Englands religiöse Minderheiten
LASS dich auf eine Reise durch eine kleine englische Stadt mitnehmen! Wir verfolgen dabei einen eigentümlichen Zweck. Wir möchten einmal sehen, wie viele Namen verschiedener Kirchen wir finden können, um festzustellen, welche Religionsgemeinschaften vertreten sind. Hier die erste, die „Anglikanische Kirche“, und auf der anderen Seite der Straße erblicken wir die „Methodistenkirche“. Zwei Blöcke weiter weg stoßen wir auf die „Baptistenkapelle“, und wenn wir die Stadt durchqueren, auf die „Römisch-Katholische Kirche“. Unten am Flußufer steht die „Kongregationalistenkirche“, auf dem Hügel die kleine „Presbyterianische Kirche von England“. Während wir uns dem Hauptplatz zuwenden, taucht vor unseren Blicken noch ein Name auf: „Zitadelle der Heilsarmee“.
Dieses Muster wiederholt sich mit kleinen Veränderungen im ganzen Land. In Schottland, Wales und Nordirland ersetzen regionale Namen den Namen „England“, aber die Kultgemeinschaften sind im Grunde dieselben. Wir brauchen nicht weit zu suchen, um die kleineren Gemeinschaften zu finden. Einige Anschlagtafeln tragen komische Namen wie „Peculiar People“ (Eigentümliches Volk), Inghamiten, Countess of Huntingdon’s Connexion (Gräfin-von-Huntingdon-Vereinigung), United Apostolic Faith Church (Vereinigte Kirche Apostolischen Glaubens), Glasites (Glasiten), Christliche Israeliten, Kalvinistisch Unabhängige und viele andere mehr. Insgesamt gibt es auf den Britischen Inseln mehr als 110 verschiedene Denominationen, die meisten von ihnen sind Minderheiten mit weniger als 50 000 Mitgliedern, einige haben nur wenige hundert Anhänger.
Diese Mannigfaltigkeit zeigt sowohl die Verwirrung als auch die Uneinigkeit, die es in diesem Teil der Christenheit gibt. Auch gibt sie zu vielen Fragen Anlaß. Wie begannen alle diese Konfessionen? Welche besonderen Glaubensansichten und Bräuche haben sie? Weshalb sind sie so klein geblieben, obwohl gewisse seit Hunderten von Jahren bestehen? Wie mag ihre Zukunft sein? Wir schauen nun bei einigen dieser Kirchentafeln etwas hinter die Kulissen und suchen den Tatbestand zu ergründen.
TYPISCHE MINDERHEITEN
John Glas, ein presbyterianischer Geistlicher in Tealing bei Dundee, Schottland, wurde im Jahre 1728 abgesetzt, weil er Ideen vertrat, die nicht den Maßstäben seiner Kirchensynode entsprachen. Andere teilten aber seine Ansichten und blieben unter ihm, während er ein neues, unabhängiges Predigeramt ausübte. Ihre Zahl wuchs, weitere Kirchen wurden eröffnet, und Robert Sandeman, der Schwiegersohn von Glas, breitete in England die neue Konfession mit Tatkraft aus. Doch blieb die Sekte eine Minderheit. Die im Jahre 1851 vorgenommene religiöse Volkszählung (eine von den sehr wenigen, die in England vorgenommen wurden) enthüllte deren Mitgliederzahl: 1750. Heute gibt es nur noch zwei Gemeinden dieser Sekte, die eine befindet sich in Schottland, die andere in England.
