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Wie barmherzig bist du?Der Wachtturm 1974 | 15. November
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verteilt Gaben der Barmherzigkeit in Aufrichtigkeit und Demut, ohne sich zu rühmen; er wird in der Zusammenarbeit mit seinen Mitverbundenen nicht alles so ins einzelne gehend organisieren, daß sie für ihn lediglich Teile einer „Organisationsmaschine“ werden. Wer großzügig etwas von sich selbst gibt und nicht nur von seinen Besitztümern, wird nicht ohne Lohn bleiben — und gewiß nicht ohne Lohn von Jehova. Gottes Wort sagt: „Wer dem Geringen Gunst erweist, leiht Jehova, und Er wird ihm sein Tun vergelten.“ Und Jesus fügte diesem Spruch hinzu: „Glücklich sind die Barmherzigen, da ihnen Barmherzigkeit erwiesen werden wird“ (Spr. 19:17; Matth. 5:7).
WER FÜR RECHTE GRUNDSÄTZE EINTRITT, ERLANGT GUNST
5. Wer war Joseph, und warum wurde er von seinem Vater besonders geliebt?
5 Ein hervorragendes Beispiel dafür, wie jemand Jehovas Barmherzigkeit nachahmte, war Joseph, der Urenkel Abrahams und Sohn Jakobs oder Israels. Joseph wurde in Syrien geboren. Er war der erste von zwei Söhnen, die Jakob von seiner geliebten Frau Rahel hatte (1. Mose 30:22-24; 35:24). Da Jakob bei der Geburt Josephs einundneunzig Jahre alt war, war Joseph ein Sohn seines Alters und wurde von ihm mehr geliebt als seine älteren Brüder. Als Joseph etwa sechs Jahre alt war, verließ Jakob Paddan-Aram — wohin er gegangen war, um sich unter seinem eigenen Volk eine Frau zu suchen — und kehrte mit seiner ganzen Familie nach Kanaan zurück (1. Mose 31:17, 18, 41). Er wohnte eine Zeitlang in Sukkoth, in Sichem und in Bethel. Später, auf dem Weg von Bethel nach Bethlehem, starb Josephs Mutter, Rahel, während sie ihren zweiten Sohn, Benjamin, zur Welt brachte. Benjamin war daher Josephs einziger richtiger Bruder, während die anderen Söhne Jakobs seine Halbbrüder waren — Söhne Jakobs von Lea, der Schwester Rahels, und von Silpa und Bilha, den beiden Dienerinnen Leas und Rahels (1. Mose 33:17-19; 35:1, 5, 6, 16-19).
6. (a) Welchen Bericht brachte Joseph seinem Vater über seine Halbbrüder, und warum handelte er hierin nicht unbarmherzig? (b) Wie hatten Simeon und Levi bei einer früheren Gelegenheit bewiesen, daß es ihnen an Erbarmen fehlte?
