Qualen des Reichen Mannes
IN UNSERER früheren Ausgabe haben wir das Gleichnis vom Reichen Mann und Lazarus bis hinab zum ersten Teil von Lukas 16:22 besprochen. Der schriftgemässe Beweis wurde dargelegt, um zu zeigen, dass der begünstigte reiche Mann und der Bettler Lazarus zwei Klassen darstellen: der reiche Mann die hochbegünstigte Religionsgeistlichkeit unter Gottes Bekenntnisvolk, und der Bettler Lazarus das verachtete, vernachlässigte Volk, das seinen geistigen Mangel erkennt und nach Wahrheit und Gerechtigkeit von Gott hungert und dürstet. Das Gleichnis hatte seine Anwendung bei den Juden oder Israeliten, zu denen Jesus es sprach. Unter ihnen schloss die Klasse des „reichen Mannes“ die Oberpriester, die Schriftgelehrten, die Pharisäer und Sadduzäer sowie andere Religionsführer ein, die sich Jesus widersetzten und über seine Lehren hohnlachten. Weil Jesus und seine Jünger die gute Botschaft vom Königreich den Armen und Leidenden, die ihm mit Freuden zuhörten, predigte, wurden diese durch die Wahrheit von Gott und durch die Vorrechte, ihm richtig zu dienen, bereichert. Es bedeutete Tod für ihren bettlerhaften, kranken geistigen Zustand. Es machte sie frei von der Abhängigkeit von der Klasse des „reichen Mannes“ in bezug auf das, was sie an religiöser Belehrung erhielten. Es brachte sie in die Gunst Gottes Jehovas, der durch Abraham vertreten war, wo sie sich an der Fülle des geistigen „Tisches Jehovas“ erlaben konnten. So kam es — um in der Sprache des Gleichnisses zu reden —, dass „der Bettler starb und von den Engeln an den Busenplatz bei Abraham getragen wurde“.
1. Was widerfuhr dem reichen Mann beim Tode? Was veranschaulichte sein Tod?
WAS jetzt mit dem „reichen Manne“ geschieht, ist das Gegenteil der Gunstbezeugung gegenüber dem Bettler Lazarus. Lukas 16:22, 23 sagt es uns: „Auch der reiche Mann starb und wurde begraben. Und im Hades erhob er seine Augen, als er in Qualen war, und er sah Abraham von ferne und Lazarus am Busenplatz bei ihm.“ (NW) Der Tod des „reichen Mannes“ bedeutete nicht den physischen Tod irgendwelcher Glieder dieser Klasse. Er veranschaulicht ihren Tod gegenüber der bevorrechteten, vorteilhaften Stellung, deren sie sich bis jetzt erfreut hatten und in welcher sie die Lazarusklasse als verachtete, kranke Bettler behandelten. Wann denn und wie starb die Klasse des „reichen Mannes“ und wurde begraben?
2, 3. a) Wann starb die Klasse des „reichen Mannes“? b) Wie zog Jesus ihnen ihre Leinwand und ihren Purpur ab, und wie verdarb er ihren Tisch?
2 Es geschah zur selben Zeit, da die Lazarusklasse ihren Wechsel des Zustandes zum Bessern erfuhr. Was für die Beseitigung des unvorteilhaften Zustandes dieser armen Klasse gereichte, gereichte der Klasse des „reichen Mannes“ zum Tode in bezug auf ihre besonderen Vorrechte, ihren Platz anscheinender Gunst Gottes. Dies geschah, als Johannes der Täufer kam, um Reue zu predigen, weil Gottes Königreich nahe war. Er lenkte das Volk auf Jesus, das „Lamm Gottes“, hin, „welches die Sünde der Welt wegnimmt“, auf den Gesalbten, den Christus. Johannes stellte die Selbstgerechten bloss, nannte sie „Vipernbrut“ und zeigte ihnen, dass sie in der Gefahr standen, im kommenden Zorn Gottes über Israel mit feuriger Vernichtung getauft zu werden. Sie bedurften der Reue ebensosehr wie das sündige arme Volk, das durch das Gesetz Moses verurteilt war. Sie brauchten nicht zu denken, sie seien zufolge ihrer natürlichen Abstammung von jenem treuen Hebräer der verheissene Same Abrahams. — Matth. 3:7-12, NW.
