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Babylons Sturz — ein Wendepunkt in der GeschichteDer Wachtturm 1965 | 15. Juni
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Befehl des Königs, nachzusehen, was an der Sache sei, öffneten sich die Thore und einige rannten heraus. Kaum aber sahen die Leute des Gadatas die Thore sich aufthun, so stürzten sie hinein, folgten den Zurückfliehenden im Rücken und machten sich unter Säbelhieben Bahn bis zum Könige. Sie trafen ihn, bereits aufgestanden, und den Dolch, den er trug, gezückt in der Hand. Die Uebermacht unter Gadatas und Gobryas [Ugbaru] erdrückte ihn. Auch die um ihn waren, fielen, der eine sich irgend wie zu decken suchend, der andere auf der Flucht, wieder ein anderer sich so gut er konnte zur Wehre setzend.b
Die Bibel berichtet über das Schicksal Belsazars kurz und bündig: „In derselben Nacht wurde Belsazar, der König der Chaldäer, getötet. Und Darius, der Meder, bekam das Königreich, als er ungefähr zweiundsechzig Jahre alt war.“ — Dan. 5:30; 6:1.
Was sich in jener denkwürdigen Nacht alles ereignete, beschreibt Xenophon in seiner Cyropädie (geschrieben um das Jahr 370 v. Chr.) wie folgt:
Cyrus [Kores] aber schickte Reitertrupps in die Straßen aus, mit dem Befehl, wen sie außen treffen würden, niederzuhauen, und zugleich durch die, welche Syrisch verständen, bekannt machen zu lassen, wer in den Häusern sei, solle drinnen bleiben; wer sich außerhalb treffen lasse, werde niedergemacht werden. Während dieß geschah, kamen Gadatas und Gobryas. Sie warfen sich nieder, um zuerst den Göttern zu danken, daß sie sich an dem ruchlosen Könige haben rächen können, und dann frohen Herzens und unter einem Strome von Freudenthränen dem Cyrus Hände und Füße zu küssen.
Als der Tag anbrach und die Besatzungen der Burgen erfuhren, daß die Stadt erobert und der König gefallen sei, so übergaben sie die Burgen gleichfalls. Cyrus nahm von denselben in Besitz und schickte Besatzungsmannschaft unter ihren Befehlshabern dahin ab. Die Todten zu bestatten überließ er ihren Angehörigen. Den Herolden gab er den Befehl, auszurufen, daß alle Babylonier ihre Waffen abzuliefern haben; so solche in einem Hause gefunden würden, hätten alle Bewohner desselben den Tod zu erwarten. Die Ablieferung erfolgte, und Cyrus ließ die Waffen in den Burgen aufbewahren, als Vorrath für den Fall des Bedarfs. — Siebentes Buch, Fünftes Kapitel, Abschnitte 31—34, übersetzt von Christian Heinrich Dörner, 1865.
Nach der Einnahme Babylons zog Kores gegen Borsippa, wo Nabonid, der erste Herrscher Babylons, Zuflucht genommen hatte, denn Nabonid hätte genügend Streitkräfte sammeln und dann ein gefährlicher Gegner werden können. Nabonid setzte sich aber nicht zur Wehr, sondern kam heraus und ergab sich Kores. Kores belohnte ihn mit Barmherzigkeit. Er ließ ihn am Leben, verbannte ihn aber, wie berichtet wird, nach Karmanien und machte ihn zum Statthalter dieser wichtigen Provinz. Nabonid, der an Geschichte und Altertumsforschung interessiert war, hinterließ viele Inschriften, unter anderem auch die sogenannte Nabonid-Chronik. (The Encyclopedia Americana, Ausgabe 1929, Band 19, Seite 677)c So endete das Babylonische Weltreich.
Obwohl Babylon am 16. Tischri (5./6. Oktober) 539 v. Chr. fiel, betrat Kores die Stadt erst am Dritten des Monats Mar-Cheschwan (22./23. Oktober), siebzehn Tage nachdem sie von seinen Truppen besetzt worden war. Die Babylonier bereiteten ihm einen wohlwollenden Empfang. Er proklamierte daraufhin den Frieden für die ganze Stadt und verfuhr mit der Bevölkerung sehr nachsichtig. Acht Tage später starb sein erster General, Ugbaru (Gobryas), und darauf folgte eine Zeit der Trauer. König Kores hatte bei seinem Einzug einen Obersten namens Gubaru bei sich. Dieser Gubaru ernannte in Babylon Statthalter.d
Wer war aber der in Daniel 6:1 erwähnte Darius, der Meder? Es bestehen immer noch einige Schwierigkeiten, diesen Mann in den nichtinspirierten, heidnischen Urkunden nachzuweisen. Es mag sein, daß noch weitere Dokumente entdeckt werden, die diese Frage klären. Man nimmt jedoch stark an, daß es sich dabei um Gubaru, den Obersten des Kores, handelte.e
Jehova teilte das Königreich Babylon und gab es den Medern und Persern, wie er es durch die Handschrift an der Wand des königlichen Palastes Belsazars angekündigt hatte, denn Darius, der Meder, regierte zuerst. Gottes unfehlbares Wort spricht von ihm als König und berichtet, es habe diesem gefallen, „hundertundzwanzig Satrapen zu bestellen, die im ganzen Königreich sein sollten“. (Dan. 6:2, 3) Daniel spricht (9:1) von dem „ersten Jahre Darius’, des Sohnes Ahasveros’, aus dem Samen der Meder, welcher über das Reich der Chaldäer König geworden war“. Seine Herrschaft war von kurzer Dauer. Kores, der Perser, legte sich den Titel König von Babylon, „König der Länder“, zu. Babylons Thron war somit geteilt und zuerst den Medern und dann den Persern gegeben worden. Eine Zeitlang regierte Kores von Babylon aus, das er gestürzt, aber nicht zerstört hatte.