6 Josephs zehn Halbbrüder traten nicht so für rechte Grundsätze ein, wie Joseph es von früher Jugend an tat. Als er siebzehn Jahre alt war, hütete er zusammen mit den Söhnen Bilhas und Silpas Schafe. Obwohl Joseph jünger war als seine Brüder, bekundete er mehr Eifer für die Interessen seines Vaters als diese Halbbrüder und brachte seinem Vater pflichtgemäß einen schlechten Bericht über sie (1. Mose 37:2). Er handelte dadurch nicht unbarmherzig, denn diese Brüder hatten einen Lauf des Unrechttuns eingeschlagen, und Jakob mußte darauf aufmerksam gemacht werden. Dieses Eintreten für gerechte Grundsätze mag dazu beigetragen haben, daß Jakob Joseph so sehr liebte. Doch statt daß sich Josephs Brüder sein gutes Beispiel zu Herzen nahmen, wurden sie eifersüchtig und bekundeten ihm gegenüber den gleichen harten Geist, der sie auch veranlaßt hatte, unter der Leitung Simeons und Levis die Männer von Sichem hinzuschlachten, die versucht hatten, freundschaftliche Beziehungen zu ihnen herzustellen, und die zu dieser Zeit völlig wehrlos waren. Obwohl Simeon und Levi, die Anführer dieses Überfalls, behaupteten, die Ermordung der Sichemiter sei gerechtfertigt gewesen, sagte Jakob zu ihnen: „Ihr habt mich in Verruf gebracht, indem ihr mich bei den Bewohnern des Landes zu einem Gestank macht.“ Und viele Jahre später verfluchte Jakob den Zorn Simeons und Levis, ‘denn er ist grausam, und ihren Zornausbruch, denn er handelt hart’ (1. Mose 34:1-31; 49:7). Weil sie unbarmherzig waren, als sie sahen, daß ihr Vater Joseph mehr liebte als alle seine Brüder und ein langes, gestreiftes hemdartiges Gewand für ihn anfertigen ließ (wie es vielleicht von angesehenen Personen getragen wurde), „vermochten [sie] nicht, friedlich mit ihm zu reden“ (1. Mose 37:3, 4).
7. Welche Träume hatte Joseph, und wie reagierten sein Vater und seine Halbbrüder darauf?
7 Im Laufe der Zeit hatte Joseph einen Traum, den er seinen Brüdern erzählte. In seinem Traum banden alle Brüder mitten auf dem Feld Garben, als sich plötzlich seine Garbe aufrichtete und die Garben seiner Halbbrüder sich ringsum stellten und sich vor seiner Garbe niederbeugten. Darauf sagten seine Brüder zu ihm: „Wirst du wohl gar König über uns werden?“ Und sie fanden neuen Grund, ihn zu hassen. Der Bericht fährt fort: „Danach hatte er noch einen anderen Traum, und er erzählte ihn seinen Brüdern und sprach: ,Seht, ich habe nochmals einen Traum gehabt, und seht, die Sonne und der Mond und elf Sterne beugten sich vor mir nieder.‘ Dann erzählte er es seinem Vater wie auch seinen Brüdern, und sein Vater begann ihn zu schelten und zu ihm zu sagen: ,Was bedeutet dieser Traum, den du geträumt hast? Werden wohl gar wir, ich und auch deine Mutter und deine Brüder, kommen und uns vor dir zur Erde niederbeugen?‘ Und seine Brüder wurden eifersüchtig auf ihn, aber sein Vater bewahrte das Gesagte.“ Jakob erkannte offensichtlich, daß die Träume eine Bedeutung haben könnten. Obwohl es den Anschein haben mag, daß sich Joseph gegenüber seinen Brüdern überheblich zeigte, erzählte er in Wirklichkeit nur das, was Jehova ihm geoffenbart hatte — ein Umstand, der seinen Brüdern weitere Gelegenheit gab, ihren Herzenszustand kundzutun (1. Mose 37:5-11).
EIFERSUCHT NÄHRT MÖRDERISCHEN HASS
8. Wie kam es, daß Joseph von zu Hause fort- und zu seinen Halbbrüdern ging, und wie dachten seine Brüder darüber?
8 Später hüteten seine Halbbrüder die Herde ihres Vaters in der Nähe von Sichem, während Jakob in Hebron wohnte. Jakob sorgte sich um ihr Wohl, vielleicht weil er an die Feindschaft dachte, die er und seine Söhne sich in dieser Gegend zugezogen hatten, als sie aus Syrien gekommen waren. Obwohl es für Joseph angesichts der feindseligen Einstellung seiner Brüder eine unangenehme Aufgabe gewesen sein muß, zögerte er nicht, sich im Auftrag Jakobs zu erkundigen, ob es ihnen und der Herde wohl erging. Er machte sie schließlich in der Nähe von Dothan ausfindig, aber bevor er zu ihnen herankommen konnte, erblickten sie ihn aus einiger Entfernung und planten einen Anschlag, um ihn zu Tode zu bringen (1. Mose 37:12-20).