3 Jesus selbst aber war für die Klasse des „reichen Mannes“ in ihrer Leinwand und Purpurkleidung und an ihrem reichgedeckten Tisch noch gefährlicher. Indem sich diese selbst als gerecht ausgab, erschien sie in den Augen der Lazarusklasse einst hoch erhaben, und war doch in Gottes Augen tatsächlich ein Abscheu. Jesus stellte sie als solche vor der Lazarusklasse bloss. (Luk. 16:15, NW) So entzog er ihnen ihre Leinwand der Selbstgerechtigkeit. Er entkleidete sie ihrer Ansprüche auf den Purpur der Königswürde in Gottes Königreich, als er erklärte, dass die Huren, Sünder und Steuereinnehmer von der Bettlerklasse vor ihnen in das Königreich hineingehen würden. Als Höhepunkt sprach er das furchtbare Urteil: „Das Königreich Gottes wird von euch weggenommen und einer Nation gegeben werden, die dessen Früchte hervorbringt.“ (Matth. 21:43, NW) Er verdarb ihnen ihren religiösen Tisch, als er sich von ihnen abwandte und die Königreichsgeheimnisse und das Vorrecht, das Königreich zu predigen, den Armen von der Lazarusklasse gab und sprach: „Ich preise dich öffentlich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du diese Dinge den Weisen und Intellektuellen verborgen und sie kleinen Kindern geoffenbart hast . . . Kommet zu mir, alle, die ihr euch abmüht und die ihr beladen seid, und ich will euch erquicken. Nehmet mein Joch auf euch und werdet meine Jünger, denn ich bin mildgesinnt und von Herzen demütig, und ihr werdet Erquickung finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist gütig und meine Last ist leicht.“ (Matth. 11:25-30 und Luk. 10:21-24, NW) Als die Klasse des „reichen Mannes“ ihn willentlich verwarf und seinen Tod verursachte, besiegelte dies ihren Tod als geistlich Bevorrechtete. Ihr religiöser Tisch wurde ihnen zum Fallstrick und ihr Festmahl zur tödlichen Schlinge. — Röm. 11:7-9.
4. Beschreibt das Gleichnis den Lazarus als beim Tode begraben und in die Hölle gegangen? Warum?
4 Wir haben bereits bemerkt, dass das Gleichnis es vermeidet, zu sagen, dass Lazarus begraben wurde und in die Hölle, den Hades oder Scheol gegangen sei. Doch sagt es von dem reichen Mann, dass er „starb und begraben wurde“ und sich „im Hades“ vorfand. Sein Tod wurde offen bezeugt an jenem Tage der Pfingsten, zehn Tage nachdem Jesus in den Himmel gefahren war, um mit dem Wert seines menschlichen Opfers in Gottes Gegenwart zu erscheinen. Dann wurde der heilige Geist auf die ersten Glieder der Lazarusklasse ausgegossen. Der Geist war ein offenkundiger Beweis, dass Gott sie annahm, und dass ihnen Christi Gerechtigkeit zugerechnet wurde, und dass sie Erben des Reiches Gottes wurden. Die geistige Nahrung hinsichtlich seines durch Christus regierten Königreiches fiel für das arme Volk an jenem Pfingsttage nicht vom Tische des „reichen Mannes“. Nein; sie kam durch jene Jünger, die an den „Busenplatz bei Abraham“ genommen worden waren. Damals begann Petrus, und nicht die Klasse des „reichen Mannes“, die „Schlüssel des Königreiches der Himmel“ zu gebrauchen. Etwa 3000 Juden wandten sich dem Tisch des grösseren Abraham zu, wurden getauft und erhielten den ausgegossenen Geist. So begann die Lazarusklasse aus dem Zustand des Totseins in Übertretungen und Sünden emporgehoben zu werden, um „zusammen an den himmlischen Örtern in Einheit mit Christus Jesus“ zu sitzen. (Apg. 2:1-42; Matth. 16:19; Eph. 2:1-6, NW) Wie hätte also das Gleichnis den Lazarus als sich im Hades, Scheol, in der Hölle oder im gewöhnlichen Grab der Menschheit befindend beschreiben können? Dies konnte es nicht.
5. In welcher Weise war die Klasse des „reichen Mannes“ tot und lebte dennoch?
5 Was aber die Klasse des „reichen Mannes“ betrifft: Indem sie Jesus abwies und sich hartnäckig an die Werke des Gesetzes hielt, um sich zum Leben zu rechtfertigen, erwies sie sich als vom Gesetz verflucht. So starb sie in bezug auf das Vorrecht, mit Jesus Christus als dem verheissenen Samen Abrahams verbunden zu sein. Bis zu ihrem physischen Tode lebte sie im Fleische weiter gleichwie das umherfahrende Weib, von dem der Apostel schrieb: „Die da sinnlicher Befriedigung nachgeht, ist tot, auch wenn sie lebt.“ (1. Tim. 5:6, NW) Das Gesetz, an das sich die Glieder dieser Klasse klammerten, erwies sich ihnen zum Tode, indem es sie als verfluchte Sünder zum Tode verurteilte. (Röm. 7:9-11) Sie lebten im Fleische weiter, obwohl sie in Gottes Augen tot waren, und konnten also sehen, was mit der Lazarusklasse geschah; und dies konnte für sie ein Ärgernis sein.a
