1. Samuel betont die Wichtigkeit des Gehorsams
FÜR Christen kann die Wichtigkeit des Gehorsams wohl kaum überbetont werden. Das trifft besonders in bezug auf die ihnen geltenden Gebote Gottes zu. Fing nicht alles Unheil in der Welt damit an, daß unsere Ureltern dem Gebot Gottes, nicht von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen, nicht gehorchten? Ja, wer Gottes Wohlgefallen erlangen möchte, muß ihm gehorchen (1. Mose 2:16, 17; 3:1-19).
In 1. Samuel wird besonderer Nachdruck auf die Wichtigkeit des Gehorsams gelegt. Dieses Buch enthält nicht nur Vorschriften, die Gehorsam verlangen, sondern zeigt auch die Früchte des Gehorsams und die Folgen des Ungehorsams.
Ursprünglich bildete dieses Buch mit 2. Samuel ein Ganzes (eine Rolle). Es behandelt fast 100 Jahre der Geschichte Israels, von der Zeit kurz vor der Geburt Samuels, der der letzte in einer Reihe von Richtern war, bis zum Tode Sauls, des ersten Königs Israels. Das herausragende Ereignis in dem Bericht ist Israels Wechsel von der Richterherrschaft zur Monarchie. Drei Personen stechen besonders hervor: der Prophet Samuel, König Saul und David. Das Buch behandelt nacheinander (1.) Samuel und sein Richteramt, (2.) Sauls frühes Königtum, (3.) Davids Beutezüge, die Verfolgung Davids durch Saul und Sauls Selbstmord auf dem Schlachtfeld.
Viele Mutmaßungen wurden darüber angestellt, wer das Buch 1. Samuel geschrieben hat. Für alle, die an die Inspiration der Bibel glauben, sind jedoch die Worte in 1. Chronika 29:29 deutlich genug: „Was die Angelegenheiten Davids, des Königs, betrifft, die ersten und die letzten, siehe, sie sind aufgeschrieben in den Worten Samuels, des Sehers, und in den Worten Nathans, des Propheten, und in den Worten Gads, des Visionensehers.“ Das heißt, daß der Prophet Samuel alles bis zu seinem Tod aufzeichnete, worüber in 1. Samuel 25:1 berichtet wird, und daß dann Nathan und Gad das übrige schrieben. Dieser Ansicht sind auch alte jüdische Gelehrte sowie die meisten frühchristlichen Gelehrten.
Über die Zuverlässigkeit bzw. Genauigkeit der Berichte ist folgendes zu sagen: Auf viele Ereignisse wird in den Psalmen und in den Christlichen Griechischen Schriften Bezug genommen. Die Offenheit und die Ehrlichkeit drücken dem Buch den Stempel der Wahrheit auf. Auch die Archäologie hat die Genauigkeit einiger Aussagen des Buches bestätigt.
Ferner kann gesagt werden, daß die Bücher Samuel von solch literarischem Wert sind, daß ihre Glaubwürdigkeit dadurch noch erhöht wird. Ein bekannter Hebraist bemerkt dazu: „[Das Buch] Samuel enthält einige der schönsten Beispiele hebräischer Prosa, die man in der Bibel findet. ... Wie alles gute Hebräisch erreicht es mit der größten Sparsamkeit an Wörtern ein Höchstmaß an Wirkung. Seine Erzählungen sind Meisterstücke der Geschichtsschreibung.“ Das würde man auch von Samuel erwarten, da er von seiner Entwöhnung an den Vorlesungen aus den Schriften im Heiligtum zuhörte. Die Propheten Nathan und Gad mögen sich bemüht haben, seinen Stil nachzuahmen.
SAMUEL, RICHTER UND PROPHET
Das Buch 1. Samuel berichtet zu Beginn über eine gewisse Hanna, die traurig ist, weil sie kinderlos ist. Bei der Stiftshütte in Silo gelobt Hanna Gott im Gebet, sie werde, wenn er ihr einen Sohn schenken würde, diesen dem Dienst Jehovas übergeben. Gott erhört ihr Gebet. Sie nennt das Kind Samuel, was „Name Gottes“ bedeutet. Sobald sie ihn entwöhnt hat — sehr wahrscheinlich im Alter zwischen drei und fünf Jahren —, bringt sie ihn nach Silo, damit er dort diene. Als jemand, der dem in 5. Mose 23:23 festgelegten Gebot gehorcht, nämlich sein Gelübde zu erfüllen, empfängt sie einen vortrefflichen Lohn. Zweifellos freut sie sich, zu sehen, daß aus ihrem Sohn ein solch tatkräftiger Diener Jehovas wird (1. Sam. 1:1 bis 2:11).