9. Was hatte Ruben vor, doch was taten schließlich seine Brüder mit Joseph?
9 Ruben, Jakobs Erstgeborener, versuchte ihn aus ihrer Hand zu befreien, „um ihn zu seinem Vater zurückzubringen“, denn als Erstgeborener mußte er für Joseph haften (1. Mose 37:22-30). Anscheinend war Ruben nicht dabei, als eine Karawane von Ismaelitern vorbeizog, die auf dem Wege von Gilead nach Ägypten war. Juda schlug vor, man solle Joseph verkaufen, statt ihn zu töten und sein Blut zuzudecken. Seine Brüder waren einverstanden, und obwohl Joseph um Barmherzigkeit flehte, verkauften sie ihn für zwanzig Silberstücke an die Ismaeliter. Darauf nahmen sie das lange Gewand Josephs, das er anhatte, schlachteten einen Ziegenbock und tauchten das lange Gewand in sein Blut. Als es später Jakob gezeigt wurde, war er überzeugt, daß sein Sohn von einem wilden Tier gefressen worden war, und sein Kummer war so groß, daß er sich weigerte, sich trösten zu lassen. Schließlich brachten die Kaufleute Joseph nach Ägypten, und dort wurde er an Potiphar, den Obersten der Leibwache Pharaos, als Sklave verkauft (1. Mose 37:21-36).
10. Inwiefern ist dies ein Beispiel für uns heute, und welchen Nutzen sollte Joseph schließlich aus seinen Leiden ziehen?
10 Dieser mörderische Haß, den Josephs Halbbrüder auf eine solch gewalttätige Weise bekundet hatten, und ihre Gefühllosigkeit und Sorglosigkeit ihrem Vater gegenüber sind ein warnendes Beispiel für jeden heute, der gegenüber seinen geistigen Brüdern in der Christenversammlung feindselige Gefühle hegen mag. Jesus sagte: „Jeder, der seinem Bruder fortgesetzt zürnt, [wird] dem Gerichtshof Rechenschaft ... geben müssen“ (Matth. 5:22). Joseph seinerseits wurde darauf vorbereitet, für sein Volk ein großer Segen zu werden, und die Leiden, die er erlebte, sollten ihn für diese große Verantwortung läutern.
JOSEPH BLEIBT DURCH JEHOVAS BARMHERZIGKEIT AM LEBEN
11. Wie reagierte Joseph auf seine schmerzlichen Erfahrungen, doch welche weiteren Prüfungen standen ihm noch bevor?
11 Joseph ließ nie zu, daß ihn seine schmerzlichen Erfahrungen verbitterten und bewirkten, daß er sich von dem wahren Gott abwandte. Im Gegenteil, er vertraute um so mehr auf die rettende und bewahrende Macht Jehovas, und deshalb wurden alle Werke seiner Hände gesegnet. Zur bestimmten Zeit wurde er wegen seines Eifers im Dienste Potiphars zum Aufseher in Potiphars Haus erhoben. Potiphars Frau versuchte wiederholt, aber erfolglos, Joseph zu verführen, der an seinem Entschluß, nicht gegen Gott zu sündigen, festhielt. Als sie sah, daß ihre Bemühungen umsonst waren, klagte sie Joseph fälschlich der versuchten Vergewaltigung an, und da Potiphar ihrer Geschichte glaubte, ließ er Joseph ins Gefängnis werfen (1. Mose 39:1-20).
12. (a) Wie wurde Joseph im Gefängnis behandelt, welches Erlebnis hatte er mit zwei Dienern Pharaos, und inwiefern wurde er dadurch ermutigt? (b) Welche Umstände führten zu Josephs Entlassung aus dem Gefängnis?
