Das Buch Mormon und die Bibel
DEN Mitgliedern der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage gilt Das Buch Mormon als Gottes Wort. Sie halten es für ein Werk, das vollständig mit der Bibel übereinstimmt. Im Journal of Discourses (Predigtjournal) vom 13. Juli 1862 hat Brigham Young ihre Ansicht kurz erklärt: „Das Buch Mormon widerspricht in keinem Fall der Bibel. Es enthält viele Worte, die denen der Bibel ähneln, und ist allgemein ein starker Zeuge für die Bibel.“ Wenn die Mormonen dem Buch Mormon ebenso fest vertrauen, dann sollten sie nichts dagegen haben, daß wir ihr Buch der Bibel einmal gegenüberstellen. Ihre öffentlich vertretene Überzeugung, daß das Buch Mormon wahr sei, veranlaßt andere, es mit der Bibel zu vergleichen. — Wir wollen zuerst die Geschichte dieser beiden Bücher einander gegenüberstellen.
Die Bibel wurde in einer Zeit von mehr als 1600 Jahren geschrieben. Viele ihrer geschichtlichen Angaben wurden inzwischen durch archäologische Entdeckungen und durch die Werke weltlicher Geschichtsschreiber verschiedener Zeiten bestätigt. Tausende von ursprachigen Handschriften der Bibel, die fast bis in die Tage der Apostel zurückreichen, sind heute vorhanden und können von Sprachforschern eingesehen werden.
Es wird behauptet, daß Das Buch Mormon die Zeit von etwa 600 v. Chr. bis 421 n. Chr. umfasse. Joseph Smith erklärte, daß er es von goldenen Platten übersetzt habe, die er in einem Versteck gefunden habe, das ihm ein Engel geoffenbart habe. Die Mormonen geben an, daß die Platten und deren Abschriften nicht nachgeprüft werden könnten, weil der Engel Joseph Smith verboten habe, sie irgend jemandem außer den von ihm bestimmten Personen zu zeigen. Nachdem die Übersetzungsarbeit fertig gewesen sei, habe der Engel die Platten weggenommen.
Die vielen archäologischen und weiteren weltlichen Unterlagen, die die Genauigkeit biblischer Geschichtsaufzeichnungen belegen, fehlen auffallend bei dem „geschichtlichen“ Inhalt des Buches Mormon. Außerdem ist die geheimnisvolle Art, in der Das Buch Mormon geschrieben worden ist, kein Merkmal der Niederschrift der Bibel gewesen. Die steinernen Tafeln, auf die Gott das Gesetz geschrieben hatte, wurden nicht von einem Engel zurückgenommen. Auch verbot Gott Moses nicht, sie anderen zu zeigen. Das gleiche kann von den übrigen Schriften, die zur Bibel gehören, gesagt werden. Sie wurden öffentlich gezeigt und in vielen Abschriften weit verbreitet.
DER HÖCHSTE
Wenn Das Buch Mormon Gottes Wort ist, dann sollten seine Lehren mit der Bibel übereinstimmen. Prüfen wir einmal, ob das für seine Lehren von Gott zutrifft. Mosiah 3:5 nimmt auf Gott mit den Worten Bezug: „Denn siehe, die Zeit kommt und ist nicht mehr fern, wann Gott, der Allmächtige, der regiert, der war und von Ewigkeit zu Ewigkeit ist, mit Macht vom Himmel unter die Menschenkinder herabkommen und in einer irdischen Hülle wohnen wird, und daß er unter die Menschen ausgehen wird, um mächtige Wunder zu wirken.“ Hier kommt die Dreieinigkeitslehre zum Vorschein, die in den Kirchen der Christenheit, die Joseph Smith für falsch hielt, sehr verbreitet ist.
