Eine patriarchalische Gesellschaft
„Abraham, das Familienhaupt … Durch Glauben hielt er sich vorübergehend in dem Lande der Verheissung auf wie in einem fremden Lande, und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheissung.“ — Heb. 7:4; 11:9, NW.
1. Warum finden es Christen heute zeitgemäss, einige der Schattenbilder und Systeme früherer Gesellschaften zu prüfen?
GOTTESFÜRCHTIGE Menschen beobachten auf der ganzen Erde den gegenwärtigen Zerfall der korrupten Alten-Welt-Gesellschaft. Biblische Prophezeiungen und das Zeichen der Zeiten beweisen endgültig, dass diese Alten-Welt-Systeme der Dinge in unmittelbarer Zukunft, tief gedemütigt durch eine totale Niederlage, für immer von der Weltbühne abtreten werden. Glücklicherweise hat Jehova Gott in seiner grossen Barmherzigkeit und Voraussicht für die Generation der Gerechten, die jetzt auf Erden wohnen, eine Aufzeichnung seiner göttlichen Offenbarungen aufbewahrt, die eine Menge von Geheimnissen enthalten. Diese beziehen sich auf unser gegenwärtiges und künftiges Wohl. Kraft der Ereignisse werden nun viele dieser Geheimnisse durch den Grossen Ausleger selbst enthüllt. (Dan. 2:47) Aus diesen kann eine aufklärende Vision der Einzelheiten erlangt werden, die in der Neuen-Welt-Ordnung der Dinge in Wirksamkeit sein werden. Heute nimmt die neue Ordnung der Dinge bereits Gestalt an, und sie wird zur Zeit von Harmagedon völlig in Funktion sein und die Lücke ausfüllen, die nach dem katastrophalen Verschwinden der alten Ordnung da sein wird. Aus diesem Grunde studieren Gottes Zeugen auf Erden nun fleissig die Heilige Schrift, um die zahlreichen Schattenbilder, Grundsätze, Methoden, Verfahrungsweisen und Systeme gründlich zu prüfen, die von den Gesellschaften der Diener Gottes in biblischen Zeiten angewandt wurden. Gottes Handlungsweise mit diesen Gesellschaften in alter Zeit schattete manche Entwicklung in der Neuen-Welt-Ordnung der Dinge vor. — Röm. 15:4, NW.
2. Was ist mit dem Ausdruck „patriarchalische Gesellschaft“ gemeint? Wann existierte solch eine Art biblischer Gesellschaft?
2 Unser jetziges Vorhaben ist die Prüfung der patriarchalischen Gesellschaft. Um damit zu beginnen, sollten wir wissen, was das Wort Gesellschaft im allgemeinen bedeutet. Gesellschaft bedeutet eine Organisation von Personen, die zu verschiedenen Zwecken mit den Einzelpersonen verbunden sind, welche als Glieder einer Gemeinschaft (Gemeinde) beisammen wohnen. Während 856 Jahren nach der Flut war die Art der menschlichen Gesellschaft, mit der Jehova Gott handelte, diejenige einer patriarchalischen Gesellschaft. Die letzten 215 Jahre dieser patriarchalischen Zeitepoche jedoch fanden die Israeliten in der Sklaverei, und dies als eine patriarchalische Gesellschaft, welche Ägypten untertan war. Ein Patriarch war ein Familienhaupt. (Apg. 7:8, 9, NW) Somit war eine patriarchalische Gesellschaft die Organisation von Personen, welche durch Blut, Heirat oder Adoption verwandt waren und gemeinsam unter der Führung eines männlichen Familienhauptes zusammen lebten und wirkten. Eine solch patriarchalische Gesellschaft bildete eine „Familienregierung“.a
