Eine neuzeitliche Bibelübersetzung wählen
WOZU überhaupt neuzeitliche Bibelübersetzungen? Sind die alten, zum Beispiel die Martin Luthers, nicht gut genug? Gewiß sind sie gut, und sie haben auch unzähligen Menschen geholfen, zum Glauben an Gott und sein Wort, die Bibel, zu gelangen. Gibt es aber doch noch bessere Übersetzungen?
Jawohl, es gibt noch bessere Bibelübersetzungen, und zwar sind sie aus verschiedenen Gründen besser. Luthers Bibelübersetzung gehört unbestreitbar zu den schönsten Dichtwerken der deutschen Sprache. Auch die im englischen Sprachgebiet gebräuchliche King-James-Bibel gilt als ein literarisches Meisterwerk Es wurde darüber jedoch treffend gesagt: „Die Hauptaufgabe eines Übersetzers besteht darin, das, was der Verfasser des Originals niederschrieb, so deutlich wie möglich wiederzugeben. Er sollte nicht versuchen den schwülstigen Stil hineinzubringen ..., der eher dem ersten elisabethanischen Zeitalter in England eigen war als den hebräischen Grundtexten. ... Es wäre sicherlich gefährlich, den Stil der Übersetzung der Bedeutung vorzuziehen.“
Ein Grund, weshalb neuere Übersetzungen besser sein mögen als die 1534 erschienene Übersetzung Martin Luthers, ist die Wandlung der deutschen Sprache seit jener Zeit. Das Wort „einfältig“ zum Beispiel bedeutete früher „schlicht, einfach, arglos, ohne Falsch“. Heute dagegen ist „beschränkt, dumm, leichtgläubig“ die vorwiegende Bedeutung dieses Wortes. (Matth. 6:22) Statt „sintemal“ gebraucht man heute die Wörter „da, weil“. (Luk. 1:1) Früher bedeutete „Vorwitz“ soviel wie „‚Wunder‘, also das über das übliche Wißbare Hinausgehende, das Verwunderung Erregende“. Heute bedeutet es „Vorlautheit, Dreistigkeit“. (Apg. 19:19) Statt „Schwieger“ sagt man heute „Schwiegermutter“. — Matth. 8:14.
Die Fortschritte in der Erforschung der griechischen Sprache, in der die Christlichen Griechischen Schriften geschrieben wurden, haben bessere Übersetzungen möglich gemacht. Papyrusfunde eröffneten einen Einblick in die Verwendung alltäglicher Ausdrücke, die früher nicht richtig verstanden wurden. So dachte man zum Beispiel, die Bezeichnung „Racha“ bedeute lediglich „Hohlkopf“, was sich aber nicht damit vereinbaren ließ, daß Jesus den Gebrauch dieses Ausdrucks streng verurteilte. (Matth. 5:22, Lu, 1948) Aufgrund eines Papyrusfundes erklärte der Gelehrte E. Goodspeed nun jedoch, „Racha“ sei eine unanständige Bezeichnung gewesen, „die man manchmal aus dem Munde unanständiger Leute hören konnte, der man aber in der Literatur nie begegnete“. Die Neue-Welt-Übersetzung gibt diese Bezeichnung mit „ein unaussprechliches Wort der Verachtung“ wieder.
Ein weiteres Beispiel ist das Verb apekho, das in älteren Übersetzungen mit „haben dahin“ wiedergegeben wird, das aber „vollständig haben“ bedeutet und nach der Erklärung eines biblischen Wörterbuches (Expository Dictionary of New Testament Words von Vine) „ein Ausdruck aus der Geschäftssprache ist, der beim Ausstellen einer Quittung gebraucht wurde“. Als Jesus daher die verurteilte, die ihre Barmherzigkeit heuchlerisch zur Schau trugen, sagte er: „Sie haben bereits ihren vollen Lohn.“ Sie werden nichts mehr bekommen, denn sie empfangen jetzt schon alles, was sie sich wünschen, nämlich die Ehre von Menschen. — Matth. 6:2.
Neuzeitliche Übersetzungen helfen uns oft, Redewendungen zu verstehen, die bei den Juden oder Griechen gebräuchlich waren, uns aber nicht geläufig sein mögen. So heißt es in 1. Petrus 1:13 (Lu): „Begürtet die Lenden eures Gemütes.“ Weit verständlicher für den heutigen Leser ist dagegen die Wiedergabe: „Gürtet euren Sinn zur Tätigkeit.“ — NW.