Der Sturz Babylons bedeutete somit das Ende der dritten Weltmacht in der biblischen Geschichte. Die vierte Weltmacht, Medo-Persien, trat auf den Plan. Medo-Persien war die Weltmacht, die in zwei Visionen Daniels, des Propheten, der unter Belsazars Herrschaft lebte, Babylon ablöste. — Siehe Daniel 7:5 und 8:3, 4, 20.
Der Sturz Babylons war für die wahre Anbetung und für Gottes auserwähltes Volk von größter Bedeutung, denn die Juden wurden von Kores freigelassen, damit sie nach Jerusalem zurückkehren und den Tempel wieder aufbauen konnten. Mit dem Sturz Babylons ist aber noch eine weitere, größere Bedeutung verbunden. Er schattete den Sturz Groß-Babylons vor, das durch die falsche Religion viele Menschen gefangenhält und Bedrückung und Elend über sie gebracht hat. Es ist gut, Näheres über den Sturz des alten Babylon und die damit verbundenen Prophezeiungen zu wissen, denn das wird uns helfen, für immer aus Babylon der Großen hinauszugehen und am Leben zu bleiben.
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Fragen von LesernDer Wachtturm 1965 | 15. Juni
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Fragen von Lesern
● Warum mußte sich nach dem mosaischen Gesetz die Hand der Zeugen zuerst gegen einen zum Tode Verurteilten erheben? Enthält dieses Gesetz einen Grundsatz, der auch heute anwendbar ist?
Über Personen, die beim Volk Israel zum Tode verurteilt wurden, lesen wir in 5. Mose 17:5-7 (Me) folgendes: „[Du sollst] ... sie zu Tode steinigen. Auf die Aussage von zwei oder drei Zeugen hin soll ein solcher, der sterben muß, den Tod erleiden ... Die Hand des Zeugen soll die erste sein, die sich zu seiner Tötung erhebt, danach die Hand des ganzen übrigen Volkes: so sollst du das Böse aus deiner Mitte beseitigen!“
Nicht nur die Richter und älteren Männer des Volkes Israel waren verpflichtet, das Böse zu beseitigen, sondern alle Israeliten mußten eifrig für die wahre Anbetung eintreten, mußten streng darauf achten, daß der Name Gottes nicht geschmäht wurde und die Organisation rein erhalten blieb, damit das Volk einer Verurteilung zufolge der Gemeinschaftsverantwortung entging. Die Zeugen mußten ihren Eifer dadurch beweisen, daß sie bei der Vollstreckung des Urteils führend vorangingen. Diesen Eifer bewiesen zum Beispiel die Leviten, als sie gegen ihre israelitischen Brüder vorgingen, die am Sinai das goldene Kalb angebetet hatten, und auch Pinehas, der Levit, der den Simeoniter Simri damals umbrachte, als 24 000 Israeliten wegen der Unsittlichkeit, der sie in Verbindung mit dem Baal-Peor verfallen waren, sterben mußten. (2. Mose 32:25-29; 4. Mose 25:6-9) Eltern, die einen widerspenstigen, unverbesserlichen Sohn hatten, mußten diesen vor die Richter bringen. Sie durften ihn nicht vor der Todesstrafe schützen. Wer ein falscher Prophet oder abtrünnig wurde, durfte nicht verschont werden, selbst wenn es sich dabei um den eigenen Sohn oder die eigene Tochter handelte, denn die Liebe und die Treue zu Jehova Gott und seiner Organisation mußten sogar über die engsten Familienbande gestellt werden. — 5. Mose 21:18-21; 13:6-11.
Es ging dabei aber noch um einen anderen Grundsatz. Als Zeuge vor Gericht gegen jemand aufzutreten war noch lange nicht das gleiche, wie das Urteil zu vollstrecken, das heißt das Blut des Angeklagten zu
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