Fragen, die eine Antwort verlangen
VIELLEICHT haben wir uns schon in gewissen Situationen gefragt: „Wenn es einen Gott gibt, warum hat er dann so viel Leid zugelassen? Und warum so lange — während der ganzen Menschheitsgeschichte? Wird das Leiden je ein Ende haben?“
Viele Menschen sind verbittert, weil sie keine zufriedenstellenden Antworten auf solche Fragen finden. Einige haben sogar ihren Glauben an Gott verloren oder geben Gott die Schuld an ihrem Unglück.
Ein Überlebender des Holocausts der Nationalsozialisten beispielsweise war so verbittert, daß er sagte: „Wenn Sie an meinem Herzen lecken könnten, wären Sie vergiftet.“ Ein anderer Mann, der unter rassistisch motivierter Verfolgung zu leiden hatte, die im 1. Weltkrieg das Leben von Freunden und Verwandten forderte, fragte bitter: „Wo war Gott, als wir ihn brauchten?“
Nicht wenige sind verwirrt. Von ihrem Standpunkt aus ist es ein Widerspruch, daß ein Gott der Güte und Liebe während so langer Zeit Schlechtes zugelassen hat.
Was der Mensch getan hat
Unbestreitbar hat der Mensch über die Jahrhunderte hinweg, ja seit Jahrtausenden seinem Mitmenschen unsagbares Leid zugefügt. Das Ausmaß und das Grauen all dessen übersteigt jegliches Vorstellungsvermögen.
Im Verlauf der angeblichen Zivilisierung haben die Menschen immer schrecklichere Mittel ersonnen, um einander zu vernichten oder zu verstümmeln: Kanonen, Maschinengewehre, Kriegsflugzeuge, Panzer, Raketen, Flammenwerfer sowie chemische und atomare Waffen. Als Folge davon kamen allein in den Kriegen unseres Jahrhunderts etwa 100 Millionen Menschen um. Weitere Hunderte von Millionen wurden verwundet oder hatten in anderer Weise zu leiden. Was an materiellen Werten wie Häusern und anderem Besitz zerstört wurde, ist überhaupt nicht zu berechnen.
Wenn man nur an den Strom von Tränen, den unbeschreiblichen Kummer und den unerträglichen Schmerz denkt, die auf das Konto des Krieges gehen! Nur zu oft sind es die Unschuldigen, die leiden: alte Männer und Frauen, Kinder, Säuglinge. Und nur zu oft kommen die Verursacher des Unheils ungeschoren davon.
Weltweit hält das Leiden an. Jeden Tag werden Menschen ermordet oder werden auf andere Weise zu Opfern der Kriminalität. Sie werden bei Unfällen oder Naturkatastrophen wie Stürmen, Überschwemmungen und Erdbeben verletzt oder getötet. Sie leiden unter Ungerechtigkeit, Vorurteilen, Armut, Hunger, Krankheiten und vielem anderen.
Wie könnte ein guter Gott etwas — die Menschheit — erschaffen haben, das so schrecklich, so oft und Jahrhundert um Jahrhundert leiden mußte?
Das Dilemma im menschlichen Körper
Das Dilemma spiegelt sich sogar im menschlichen Körper wider. Wissenschaftler und andere, die den Körper studiert haben, stimmen darin überein, daß er wunderbar gemacht ist.
Denken wir nur an einige phantastische Merkmale: das einzigartige menschliche Auge, das von keiner Kamera kopiert werden kann; das ehrfurchteinflößende Gehirn, das den fortschrittlichsten Computer plump und alt aussehen läßt; die komplexe Zusammenarbeit der Körperteile, die ohne unser bewußtes Dazutun funktioniert; das Wunder der Entwicklung eines Kindes im Mutterleib, bei der in nur neun Monaten ein seinen Eltern ähnliches, süßes Baby heranwächst. Viele Menschen kommen zu dem Schluß, daß eine solch meisterhafte Konstruktion wie der menschliche Körper von einem meisterhaften Konstrukteur geschaffen worden sein muß — von unserem Schöpfer, Gott, dem Allmächtigen.
Doch traurigerweise verfällt dieser wunderbare Körper. Mit der Zeit wird er von Krankheit, Alter und Tod überwältigt. Schließlich zerfällt er zu Staub. Welch eine Tragik! Gerade wenn jemand die Erfahrungen nutzen könnte, die ihn über die Jahrzehnte weiser werden ließen, bricht der Körper zusammen. Was für ein Kontrast zwischen dem Potential des Körpers an Gesundheit, Vitalität und Schönheit zu Beginn des Lebens und seinem bemitleidenswerten Ende!
