in geringerer Zahl, dringen Frauen doch in traditionell männliche Bereiche wie Unternehmensleitungen vor. „Es gibt jetzt mehr echte Wahlmöglichkeiten“, sagte eine Feministin gegenüber Erwachet!
Frauen sind heute in vielen Ländern in den höchsten politischen Positionen vertreten. Einige der führenden Staaten der Welt — zum Beispiel Indien, Israel und Großbritannien — wurden unlängst oder werden gegenwärtig von einer Frau geleitet. Die philippinische Präsidentin Corazon Aquino sagte von der „blutlosen“ Revolution, durch die sie 1986 an die Macht kam: „Es waren Frauen, die sich an der Front des Geschehens befanden.“
Viele Veränderungen sind sowohl Männern als auch Frauen zugute gekommen. Frauen wurden und werden in der ganzen Welt ungerecht behandelt. Somit ist es sicherlich positiv zu bewerten, wenn Frauen am Arbeitsplatz oder anderswo nicht diskriminiert werden. Mehr Einsicht in bezug auf die Nöte, Probleme und Fähigkeiten der Frauen ist seit langem überfällig. Frauen sind bestimmt nicht weniger menschlich in ihrem Bestreben und Bedürfnis, um der eigenen Person willen anerkannt und geschätzt zu werden, als Männer.
Ist die Frauenbewegung aber ein ungetrübter Segen gewesen? Manch einer macht sich Gedanken, ob die Bemühungen in einigen Fällen nicht zu extrem waren oder zu weit gegangen sind. Frauen fragen sich: Welchen Preis fordert die Befreiung? Ist die Bewegung noch so kraftvoll wie einst? Und wie sieht ihre Zukunft aus? Im folgenden Artikel werden diese Fragen untersucht.
[Herausgestellter Text auf Seite 4]
Frauen wurden und werden in der ganzen Welt ungerecht behandelt. Sicherlich ist es positiv zu bewerten, wenn Frauen nicht diskriminiert werden. Ist die Frauenbewegung aber ein ungetrübter Segen gewesen?