NOAH ALS FAMILIENHAUPT
3. Beschreibe Noahs Organisierungstätigkeit.
3 Der erste grosse Patriarch oder das erste Familienhaupt der menschlichen Gesellschaft unmittelbar nach der Sintflut war Noah. Aus dem Bericht der Bibel über Noahs Tätigkeit und aus späteren offenkundigen Beweisen seiner Führerschaft entnehmen wir, dass Noah ein grosser Organisator der menschlichen Gesellschaft war. Etwa 40 bis 50 Jahre vor der Flut organisierte er seine Familie, bestehend aus drei Söhnen und ihren Frauen und seiner eigenen Frau, zum Bauen der Arche. Dies war ein ausserordentlich grosses Unternehmen, und es musste dazu viel Bauholz und anderes Material gesammelt und zusammengestellt werden. All dies erforderte Unterhandlungen mit Nachbarvölkern, Zahlung von Geld für Materialien und Dienstleistungen und das Schliessen von Verträgen, wodurch Verhaltungs- und Geschäftsregeln nötig wurden. Ferner erforderte das Zusammentreiben einer Menge von Tieren, die später in die Arche eingingen, ein Vorausplanen und ordnungsmässiges Handeln. Nachdem Noah, der 599 Jahre alte, kluge Organisator, alle Vorbereitungen getroffen hatte, ging er im Jahre 2370 v. Chr. in die Arche hinein, und dies mit einer organisierten Gesellschaft, deren Haupt er war. Ein Jahr und zehn Tage lang sorgte er für die Ordnung und das Wohl dieser Gemeinschaft in der Arche, während die Wasser der Flut die Erde überschwemmten. — 1. Mose 6:13 bis 8:19.
4. Was tat Gott für die menschliche Gesellschaft direkt nach der Flut?
4 Jehova Gott hatte diese vorsintflutliche patriarchalische Gesellschaft unter Noah, dem Haupte, gesegnet und geleitet. Geradeso wie diese Gesellschaft völlig organisiert in die Arche eingegangen war, so kam sie völlig organisiert unter einer Familienregierung wieder heraus. Nachdem sie im Jahre 2369 v. Chr. wohlbehalten trockenes Land betreten hatten, veranlasste Noah die Seinen sogleich, ein mächtiges Brandopfer der Lobpreisung für ihren Befreier Jehova zu machen. Jehova hatte Wohlgefallen an diesem Beweis der Dankbarkeit und begann, Noah Anweisungen für die Fortsetzung der menschlichen Gesellschaft zu geben. Gott verhiess dem Menschen, dass er den Erdboden nie wieder verfluchen werde und dass die Erde sich weiterhin ihrer verschiedenen Jahreszeiten erfreuen sollte. Auch wurde ein göttliches Gebot gegeben, jeden Teil der Erde mit Familien, die von ihm abstammen sollten, zu füllen. Durch direkte Offenbarung begann Gott, dem Menschen seine Gesetze durch Noah als Vermittler zu geben. Der Regenbogen wurde an den Himmel gesetzt, und dies als ein Zeichen des grossen Bundes Gottes mit der überlebenden Gesellschaft unter Noahs Führung. Folglich unternahm Jehova Gott als der grosse Höherstehende Schritte, um dem Menschen auf einer gereinigten Erde einen gerechten Anfang zu geben. Gott gab dem gerechten Menschen ein Gesetz, gemäss dem sich seine Regierung nach der Flut entwickeln sollte. — 1. Mose 8:20 bis 9:17.
5. Wie war Noah ausgerüstet, um der menschlichen Gesellschaft nach der Flut die richtige Führung zu geben?
5 Da Noah mit Gott wiederholt in direkter Verbindung gestanden und Offenbarungen des göttlichen Willens empfangen hatte, war er als scharfsinniger Gesetzeskundiger und Organisator in einer Stellung von Autorität, wo er die Ausdehnung der menschlichen Gesellschaft nach der Flut leiten konnte. Voll Eifer tat er dies während der 350 Jahre, da er nach der Sintflut noch lebte. In Anbetracht seiner grossen Weisheit, Umsicht und langjährigen Erfahrungen in theokratischen Wegen war Verlass auf Noah, dass er in Sachen des nachsintflutlichen Regierungswesens mit dem rechten Beispiel voranginge. Wenn neue Probleme auftauchten, war er fähig, rechte Grundsätze klar zu zeigen, die richtigen Präzedenzfälle festzuhalten, heilsame Bräuche einzuführen und gesunde Richtersprüche in Harmonie mit den Gedanken des Herrn zu fällen, die er als Gottes vertrauter Diener und Prophet kannte. Wie begünstigt war doch die menschliche Gesellschaft nach der Flut, dass sie einen solch gutgeschulten theokratischen Organisator als Ratgeber hatte. — 1. Mose 9:28, 29.