6. Wann war damals die Klasse des „reichen Mannes“ begraben?
6 Was die Juden betrifft, wurde der „reiche Mann“ dreieinhalb Jahre nach Pfingsten begraben. Warum spätestens damals? Weil dann zum ersten Mal die gute Botschaft vom Königreich Gottes den verachteten, unbeschnittenen Heiden gepredigt wurde, und zwar im Hause des italischen Hauptmanns Kornelius. Die Glieder der Klasse des „reichen Mannes“ unter den Juden waren nicht die, welche das Predigen besorgten. Nein; nicht sie waren es, welche sich im Einklang mit Jehovas Verheissung an Abraham für alle Nationen der Erde zum Segen erwiesen. Jener, der dem Kornelius predigte, war ein Glied der verachteten Lazarusklasse, nämlich der Apostel Petrus, welcher mit den „Schlüsseln des Königreiches“ ausgerüstet war. (Apg. 10:1 bis 11:18) Die Klasse des „reichen Mannes“ besass keine lebengebende Botschaft und war untätig im Dienste Gottes und demzufolge wie tot und begraben.
7. Wenn die Hölle das Grab ist, wie kommt es dann, dass sie als dort sprechend dargestellt wird?
7 Ihr fragt aber, wie es denn komme, dass der reiche Mann dargestellt wird, als ob er in der Hölle redete, wenn sie doch nur das gewöhnliche Grab der Menschen ist? Dem ist so, weil dies ein Gleichnis ist. Zu sterben, begraben zu werden und in der Hölle zu sein, wird somit in symbolischer Weise gebraucht. Dies zeigt gerade, dass es sich hier um ein Gleichnis handelt, denn wenn die Klasse des „reichen Mannes“ tatsächlich in der Bibelhölle gewesen wäre, hätte sie ja weder sprechen noch etwas sehen können. „Mögen die Bösen zuschanden werden, mögen sie stumm sein im Scheol“ (AS), „schweigen im Grabe“ (KJ), „werdet zur Hölle niedergelegt“ (Dy), so sagt Psalm 31:17, Douay Ps. 30:18. Und in Prediger 9:5, 10 lesen wir: „Denn die Lebenden wissen, dass sie sterben werden; die Toten aber wissen gar nichts . . . Alles, was du zu tun vermagst mit deiner Kraft, das tue; denn es gibt weder Tun noch Überlegung noch Kenntnis noch Weisheit im Scheol [in der Hölle, Dy; im Grab, KJ], wohin du gehst [eilst].“ Wenn jemand im Zustand ist, der dem Scheol, der Hölle oder dem Grabe gleicht, so ist er weder tätig im Dienste Gottes, noch lernt er etwas von der Wahrheit. Dort befindet sich die Klasse des „reichen Mannes“, und sie kann den veränderten Zustand der Lazarusklasse sehen und kann reden und sich beklagen. Es ist, wie wenn der Psalmist in Verzagtheit von sich sagte: „Mein Leben ist nahe am Scheol. Ich bin gerechnet zu denen, die in die Grube hinabfahren; ich bin wie ein Mann, der keine Kraft hat; unter den Toten hingestreckt, gleich Erschlagenen, die im Grabe liegen, derer du nicht mehr gedenkst; denn sie sind von deiner Hand abgeschnitten. Du hast mich in die tiefste Grube gelegt, in Finsternisse, in Tiefen. Auf mir liegt schwer dein Grimm.“ — Ps. 88:3-7.
WIE IN QUALEN
8. Beweist nicht der Umstand, dass sie „in Qualen“ war, dass es in der Hölle Feuer und Qual für Seelen gibt, die bei Bewusstsein sind? Weshalb?