Warum sollte ein liebevoller Schöpfer etwas so Hervorragendes wie den menschlichen Körper gemacht haben, nur damit dieser so traurig endet? Warum sollte er einen Mechanismus geschaffen haben, der einen so guten Start mit einem so großen Potential hat, aber dann so jämmerlich endet?
Erklärungsversuch
Einige sind der Meinung, Böses und Leiden seien Gottes Mittel zur Verbesserung unseres Charakters durch Widerwärtigkeiten. Ein methodistischer Geistlicher erklärte: „Das Vergelten von Bösem mit Gutem ist Teil des göttlichen Erlösungsplans.“ Gute Menschen müßten als Teil des göttlichen Plans seiner Ansicht nach zur Charakterbildung und Rettung unter den Taten schlechter Menschen leiden.
Aber würde ein liebevoller menschlicher Vater versuchen, den Charakter seiner Kinder zu verbessern, indem er dafür sorgt, daß sie von einem gemeinen Verbrecher gequält werden? Denken wir auch daran, daß viele junge Menschen durch Unfälle, Morde oder Kriege umkommen. Diese jungen Opfer haben keine weitere Gelegenheit, ihren Charakter zu verbessern, denn sie sind tot! Der Gedanke, Leiden würden zugelassen, um den Charakter zu verbessern, ist also nicht sinnvoll.
Kein vernünftiger und liebevoller menschlicher Vater würde seinen Lieben Leiden oder Unglücksfälle wünschen. Im Gegenteil, ein Vater, der beabsichtigte, seine Lieben „zur Charakterbildung“ leiden zu lassen, würde als unfähig oder sogar als geistesgestört angesehen werden.
Könnte daher vernünftigerweise gesagt werden, daß Gott, der liebevolle Vater schlechthin, der allweise Schöpfer des Universums, absichtlich für Leiden als Teil seines „Erlösungsplans“ gesorgt hat? Damit würde er einen äußerst grausamen und schrecklichen Charakterzug aufweisen, den wir alle schon bei uns kleinen Menschen unannehmbar fänden.
Die Antwort finden
Wohin können wir uns wenden, um eine Antwort auf die Frage zu finden, warum Gott Leiden und Bosheit zugelassen hat? Da es hierbei um Gott geht, wäre es sinnvoll, festzustellen, was er selbst zur Beantwortung der Frage zu sagen hat.
Wie können wir die Antwort finden? Indem wir uns an die Quelle wenden, von der Gott sagt, daß er sie als Anleitung für die Menschen geschaffen hat: die Heilige Schrift, die Bibel. Ungeachtet, was jemand über diese Quelle denken mag, verdient sie es, untersucht zu werden, denn „die ganze Schrift ist von Gott inspiriert und nützlich ... zum Richtigstellen der Dinge“, wie der Apostel Paulus schrieb (2. Timotheus 3:16). Er sagte ebenfalls: „Als ihr Gottes Wort, das ihr von uns hörtet, empfingt, habt ihr es nicht als Menschenwort angenommen, sondern als das, was es wahrhaftig ist, als das Wort Gottes“ (1. Thessalonicher 2:13).a
Eine Antwort auf die Frage zu finden, warum das Leiden zugelassen wurde, ist mehr als nur eine intellektuelle Übung. Die Antwort ist von grundlegender Bedeutung für unser Verständnis dessen, was sich heute in der Welt abspielt, was in der nahen Zukunft geschieht und wie jeder von uns davon betroffen wird.
Wir schulden es uns, die Bibel — Gottes Mitteilung an die Menschheitsfamilie — für sich selbst sprechen zu lassen. Was sagt sie darüber, wie das Leid begann und warum Gott es zugelassen hat?
Ein Schlüssel zum Verständnis steht mit der geistigen und gefühlsmäßigen Beschaffenheit des Menschen im Zusammenhang. Die Bibel zeigt, daß der Schöpfer uns eine entscheidende Veranlagung eingepflanzt hat: den Wunsch nach Freiheit. Wir wollen kurz betrachten, was unter dem freien Willen der Menschen zu verstehen ist und was dieser mit Gottes Zulassung des Leidens zu tun hat.
[Fußnote]
a Eine Betrachtung der Beweise dafür, daß die Bibel von Gott inspiriert ist, ist in dem von der Wachtturm-Gesellschaft herausgegebenen Buch Die Bibel — Gottes oder Menschenwort? zu finden.