6. Was für ein Regierungsmuster gab Noah der menschlichen Gesellschaft nach der Flut?
6 Ergriff Noah nach der Flut die Gelegenheit, ein König von einer Superregierung zu werden, um über die ganze, sich eilends mehrende Zahl seiner Nachkommen zu herrschen? Nein; Noah war ein gottesfürchtiger Mann, der an den verheissenen Samen glaubte, und dieser sollte als König gesandt werden, um eine Neue-Welt-Regierung über die gesamte Menschheit aufzurichten. (1. Mose 3:15; Heb. 11:7) Dem Noah war nicht ein Königtum zugewiesen worden. Vielmehr begann er damit, ein Muster von der Entwicklung kleiner Einheiten von Familienregierungen oder patriarchalischen Gesellschaften zu schaffen, und diese Familiengruppen sollten unabhängig von einander leben und nach allen Teilen der Erde hin auswandern. Die Einheit dieser Einrichtung war nicht die Einzelperson, sondern die Familie, eine Gruppe verwandter Einzelpersonen, die von ihrem Familienhaupt, dem Patriarchen, regiert wurden. Nach dem Tode eines Familienhauptes sollte der älteste Sohn als Haupt dieser Einheit amten und den andern Söhnen erlauben, fortzuziehen, wie Esau und Jakob dies in der späteren Geschichte taten, um besondere Gesellschaften zu bilden. Noch später hielten die Söhne eines Familienhauptes nach dem Tode ihres Vaters unter der Führung eines hervorragenden Bruders zusammen, wie dies bei den zwölf Söhnen Jakobs der Fall war, die auf diese Weise ein „Haus“ oder eine Sippe von zwölf Familien wurden. Mit der Zeit entwickelte sich jede Familie der Israeliten zu einem Stamm, und schliesslich wuchsen diese verwandten Stämme zu einer Nation heran, welche unter Jehova, ihrem Haupte, stand. — 1. Mose 46:2, 3; 49:28; 50:24, 25; 2. Mose 19:4-6.
7. Was mitanzusehen, erlebte Noah noch? Wie suchte Satan Gottes Vorsätze in der Zeit nach der Flut zu durchkreuzen, und mit welchem Ergebnis?
7 Unter Noahs weiser Aufsicht ging der vorbildliche göttliche Auftrag des Bevölkerns der Erde bis zu dem Punkte vor sich, wo schliesslich siebzig Nationen in Tätigkeit waren, die alle e i n e Sprache sprachen, aber als nomadische Gemeinschaften nach allen Richtungen hin auswanderten. Sechsundzwanzig dieser Nationen waren Sprösslinge Sems, des Sohnes Noahs, vierzehn jene seines ältesten Sohnes Japhet und dreissig seines jüngsten Sohnes Ham. (1. Mose 10:1-32) Noah war auch noch Zeuge des Beginns eines krebsähnlichen Auswuchses der Rebellion wider den grossen souveränen Höherstehenden Jehova Gott. All dies begann mit einem jungen Urenkel von ihm namens Nimrod, der nicht die Ehre hatte, eines von den siebzig Familienhäuptern der siebzig Nationen zu werden. Nimrod rebellierte wider das noachische Regierungssystem, indem er dem Regenbogenbund trotzte und sich des Krieges bediente, um den Menschen Furcht vor ihm einzujagen, und als Werkzeug Satans handelte. Er errichtete die erste Königreichsregierung mit Babylon als Mittelpunkt. Dieser Emporkömmling suchte sich über Noah zu stellen, indem er sich als ersten menschlichen König proklamieren liess. Er begann mit dem Projekt des Bauens eines Religions-Turmes, um viele der Familien davon abzuhalten, sich nach den vier Enden der Erde hin auszubreiten, wie dies Gottes Vorhaben war. Gott brachte seinen Zorn gegen diese Rebellenbewegung zum Ausdruck, indem er die Sprachen dieser Stämme unter Nimrod verwirrte und sie so zwang, in Übereinstimmung mit seinem ursprünglichen Willen in die Ferne auszuwandern. Nachdem Noah, der Organisator, als Berater unter vielen Nationen des Altertums lange gelebt hatte, starb er schliesslich im Jahre 2020 v. Chr. im reifen Alter von 950 Jahren. Vor seinem Tode war er davon Zeuge, dass Gottes Auftrag ausgeführt wurde, und dies ungeachtet der gegnerischen Anstrengungen Satans, die Menschen unter Regierungen zu vereinigen, die Jehova Gott widerstanden. — 1. Mose 11:1-9.