Die beiden Söhne Elis, des Hohenpriesters, sind genau das Gegenteil. Sie dienen zwar als Priester in der Stiftshütte, doch übertreten sie in schamloser Weise nicht nur Gottes Gesetze hinsichtlich ihrer priesterlichen Tätigkeit, sondern handeln auch noch äußerst unsittlich. Sie schenken Eli, der sie deswegen tadelt, keine Beachtung. Jehova mißfällt ihre ungehorsame Handlungsweise so sehr, daß er dem Hause Eli warnend eine Strafe ankündigt, und er läßt diese Botschaft durch den jungen Samuel überbringen. Gott gebraucht die Philister, um dieses Urteil durch eine Niederlage der Israeliten zu vollstrecken. In dieser Schlacht kommen die Söhne Elis ums Leben, und die Philister erbeuten die heilige Bundeslade, die die Israeliten auf das Schlachtfeld gebracht hatten in der Hoffnung, sie diene gleichsam als Zaubermittel, um den Sieg sicherzustellen. Als der betagte Hohepriester Eli, der sehr beleibt und schon blind ist, von dem Verlust der Lade erfährt, fällt er rücklings vom Stuhl und bricht sich das Genick (1. Sam. 2:12 bis 4:22).
Es ist aber nicht Jehovas Wille, daß die Philister die Lade behalten. Durch mehrere Plagen veranlaßt Gott sie, die Lade an die Israeliten zurückzugeben.
Als erwachsener Mann dient Samuel als Priester und Richter Israels. Als sich die Achsenherren der Philister erneut zur Schlacht sammeln, fleht Samuel zu Jehova. Die Folge ist, daß die Israeliten einen eindrucksvollen Sieg über ihre Feinde erringen. Samuel richtet Israel weiter Jahr für Jahr und besucht „den Kreis von Bethel und Gilgal und Mizpa“ (1. Sam. 5:1 bis 7:17).
SAUL, ISRAELS ERSTER KÖNIG
Es besteht kein Zweifel darüber, daß Samuel Gottes Geboten gehorcht und dafür gesegnet wird, doch anders verhält es sich mit seinen Söhnen. Sie ‘gehen ungerechtem Gewinn nach, lassen sich bestechen und beugen das Recht’. Die Israeliten nehmen diese Situation zum Anlaß, um einen König zu erbitten, der über sie herrsche. Sie fürchten sich auch vor Einfällen benachbarter Völker. Die Bitte der Israeliten trifft Samuel hart. Aber Gott versichert ihm, daß sie durch ihre Bitte um einen menschlichen König nicht nur Samuel ablehnen, sondern daß sie in Wirklichkeit Gott als ihren König ablehnen. Samuel weist sie warnend darauf hin, welche große Bürde es für sie bedeuten werde, einen König zu haben, aber sie bestehen dennoch darauf. Sie möchten wie die sie umgebenden Nationen sein. Jehova zeigt sein Mißfallen über ihre Entscheidung, indem er ein der Jahreszeit nicht entsprechendes Gewitter aufziehen läßt. Aber er kehrt seinem Volk nicht den Rücken. Er wählt einen König aus: Saul, einen bescheidenen Mann, der um Kopf und Schulter alle anderen seines Volkes überragt und wirklich das Aussehen eines Königs hat. Samuel salbt Saul zunächst im geheimen und dann öffentlich und läßt Saul als König über die Nation Israel ausrufen (1. Sam. 8:1 bis 10:27).
Zunächst erweist sich Saul als ein fähiger König. Er vereinigt die Streitkräfte Israels und besiegt die Ammoniter, die den Männern von Jabesch, deren Stadt sie belagert haben, eine sadistische Behandlung angedroht hatten. Zu dieser Zeit hält Samuel sozusagen seine Abschiedsansprache. Er erinnert sein Volk daran, wie gerecht und ehrlich er Israel alle Tage seines Lebens gerichtet hat, und fordert es wiederholt auf, Jehova zu fürchten und ihm treu zu dienen (1. Sam. 11:1 bis 12:25).
Danach begeht König Saul einen Fehler nach dem anderen, indem er Gottes Gebote nicht befolgt. Es tritt eine Notlage ein, als ein großes Philisterheer anzugreifen droht. Saul wird gesagt, er solle auf Samuel warten, der Opfer darbringen und dadurch Jehovas Hilfe erflehen werde. Weil sich Samuel verspätet und anscheinend eine Notlage besteht, mißachtet Saul vermessenerweise den Befehl zu warten und bringt Brandschlachtopfer und Gemeinschafts-Schlachtopfer dar. Gleich danach erscheint Samuel. Jehova verwirft Saul als König wegen seiner anmaßenden Ungeduld: „Weil du nicht gehalten hast, was Jehova dir geboten hat“ (1. Sam. 13:1-23).