8 Wenn aber der Hades, Scheol oder die Hölle das gewöhnliche Grab der Menschheit ist, wo es kein Empfinden, keine Kenntnis, keine Tätigkeit gibt, wie kommt es denn, dass das Gleichnis vom reichen Mann im Hades sagt, er sei „in Qualen“ gewesen? Im nächsten Verse sagt er, dies sei einem „lodernden Feuer“ zuzuschreiben. Zeigt dies denn nicht, dass es für Menschenseelen, die bei Bewusstsein im Hades, Scheol oder in der Hölle sind, Feuer und Qual gibt? Ganz und gar nicht. Dies ist ein Gleichnis, und der Ausdruck Scheol oder Hades wird gebraucht, um den Zustand der Klasse des „reichen Mannes“ zu veranschaulichen, während sie immer noch hier unter uns auf Erden ist. Folglich kann diese Klasse als sich im Scheol, im Hades oder in der Hölle und gleichzeitig in den Qualen einer Feuerflamme befindend dargestellt werden. Der reiche Mann könnte nicht als in der Gehenna seiend veranschaulicht werden, weil er dann nicht als sprechend dargestellt werden könnte, denn die Gehenna oder der „Feuersee, der mit Schwefel brennt“, symbolisiert den „zweiten Tod“, die gänzliche Vernichtung, aus der es keine Auferstehung gibt. — Off. 19:20; 20:14. Siehe Fussnote.b
ABRAHAM VON FERNE GESEHEN
9. Was sah der reiche Mann von ferne? Was bedeutete dies für ihn?
9 Obwohl in ihrem religiösen Reiche lebend, war die Klasse des „reichen Mannes“ doch tot für Gott und war gleichsam im Hades oder in der Hölle begraben, soweit es ihren aktiven Dienst betrifft. Aus diesem Grunde konnte sie als tot und begraben im Hades oder im Grabe dargestellt werden und dennoch lebendig und imstande sein, aufzublicken und in die Ferne zu schauen und auch Qual zu erleiden. Was sie sah, trug noch bei zu ihrer Qual: „er sah Abraham von ferne und Lazarus am Busenplatz bei ihm.“ Somit sah die Klasse des „reichen Mannes“, dass sie den Segen als Abrahams natürlicher Same nicht erlangte. Sie sah den grösseren Abraham, Jehova Gott, fern von ihr, ja seine Gunst wandte sich dem jüdischen Überrest und den Heiden zu, die an Jesus glaubten und ihm folgten. Entfernt davon, der verheissene Same Abrahams zur Segnung aller Familien und Nationen der Erde zu sein, war sie diesen zum Fluche. Paulus sagte: „Sie gefallen Gott nicht, sondern sind gegen die Interessen aller Menschen, da sie uns zu hindern suchen, zu den Nationen zu reden, damit diese gerettet werden, was zur Folge hat, dass sie das Mass ihrer Sünden jederzeit voll machen.“ (1. Thess. 2:15, 16, NW) Sowohl Paulus wie Barnabas sagten zu ihnen: „Es war notwendig, dass das Wort Gottes zuerst zu euch geredet wurde. Da ihr es von euch stosset und euch des ewigen Lebens selbst nicht für würdig achtet, siehe! so wenden wir uns den Nationen zu. In der Tat, Jehova hat uns in folgenden Worten ein Gebot auferlegt: ‚Ich habe dich als Licht von Nationen bestimmt, damit du zur Rettung seiest bis zum entferntesten Teil der Erde.‘ “ — Apg. 13:46, 47, NW.
10. Was bedeutete es für die Lazarusklasse, am Busenplatz zu sein? Was bedeutete es für die Klasse des „reichen Mannes“, nicht dort zu sein?
10 So sehen sie die Lazarusklasse am Busenplatz bei Abraham, und folglich beim Mahl oder Bankett mit Abraham und auf dem ersten Lager mit ihm, als Zeichen, dass sie in seiner besondern Liebe und Gunst stehen. (Joh. 13:23, 25; 5. Mose 13:6; 28:54, 56; 2. Sam. 12:3, 8; Mich. 7:5) Dies bedeutet, dass sie am Busen, in der Gunst des grösseren Abraham, Jehovas Gottes, sind und Gemeinschaft mit ihm haben. Sie sind als Söhne Gottes angenommen worden, um mit Jesus Christus, dem wahren Samen Abrahams, verbunden zu werden, und so halten sie Festmahl am „Tische Jehovas“, an den Königreichsgeheimnissen und Wahrheiten und an der reinen Anbetung und am Dienste Gottes. (1. Joh. 1:3, 7; Joh. 4:34; Jak. 1:27) Die Klasse des „reichen Mannes“ jedoch steht ausserhalb all dieser Gunst, weit entfernt davon. Die Lazarusklasse ist wie Isaak, Abrahams Sohn, den er durch sein geliebtes Weib Sara hatte, der Sohn, der zum Erben Abrahams gemacht wurde. So sagte Gott: „In Isaak soll dein Same genannt werden.“ (Röm. 9:7; Gal. 4:28, NW) Die Klasse des „reichen Mannes“ hingegen ist wie Ismael, Abrahams Sohn durch die Sklavin Hagar. Gott wies Ismael als Same zurück, und er wurde daher verworfen und weggesandt, damit er nicht Isaaks Leben bedrohe. Ebenso wurden die von der Klasse des „reichen Mannes“, obwohl sie Abrahams natürliche Nachkommen sein mochten, aus Gottes Gunst verstossen. So verfolgen sie denn die Lazarusklasse aus Neid und Rache, gleichwie Ismael dies tat. — Gal. 4:22-30, NW.