INTERESSANTE MERKMALE
8, 9. (a) Von woher erhielten die hebräischen Familienhäupter ihre Bräuche und ihr Gesetz? (b) Wie war es möglich, dass die theokratischen Patriarchen mit ihren heidnischen Nachbarn gemäss einem gemeinsamen gesetzlichen Verfahren verkehren konnten? (c) Welches Argument ist vorhanden zu der Annahme, dass viele jener Bräuche göttlich sanktionierten Ursprungs waren?
8 Wir wollen nun daran gehen, verschiedene interessante Merkmale der patriarchalischen Gesellschaft näher zu prüfen. Hier sollte verstanden werden, dass, wenn auch viele in der Bibel zu findende Gesetzeszüge in den nichttheokratischen Rechtssystemen enthalten sind (z. B. in der babylonischen Gesetzsammlung von Hammurabi, der hethitischen und der assyrischen Gesetzsammlung, die alle drei in jüngsten Zeiten von Archäologen gefunden wurden), dies doch keine Beweise dafür liefert, dass die Hebräer diese Rechtsverfahren von ihren heidnischen Nachbarn entlehnt hätten. Direkt das Gegenteil ist der Fall. Dies sind Beweise, dass heidnische Nationen manche alte Gesetze und Bräuche aus dem noachischen System von Gesetz und Ordnung, welches die treuen hebräischen Patriarchen zum Muster nahmen, aufgegriffen hatten. — Hes. 14:12-14, 20.
9 Während die ersten Stämme und Nationen unter die grössere Gewalt Satans und seiner falschen Regierungstheorien gerieten, kam das auf frühes Gesetz und Ordnung gegründete noachische System etwas in den Hintergrund. Da es aber Tatsache war, dass viele ihrer Grundgesetze noch frühen, noachischen Ursprungs waren, wurde es für die treuen theokratischen Patriarchen wie Abraham, Isaak und Jakob möglich, gemäss den üblichen Bräuchen des gesetzlichen Vorgehens mit ihren heidnischen Nachbarn zu verkehren. Es ist auch gut, an diesem Punkte folgendes zu sagen: Der Umstand, dass viele Rechtsbesonderheiten, denen die treuen theokratischen Patriarchen folgten, später in den Gesetzesbund aufgenommen wurden, den Gott Mose diktierte, weist stark darauf hin, dass sie göttlich sanktionierten Ursprungs waren. Denn bestimmt hätte Gott nicht Gesetze und Bräuche in sein Gesetz aufgenommen, die von dämonisch-bevollmächtigten Regierungen Satans hergekommen wären. — 2. Kor. 6:14-16.
