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Der geliebte Apostel schreibt das vierte EvangeliumDer Wachtturm 1962 | 15. Februar
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Selbst wenn man annimmt, daß das Werk schon nach kurzer Zeit von seinem Entstehungsort nach Ägypten gelangte, würde dadurch das Datum der Abfassung so nahe an das überlieferte Datum — das letzte Jahrzehnt des ersten Jahrhunderts — zurückverlegt, daß kein Grund mehr bestünde, die Überlieferung anzuzweifeln.“
Die Tatsache, daß das Johannesevangelium soviel Nachdruck auf die Liebe legt, könnte nicht als stichhaltiges Argument für die Ansicht angeführt werden, Johannes könne es nicht geschrieben haben, da Jesus ihn einen „Sohn des Donners“ genannt habe. Daß Johannes als junger Mann so bezeichnet wurde, heißt noch lange nicht, daß er mit — sagen wir — neunzig Jahren nicht weicher gewesen wäre. Johannes war sehr wahrscheinlich der jüngste von den zwölf Aposteln und deshalb vielleicht auch der idealistischste von allen. So könnte man sich auch seine große Hingabe an seinen Meister und andrerseits Jesu besondere Zuneigung zu ihm leichter erklären. Die Behauptung, diese besondere Zuneigung Jesu sei darauf zurückzuführen, daß Johannes außergewöhnlich sanft und weich oder gar weibisch gewesen sei, ist völlig unbegründet.
Im Gegenteil, Johannes und auch sein Bruder Jakobus hatten den gleichen glühenden Eifer für Gerechtigkeit, den wir bei Jesus finden, wir brauchen nur an seine Reinigung des Tempels und an seine Strafrede gegen die damalige Geistlichkeit zu denken. Darum erhielten sie auch den Beinamen Boanerges, „Söhne des Donners“. Als die Samariter eines Dorfes ihren Meister nicht aufnehmen wollten, weil er auf dem Weg nach Jerusalem war, packte sie eine solch gerechte Entrüstung, daß sie Feuer vom Himmel herabfallen lassen wollten, was, nebenbei bemerkt, auch ein Beweis für ihren Glauben war. — Mark. 3:17; Luk. 9:54.
Das Johannesevangelium verrät den gleichen Eifer, den Jesus hatte, die gleiche Treue, die gleiche innige Liebe, den gleichen gerechten Zorn. Johannes schont Nikodemus nicht, sondern sagt unverblümt, daß dieser nachts, im Schutze der Dunkelheit, zu Jesus gekommen sei, weil er sich davor gefürchtet habe, was andere denken könnten. Ebenso verfährt er mit Joseph von Arimathia, einem anderen Mitglied des Sanhedrins. Matthäus, der stets an Geldwerten interessierte Steuereinnehmer, konnte es nicht verhehlen, daß Joseph ein reicher Mann und ein Jünger Jesu war. Markus, der für die Römer schrieb, erwähnt, daß Joseph ein ehrbarer Ratsherr gewesen sei und ebenfalls das Reich Gottes erwartet habe. Lukas gibt uns noch nähere Einzelheiten: Joseph war ein Mitglied des Hohen Rates, ein guter und gerechter Mann, der mit dem Beschluß der Feinde Jesu und ihrer Handlungsweise gegen ihn nicht einverstanden gewesen war und der auf das Reich Gottes wartete. Aber Johannes’ Loyalität gegen Jesus und sein ausgesprochener Gerechtigkeitssinn sowie sein angeborener Idealismus gestatteten ihm ebensowenig, die große Schwäche Josephs von Arimathia zu übersehen, wie jene des Nikodemus, und so sagt er, daß Joseph von Arimathia „ein Jünger Jesu war, aber aus Furcht vor den Juden ein verborgener“. Ja, so war es! — Matth. 27:57; Mark. 15:43; Luk. 23:50, 51, Me; Joh. 19:38.