12 Eine Zeitlang behandelte man Joseph im Gefängnis streng (Ps. 105:17, 18). Doch wegen seines Eifers und seines Vertrauens zu Jehova wurde er mit weiterer Verantwortung belohnt, und sein beispielhaftes Benehmen unter widrigen Umständen führte dazu, daß man ihm eine Vertrauensstellung gab und ihn über die anderen Gefangenen als Aufseher einsetzte. Zu ihnen gehörten eines Tages auch zwei Diener Pharaos, der Oberste der Mundschenken und der Oberste der Bäcker. Später hatte jeder von ihnen einen Traum und war am nächsten Morgen niedergeschlagen, weil niemand da war der ihre Träume deuten konnte. Joseph zeigte Verständnis für ihre Lage, und nachdem er Jehova Gott die Ehre gegeben hatte, deutete er ihnen ihre Träume, und so, wie er es ihnen sagte, traf es ein. Der Oberste der Mundschenken erlangte nach drei Tagen wieder Pharaos Gunst, wohingegen der Oberste der Bäcker nach der gleichen Zeit gehängt wurde. Zweifellos fühlte sich Joseph ermutigt, als ihm Jehova seine Gunst erwies, indem er ihm die Deutung der Träume kundtat. Und zweifellos wurde er in seiner Überzeugung bestärkt, daß seine eigenen Träume ebenfalls göttlichen Ursprungs waren. Daher bat er den Obersten der Mundschenken eindringlich, bei Pharao ein Wort für ihn einzulegen, und dieser versprach es ihm. Doch nachdem der Mundschenk einmal aus dem Gefängnis entlassen worden war, vergaß er es, bis Pharao zwei Jahre später selbst Träume hatte, die er nicht verstehen konnte. Als keiner der Magie treibenden Priester Ägyptens in der Lage war, Pharaos Träume zu deuten, erinnerte sich der Mundschenk an seine Erfahrung mit Joseph und erzählte sie Pharao. Sogleich wurde Joseph aus dem Gefängnis geholt, damit er Pharaos Träume deutete (1. Mose 39:21 bis 41:14).
13. Was war die Deutung der Träume Pharaos, und wie wurde Joseph von Jehova für die Geduld, die er während seiner Prüfungen zeigte, belohnt?
13 Nun sollten die große Geduld, die Joseph bekundet hatte, und die barmherzige Einstellung, die er während seiner Prüfungen bewahrt hatte, belohnt werden. Nachdem er wiederum Jehova die Ehre gegeben hatte, deutete er die zwei Träume Pharaos und erklärte, sieben Jahren des Überflusses würden sieben Jahre Hungersnot folgen. Joseph teilte Pharao darauf mit, daß Jehova ihm eine Antwort des Friedens gegeben habe, und beschrieb im einzelnen, wie sich Pharao während der Jahre des Überflusses auf die Jahre der Hungersnot vorbereiten könnte. Pharao erkannte in Joseph selbst den fähigen Nahrungsmittelverwalter, der benötigt werden würde, setzte ihn in die zweithöchste Stellung im Königreich ein und gab ihm sämtliche Befugnisse, das Anlegen der Getreidevorräte für die Jahre der Hungersnot zu organisieren. Es wurden solch große Mengen gelagert, daß man schließlich aufhörte, sie zu zählen. Auch wurde Asnath, die Tochter Potipheras, eines Priesters von On, Joseph zur Frau gegeben, und sie gebar ihm zwei Söhne, Manasse und Ephraim (1. Mose 41:15-52).
ECHTE REUE ERMÖGLICHT BARMHERZIGKEIT
14. Welche Gelegenheit bot sich Joseph in seiner hohen Stellung, und wie wurde seine Barmherzigkeit auf die schwerste Probe gestellt?