10. Wie hatte man in der patriarchalischen Gesellschaft Besitztum inne? Erkläre es.
10 Wie schon angetönt, bildete in der patriarchalischen Gesellschaft eher die Familie als der einzelne die Einheit. Im allgemeinen besass man ausser einigen persönlichen Dingen kein persönliches Eigentum. Das ganze Besitztum, was Herden, Haushaltgegenstände, Ausstattung und Ländereien betrifft, hatte die Familie gemeinsam inne, da alle einander durch Geburt, Heirat oder Adoption verwandt waren. Dies wird bestätigt durch die Erklärung, die Rahel und Lea vor Jakob, ihrem Mann und Familienhaupt, bei dem Anlass erhoben, als sie sich mit all ihren Gütern vom Stammeshaushalt ihres Vaters Laban trennten, um mit der Bildung einer unabhängigen patriarchalischen Gesellschaft zu beginnen. „Rahel und Lea antworteten und sprachen zu ihm [zu Jakob, ihrem Mann und Haupt]: Haben wir noch ein Teil und Erbe im Hause unseres Vaters? Sind wir nicht als Fremde von ihm [Laban, ihrem Vater] geachtet worden? Denn er hat uns verkauft und hat auch unser Geld [Heiratsgeld, Mo] völlig verzehrt. Denn aller Reichtum, den Gott unserem Vater entrissen hat, uns gehört er und unseren Kindern. So tue nun alles, was Gott zu dir geredet hat.“ (1. Mose 31:14-16) Indem sie ihren Reichtum so gemein hatten wie oben bemerkt, bildete die kleine Familienregierung das, was mit einer modernen Körperschaft verglichen werden könnte, und ihr offizielles Haupt war der Vater oder älteste Sohn in der ältesten Linie, die von einem gemeinsamen Ahnen abstammte, wenn mehrere Familien in einem „Hause“ oder Stamme zusammenwohnten. Wir sehen auch in Jakobs Fall, wie das Familienhaupt als Priester amtete, indem es mit Gott in Verbindung stand. Das Familienhaupt ging ferner als Vertreter Gottes im Darbringen von Familienopfern voran.
11. Welche Verantwortlichkeiten fielen dem Familienhaupte zu?
11 Ein Patriarch diente überdies als ein väterlicher Herrscher und Aufseher. Er erteilte Befehle hinsichtlich der täglichen Arbeit der Familie und beaufsichtigte sorgfältig die Schulung seiner Kinder, da er rechtlich für jede Verletzung des Gesetzes durch sie völlig verantwortlich war. Er machte Verträge mit Nachbarn und richtete und bestrafte auch seine Hausgenossen wegen irgendwelcher Verletzung von Gesetz und Brauch. Tatsächlich beherrschte und verwaltete das Familienhaupt das Leben und Besitztum aller Glieder seiner Haushaltorganisation völlig. Als Wortführer der Familie vor Gott und Menschen wurde der Patriarch auch verantwortlich gehalten für das Benehmen seiner Familie. Er und die Familie als Ganzes waren verantwortlich für Übertretungen und Vergehen, die er selbst oder die Glieder seiner Familie gegen andere Familieneinheiten begingen. Vom Familienhaupt konnte verlangt werden, dass es ein Glied seiner Familie ausliefere oder mit Eigentum bezahle, um für begangenes Unrecht Satisfaktion zu leisten. — Jos. 7:24, 25.
12. Mit wem in heutiger Zeit kann die patriarchalische Familieneinheit verglichen werden? Erkläre es.
12 Wie im Fall moderner Körperschaften, welche aus vielen Personen bestehen, wobei die gesamte Körperschaft als eine einzige juristische Person betrachtet wird, welcher man für irgendwelchen andern Personen zugefügten Schaden den Prozess machen kann, so wurde im Altertum die ganze Familie als eine juristische korporative Personb betrachtet, die begangenes Unrecht gutmachen musste. Somit herrschte gleich nach der Flut das, was „Familienverantwortung“ genannt wird und sich später zu einer „gemeinschaftlichen Verantwortung“ erweiterte, indem die ganze Körperschaft für Missetaten irgendeines Gliedes verantwortlich gemacht wurde. Dies wurde so angesehen, weil das Besitztum allen zusammen gehörte, und weil ihr Leben eng mit ihrem Familienhaupt verbunden war. Es geht aus der Bibel hervor, dass diese engverknüpften, gesetzlich verantwortlichen Familien grossen Wohlstand und Sicherheit hatten und sehr glücklich zusammen lebten, wo immer das Haupt der Familie theokratisch gesinnt war, indem es Jehova diente. Solche regierten über ihre Häuser in Liebe und mit Weisheit. — 1. Mose 24:1.
