Sport und Familie — eine ausgeglichene Ansicht
Warum wird der Sport immer brutaler?
„DIESE Frau stürzte auf mich zu und schrie mir die größten Frechheiten ins Gesicht. Ich wich aus. Sie trat nach mir und kratzte mich.“ Die Erwiderung der Gegenpartei: „Die Frau wollte mich boxen; ich trat nach ihr, aber keine von uns traf ihr Ziel. Schade, daß ich nicht getroffen habe! Ich hätte nochmals nach ihr treten sollen.“
Worum ging es? War es ein Frauenringkampf? Nein, es handelte sich um zwei kanadische Mütter, die bei einem Fußballspiel ihrer 10jährigen Söhne handgreiflich wurden.
Das veranschaulicht vielleicht eines der Probleme, die Kinder in Verbindung mit dem Sport haben — ihre Eltern. Zum Beispiel schrieb eine Mutter, deren Jungen in einem Baseballklub mitspielten: „Wir führten unseren Jungen vor Augen, daß das etwas ganz Besonderes sei, ein Vorrecht ... Und wir selbst waren begeistert davon. Wir drängten diesen armen Kindern unsere ehrgeizigen Gefühle auf, und dann erfuhren wir, daß sie nicht aus Freude am Sport Baseball spielten, sondern nur, um uns zufriedenzustellen.“
In Australien müssen schon „Fünf- und Sechsjährige für den Leistungssport trainieren, obschon die Regeln vieler Organisationen — Rugby, Fußball und Kricket — besagen, daß damit nicht vor dem 10. oder 12. Lebensjahr begonnen werden darf“. Dr. W. W. Ewens von Neusüdwales sagte, der Nachweis sei erbracht, daß „solch kleine Kinder aus physiologischen, psychologischen und soziologischen Gründen noch nicht imstande sind, eine der wichtigeren Sportarten zu bewältigen“.
Warum setzen denn Eltern und Trainer die Kinder so unter Druck? „Die Eltern überschreiten die Grenze, wenn sie sich zu sehr mit ihren Kindern identifizieren oder versuchen, durch sie zu leben“, sagte der New Yorker Kinderpsychologe Dr. Leonard Reich. „Für gewisse Eltern ist das die Chance, wieder jung zu werden.“ Das große Problem besteht allerdings darin, daß sie geneigt sind, die für Erwachsene gültigen Kriterien auf die Spiele ihrer Kinder anzuwenden. Das hat zur Folge, das nicht aus Freude gespielt wird, sondern nur noch mit dem Ziel zu gewinnen.
Sport in vernünftigen Maßen
Natürlich sollten die Eltern sich für das, was ihre Kinder in der Freizeit tun, interessieren, aber der Einfluß, den sie auf die Kinder ausüben, sollte vernünftig und zum Nutzen der Kinder sein. So erklärte der Eishockeystar Bobby Orr: „Mein Vater hat mich nie zum Spielen angetrieben. Ich spielte Hockey, weil es mir gefiel.“ Der New Yorker Leichtathletiktrainer Vincent Chiapetta sagte bezüglich der Einstellung, die er zu seinem Sohn hatte: „Obschon ich Leichtathletiktrainer war, versuchte ich nie, meinen Jungen zum Laufen zu zwingen. ... Ich ging zu seinen Wettkämpfen, weil er mein Kind war und ich mich für ihn verantwortlich fühlte. Aber als ich beobachtete, daß der Trainer die Kinder zu sehr unter Druck setzte, sagte ich ihm, daß mein Sohn nicht mehr mitmachen dürfe. Ich erklärte ihm, daß Siegen nach meinen Begriffen nicht das Wichtigste sei. Schließlich soll der Sport ja Freude machen.“
Und was halten Kinder davon, wenn sich die Eltern an ihren Spielen im Freien beteiligen? Rick Rittenbach, der aus einer kinderreichen Familie stammt, berichtete: „Da wir zu Hause sechs Kinder waren, spielten wir oft Softball oder Volleyball. Und uns allen machte es einen Riesenspaß, wenn Mutter und Vater sich ebenfalls daran beteiligten. Offensichtlich bereitete es auch unseren Eltern Vergnügen. Ich bin sicher, daß das einer der vielen Faktoren war, die dazu beitrugen, daß unsere Familie geeint blieb.“
Sportliche Betätigung kann jedem, ganz gleich, wie alt er ist, von Nutzen sein. Besonders aber Kinder treiben gern Sport, und wenn sie es zusammen mit den Eltern tun, ist es für sie doppelt wertvoll. Das ergibt dann eine glückliche, gesunde und geeinte Familie. Aber worauf kommt es besonders an? Daß man ausgeglichen ist. Sportliche Betätigung sollte Vergnügen bereiten, statt Konkurrenz zum Ziel zu haben oder fast zu einem Krieg auszuarten.
Die körperliche Übung — Nützlich?
Gibt die Bibel Richtlinien in bezug auf den Sport?
Als erstes möchten wir einen grundlegenden wertvollen Rat der Bibel erwähnen: „Laßt eure Vernünftigkeit allen Menschen bekanntwerden“ (Phil. 4:5). Das läßt sofort erkennen, daß man in allem eine ausgeglichene Ansicht haben sollte. Der Apostel Paulus, der in einer Zeit lebte, in der man sich nach den sportbegeisterten Griechen orientierte, schrieb an einen jungen Christen: „Übe dich ... im Glauben an Gott. Körperliche Übung bringt wenig [geringen Nutzen, Tillmann] ein; der Gottesglaube dagegen ist immer nützlich“ (1. Tim. 4:7, 8, Fotobibel). Eine andere Übersetzung lautet: „Körperliche Ertüchtigung hat nicht soviel Zweck“ (Bruns).