11, 12. Wie waren sie zur Zeit Jesu in Qualen? Wie in apostolischen Tagen?
11 Kein Wunder, wenn sich die Klasse des „reichen Mannes“ in Qualen befindet. In den Tagen Jesu wurde sie durch seine Botschaft gequält. Nachdem er ihre religiösen Traditionen und Vorschriften als in Widerspruch mit Gottes Wort und Befehlen stehend blossgestellt hatte, sagten die Jünger: „Weisst du, dass die Pharisäer strauchelten, als sie hörten, was du sagtest?“ Als er sagte, dass wegen ihrer religiösen Heuchelei und Selbstgerechtigkeit Weh und Leid über sie kommen werden, bemerkte einer von ihnen: „Lehrer, indem du diese Dinge sagst, beschimpfst du auch uns.“ Dies brachte Jesus nicht zum Schweigen, sondern er sagte ihnen weiterhin, sie hätten den Schlüssel der Erkenntnis vom Volke weggenommen. Gequält über den Bericht, dass Jesus im Tempel lehrte, entsandten sie Beamte, um ihn zu verhaften, aber die Beamten weigerten sich, dies zu tun, und kamen mit dem für sie qualvollen Bekenntnis zurück: „Nie hat jemand so geredet wie dieser.“ Als er sein Gleichnis vom Weinberg sprach und sie erkannten, dass mit den darin erwähnten Mördern sie gemeint waren, suchten sie ihn in ihrer geistigen Angst zu greifen, taten es aber aus Furcht vor dem anwesenden Volke nicht. — Matth. 15:12-14; Luk. 11:45; Joh. 7:32, 45, 46; Matth. 21:45, 46, NW.
12 In der Annahme, sie könnten ihre Qual mindern, liessen sie ihn schliesslich töten. Ihre Qualen wurden aber von Pfingsten an durch die Lazarusklasse nur erneuert. Zum Beispiel fühlten sich die Priester, Tempelvorsteher und Sadduzäer belästigt, weil Petrus und Johannes das Volk im Tempel über Jesus und seine Auferstehung lehrten. Doch Festnahmen und Gefängnisstrafen vermochten die Apostel weder einzuschüchtern, noch sie zum Schweigen zu bringen. Sie wurden kühner, und die Predigttätigkeit in Jerusalem wurde noch intensiver betrieben, was die religiösen Häupter noch mehr erbitterte. Als Stephanus vor ihnen Zeugnis gab, fühlten sie sich ins Herz geschnitten. Mit den Zähnen knirschend und schreiend, stürzten sie sich in Haufen auf ihn, warfen ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn zu Tode. Saulus von Tarsus, der Augenzeuge davon war, betrieb eine fanatische Verfolgung der Lazarus-Christen. Da er rasend war ihrethalben, schnaubte er Drohungen und Mord wider sie. Doch war es für ihn, wie wenn ein Ochse wider die Stacheln ausschlägt und sich tief verwundet. Als Saulus umkehrte und der Apostel Paulus wurde und er und Barnabas grossen Volksmengen predigten, wurden die religiösen Führer mit Eifersucht erfüllt, und lästerlich widersprachen sie dem, was diese dem Volke sagten, und verfolgten sie dann, weil sie die Botschaft den Nichtjuden brachten. Wiederholt finden wir Berichte darüber, wie sie sich in Wut wider Paulus und seine Missionargefährten erhoben. In welcher Qual waren sie! Wie die flammende Botschaft der Rüge und Blossstellung nun sprühte und sie brannte und sengte!c
DAS GEGENSTÜCK DER NEUZEIT
13, 14. Wer hat als das neuzeitliche Gegenstück des reichen Mannes gehandelt?