VERFAHRUNGSWEISEN
13. Beschreibe, wie der Landbesitz übertragen wurde.
13 Die Patriarchen folgten einer interessanten Art, Besitz von Land anzubieten und an andere abzutreten. Der voraussichtliche Käufer wurde an eine Übersichtsstelle geführt, wo der Verkäufer die genauen Grenzen und Vorteile des angebotenen Landes beschrieb. Nach langem Markten beschrieb der Verkäufer schliesslich genau die vier Grenzen des abzutretenden Landes. Wenn der Käufer sagte: „Ich sehe es“, wurde der Handel als abgeschlossen betrachtet und ein Vertrag gemacht.c Die Übertragung erfolgte auf diese Weise vor Zeugen ohne buchstäbliche „Besitzergreifung“ des Landes mittels einer Verschreibungsurkunde. Indes wurden auch schriftliche Verträge gebraucht. Bisweilen wurde der Vorgang des Verhandelns zu einer direkten Zeremonie. — 1. Mose 23:3-16.
14, 15. (a) Wie entsprach Jehova diesem Brauch der Landübertragung? Erkläre es. (b) Wie entsprach ihm Satan? Erkläre es.
14 Jehova Gott selbst entsprach diesem Brauche, als er Abraham das gesetzliche Angebot auf das Verheissene Land machte. An einer erhöhten Stelle in Kanaan zeigte Gott dem Abraham die genauen Grenzen des angebotenen Gebietes. Doch erlaubte Gott dem Abraham nicht, zu sagen: „Ich sehe es“, und so rechtlich das Land anzunehmen, da Gottes bestimmte Zeit noch nicht gekommen war, den gesetzlichen Besitz zu gewähren. (1. Mose 13:14, 15) Indes erfolgte die gesetzliche Übertragung im Jahre 1473 v. Chr., etwa vierhundert Jahre später, als Jehova Mose „sehen“ oder den gesetzmässigen Besitz zugunsten der Nation Israel annehmen liess, und dies kurz bevor sie über den Jordan gingen, um das Verheissene Land einzunehmen. „Und Mose stieg von den Ebenen Moabs auf den Berg Nebo … Und Jehova liess ihn das ganze Land sehen … Und Jehova sprach zu ihm: Das ist das Land, welches ich Abraham, Isaak und Jakob zugeschworen habe … Ich habe es dich mit deinen Augen sehen lassen.“ — 5. Mose 34:1-4; ferner 5. Mose 3:27.
15 Man beachte, dass auch Satan, der Nachahmer, sich dieser Angebotsmethode anpasste, als er sich Jesus in der Wüste näherte, um ihn zu versuchen. „Wiederum nahm ihn [Jesus] der Teufel mit auf einen ungewöhnlich hohen Berg und zeigte ihm alle Königreiche der Welt und ihre Herrlichkeit, und er sprach zu ihm: ‚Alle diese Dinge werde ich dir geben, wenn du niederfällst und mir einen Akt der Anbetung erweisest.‘“ (Matth. 4:8, 9, NW) Satan machte hier tatsächlich Jesus ein echt gesetzliches Angebot, das er zur legalen Annahme ernsthaft in Betracht ziehen sollte. Obwohl Jesus es schnell als ein gesetzliches Angebot erkannte, verlor er doch keine Zeit und wies es sogleich gänzlich zurück mit den Worten: „Geh hinweg, Satan!“
16, 17. (a) Wie ermittelten die Familienhäupter als Richter die Beweise? (b) Führe biblische Beispiele an.