Es gibt weitere Stellen, die zeigen, wie betont Das Buch Mormon den Standpunkt vertritt, daß Gott und Christus e i n Gott seien. In Alma 11:38, 39 heißt es: „Und Zeezrom sprach weiter zu ihm: Ist der Sohn Gottes der wahrhaft ewige Vater? Und Amulek sagte zu ihm: Ja, er ist der wahrhaft ewige Vater des Himmels und der Erde.“ Mormon 7:7 berichtet davon, daß man „in einem Zustand der Glückseligkeit, der kein Ende hat, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, die ein Gott sind, ewige Lobgesänge“ singe. Nach 3. Nephi 11:14 soll Jesus Christus gesagt haben: „Wißt, daß ich der Gott Israels und der Gott der ganzen Erde bin und für die Sünden der Welt erschlagen wurde.“
Nirgends in der Bibel sind derartige, die Dreieinigkeitslehre stützende Texte zu finden. Nie behauptete Jesus, „Gott der ganzen Erde“ oder der „Gott Israels“ zu sein. In diesem Punkt widerspricht Das Buch Mormon der Heiligen Schrift. Statt zu sagen, daß der Vater und der Sohn e i n Gott seien, offenbart die Bibel den Sohn als das Geschöpf, das der Anfang der Schöpfungswerke Gottes gewesen und noch nach seiner Himmelfahrt seinem Vater untertan geblieben ist. In 1. Korinther 15:28 heißt es zum Beispiel: „Wenn ihm aber alles unterworfen sein wird, dann wird auch der Sohn selbst dem unterworfen sein, der ihm alles unterworfen hat, auf daß Gott alles in allem sei.“
Jesus Christus behauptete nicht, Gott im Fleische zu sein. Er wies vielmehr darauf hin, daß er vom Vater abhängig und ihm untertan sei. Er sagte: „Ich kann nichts von mir selbst tun; so wie ich höre, richte ich, und mein Gericht ist gerecht, denn ich suche nicht meinen Willen, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.“ — Joh. 5:30.
Häufig nennt der hebräische Teil der Bibel den großen Quell des Lebens Elohi̱m. Der Umstand, daß dieses Wort in der Mehrzahl steht, ist kein Beweis für die Dreieinigkeitslehre. Es wird nämlich nicht nur auf den wahren Gott, sondern auch auf den heidnischen Gott Dagon angewandt. (Vgl. Richter 16:23, 24.) Wenn dieses Wort auf den Vater bezogen wird, der nach der Bibel den Namen Jehova trägt, wird der bestimmte Artikel ha oft vor dem Ausdruck Elohi̱m verwendet. Statt auf eine Gottheit oder auf mehrere Personen in einem Gott, weist die Mehrzahl Elohi̱m auf eine Fülle der Erhabenheit oder Größe hin, wie dies auch beim Gebrauch der Mehrzahl für die einzelnen Glieder eines Königshauses der Fall ist.
JESUS CHRISTUS
Einige der Bücher des Buches Mormon stammen angeblich aus vorchristlicher Zeit. Dennoch erwähnen sie wiederholt Jesus Christus, sein sündensühnendes Opfer, seine Auferstehung, seine Wassertaufe, die Taufe mit dem heiligen Geist, die Rettung des Menschen durch Christus und die Notwendigkeit, an Jesus zu glauben, um errettet zu werden. Sie besprechen diese Dinge ebenso häufig wie Schriften aus der Zeit nach der Hinrichtung und der Auferstehung Jesu. Solche Hinweise entsprechen den Zeiten nicht, aus denen sie gemäß dem Buche Mormon herrühren sollen. Da sie zeitwidrig sind, widersprechen sie der Bibel, in der die erwähnten Dinge erst nach dem Kommen Christi aufgezeichnet worden sind.