Eine ungewöhnliche Besonderheit im Glauben der Glasiten betrifft das Blut. „Die Unrechtmäßigkeit, Blut und Ersticktes zu genießen, bleibt anerkannt. Das wurde früher durch das Mosaische Gesetz verboten und den Bekehrten aus den Heiden feierlich geboten; es wird also darauf bestanden, daß man sich dieser Dinge als Vorbedingung der Kommunion enthalte.“1 Ein anderer interessanter Glaubenssatz ist die Mehrzahl der Ältesten. „In der Gemeinschaftsverordnung und in den Akten bezüglich Disziplin müssen stets mindestens zwei Älteste figurieren, damit die Kirche nicht unter die Botmäßigkeit eines einzelnen Mannes kommt.“2 Da die Zahl der Glasiten beständig abnimmt, wird es für sie zufolge des Mangels an Ältesten immer schwieriger, ihre Kirchenangelegenheiten zu leiten. Was wird geschehen, wenn nur noch e i n Ältester zurückbleibt? Niemand scheint das zu wissen.
In der Grafschaft Essex, im Osten Londons, können wir eine andere kleine Gruppe finden, das Peculiar People (das Eigentümliche Volk). James Banyard von Rochford, bei Southend, wurde ein ortsansässiger Prediger. Bei einem Besuch in London hörte er jemanden neue Gedanken erklären, und sie gefielen ihm. Aber die wesleyanischen Methodisten vom Orte wollten sie nicht annehmen. Daher begann er im eigenen Heim eine Versammlung in Gang zu bringen, und im Jahre 1938, als man Fälle von Glaubensheilungen berichtete, nahm deren Zahl rasch zu. Besonders der Text in Jakobus 5:14, 15 wurde buchstäblich aufgefaßt, und als ein Mitglied dadurch starb, daß während einer Operation dem Arzt das Messer entglitt, wurde beschlossen, in Zukunft allein auf Gott zu vertrauen, ohne zu Ärzten Zuflucht zu nehmen. Das führte zu einem schweren Konflikt mit den Behörden, besonders als es einen Todesfall gab, bei dem andere dachten, man hätte ihn durch ärztliche Behandlung verhindern können. Einige wurden eingesperrt, und es erhob sich eine grimmige Verfolgung, bis durch Leichenbeschauer die Sache als Gewissenssache anerkannt wurde.
Obwohl Banyard zum ersten Bischof gewählt worden war, lehnten es viele ab, ihm zu folgen, nachdem er einen Arzt zu seinem eigenen kranken Sohn gerufen hatte, und deswegen gab es eine Spaltung. Eine Gruppe wurde als die „Liberty“-Gruppe bekannt, die der Ansicht war, daß Jakobus, Kapitel 5, ärztliche Hilfe für Kinder nicht verbiete, weil Minderjährige selbst keinen Glauben haben könnten. Die Gruppe, die Samuel Harrod, einem Marktgärtner von Thundersley, folgte, wurde als das „Ureigentümliche Volk“ bekannt und ist jetzt sehr klein. Das „Eigentümliche Volk“ — ein Name, der dem Text von 1. Petrus 2:9 (KJ) entnommen ist — ist nur in Essex, Kent und London zu finden.
Ein früherer Mitverbundener von John und Charles Wesley in Oxford war Benjamin Ingham. Nachdem er im Jahre 1755 ordiniert worden war, begab er sich mit zwei Brüdern nach Amerika. Später trennte er sich von den Methodisten, kehrte nach England zurück und schloß sich den Herrnhutern (der Brüdergemeinde) an, und dies ist jetzt eine weitere Minderheit, die in England nur 2842 Anhänger zählt. Er kam aber zu der Ansicht, jene würden Willkürmethoden anwenden, und verließ sie wieder. Er bereiste die im Norden gelegenen Grafschaften Yorkshire und Lancashire, predigte, wo immer er konnte, und begann Gesellschaften zu gründen. Die lokale Geistlichkeit „stachelte oft den Pöbel auf, diese Leute zu beschimpfen, ja häufig Tätlichkeiten gegen sie zu begehen, und man behandelte sie derart mit roher Gewalt, daß ihr Leben oft … in Gefahr war“.3 Die an Zahl zunehmende Sekte spaltete sich bald, und Ingham blieb mit nur dreizehn treuen Versammlungen zurück. Obwohl The Encyclopedia Americana sagt, die Bewegung der Inghamiten sei „erloschen“, gibt es doch noch etwa ein halbes Dutzend ihrer Kirchen, hauptsächlich in der Umgebung von Colne und Nelson, den früheren Bollwerken der Inghamiten in Lancashire.