13 Die religiösen Beamten und Führer des Judentums, welche die Klasse des „reichen Mannes“ aus jenem ersten Jahrhundert bildeten, finden ihr Gegenstück der Neuzeit in der Geistlichkeit und den religiösen Führern und Unterstützern des Christentums von heute. Sie vertreten Systeme, die sich verschanzt haben unter der menschlichen Gesellschaft und aus alter Zeit herrühren und uralten Traditionen folgen. So haben sie denn mit ihrem Reichtum und ihrem Einfluss bei den Herrschern dieser Welt für sich einen Platz von grosser Prominenz erlangt, wo man sie sehr respektiert und wo sie Einfluss und Macht über das Volk innehaben. Äusserlich gesehen, sind sie den Menschen als sehr gerecht und unantastbar erschienen, so dass es als Frevel, als Lästerung und als antireligiös erschien, wenn man sie kritisierte. Sie haben sich in der Gunst der Reichen und der Herrscher gesonnt und haben mächtigen politischen Einfluss ausgeübt. Sie haben sich die Königreichsverheissungen des göttlichen Wortes angeeignet und sich eingebildet, sie seien die Ersten in der Gunst Gottes, des grösseren Abraham, und durch sie werde das Königreich Gottes über die Erde aufgerichtet. Sie sind auf ihre Vorteile im Erziehungswesen sowie in sozialer und politischer Hinsicht ausgegangen und haben herabgeschaut auf das gewöhnliche Volk als auf die Laienschaft, die Ungebildeten, die hinsichtlich schriftgemässer Unterweisung ganz von der betitelten und gebildeten Geistlichkeit und ihren Religionssystemen abhängig seien.
14 Sie haben dem Volke wenig von Gottes Wort und Dienst gegeben und haben es getäuscht durch sektiererische Traditionen und heidnische Philosophien, indem sie es in seinem geistigen Hunger und mit geschwürigen Krankheiten behaftet sich selbst überliessen. Sie haben den Schlüssel der Erkenntnis zur Eröffnung des Sinns des Wortes Gottes weggenommen. Sie haben das Volk vom Königreich Gottes als einzigem Heilmittel der Menschheit abgelenkt und haben seine Aufmerksamkeit auf die politischen Manöver und Taktiken weltlicher Herrscher gelenkt und sie gesegnet, wenn sie sich an blutigen Kämpfen der Nationen beteiligten. Am Ende dieser Welt haben sie keine rettende Botschaft für das bedrängte Volk, sondern lassen es in geistlich armem, hungrigem und krankem Zustand, nur mit der leeren Hoffnung auf einen Völkerbund oder eine Organisation der Vereinigten Nationen, ja dies soll dessen beste Hoffnung auf Weltfrieden, Stabilität und Wohlfahrt sein.
15. Wie wird gezeigt, dass sie tot und begraben sind?
15 Nun befinden sich diese Religionisten in einem geistig toten Zustand gleich dem „reichen Mann“ im Gleichnis. Sicherlich sind sie sich der Tatsache nicht bewusst, dass die „bestimmten Zeiten der Nationen“ im Jahre 1914 (n. Chr.) endeten, und dass damals Gottes Königreich in Macht über die Erde eingesetzt wurde, indem der verheissene Same Abrahams, Christus Jesus, auf den Thron kam. Sie verachten den Überrest der Lazarusklasse, Jehovas Zeugen der Neuzeit, weil sie eine solche Botschaft predigen. Angesichts des Zeichens der Vollendung (des Miteinanderendens) dieses Systems der Dinge und der Gegenwart oder pa·rousi’a Jesu Christi in Königreichsmacht hätten sie der Botschaft glauben sollen, wenigstens am Ende des Ersten Weltkrieges im Jahre 1918. Doch kamen sie nicht zu Leben und Tätigkeit und nahmen jene Königreichsbotschaft auf und proklamierten sie der Menschheit. Die Überrestglieder der Lazarusklasse aber taten dies, nachdem sie sich von der Bedrückung durch ihre Feinde während des Weltkrieges erholt hatten. Sie organisierten sich im Jahre 1919 von neuem und wurden lebendig und überaus tätig, um „diese gute Botschaft vom Königreich“ allen Nationen zu einem Zeugnis zu predigen, ehe das Ende dieser Welt in Harmagedon kommt. Die Klasse des religiösen „reichen Mannes“ höhnte über die prophetische Bedeutung der Weltereignisse. Sie wies die Botschaft zurück, die vom neuzeitlichen „Lazarus“ aufgenommen wurde und suchte Zuflucht in einem menschlichen Ersatz für das Königreich, in jenem nichtigen Ding, Völkerbund genannt. So bekundete sie keine Tätigkeit zur Proklamierung und Förderung des Königreiches. Sie zeigte, dass sie tot und Gott gegenüber begraben war; und sein vor alters in seinem Worte aufgezeichnetes Gericht erklärt, dass sie dies ist.