Da die angeführten Geschehnisse nicht in der richtigen Zeitfolge berichtet werden, ist es nicht überraschend, daß sich Das Buch Mormon manchmal vertut und von ihnen als von Vergangenem statt von Zukünftigem spricht. Dies kommt u. a. in 2. Nephi 31:6, 8 vor, wo auf Jesus Christus Bezug genommen wird: „Jetzt wollte ich euch fragen, meine geliebten Brüder, worin das Lamm Gottes alle Gerechtigkeit mit der Taufe durchs Wasser erfüllte? Daher kam der Heilige Geist in Gestalt einer Taube auf ihn herab, nachdem er durchs Wasser getauft worden war.“ Diese Worte sollen aus der Zeit zwischen 559 und 545 v. Chr. stammen. Ähnliches lesen wir in 2. Nephi 33:6: „Ich freue mich meines Jesu, denn er hat meine Seele aus der Hölle erlöst.“ Wie kann ein Mensch, der lange vor der Zeit gelebt haben soll, zu der Christus sein Opfer darbrachte, sagen, daß ihn Christus bereits losgekauft habe?
Gemäß dem Buche Mormon bitten die Menschen etwa 124 Jahre vor Jesu Geburt in Bethlehem: „O habe Erbarmen und wende das versöhnende Blut Christi auf uns an, damit wir Vergebung unsrer Sünden erlangen und unsre Herzen gereinigt werden; denn wir glauben an Jesus Christus, den Sohn Gottes, der den Himmel und die Erde und alle Dinge erschuf, und der unter die Menschenkinder herniederkommen wird.“ (Mosiah 4:2) Wie kann denn ein Volk nach der Vergebung der Sünde durch das sündensühnende Blut Christi rufen, wenn dieses Blut erst viel später vergossen werden sollte? Wie können sie das zu einer Zeit tun, in der Gottes Gesetz von seinem Volk verlangt, zur Sündensühnung Tieropfer darzubringen?
Warum spricht keiner der hebräischen Schreiber der Bibel von Jesus Christus, seinem sündensühnenden Opfer und seiner Auferstehung, wie es Das Buch Mormon tut? Offenbarte Gott diese lebenswichtigen Dinge den Menschen, die damals in Nordamerika lebten, nicht aber seinen geliebten hebräischen Dienern? Mosiah 3:13 sagt: „Und Gott der Herr hat seine heiligen Profeten unter alle Menschenkinder gesandt, um diese Dinge allen Völkern, Geschlechtern und Sprachen zu verkündigen, daß alle, die glauben, daß Christus kommen wird, durch sie Vergebung ihrer Sünden erlangen.“ Warum erwähnen nun die Propheten, die vor 124 v. Chr. lebten, der Zeit, zu der Mosiah vorgeblich geschrieben wurde, diese Dinge in ihren inspirierten Schriften nicht?
Es wäre völlig abwegig zu behaupten, daß der Text der Bibel, den wir heute besitzen, auf Grund von Abschreibefehlern so mangelhaft sei, daß in den ausführlichen Hebräischen Schriften kein Hinweis auf den Namen Jesus Christus und auf sein Opfer übriggeblieben sei. Wenn solche Hinweise vorgelegen hätten, dann hätten sie die Schreiber der Christlichen Griechischen Schriften erwähnt. Statt fehlerhaft zu sein, ist unser heutiger Bibeltext durch Vergleiche mit alten Handschriften so verbessert worden, daß er wirklich genau ist und sich kaum von dem unterscheidet, den einst die Apostel hatten. Nicht die Genauigkeit der Bibel, sondern die Genauigkeit des Buches Mormon muß angezweifelt werden.