14 Nun befand sich Joseph wirklich in einer beneidenswerten Stellung. Das Leben des Volkes von Ägypten, auch das Leben Potiphars und seiner Frau, war in seiner Hand. Aber keinem von ihnen drohte Gefahr. Joseph hatte sich bereits als ein versöhnlicher und barmherziger Mann erwiesen, der nicht rachsüchtig oder nachtragend war. Dennoch sollte seine Barmherzigkeit auf die schwerste Probe gestellt werden. Dazu kam es, als sich die Hungersnot auf der ganzen Erde ausgebreitet hatte und Menschen von der ganzen Erde nach Ägypten kamen, um Getreide zu kaufen. Als Joseph eines Tages seinen Pflichten nachging und barmherzig Nahrungsmittel an die hungernden Nationen wie auch an die Ägypter austeilen ließ, traten seine zehn Halbbrüder vor ihn und beugten sich vor ihm mit ihrem Angesicht zur Erde nieder. Sogleich erinnerte sich Joseph an die Träume, die er sie betreffend geträumt hatte, und obwohl er seine Brüder erkannte, machte er sich für sie unkenntlich und sprach nur durch einen Dolmetscher mit ihnen. Wie würde er sie behandeln? Nach über zwanzig Jahren war die Zeit für ihr Gericht herbeigekommen. Da sie ohne Barmherzigkeit gehandelt hatten, verdienten sie es, ohne Barmherzigkeit gerichtet zu werden, und da Joseph als Vertreter Jehovas amtete, konnte er nicht Jehovas Gerechtigkeit verletzen. Doch Joseph war nicht nachtragend, und er wußte, daß er Gott darüber, wie er sie behandelte, Rechenschaft ablegen müßte. Da er sich von der Weisheit von oben leiten ließ, stellte er sie auf die Probe (1. Mose 41:53 bis 42:8).
15. (a) Wie behandelte Joseph seine Halbbrüder, und was beabsichtigte er damit? (b) Wie reagierten seine Halbbrüder auf diese Wende der Ereignisse?
15 Er redete hart mit ihnen und beschuldigte sie, Spione zu sein, und als sie ihre Unschuld beteuerten und ihm erzählten, sie alle seien Söhne eines einzigen Mannes und ein weiterer Bruder befinde sich noch zu Hause, ließ er Simeon vor ihren Augen binden und erklärte ihnen, er müsse so lange in Gewahrsam bleiben, bis sie mit ihrem anderen Bruder zurückkehrten. Tief betroffen, ließen seine Brüder tiefe Reue erkennen, und sie nahmen dieses Unglück als gerechte Vergeltung von Gott an, „denn“, so sprachen sie untereinander, „wir sahen die Bedrängnis seiner [Josephs] Seele, als er uns um Erbarmen anflehte, wir aber hörten nicht“. Joseph, der zuhörte, ohne daß sie es wußten, war tief bewegt, wandte sich von ihnen ab und weinte. Ihre Prüfung war aber noch nicht abgeschlossen. Es durfte kein Zweifel mehr an der Aufrichtigkeit ihrer Reue bestehen. Als ihre Säcke mit Getreide gefüllt wurden, ließ Joseph heimlich das Geld, das sie bezahlt hatten, in die Säcke hineinlegen, und dann schickte er seine Brüder nach Hause, nur Simeon hielt er in Gewahrsam (1. Mose 42:9-28).
16. (a) Wie kam Benjamin schließlich nach Ägypten, und wie verhielt sich Joseph, als er ihn erblickte? (b) Auf welche letzte Probe stellte Joseph seine Halbbrüder, und was war das Ergebnis?