16 Zur Erledigung lokaler Familienstreitigkeiten dienten die Familienhäupter als Richter. Um Recht zu sprechen war es für sie sehr notwendig, die genauen offenkundigen Beweise in der Streitsache herauszusieben. Gemäss der Elberfelder Bibel benutzten sie, wenn der Beweis klar festgestellt war, den Ausdruck „erkennen“, wenn sie ihre Entscheidung, gestützt auf die Tatsachen, fällten. Diese Rechtssprache wäre ähnlich wie die in unserer Zeit benutzte, wenn Richter oder Geschworene zu Gericht sitzen, um jemand auf Grund unterbreiteter offenkundiger Beweise als eines Verbrechens schuldig zu „befinden“. Als Laban Jakob beschuldigte, sein Teraphim gestohlen zu haben, gab Jakob dem Laban übereinstimmend mit dem Gesetz das Recht, den Beweis von Jakobs Unschuld zu ermitteln. Jakob sagte: „Erforsche [Erkennst du, Riessler] vor unseren Brüdern, was bei mir ist, und nimm es dir.“ — 1. Mose 31:32.
17 Ein weiteres Beispiel ist der Fall, wo Juda, das Familienhaupt, als Richter amtete, um den Fall seiner Schwiegertochter Tamar abzuhören, die beschuldigt wurde, unehelich schwanger zu sein. „Da sprach Juda: Führet sie hinaus, dass sie verbrannt werde! Als sie hinausgeführt wurde, da sandte sie zu ihrem Schwiegervater und liess ihm sagen: Von dem Manne, dem dieses gehört, bin ich schwanger; und sie sprach: Erkenne doch, wem dieser Siegelring und diese Schnur und dieser Stab gehören! Und Juda erkannte es und sprach: Sie ist gerechter als ich.“ (1. Mose 38:24-26, 11-20) Richter Juda wurde gezwungen, gesetzlich zuzugeben, dass er der Vater ihres Kindes sei, und dies auf Grund des klaren Beweises, der vorgelegt wurde und wonach sie angeblich die Hure war, mit der Juda zuvor Beziehungen gehabt hatte.
18. Warum blieben die treuen theokratischen Patriarchen als vorübergehend Ansässige im Verheissenen Lande?
18 Es gab noch viele andere Bräuche, die das Geburtsrecht betrafen, das Recht der Eltern, die Frauen für ihre Söhne auszuwählen, die Haftung, wenn jemand einem andern Eigentum zur Verwahrung übergibt, Sklaverei, Konkubinat, Lösung von Sklaven und anderes mehr. Verschiedenes davon wird im nachfolgenden Artikel näher geprüft. Auf diesem Punkt der Prüfung der patriarchalischen Gesellschaft kann erkannt werden, dass sie keine rohe Gesellschaftsordnung war. Vielmehr war sie ein hochorganisiertes, dem Nomadenleben jener frühen Familieneinheiten angepasstes System. Man wohnte in Zelten und wanderte über das Land, um für die Gross- und Kleinviehherden zu sorgen. Die treuen theokratischen Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob und die andern liessen es sich genügen, im Lande der Verheissung als vorübergehend darin Ansässige zu wohnen, wobei sie die Zeit erwarteten, da der verheissene Messias, Christus Jesus, als König käme, um das ewige Königreich der Gerechtigkeit über die Erde aufzurichten. „Denn er [Abraham] wartete auf die Stadt, die wahre Grundlagen hat und deren Erbauer und Schöpfer Gott ist.“ (Heb. 11:8-10, NW) So sehen wir, dass es heute vieles gibt, das uns hinsichtlich der Handlungsweise Gottes mit seinen Dienern unter dem patriarchalischen System der Organisation besonders interessiert. Da Gottes gesetzliche Wege sich nicht ändern, deuten seine gesetzlichen Handlungen aus jener Zeit bestimmt auf ähnliche Wege für das Neue-Welt-System der Dinge hin. So lasst uns diese frühen Tage kleiner Anfänge nicht verachten. — Mal. 3:6; Sach. 4:10.
[Fußnoten]
a Biblical Law von H. B. Clark, S. 53 u. 125.
b Ancient Law von H. S. Maine. S. 178, 179.
c Biblical Law von D. Daube, 1947, S. 29-36.