Obgleich das griechische Wort biblía, aus dem das Wort „Bibel“ entlehnt ist, erst seit dem fünften Jahrhundert nach Christus als eine Bezeichnung für die Heilige Schrift verwendet worden ist, wäre es gemäß dem Buche Mormon über 500 Jahre vor Christus im Gebrauch gewesen. In 2. Nephi 29:3, 10 lesen wir: „Viele Nichtjuden [werden] sagen: Eine Bibel! eine Bibel! Wir haben eine Bibel, und es kann nicht noch eine andre Bibel geben. Daher braucht ihr nicht zu denken, weil ihr eine Bibel habt, daß sie alle meine Worte enthält.“ Das Wort „Bibel“ oder biblía bedeutet „Bücher“ oder „Büchlein“ und wird auf die Sammlung der inspirierten Schriften in gebundener Kodexform (mit Blättern und einem Deckel) bezogen. Zur vermeintlichen Zeit der Niederschrift des Buches 2. Nephi lag keine solche Sammlung vor — ein weiterer eindeutiger Beweis gegen die Echtheit des Buches Mormon!
BIBELZITATE UND -AUSDRÜCKE
Es fällt jemandem bei der englischen Ausgabe des Buches Mormon gleich auf, wie viele Zitate oder etwas abgeänderte Anführungen aus der englischen King-James-Bibel sie enthält. Diese englische Übersetzung der Heiligen Schrift war in den Tagen Joseph Smiths beliebter als irgendeine andere. Die Bücher der Bibel wurden ursprünglich in hebräisch, aramäisch und griechisch geschrieben. Erst im sechzehnten Jahrhundert nach Christus wurden sie in Kapitel und Verse eingeteilt. Dennoch wird allgemein in den zahlreichen wörtlichen Zitaten aus der Bibel, die im Buche Mormon erscheinen, die Verseinteilung gebraucht, die wir in der King-James-Bibel finden. Außer gelegentlichen Hinzufügungen einzelner Wörter stimmen die Zitate genau mit dem Wortlaut der erst im Jahre 1611 herausgegebenen King-James-Bibel überein. Einige Beispiele: 1. Nephi 20 und 21 haben den gleichen Wortlaut wie Jesaja 48 und 49, 2. Nephi 7 und 8 wie Jesaja 50 bis 52:2, 2. Nephi 12 bis 24 wie Jesaja 2 bis 14, 2. Nephi 27:25-35 wie Jesaja 29:13-24, Mosiah 14 wie Jesaja 53, 3. Nephi 24 wie Maleachi 3, 3. Nephi 25 wie Maleachi 4 und Moroni 10:9-17 weitgehend wie 1. Korinther 12:8-11. Dies sind nur einige der vielen, fast wörtlichen Zitate aus der King-James-Bibel.
Es ist interessant, daß gemäß dem Buche Mormon Menschen, die etliche Jahrhunderte vor Christus lebten, bereits Wendungen gebraucht haben sollten, die in den Christlichen Griechischen Schriften der Bibel vorkommen, die erst nach der Zeit Christi geschrieben worden sind. Paulus’ Worte in Hebräer 13:8 werden mindestens fünfmal erwähnt: „Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit.“ Dieser Ausspruch erscheint im Buche Mormon das erste Mal in 1. Nephi 10:18, also in einer Schrift, die angeblich über 600 Jahre vor der Zeit des Apostels Paulus geschrieben worden ist. Der Text lautet: „Denn er ist derselbe, gestern, heute und ewiglich.“ Die anderen Verse, in denen diese Wendung erscheint, sind: 2. Nephi 27:23, Alma 31:17, Mormon 9:9 und Moroni 10:19. Die Ausdrucksweise, die Paulus nach 1. Korinther 15:53 in bezug auf die Auferstehung der gesalbten Nachfolger Christi verwendet hat, wird verschiedene Male im Buche Mormon gebraucht. Paulus sagte: „Denn dieses Verwesliche muß Unverweslichkeit anziehen und dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen.“ Beachtenswert ist nun die Ähnlichkeit zwischen diesem berühmten Text und Mosiah 16:10: „Selbst dieses Sterbliche soll Unsterblichkeit anziehen und dieses Verwesliche Unverweslichkeit anziehen.“ Etwas abgeänderte Wiedergaben des gleichen Textes sind in Alma 40:2 und 41:4 zu finden. Die Bücher Mosiah und Alma sollen beide aus vorchristlicher Zeit stammen.