Johannes konnte es nicht leiden, wenn sich jemand für einen Jünger seines Meisters ausgab, sich dessen aber schämte. Es sollte uns daher nicht überraschen, daß Judas, der Verräter, bei ihm schlechter wegkommt als bei allen übrigen Evangeliumsschreibern. Lange bevor Johannes beschreibt, wie Judas seinen Meister verrät, sagt er: „Jesus wußte …, wer die seien, die nicht glauben, und wer es sei, der ihn verraten werde.“ „Jesus antwortete ihnen: ‚Habe ich nicht euch, die Zwölf, auserwählt? Einer aber von euch ist ein Teufel.‘ Er meinte Judas, den Sohn des Simon Iskariot; denn dieser sollte ihn verraten, einer aus den Zwölfen.“ Jawohl, er sollte ihn verraten, obwohl er „einer aus den Zwölfen“ war! — Joh. 6:64, 70, 71, AB.
Die anderen Evangeliumsschreiber berichten uns zwar, daß jemand Einspruch erhob, als Maria Jesus kurz vor seinem Tode mit kostbarem Salböl salbte, wer es aber war und warum dieser protestierte, sagt uns nur Johannes: „Da sagte Judas Iskariot, einer von seinen Jüngern, der ihn verraten sollte …“ „Das sagte er aber nicht, weil ihm etwas an den Armen lag, sondern weil er ein Dieb war und als Kassenführer das, was eingelegt wurde, wegnahm.“ Hier kommt wiederum die gerechte Entrüstung des „Donnersohnes“ zum Ausdruck. Und es darf wohl gesagt werden, daß der Verrat des Judas weitgehend ein Rätsel geblieben wäre, wenn wir nicht von Johannes näheren Aufschluß über Judas erhalten hätten.
ANDERE CHARAKTERISTISCHE MERKMALE
Auch der Stil des vierten Evangeliums beweist indirekt, daß ein so „ungebildeter“ und „ungelehrter“ Mann wie Johannes es geschrieben haben muß. (Apg. 4:13) Sein Stil ist äußerst einfach. Johannes gebraucht einfache Wörter und Sätze und verfügt über einen viel kleineren Wortschatz als die meisten anderen Schreiber der Christlichen Griechischen Schriften. Dennoch bewegt er sich auf höchster Ebene. Westcott, ein bekannter Bibelgelehrter des vorigen Jahrhunderts, sagt: „Das Johannesevangelium ist vollendetste Kunst, hervorgegangen aus vollendetster Einfachheit … Kein literarisches Werk … weist größere Einfachheit und größere Tiefen auf.“ Es überrascht uns daher nicht, zu erfahren, daß der Bericht in Johannes 7:53 bis 8:11, von dem man nicht sicher weiß, ob Johannes der Verfasser ist, „nicht in dem leicht erkennbaren Stil Johannes’ geschrieben ist“. — The Four Gospels, Dom J. Chapman.
Ein noch überzeugenderer Beweis, der auf Johannes als den Schreiber des vierten Evangeliums hinweist, ist die Verwendung von Namen. Im Johannesevangelium erscheinen mehr Namen als in allen anderen Evangelien. Es erwähnt als einziges, daß es Philippus und Andreas, der Bruder des Petrus, waren, die sich mit Jesus über die Speisung der fünftausendköpfigen Volksmenge unterhielten, und daß der Kriegsknecht, dem Petrus das Ohr abschlug, Malchus hieß. Petrus wird in diesem Evangelium dreiunddreißigmal erwähnt, wogegen Johannes und sein Bruder Jakobus nie mit Namen erwähnt werden; der einzige Hinweis auf sie erscheint unter der Bezeichnung „Söhne des Zebedäus“. Johannes zieht es außerdem vor, unter der ihm so vertrauten Bezeichnung „der Jünger, den Jesus liebte“ anonym zu bleiben. — Joh. 6:5-8; 18:10; 13:23.
Das ist aber noch nicht alles. Der stärkste Beweis dafür, daß Johannes dieses Evangelium schrieb, ist der Umstand, daß der Name „Johannes“ darin sehr häufig vorkommt, sich aber nie auf den Apostel Johannes bezieht, sondern stets auf Johannes den Täufer. Ja Johannes, der mehr dazu neigt, Personen bei ihrem vollständigen Namen zu nennen, als irgendeiner der anderen Evangeliumsschreiber, nimmt sich nie die Mühe, Johannes den Täufer bei seinem vollständigen Namen zu nennen, sondern nennt ihn einfach „Johannes“, obwohl es noch einen anderen Johannes gegeben hat, ihn selbst. Die anderen Schreiber dagegen machen diesen deutlichen Unterschied, denn wie hätte man sonst wissen können, von welchem Johannes die Rede ist, von Johannes dem Täufer oder von Johannes, dem Apostel? Der Apostel Johannes fand es jedoch nicht nötig, diesen Unterschied zu machen, denn wenn er von „Johannes“ sprach, meinte er schließlich nicht sich, sondern den Täufer! Bestimmt konnte nur er darauf verzichten, zu erwähnen, welchen Johannes er meinte.