Einen besonders wertvollen Beitrag zur Verbesserung der Bibelübersetzungen haben die Funde alter Handschriften geliefert. Als Luther die Bibel übersetzte, standen ihm nur einige griechische Handschriften aus ziemlich später Zeit zur Verfügung. Seither sind jedoch viele guterhaltene Pergamenthandschriften der gesammelten Bibelbücher ans Licht gekommen, einige davon aus dem 4. Jahrhundert u. Z. Ferner sind Papyrushandschriften und -fragmente aus dem 3. und sogar aus dem 2. Jahrhundert u. Z. gefunden worden. Je älter eine Handschrift ist, desto weniger Änderungen durch die Abschreiber weist sie gewöhnlich auf.
Nicht zu übersehen ist auch, daß das Verständnis des Wortes Gottes zugenommen hat, wie das vorhergesagt wurde: „Der Pfad der Gerechten ist wie das glänzende Morgenlicht, das stets heller leuchtet bis zur Tageshöhe.“ (Spr. 4:18) Je besser das Vorhaben Gottes verstanden wird, desto genauer kann das Wort Gottes übersetzt werden.
SIE MUSS GENAU SEIN
Die Hauptaufgabe eines Bibelübersetzers besteht, wie jemand treffend gesagt hat, darin, die Bedeutung des biblischen Wortlautes so genau wie möglich wiederzugeben.
Was aber den einzigartigen Namen Gottes, Jehova, betrifft, so haben sich verhältnismäßig wenige Übersetzer an diese Regel gehalten. In den Hebräischen Schriften erscheint dieser Name in Form des Tetragrammatons, das heißt des „Vier-Buchstaben-Wortes“ JHWH. Die Wichtigkeit dieses Namens kann nicht bezweifelt werden, denn er kommt über 6 900mal vor und wird in diesem Teil der Heiligen Schrift zur Bezeichnung des Schöpfers häufiger gebraucht als irgendeine andere Bezeichnung.
Die Wichtigkeit des Namens Jehova wird im Vorwort der American Standard Version (1901) hervorgehoben, wo es unter anderem heißt: „Dieser Gedenkname, der in 2. Mose 3:14, 15 erklärt und als solcher im Originaltext des Alten Testamentes immer wieder hervorgehoben wird, bezeichnet Gott als den persönlichen Gott, ... den Freund seines Volkes, ... den ewig lebenden Helfer ... Dieser persönliche Name, der mit einer Menge heiliger Dinge verknüpft ist, ist nun im heiligen Text an den Platz zurückversetzt worden, auf den er unbestritten Anspruch hat.“
Diese Stellungnahme, die nun fast siebzig Jahre alt ist, wird in der Jerusalemer Bibel, einer in jüngster Zeit erschienenen vorzüglichen Übersetzung, bestätigt. Obwohl viele ihrer Fußnoten den Einfluß der Textkritik verraten, gibt sie den Namen Gottes, allerdings mit „Jahwe“, an allen Stellen, wo er im Grundtext erscheint, wieder. Im Vorwort der englischen Ausgabe dieser Übersetzung wird unter anderem gesagt: „Diese genaue Form ist nicht ohne Zögern verwendet worden, und wer gern diese Übersetzung der Psalmen gebrauchen möchte, kann sie ohne weiteres durch das übliche ‚Herr‘ ersetzen. Andererseits würde dadurch viel von dem Reiz und der Bedeutung der Originale verlorengehen. Zum Beispiel zu sagen: ‚Der Herr ist Gott‘ wäre sicherlich eine Tautologie [unnötige Wiederholung oder überflüssige Häufung synonymer Wörter], was aber von ‚Jahwe ist Gott‘ nicht gesagt werden kann.“
Von den vielen deutschen Bibelübersetzungen sind in dieser Hinsicht nur wenige genau, unter anderem die Elberfelder Bibel und die Parallel-Bibel sowie die Neue-Welt-Übersetzung, die alle die Form „Jehova“ verwenden.
GLEICHMÄSSIGKEIT IM AUSDRUCK
Die Gleichmäßigkeit im Ausdruck ist zwar ein Faktor, der bei der Bibelübersetzung nicht immer berücksichtigt werden kann, aber es scheint doch, daß viele Übersetzer ihn zu wenig berücksichtigen oder ihn wegen religiöser Voreingenommenheit überhaupt außer acht lassen. Es ist mit Recht gesagt worden: „Ausdrücke, die eine festumrissene Bedeutung haben, müssen stets gleich übersetzt werden, das heißt, die Übersetzung darf Unterschiede, die im Grundtext durch verschiedene Wörter angedeutet werden, nicht verwischen. Im Neuen Testament wird zum Beispiel ein Unterschied gemacht zwischen den Wörtern ‚Hades‘ und ‚Gehenna‘. Ersteres ist das griechische Wort, das dem hebräischen ‚Scheol‘, Totenwelt, entspricht, mit letzterem dagegen ist der endgültige Strafort für die Bösen gemeint.“ — Why So Many Bibles, Amerikanische Bibelgesellschaft.