In Hebräer 3:8, 11 wird Psalm 95:8, 11 mit den Worten zitiert: „… ‚So verstocket euere Herzen nicht wie in der Verbitterung geschah, am Tage der Versuchung in der Wüste, … so daß ich schwur in meinem Zorn: Sie sollen nicht eingehen zu meiner Ruhe!‘“ (SB, Verse 7, 8, 11) Man beachte die Ähnlichkeit zwischen diesem Text und den Worten in Alma 12:35, von denen behauptet wird, daß sie im Jahre 82 v. Chr. geschrieben worden seien: „Und wer sein Herz verstockt und Sünde begeht, sehet, ich schwöre es in meinem Zorn, der soll nicht in meine Ruhe eingehen.“ In den Versen 36 und 37 wird diese Ausdrucksweise wieder gebraucht. Einige Verse vorher, im gleichen Kapitel, erscheint eine weitere Wendung, die, nur wenig anders lautend, auch in dem Brief des Apostels Paulus an die Hebräer vorkommt. Alma 12:27 sagt: „Es wurde bestimmt, daß der Mensch sterben soll; und nach dem Tode muß er zum Gericht kommen.“ In Hebräer 9:27 liest man das gleiche.
Manchmal enthält ein einziger Vers des Buches Mormon bekannte Wendungen, die aus ganz verschiedenen Teilen der Bibel stammen. Alma 34:36 lautet zum Beispiel: „Dieses weiß ich, denn der Herr hat gesagt, daß er nicht in unheiligen Tempeln wohnt, sondern er wohnt in den Herzen der Rechtschaffenen; ja, und er hat auch gesagt, daß sich die Rechtschaffenen in seinem Reich niedersetzen werden, um nie wieder hinauszugehen; aber ihre Kleider sollen durch das Blut des Lammes weiß gemacht werden.“ Die Worte, die besagen, daß Gott nicht in Tempeln wohnt, ist eine abgeänderte Wiedergabe der Äußerung des Stephanus, die in Apostelgeschichte 7:48 aufgezeichnet ist. Kein anderer als Jesus sagte, daß sich die Gerechten im Reiche Gottes niedersetzen würden. Wir finden seine Worte darüber in Lukas 13:29. Der Teil des Textes, der die weißen Kleider erwähnt, entspricht Offenbarung 7:14. Ein weiteres Beispiel solcher Texte im Buche Mormon ist Mormon 9:9: „Denn lesen wir nicht, daß Gott derselbe ist, gestern, heute und immerdar, und daß in ihm kein Wandel und kein Schatten der Veränderlichkeit ist?“ Diese Wendungen sind Hebräer 13:8 und Jakobus 1:17 entnommen worden. Obgleich behauptet wird, daß Mormon die zitierten Worte ungefähr 400 Jahre nach Christus in Amerika gesagt habe, ist es offensichtlich, wo sie herstammen.
Gemäß dem Buche Mormon ist Jesus Christus nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt den Bewohnern Nordamerikas leibhaftig erschienen. Viel von dem, was er bei jenem Anlaß gesagt haben soll, besteht aus Äußerungen, die in der Bibel aufgezeichnet worden sind. Ausführliche Zitate aus der King-James-Wiedergabe der Äußerungen, die Jesus in Palästina machte, werden als seine Worte an die Nordamerikaner hingestellt. 3. Nephi 12:3-18, 21-28 und 31-45 enthält Vers für Vers fast genau dasselbe wie Matthäus 5:3-18, 21-28 und 31-45 in der King-James-Bibel. 3. Nephi 13 entspricht Matthäus 6, und 3. Nephi 14 hat den gleichen Wortlaut wie Matthäus 7. Die starre Übereinstimmung, die bei den zitierten Versen nachweisbar ist, wäre nicht vorhanden, wenn Jesus wirklich diese Worte einem anderen Volke wiederholt hätte und sie von anderen Schreibern in einer anderen Sprache aufgezeichnet worden wären.