Erneut begeht Saul einen schweren Fehler, indem er dem Gebot Jehovas, die Amalekiter vollständig auszurotten, nicht gehorcht. Jahrhunderte zuvor hatten die Amalekiter Israels Nachzügler, die auf ihrem Marsch durch die Wildnis erschöpft und ermattet waren, heimtückisch angegriffen (5. Mose 25:17-19). Weil Saul zusammen mit dem Volk das Auserlesenste der Herden sowie Agag, den König der Amalekiter, verschont hat, erklärt ihm Samuel: „Hat Jehova ebensoviel Gefallen an Brandopfern und Schlachtopfern wie daran, daß man der Stimme Jehovas gehorcht? Siehe! Gehorchen ist besser als Schlachtopfer ... Weil du das Wort Jehovas verworfen hast, verwirft er daher dich, daß du nicht König seist.“ Danach sieht Samuel Saul nicht mehr, obgleich er sehr um ihn trauert (1. Sam. 15:1-35).
Kurze Zeit darauf sendet Jehova Samuel zum Hause Jesses, um dessen jüngsten Sohn, David, als nächsten König zu salben. Nun verläßt Jehovas Geist Saul, und dieser wird von Depressionen geplagt. Als ausgezeichneter Harfenist wird David ausgewählt, um König Saul vorzuspielen, was ihm Erleichterung verschafft. Dann erfahren wir, wie David den großtuerischen Philisterriesen Goliath mit einer Schleuder und nur einem Stein niederstreckt. Durch seinen Glauben und seinen Eifer für Jehovas Namen gewinnt er die Zuneigung Jonathans, des Sohnes Sauls, und ‘Jonathan beginnt David zu lieben wie seine eigene Seele’ (1. Sam. 18:1). Obwohl deutlich wird, daß nicht Jonathan, sondern David der nächste König Israels ist, bleibt Jonathan Davids treuer Freund und steht selbst unter Einsatz seines Lebens auf Davids Seite.
David ist nun in der Schlacht so erfolgreich, daß die Frauen Israels singen: „Saul hat seine Tausende niedergeschlagen und David seine Zehntausende.“ Das erfüllt Saul mit einer Eifersucht, die in seinem Innern zu einer verzehrenden Leidenschaft wird; der Versuch, sich Davids zu entledigen, steht bei ihm nun obenan. In der Zeit, in der Saul David wie ein wildes Tier jagt, bietet sich David zweimal die Gelegenheit, Saul zu töten, doch er weigert sich, ‘Jehovas Gesalbten anzurühren’ (1. Sam. 18:1 bis 24:22; 26:1-25).
Dem flüchtenden David schließen sich weitere Israeliten an, die unzufrieden sind, und sie gelten als eine Bande Geächteter. Doch sie dienen den Bauern und ihren Herden als Schutz vor Räubern. Deswegen erbittet David von Nabal, einem wohlhabenden Besitzer von Schafherden, eine Belohnung. Nabal weist Davids Bitte frech zurück, worauf David ihm eine schlimme Strafe schwört. Doch nachdem Nabals Frau erfahren hat, was geschehen ist, und das Schlimmste befürchtet, handelt sie, um David mit großzügigen Geschenken zu besänftigen. Als Nabal plötzlich stirbt, bittet David sie, seine Frau zu werden, eine Bitte, der sie gern nachkommt (1. Sam. 25:1-42).
Als sich die Philister wieder zum Angriff sammeln, sucht König Saul vergeblich die Führung Jehovas. Jehovas Geist ist von ihm gewichen. Sauls Gebete bleiben unbeantwortet, und selbst die Priester haben für ihn kein einziges Wort von Jehova. In seiner Verzweiflung wendet er sich an ein Geistermedium. Die Frau hat nur eine schlechte Nachricht für ihn. In Sauls letzter Schlacht erleidet Israel eine schreckliche Niederlage, sein Sohn Jonathan kommt ums Leben, und Saul selbst begeht, nachdem er tödlich verwundet worden ist, Selbstmord (1. Sam. 28:1 bis 31:13).
Das Buch Samuel gehört wirklich zu dem, was vorzeiten zu unserer „Unterweisung“ geschrieben worden ist. Es ist ‘nützlich zum Lehren, zum Zurechtweisen, zum Richtigstellen der Dinge, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, damit wir völlig tauglich seien, vollständig ausgerüstet für jedes gute Werk’. Insbesondere betont es die Wichtigkeit des Gehorsams und die tragischen Folgen des Ungehorsams (Röm. 15:4; 2. Tim. 3:16, 17).