Weil Ingham dagegen Einspruch erhob, von verschiedenen Personen in der Gottheit zu sprechen, wie man das allgemein tat, wird die Trinität in einer unlängst herausgegebenen Liste der Lehren als „Der Dreieinige Jehova oder der Dreieinige Gott“ beschrieben. Auch führte er die Benutzung des Loses ein. Im Jahre 1763 schrieb Ingham von der Bibel folgendes: „Gelehrte, die die Originale studiert haben, wissen sehr wohl, daß einige Stellen falsch und andere saft- und kraftlos übersetzt worden sind. Es würde sich wohl lohnen, wenn sich alle Gelehrten jeder Nation zusammentäten in dem Bemühen, eine genaue Übersetzung herauszugeben.“4
ANFANG UND ENDE
Es sind ebenso viele Minderheiten durch die Verbindung verschiedener Denominationen wie durch deren Spaltung entstanden. Irgendeine Veränderung in einem Gefüge und einer Organisation gibt Anlaß, daß jemand damit nicht einiggeht. Als im Jahre 1831 die Congregational Union von England und Wales gegründet wurde, splitterte eine Minderheit ab und ist bis heute die Gruppe der Calvinistic Independents geblieben. Im Jahre 1932 blieb eine Anzahl Versammlungen bei dem Zusammenschluß der drei Hauptzweige der Methodistenkirche außerhalb derselben und der alten Richtung treu. So kamen die Gruppen der Primitive Methodist Church Continuing und die Independent Wesleyan Methodists ins Dasein. Zwei ältere Gruppen lehnten es ab, sich der neuen Vereinigung anzuschließen, nämlich die Wesleyan Reform Union mit 6078 Mitgliedern und die Independent Methodists (die Unabhängigen Methodisten). Die letztgenannte Körperschaft, die 8415 Mitglieder zählt, verficht den freiwilligen, unbezahlten Predigerdienst und erkennt keine Geistlichentitel an. Ihre Mitglieder müssen nicht nur ein Gelübde unterschreiben, in dem sie geloben, sich des Genusses berauschender Getränke zu enthalten, sondern sie dürfen sich auch nicht mit dem Verkauf solcher Getränke befassen.
Eine ungewöhnliche und merkwürdige Lage entstand, als sich zwei Gruppen von Presbyterianern im Jahre 1900 zur United Free Church of Scotland (Vereinten Freien Kirche von Schottland) zusammenschlossen. Eine Minderheit, der man den Spottnamen „Wee Frees“ (im Sinne von Freie Knirpse) gab, weigerte sich, der Vereinigung beizutreten, und blieb gesetzlich im Besitz des gesamten Vermögens (das auf mehr als 10 Millionen veranschlagt wurde) der ursprünglich viel größeren Körperschaft. Ein vom König einberufener Untersuchungsausschuß brachte die Angelegenheit schließlich im Jahre 1905 durch eine gleichmäßige Verteilung in Ordnung. Nach einer weiteren Spaltung zählt die Vereinte Freie Kirche von Schottland heute nur noch 23 482 Mitglieder. Die Freie Presbyter-Kirche mit etwa 1000 Mitgliedern und die Reformierten Presbyterianer mit etwas über 600 vollenden das Bild der schottischen Presbytergruppe, die natürlich von der Hauptkirche von Schottland übertroffen wird. In Irland, wo der Protestantismus ebenfalls durch die Presbyterianer vertreten wird, bestehen ähnliche Denominationen.