Wir finden im ganzen Buche Mormon — von den Teilen, die vorgeblich 600 Jahre vor Christi Geburt geschrieben worden sind, bis zu denen, die aus dem vierten und fünften Jahrhundert nach Christus stammen sollen — viele Äußerungen Jesu, die die Bibel enthält. Was Jesus nach Johannes 10:9, 14, 16 von seinen Schafen sagte, ist zum Teil in 1. Nephi 22:25 zu finden, einem Text, den die Mormonen auf 588 v. Chr. ansetzen. Alma 31:37 übernimmt Jesu Äußerung in Lukas 12:22, obgleich behauptet wird, daß das Buch Alma bereits 74 Jahre vor der Geburt Jesu geschrieben worden sei. Die Worte, die Jesus nach Matthäus 16:19 zu Petrus spricht, sind gut bekannt: „Was irgend du auf der Erde binden wirst, wird in den Himmeln gebunden sein, und was irgend du auf der Erde lösen wirst, wird in den Himmeln gelöst sein.“ Sie erscheinen aber auch in Helaman 10:7: „Siehe, ich gebe dir die Macht, daß alles, was du auf Erden siegelst, auch im Himmel versiegelt sein soll, und alles, was du auf Erden lösest, soll auch im Himmel los sein.“ Diese Worte sollen dreiundzwanzig Jahre vor der Geburt Jesu geschrieben worden sein. Es ist außerdem interessant festzustellen, daß die Worte des Petrus in Apostelgeschichte 3:22-25, wo er von Jesus spricht, mit einigen Änderungen in 3. Nephi 20:23-25 zum Vorschein kommen und von den Mormonen als Äußerungen hingestellt werden, die Jesus 34 n. Chr. an die Bewohner Nordamerikas gerichtet haben soll. Doch verrät die starke Anlehnung an die King-James-Bibel, woher der Text kommt.
Im großzügigen Gebrauch der King-James-Übersetzung hat Das Buch Mormon den unechten Text mit übernommen, der gemäß jener Übersetzung (und der Luther-Bibel) in Matthäus 6:13 erscheint. Der letzte Teil dieses Verses ist als eine uninspirierte Hinzufügung zu den Urschriften der Bibel anerkannt. Nach der Luther-Bibel lauten die unechten Worte: „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“ Dieser Satz erscheint im gleichen Wortlaut in 3. Nephi 13:13. Auch sind die höchstwahrscheinlich unechten Verse Markus 16:17, 18 fast Wort für Wort in Mormon 9:24 wiedergegeben worden.
Nachdem wir Das Buch Mormon mit der Heiligen Schrift verglichen haben, kommen wir unvermeidlich zu folgenden Schlußfolgerungen: Das Buch Mormon stimmt nicht mit der Bibel überein, sondern fördert Lehren, die ihr widersprechen. Es enthält, wie Brigham Young sagte, „viele Worte, die denen der Bibel ähneln“, weil es zahlreiche Ausdrücke und Wendungen von der Bibel übernommen hat, die von den Schreibern der Bibel gebraucht worden sind, und sie in seinen Text eingeflochten hat. Die englische Ausgabe des Buches Mormon ist dem Schreibstil der King-James-Bibel angepaßt worden, indem ihm die veraltete englische Sprache jener Übersetzung einverleibt worden ist.
Gemessen an den genauen Geschichtsaufzeichnungen des Pentateuchs, an der erhebenden Schönheit der Psalmen, an der kernigen Weisheit der Sprüche und an dem stärkenden Rat der Briefe des Paulus, ist Das Buch Mormon eine dürftige, ermüdende und weitschweifige Nachahmung des Wortes Gottes.