DIE THEOKRATIE SUCHEN
16. Wann erreicht Lukas 13:27-30 einen Höhepunkt? Wer sind die Herbeikommenden?
16 Durch das ganze christliche Zeitalter hindurch ist die Prophezeiung in Lukas 13:27-30 nun ihrem Höhepunkt entgegengegangen. In jener Prophezeiung wies Jesus auf die Zeit hin, da die Tür vor jenen Menschen zugeschlossen werde, die in religiöser Hinsicht einst Vorrechte besassen, und er sagte: „Er wird sprechen und zu euch sagen: ‚Ich weiss nicht, woher ihr seid. Weichet von mir, all ihr Täter der Ungerechtigkeit!‘ Dort wird sein euer Weinen und euer Zähneknirschen, wenn ihr sehet Abraham und Isaak und Jakob und alle Propheten im Königreich Gottes, euch selbst aber hinausgeworfen. Ferner werden Leute kommen aus östlichen und westlichen Gegenden und von Norden und Süden und werden zu Tische liegen im Königreiche Gottes. Und siehe! es sind jene Letzten, welche Erste sein werden, und es sind jene Ersten, welche Letzte sein werden.“ (NW) Nachdem Jerusalem durch die kaiserlichen Heere Roms im Jahre 70 n. Chr. zerstört war, kamen die vom Osten, Westen, Norden und Süden grösstenteils aus den Nichtjuden oder Heiden aller Nationen, die mit der guten Botschaft erreicht wurden.
17. Was bedeutet es, Abraham, Isaak, Jakob und alle Propheten in Gottes Königreich zu sehen?
17 In unserer früheren Wachtturm-Ausgabe sahen wir, wie Abraham, dessen Name „Vater einer Menge“ bedeutet, Jehova Gott, den Vater des verheissenen Samens Abrahams, veranschaulicht. Abrahams Sohn Isaak, der als Opfer dargebracht wurde, veranschaulichte den Sohn Gottes, Jesus Christus, welcher in erster Linie die Rolle des Samens Abrahams zur Segnung der ganzen Menschheit erfüllt. Jakob, der Sohn Isaaks und Enkel Abrahams, veranschaulichte die Versammlung der Nachfolger Christi, denn Gott nimmt sie als seine geistlichen Söhne an und macht sie zu einem Teil des verheissenen Samens Abrahams. Jakobs Name wurde in Israel umgewandelt; und sie sind geistliche Israeliten, „das Israel Gottes“. (Gal. 4:28; 3:26-29; 6:16, NW) Der Ausdruck „alle Propheten“ vertritt auch die Gemeinde des geistlichen Israel, der Glieder des „Leibes Christi“. In den Prophezeiungen wurden solch ehemalige Propheten der alten Zeit gebraucht, um diese geistgezeugten Christen vorzuschatten und ihre Rolle oder ihre Handlungsweise darzustellen. Zusammen veranschaulichen also Abraham, Isaak, Jakob und alle Propheten die Theokratische Herrschaft. Sie „im Königreich Gottes“ zu sehen, bedeutet, mit dem Auge des Verständnisses zu sehen, dass Jehova, Jesus Christus und seine Versammlung geistgezeugter Nachfolger das Königreich Gottes bilden, und diese sind im himmlischen Königreiche.
18. Was bedeutet es demzufolge, herbeizukommen und im Königreiche mit ihnen zu Tische zu liegen?
18 Wenn also Leute aus allen Richtungen herbeikommen und zu Tische liegen in diesem Königreiche, so bedeutet dies, dass diese Gläubigen in die Klasse der Königreichsmiterben aufgenommen werden und dass sie Festmahl halten an den Königreichswahrheiten und Vorrechten am „Tische Jehovas“. Somit brauchen wir nicht zu warten, bis Abraham, Isaak, Jakob und all die Propheten aus den Toten auferweckt sind, damit wir diese Prophezeiung erfüllt sehen.
Ich weiss, dass Jehova ausführen wird die Rechtssache des Eilenden, das Recht der Armen. Ja, die Gerechten werden deinen Namen preisen, die Aufrichtigen werden vor deinem Angesicht wohnen. — Psalm 140:12, 13.
[Fußnoten]
a Die katholische Allioli-Bibel lautet: „Und es starb auch der Reiche und wurde in die Hölle begraben.“ Die lateinische Vulgata und die römisch-katholische Confraternity-Übersetzung von 1941 lauten ähnlich. Die katholische Version von Monsignor R. A. Knox (engl.) lautet: „Der reiche Mann starb ebenfalls und fand sein Grab in der Hölle.“ (Luk. 16:22) Diese Lesarten, die besagen, ein Mensch finde sein Grab in der Hölle, beweisen das, was die ganze übrige Bibel zeigt, dass nämlich die Bibelhölle das gewöhnliche Grab der Menschheit ist, der Grabeszustand, das Reich der Toten, nicht der Lebenden. Dies wird bestätigt durch Offenbarung 20:13, 14: „Und Tod und Hölle gaben ihre Toten, die in ihnen waren . . . Und Hölle und Tod wurden in den Feuerpfuhl geworfen. Dies ist der zweite Tod.“ (Off. 20:13, 14, Dy) Hier lautet die katholische Übersetzung durch Ehrw. F. A. Spencer, O. P., von 1946 (engl.): „Und Tod und das Grab gaben die Toten wieder, die in ihnen waren, . . . Und Tod und das Grab wurden in den Feuersee geworfen. Dies ist der zweite Tod — der Feuersee.“ Allein dadurch, dass wir römisch-katholische Autoritäten vergleichen, wird festgestellt, dass die Bibelhölle das gewöhnliche Grab der Menschen ist, ohne dass wir selbst irgendeinen Gedanken zum Thema beifügen müssten.