Die Baptist Union von Großbritannien, die im Jahre 1813 gegründet wurde, umschloß die meisten Gruppen, die damals bestanden, mit Ausnahme der „Strict“- und der „Particular“-Baptisten. Diese huldigten weiterhin dem Grundsatz der Independenten, weil sie nicht für die „offene Kommunion“ für alle eintreten konnten. Viele Jahre lang waren die beiden Gruppen der „Strict“-Baptisten als die „Standard“- und die „Vessel“-(Gefäß-)Gruppen bekannt, und dies nach dem Namen ihrer Zeitschriften Gospel Standard (Evangeliumsstandard) und Earthen Vessel (Irdenes Gefäß). Die Mehrheit der „Strict“-Baptisten gründete im Jahre 1946 die National Federation of Strict and Particular Baptist Churches, aber die Gruppe der Standard-Baptisten (oder die Gadsbyiten) bleibt weiterhin getrennt.
Oft bildeten sich Minderheiten zufolge eines Kampfes um die Führerschaft oder wegen Lehrstreitigkeiten und selbst wegen ganz unwesentlicher Mißverständnisse. Einige Jahre später mochten solche Breschen wieder geschlossen werden. So vereinigten sich im Jahre 1952 die International Holiness Mission und die Kirche der Nazarener, und im Jahre 1955 wurde die Calvary Holiness Church angeschlossen. Hier hatte es im Jahre 1907 eine Spaltung gegeben, und dann wieder im Jahre 1934, doch eines ihrer offiziellen Organe veröffentlichte den Kommentar: „Beide Seiten gaben zu, daß sie durch eine verständnisvollere Haltung hätte verhindert werden können.“5
Nach zweiundsiebzig Jahren der Trennung gab es im Jahre 1957 eine weitere Wiedervereinigung zweier großer Gruppen der Christadelphianer, nämlich der Birmingham Temperance Hall Ecclesia und der Suffolk-Street-Gruppe. Dennoch bleiben andere Gruppen noch außerhalb, zum Beispiel die Clapham Ecclesia und die Beröer Christadelphianer. Diese Gruppen betrachtet man als solche, denen „die Gemeinschaft entzogen“ ist oder die „gänzlich ausgeschlossen“ sind. Eine solche Lage, in der jemand ausgeschlossen ist, besteht häufig unter den verschiedenen Gruppen der „Brüder“ (manchmal „Plymouthbrüder“ genannt, weil sie erst in dieser Stadt gut bekanntwurden), wo die „Exclusives“ nicht nur mit der „Offenen Denomination“ nichts zu tun haben wollen, sondern die verschiedenen Teile der „Exclusives“ sich auch weigern, miteinander Umgang zu haben. Die Geschichte der „Brüder“ in Britannien erzählt von einer Spaltung nach der anderen. Nach 1929 führte ein prominenter Redner unter den „Brüdern“, James Taylor, neue Gedanken über die Frage der „Ewigen Sohnschaft“ Jesu ein, indem er die Ansicht vertrat, daß Jesus kein ewig-vormenschliches Dasein gehabt habe. Da die „Brüder“ sonst wegen ihrer Standhaftigkeit in der Frage der Dreieinigkeit bekannt sind, hat dies zu vielen Diskussionen geführt.
Die Bewegung der Altkatholiken, wenn auch klein in England, kennt bisher noch keine Bischofsnachfolge, die alle Beteiligten befriedigt hätte. Auf die gültige Ordination haben die Catholic Christian Church, die Old Catholic Church, Orthodox Catholic Church, Old Catholic Orthodox Church, Liberal Catholic Church und die Old Roman Catholic Church Anspruch erhoben. Eine andere Gruppe, die Independent Old Roman Catholic Church, erhebt keinen Anspruch auf die Nachfolge.