Einige Übersetzungen, zum Beispiel Das Neue Testament für Menschen unserer Zeit (von Helmut Riethmüller) und die Übersetzung von Konstantin Rösch, sind in doppelter Hinsicht inkonsequent, denn sie geben Háides mit verschiedenen Wörtern, unter anderem mit „Hölle“, wieder und verwenden das Wort „Hölle“ für Géenna und für Háides. Zu den Übersetzungen, die hierin Gleichmäßigkeit im Ausdruck bewahrt haben, gehören die Elberfelder Bibel und die Neue-Welt-Übersetzung. — Matth. 5:22; 10:28; 11:23; 16:18.
Viele Übersetzer machen auch keinen Unterschied zwischen doulos (ein getaufter Sklave) und diakonos (ein Knecht oder Diener). In der Bibel werden Christen als Sklaven bezeichnet, weil sie um einen Preis erkauft worden sind; sie sind daher Sklaven Gottes, Jehovas, und Jesu Christi, ihres Herrn. Sie sind keine gedungenen Knechte, die ihren Dienst jederzeit nach Belieben aufgeben können. Anscheinend ist manchen Übersetzern der Klang des Wortes „Sklave“ nicht so sympathisch, aber die Bibelschreiber gebrauchten dieses Wort anstatt „Knecht“ aus einem bestimmten Grund. Zu den wenigen Übersetzungen, die in dieser Hinsicht konsequent sind, gehören die Neue-Welt-Übersetzung und das in Englisch erschienene Neue Testament von C. B. Williams. — Röm. 1:1; 1. Kor. 7:23.
Das sind nur einige der vielen Beispiele, die angeführt werden könnten, um zu zeigen, daß die Bibelübersetzer die Gleichmäßigkeit im Ausdruck nicht immer gewahrt haben. Sie zeigen auch, von welchem Wert die Gleichmäßigkeit im Ausdruck für den Leser ist, wenn er den Sinn des ursprünglich Niedergeschriebenen verstehen soll.
EINE GETREUE ÜBERSETZUNG
Die Bibel zu übersetzen ist keine leichte Aufgabe. In vielen Fällen kann auch nicht gesagt werden, die eine Wiedergabe sei besser als eine andere, weil der Grundtext nicht immer eindeutig ist. Es gibt zum Beispiel Stellen, die in vielen der ältesten und besten Handschriften anders lauten als in einer geringeren Anzahl anderer, die aber nicht minder anerkannt sind.
Manchmal geben aber Übersetzer den Grundtext nicht wortgetreu wieder. Nach der englischen Catholic Confraternity-Übersetzung zum Beispiel fragte Jesus seine Mutter auf der Hochzeit zu Kana: „Was möchtest du, daß ich tue, Frau?“ Im Gegensatz dazu gibt Rupert Storr (katholisch) diesen Text wie folgt wieder: „Was habe ich mit dir zu schaffen, Weib?“ Die Übersetzer der Confraternity-Übersetzung ließen sich offensichtlich von religiöser Voreingenommenheit leiten. — Joh. 2:4.
Über den Bibelübersetzer Phillips wird gesagt: „Er läßt das oberste Gebot für Übersetzer außer acht: die Treue zum Original. Warum hält er es zum Beispiel für nötig, Lukas 24:49 mit: ‚Nun übergebe ich euch das [Gebot] des [meines] Vaters‘ zu übersetzen, wenn doch der Text nichts anderes bedeutet als: ‚Ich sende das auf euch herab, was von meinem Vater verheißen ist.‘? Der Hinweis auf das künftige Kommen des Herrn in 2. Timotheus 4:8, ‚allen, die sein Erscheinen geliebt haben‘, geht in ‚allen [denen], die das geliebt haben, was sie von ihm gesehen haben‘, verloren.“ Nach einigen weiteren Beispielen wird dann noch gesagt: „Es könnten noch weitere Beispiele erwähnt werden, aber diese mögen genügen.“ — Why So Many Bibles.