Wenn irgendeine ehrliche, mutige Person einen noch ausgedehnteren Vergleich anstellt, so wird ihr dieser enthüllen, dass da, wo die Douay-Übersetzung in den Hebräischen Schriften „Hölle“ sagt, die King James-Bibel „Grab“ setzt. Die Amerikanische Standard-Bibel enthüllt, dass an all diesen Stellen das hebräische Originalwort „She·ol“ lautet, während die griechische Septuaginta das Wort „Ha’des“ verwendet. Kein Höllenfeuerprediger kann dies widerlegen. Nun kann man verstehen, weshalb es in Amos 9:2 (Lu) heisst: „Wenn sie sich in die Hölle vergrüben . . .“
b Niemand kann Psalm 116:1 als einen Beweis anführen, dass es dort im Scheol, Hades oder in der Hölle eine Qual für Seelen gibt, auch wenn es heisst: „Stricke des Todes hatten mich umfangen, und Ängste der Hölle hatten mich getroffen; ich kam in Jammer und Not.“ (Lu) Hierüber lauten andere Bibel-Übersetzungen: „die Bedrängnisse des Scheols“ (Elb.), „die Qualen des Scheols“ (AT), „die Gefahren der Hölle“ (Al), und nach der Übersetzung von Monsignor Knox: „die Schrecken des Grabes“. (Ps. 114:3, Knox, engl.) Die Bedrängnisse, die Qualen waren nicht im Scheol oder in der Hölle selbst; sondern der Psalmist war in Gefahr und in Schrecken, in den Scheol, die Hölle oder das Grab zu kommen. Der Psalmist schattete hier Jesus Christus in seinen Todesängsten im Garten Gethsemane vor, in der Nacht, da er verraten wurde. Stand Jesus in der Gefahr vor Bedrängnissen und Qualen in der Hölle? Nein; er war der Oberste der Heiligen oder Treuen Gottes, welche die liebende Güte Gottes verdienten. (Ps. 16:10; 2. Sam. 22:6) Jesus ging in die Hölle, doch nicht in ewige Qual in buchstäblichem Feuer und Schwefel im Zentrum der Erde. Seine Seele oder sein Leben wurde nicht in der Hölle gelassen, sondern wurde am dritten Tage nach seinem Tode aus der Hölle auferweckt.
Dies erklärt, weshalb der prophetische 116. Psalm weiter sagt: „Und ich rief an den Namen Jehovas: Bitte, Jehova, errette meine Seele! Kehre wieder, meine Seele, zu deiner Ruhe! denn Jehova hat wohlgetan an dir. Denn du hast meine Seele errettet vom Tode [nicht: von ewiger Qual], meine Augen von Tränen, meinen Fuss vom Sturz. Kostbar ist in den Augen Jehovas der Tod seiner Frommen [Heiligen, Al].“ (Ps. 116:4, 7, 8, 15) So wie Jona aus dem „Bauche der Hölle“, dem Bauche des Fisches, am dritten Tage herauskam, so kam Jesus aus der buchstäblichen Bibelhölle heraus. Als Jona sich im Bauche des Walfisches befand, veranschaulichte er nicht Jesus in irgendeiner Höllenqual. (Jon. 2:1-3) Das „Zeichen Jonas“, das nach Jesu Worten den Israeliten gegeben werden sollte, einschliesslich der Klasse des „reichen Mannes“, war Jesu eigene Auferstehung aus dem Tode und der Hölle am dritten Tage. — Matth. 12:38-41; 16:1-4.
Die harmonische Bibelwahrheit steht daher unwiderlegt und unerschüttert da, wonach der Scheol, Hades oder die Hölle das gewöhnliche Grab des Menschen ist; und es gibt dort keine feurige Qual für Menschenseelen.
c Apg. 4:1-3; 5:17, 18, 24, 25; 7:54-58; 26:9-14; 13:45, 50; 17:5, 6, 13; 18:12, 13; 21:27-32, 35; 22:22, 23; 1. Thess. 2:15, 16.