Die Pfingstbewegung, die ihre Geburt hauptsächlich in der Welsh Revival (Waliser Erweckung) von 1904/05 hatte, wird nun durch sechs Hauptdenominationen vertreten. Die größten von ihnen sind die Assemblies of God (Versammlungen Gottes), die nach einem lokal-autonomen Prinzip organisiert sind, ferner die Elim Foursquare Gospel Alliance, die sich an ein vierfaches Zeugnis Christi hält: Christus, der Retter, der Heiler, der Täufer mit heiligem Geist und der kommende König. Weiter gibt es die Apostolische Kirche, den direkten Sprößling der Waliser Erweckung, die ihr Hauptbüro immer noch in Süd-Wales hat. Eine weitere Gruppe, die Bible Pattern Church Fellowship (Die Kirchgemeinschaft nach biblischem Muster) wurde erst im Jahre 1940 gegründet, nachdem George Jeffreys, Gründer der Elim, sich wegen interner Streitigkeiten zurückgezogen hatte. Diese abgesplitterte Gruppe hält zusammen mit der kleineren United Apostolic Faith Church an der anglo-israelitischen Theorie fest, daß Engländer Nachkommen der zehn verlorenen Stämme Israels seien. Die Full Gospel Testimony Fellowship ergänzt die hauptsächlichen Pfingstgemeindegruppen, die insgesamt gegen 50 000 Mitglieder zählen.
Einige Minderheitsgruppen betonen eine Besonderheit, um ihr unabhängiges Dasein zu rechtfertigen. Die Old Baptist Union behauptet, zu dem ursprünglichen Brauchtum der Baptisten zurückzukehren, das in deren Glaubensbekenntnissen im 17. Jahrhundert festgelegt worden war. Die Churches of Christ (Old Path) verwerfen die Instrumentalmusik als einen Bestandteil des Gottesdienstes und verurteilen andere Kirchen des Leibes Christi, weil sie abgewichen seien von dem „ursprünglich unbezwinglichen Neues-Testament-Standpunkt, den die Pioniere eingenommen haben“.6 Die Hutterschen Brüder, die für ein religiöses Gemeinschaftsleben eintraten, stützten sich auf Apostelgeschichte 2:44, 45 und errichteten einen „Bruderhof“ (einen Ort, an dem Brüder leben) in den Clee Hills, nahe bei der walisischen Grenze, und im Jahre 1958 wurde in Gerrards Cross, in einem Außenquartier Londons, eine neue Gemeinde gegründet.
DIE ZUKUNFT DER RELIGIÖSEN MINDERHEITEN
Mit nur wenig Ausnahmen nehmen die religiösen Minderheiten in England zahlenmäßig immer mehr ab. Viele sind nun am Erlöschen. Von den Christlichen Israeliten ist nur noch eine Versammlung übrig, die Dependenten (bisweilen Coglers genannt) haben nur noch einige Kapellen, die meisten davon in Sussex, und die Siebenten-Tag-Baptisten halten ihre Zusammenkünfte nur in London und Hull ab. Andere, die sich noch in besserem Zustande befinden, haben weitere ernste Mitgliederverluste erlitten. Von einer Höchstzahl, nämlich 16 596, im Jahre 1930 ist die Zahl der Mitglieder der Kirchen Christi (deren Hauptgruppe in Amerika als „Jünger Christi“ bekannt ist) bis zum Jahre 1959 auf 7854 zurückgegangen. Eine Gruppe der Exclusive Brethren schloß von den 123 Versammlungslokalen in drei Jahren elf Lokale, und die Catholic Apostolic Church wußte eine ähnliche Geschichte zu erzählen. Die zwei swedenborgianischen Gruppen (auch als die Neue Kirche bekannt) haben seit 1943 mehr als ein Drittel ihrer Mitglieder verloren, sind also von 6700 auf 4200 abgesunken.