Eine andere neuzeitliche Übersetzung, der man den Vorwurf machen kann, sich nicht getreu an das Original gehalten zu haben, ist A New Translation of the Bible von James Moffatt. Sowohl in den Hebräischen als auch in den Christlichen Griechischen Schriften hat er verschiedentlich Kapitel und Verse nach seinem Gutdünken angeordnet. Ein besonderer Vorwurf kann ihm in dieser Beziehung wegen des Buches Jesaja gemacht werden, dessen Kapitel und Verse er ganz nach seinem Gutdünken angeordnet hat. Die Jesaja-Schriftrolle vom Toten Meer, die etwa tausend Jahre älter ist als der anerkannte massoretische Text, rechtfertigt Dr. Moffatts neue Anordnung des Buches Jesaja keineswegs. Sie erschwert es dem Leser höchstens, gewisse Bibeltexte zu finden.
IST SIE EINE HILFE?
Manchmal mag es der gewissenhafte Übersetzer gerechtfertigt finden, ein oder zwei Wörter einzufügen, um den Sinn verständlicher zu machen. In solchen Fällen besteht jedoch immer die Gefahr, daß der Leser irregeführt wird. So versuchten zum Beispiel die Übersetzer des Neuen Testaments Gute Nachricht für Sie, dem Leser zu helfen, indem sie in 1. Johannes 3:2 „er“ durch „Christus“ ersetzten. Dadurch begingen sie jedoch einen Fehler, denn diese Worte beziehen sich nicht auf Jesus Christus, sondern auf Jehova Gott, was aus dem vorangehenden Vers deutlich hervorgeht. In 1. Timotheus 6:15 fügten sie „Gott“ in den Text ein und führen dadurch den Leser irre, denn der Apostel sagte von Jesus Christus, er sei „der glückliche und einzige Machthaber ... der König derer, die als Könige herrschen, und Herr derer, die als Herren herrschen“. — Vergleiche Vers 14.
Wenn aber eine solche Wiedergabe mit dem Begleittext übereinstimmt und nicht von religiöser Voreingenommenheit beeinflußt ist, kann sie eine große Hilfe sein. Matthäus 26:26 lautet deshalb nach der Neuen-Welt-Übersetzung: „Dies bedeutet meinen Leib“, denn das meinte Jesus offensichtlich. Er hatte ja seinen Leib immer noch; folglich konnte das Brot nicht sein buchstäblicher Leib sein. Das Wort koimaomai, unter dem man damals „schlafen“ verstand, wird in der Neuen-Welt-Übersetzung gewöhnlich mit „er entschlief [im Tode]“ wiedergegeben, wenn es sich auf den Tod bezieht, zum Beispiel in Apostelgeschichte 7:60. Die Klammern lassen erkennen, daß „im Tode“ nicht im Original steht.
Diese Übersetzung ist auch eine wertvolle Hilfe durch ihre Wiedergabe des Wortes kyrios, das „Herr“ oder „Meister“ bedeutet. In allen Fällen, in denen aus dem Begleittext hervorgeht, daß Jehova Gott gemeint ist, gibt sie kyrios mit „Jehova“ wieder. Ist das zu weit gegangen? Nein, denn in allen diesen Fällen, ausgenommen in einem, geben auch einige hebräische Übersetzungen kyrios so wieder. (Matth. 1:20, 22) Die Verwendung des Namens Jehova in den Christlichen Griechischen Schriften ist besonders in den Fällen angebracht, wo es sich um ein Zitat aus den Hebräischen Schriften handelt, in dem der Name „Jehova“ vorkommt. — Matth. 3:3; 4:7, 10.
Heute stehen dem deutschen Bibelleser viele neuzeitliche Übersetzungen zur Verfügung. Bei der überwiegenden Zahl handelt es sich jedoch nur um die Christlichen Griechischen Schriften. Einige dieser Übersetzungen sind wegen ihres flüssigen Stils und ihrer vielen ausgezeichneten Wendungen oder treffenden Ausdrücke ziemlich beliebt. Wie die angeführten Beispiele aber gezeigt haben, ist es leicht möglich, daß sie Fehler enthalten, die darauf zurückzuführen sind, daß die betreffenden Übersetzer sich zu viele Freiheiten herausgenommen, nicht das richtige Verständnis oder ein religiöses Vorurteil gehabt haben. Da Genauigkeit und Zuverlässigkeit die wichtigsten Voraussetzungen für eine gute neuzeitliche Bibelübersetzung sind, empfiehlt es sich wahrscheinlich — besonders für Leser die glauben, daß die Bibel das inspirierte Wort Gottes ist —, eine vorwiegend wörtliche Übersetzung zu gebrauchen. Welche Übersetzung ziehst du vor?