Wenn die körperliche Ertüchtigung nur geringen Nutzen hat, wäre es dann weise, sich ganz dem Sport zu verschreiben? Beruhen die wahren Werte des Lebens auf dem Sport? Und was, wenn der Sport gegen wichtige christliche Grundsätze verstößt wie ‘Liebe deinen Nächsten wie dich selbst’ oder ‘Alles, was ihr von den Menschen erwartet, erweist auch ihnen’? Was, wenn der freiwillige Schulsport bedeutet, daß man mit Personen Umgang hat, die sich nicht nach christlichen Grundsätzen ausrichten? Würde das den Glauben schwächen? Beantwortet nicht 1. Korinther 15:33 diese Frage mit Ja? — „Laßt euch nicht irreführen. Schlechte Gesellschaft verdirbt nützliche Gewohnheiten.“
Der Sport, den man zur Erholung betreibt, hat wohl einen gewissen Nutzen, doch darf man nicht vergessen, daß Gefahren drohen, wenn man ihn allzu ernst nimmt. Die Bibel gibt diesbezüglich folgenden Rat: „Laßt uns nicht ichsüchtig werden, indem wir miteinander wetteifern und einander beneiden“ (Gal. 5:26). Im vorhergehenden Artikel wurde gezeigt, wie die Konkurrenzsucht zu Brutalität führen kann. Sie erstickt sozusagen die Freude am Spiel, weil nur noch eines wichtig ist — der Sieg.
Andere Übersetzungen dieses Textes lauten: „Laßt uns nicht eitlem Ruhm nachjagen“ (Wilckens). „Laßt uns nicht nach eitler Ehre begierig sein“ (Menge). Junge Leute reizt die Möglichkeit, im Sport Erfolg zu haben. Sie träumen davon, Spitzensportler und gefeierte Sieger zu werden. Für die große Mehrheit erfüllt sich dieser Traum nie. Und die wenigen, die es schaffen, zahlen einen hohen, manchmal sogar einen entsetzlich hohen Preis dafür. Der Amerikaner Darryl Stingley, ein ehemaliger Footballspieler, hat dies am eigenen Leib verspürt. Weil er im August 1978 unglücklich angegangen wurde, ist er jetzt vom Hals abwärts gelähmt.
Heitor Amorim, ein brasilianischer Fußballstar, lenkte die Aufmerksamkeit auf dieses Thema, indem er sagte: „Man sollte nie vergessen, daß es nur ganz wenige bis zum Spitzensportler bringen und all die Ehren empfangen, die damit verbunden sind. Auf jeden, der es soweit bringt, kommen Tausende, denen der Erfolg versagt bleibt. Sie brachen ihr Studium ab, erreichten im Sport aber nicht das gewünschte Ziel. Und dann, wie erging es ihnen dann? Man zeigte ihnen die kalte Schulter. Heutzutage legt niemand Wert darauf, mit einem Verlierer Freundschaft zu pflegen.“
Was ist denn jungen Leuten in bezug auf Sport zu raten? Diese Frage möchten wir von dem ehemaligen australischen Footballspieler Peter Hanning (spielte 1964 bis 1975 für den Profiverein Swan Districts) beantworten lassen. „Mein Rat für junge Leute ist folgender: Betreibt Sport zu eurer Freude. Durch sportliche Betätigung bleibt ihr gesund, und sie ist ein schöner Zeitvertreib. Etwas ganz anderes ist der professionelle Sport. Er erfordert totales Engagement, völliges Aufgehen darin. Und der Preis, den man dafür bezahlt, ist hoch. Alle Beziehungen, sowohl die zu den Mitmenschen als auch die zu Gott, leiden. Du wirst ein Teil einer in sich geschlossenen Welt der Lobhudelei, der Unmoral, des Neides, des Stolzes und der Habsucht. Zudem stehst du immer in Gefahr, zum Krüppel zu werden oder, was für jemand, der ein Gewissen hat, vielleicht noch schlimmer ist, einen anderen schwer zu verletzen. Als ich noch Footballprofi war, erlitt ich zum Beispiel folgende Verletzungen: einen Armbruch, vier Nasenbeinbrüche, einen Backenknochenbruch, eine Meniskusverletzung, zwei Rückenverletzungen und zwei Gehirnerschütterungen. Dabei kam ich im Vergleich zu anderen noch glimpflich davon.“
Es ist wohl wahr, daß ‘der Ruhm der Jungen ihre Kraft ist’ (Spr. 20:29, Einheitsübersetzung), aber man darf auch nicht vergessen, daß die Grundlage der entscheidenden Beziehungen im Leben nicht die „Kraft“, sondern die Weisheit ist. Genieße die sportliche Betätigung in vernünftigem Maße. Laß sie dir zum Zeitvertreib dienen, aber werde kein passionierter Sportler. Der Sport sollte deiner Gesundheit dienen, du aber solltest niemals sein Sklave sein.
[Bild auf Seite 11]
„Die Leibesübung hat nur beschränkten Wert“ (1. Tim. 4:8, Pfäfflin).