DER GELIEBTE APOSTEL
In Zeiten der Bedrängnis stand der geliebte Apostel Johannes seinem Meister, Jesus Christus, passenderweise am nächsten. Beim letzten Passah lag er an der Brust Jesu. Er folgte Jesus in den Hof des Hohenpriesters, dem er bekannt war, und ihm vertraute Jesus auf Golgatha auch seine Mutter an. — Joh. 13:23; 18:15; 19:27, AB.
Der Schreiber des vierten Evangeliums hatte offensichtlich genaue Kenntnis von Jesu vormenschlichem Dasein. „Im Anfang war das Wort … Alles ward durch ihn.“ Er führt auch als einziger die vielen Hinweise an, die Jesus auf sein vormenschliches Dasein machte, zum Beispiel: „… der aus dem Himmel herabgestiegen ist“ — „Ich bin das Brot, das aus dem Himmel herniedergekommen ist“ — „Ehe Abraham ward, bin ich“ — „Und nun verherrliche du, Vater, mich bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war“. — Joh. 1:1-3, Fußnote; 3:13; 6:41; 8:58; 17:5.
Das Johannesevangelium erreicht die höchsten Höhen der göttlichen Wahrheit. Jesus wird uns von Johannes am besten beschrieben als: der Logos, der gute Hirte, das Licht der Welt, das Brot des Lebens, der Weg, die Wahrheit und das Leben. Johannes spricht mehr von Liebe als die anderen drei Evangeliumsschreiber zusammen. Hätte jemand anders als ein vertrauter Jünger Jesu uns eine solche Schilderung Jesu vermitteln können?
Jesus wählte aus den zwölf Jüngern drei aus, mit denen er besonders vertraut war: Petrus, Jakobus und Johannes. Nur diese drei folgten Jesus in das Haus des Synagogenvorstehers und sahen, wie Jesus dessen Töchterchen auferweckte, nur diese drei begleiteten ihn auf den Berg, wo er umgestaltet wurde, und nur diese drei gingen mit ihm weiter in den Garten Gethsemane hinein. Folglich kann uns nur einer von diesen dreien das erhabenste Bild von Jesus vermittelt haben. Petrus und Jakobus starben lange vor der Entstehung des vierten Evangeliums. Der Jünger, den Jesus besonders liebte, muß einer von diesen dreien gewesen sein, somit kommt nur Johannes in Frage.
Manche behaupten, daß das 21. Kapitel des Johannesevangeliums, in dem wir lesen, wie Jesus Petrus dreimal den Auftrag erteilt, seine Schafe und seine Lämmlein zu weiden, von einem anderen Verfasser stammen müsse als der übrige Teil des Evangeliums, da der letzte Vers des 20. Kapitels eine Art Abschluß bilde. Das stimmt jedoch nicht. Der Stil des 21. Kapitels ist der Stil Johannes’, der dieses Kapitel ohne Zweifel später selbst hinzufügte.
Welch ein herrlicher Schatz ist doch das vierte Evangelium! Es erfüllt seinen Zweck tatsächlich: „Diese aber sind geschrieben, auf daß ihr glaubet, daß Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und auf daß ihr glaubend Leben habet in seinem Namen.“ — Joh. 20:31.
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BekanntmachungenDer Wachtturm 1962 | 15. Februar
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„WACHTTURM“-STUDIEN FÜR DIE WOCHE VOM
18. März: Seid mutig und stark im Glauben! Seite 101.
25. März: Den Mut haben, religiöse Verfolgung zu überwinden. Seite 108.
1. April: Seid Christi Nachahmer und beweist euren Mut. Seite 115.
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