Weshalb verlieren diese religiösen Minderheiten an Boden, kämpfen aber gegen ihr Erlöschen? Die Familientradition spielt dabei eine wichtige Rolle. Personen, die zu religiösen Minderheiten gehören, brüsten sich damit, anders zu sein als andere, und oft sind Glieder der eigenen Familie oder Verwandte Nachkommen des Gründers ihrer Bewegung. Sie erzählen anfeuernde Berichte über die Standhaftigkeit ihres Urgroßvaters im neuen Glauben, und das an sich genügt ihnen schon, unerschütterlich dabei zu bleiben. Manche glauben aufrichtig, die Konfession des Vaters müsse auch die Konfession des Sohnes sein, ungeachtet, ob diese Anbetung die richtige ist oder nicht. Wenn Mitglieder solcher Sekten alt werden und sterben, werden sie gewöhnlich nicht durch Neubekehrte ersetzt, und oft beobachten die Führer selbstgefällig die erlöschenden Funken ihres geistigen Feuers und wärmen sich durch eine kurze Erweckungstätigkeit nur gelegentlich die Hände.
Das wahre Christentum wird in der gegenwärtigen Welt immer in der Minderheit sein, doch muß es tatkräftig sein und den ersten Christen nacheifern. Ein Schriftsteller vergleicht Jehovas Zeugen mit der Oxfordbewegung von Dr. Buchman und macht folgende Bemerkung: „Die religiöse Überzeugung nimmt viele Formen an, aber jene der Zeugen Jehovas war so viel mühevoller als die der Oxford-Gruppen, daß die Zeugnisse der letztgenannten oft kaum viel mehr als die Vergnügungen eines langen Wochenendes zu sein schienen.“7 Im vergangenen Jahr war eine Höchstzahl — 47 126 — von predigenden Zeugen Jehovas auf den Britischen Inseln zu verzeichnen im Vergleich zu 6861 im Jahre 1939. Was ihre Zahl betrifft, haben Jehovas Zeugen also in einundzwanzig Jahren etwa einundzwanzig andere religiöse Minderheiten überflügelt, die Quäker, Unitarier, Mormonen und Siebenten-Tag-Adventisten inbegriffen.
Jesus sagte über die Notwendigkeit weiterer Lehrer und Prediger: „Die Ernte ist groß, doch gibt es wenig Arbeiter. Bittet daher den Herrn der Ernte, Arbeiter in seine Ernte auszusenden.“ (Matth. 9:37, 38, NW) Für wie viele Mitglieder der religiösen Minderheiten in England bestehen heute Anzeichen, daß sie um mehr Arbeiter bitten? Oft ist festzustellen, daß die vorhandenen Kirchenmitglieder selbst nicht wirklich im Erntefeld arbeiten, ja nicht einmal erkennen, daß die Zeit der Ernte da ist. Jehovas Zeugen dagegen sprechen regelmäßig in den meisten Häusern in England vor, obwohl sie immer noch eine religiöse Minderheit sind; und die Früchte ihrer Erntearbeit sind erkennbar.
Kannst du, ungeachtet deiner Konfession oder Religion, ungeachtet dessen, ob du ein Mitglied einer religiösen Minderheit bist oder nicht, die Früchte des fortschrittlichen Christentums sehen? Ist ein kraftvolles Wachstum zur Reife in deiner Glaubensgemeinschaft erkennbar? Erfüllen alle ihre Mitglieder das Gebot Jesu: „Geht daher hin und macht zu Jüngern Menschen aus allen Nationen“? Wenn das nicht der Fall ist, solltest du den Weg der wahren Anbetung noch suchen! — Matth. 28:19, NW.
QUELLENNACHWEIS
1 The Customs of the Churches of Christ, 1908, Seite 8.
2 A Treatise on the Lord’s Supper, mit Biographie, John Glas, Auflage 1883, Seite 11.
3 Historical Sketches of the Rise of the Scots Old Independent and the Inghamite Churches, 1814 (Exemplar im Britischen Museum).
4 A Discourse on the Faith and Hope of the Gospel, B. Ingham, Seite 5.
5 The Flame, Band 21, Nr. 4, 1955.
6 The Scripture Standard, Band 20, Nr. 10, Oktober 1954.
7 Religion in Britain Since 1900. G. S. Spinks, Seite 213.