16 Schließlich waren ihre Getreidevorräte aufgebraucht, und es wurde notwendig, nach Ägypten zurückzukehren. Aber man hatte ihnen gesagt, sie dürften das Angesicht des Nahrungsmittelverwalters Ägyptens nicht wiedersehen, wenn sie nicht ihren Bruder mitbrächten. Jakob, der befürchtete, den einzigen übriggebliebenen Sohn seiner geliebten Frau Rahel zu verlieren, wie er schon Joseph verloren hatte, weigerte sich lange Zeit, ihn ziehen zu lassen, bis er schließlich keinen anderen Ausweg mehr sah. Juda verbürgte sich für ihn. Als sie vor Joseph erschienen und Joseph sah, daß sein Bruder Benjamin bei ihnen war, konnte er sich nicht mehr zurückhalten. Da seine inneren Empfindungen seinem Bruder gegenüber erregt waren, zog er sich in eine Innenkammer zurück und ließ seinen Tränen freien Lauf. Dann stellte er seine Halbbrüder auf die letzte Probe. Durch eine List ließ er den Anschein erwecken, daß Benjamin einen wertvollen Silberbecher gestohlen hätte, und verlangte, daß Benjamin als Sklave zurückgelassen werde, während die anderen zu ihrem Vater nach Hause zurückkehren durften. Ganz gebrochen und betrübt, da sie wußten, daß der Verlust seines geliebten Sohnes Benjamin das graue Haar ihres Vaters ins Grab bringen würde, flehten sie Joseph an, ihnen Benjamin um ihres Vaters willen zurückzugeben, und als sich Juda schließlich erbot, anstelle Benjamins in die Sklaverei zu gehen, konnte sich Joseph nicht länger beherrschen. Er brach in Tränen aus und gab sich seinen Brüdern zu erkennen. Er sagte: „Ich bin Joseph, euer Bruder, den ihr nach Ägypten verkauft habt. Jetzt aber grämt euch nicht, und seid nicht zornig auf euch, weil ihr mich hierher verkauft habt; denn zur Lebenserhaltung hat Gott mich vor euch hergesandt.“ Auf Pharaos Einladung hin traf Joseph dann Vorkehrungen, daß sein Vater Jakob mit seinem ganzen Haushalt nach Ägypten kommen konnte, und das Beste vom Lande Ägypten wurde ihnen gegeben (1. Mose 42:29 bis 47:31).
BARMHERZIGKEIT ÜBEN, UM AM TAGE DES GERICHTS ZU BESTEHEN
17. (a) Wodurch wird das Ausmaß und die Art der Barmherzigkeit Josephs besonders hervorgehoben, und wieso können wir ziemlich sicher sein, daß Barmherzigkeit eine charakteristische Eigenschaft Josephs war? (b) Wie können wir persönlich aus dem Beispiel Nutzen ziehen, das uns Joseph, Jesus und Stephanus gaben?
17 Das Ausmaß und die Art der Barmherzigkeit Josephs werden durch die Umstände, unter denen er sie bekundete, besonders hervorgehoben. Obwohl er von seinen Halbbrüdern grausam, ja mörderisch behandelt wurde, obwohl er von Potiphars Frau auf gemeine Weise falsch angeklagt wurde, obwohl ihn Potiphar zu Unrecht ins Gefängnis warf und obwohl der Oberste der Mundschenken, den er so mitfühlend getröstet hatte, gedankenlos und undankbar war und ihn vergaß, dachte Joseph nicht daran, sich zu rächen, als es in seiner Macht stand. Im Gegenteil, er sorgte liebevoll und mit tiefer und aufrichtiger Rücksichtnahme für all ihre Bedürfnisse und schenkte sein mitfühlendes Interesse dem gesamten Haushalt seines Vaters und der gesamten Nation Ägypten. Gewiß erlangte Joseph diese Eigenschaft der Barmherzigkeit nicht erst, nachdem er zu Ansehen und Macht gelangt war. Vielmehr ist die Barmherzigkeit, die Jehova ihm während seiner Prüfungen erwies, indem er ihn am Leben erhielt, ihn stützte und stärkte, ein Zeugnis für die nachsichtige und barmherzige Einstellung, die Joseph die ganze Zeit über bewahrt haben muß. Das scheint ganz gewiß zu sein, wenn man die Regel berücksichtigt, die Jesus aufstellte: „Glücklich sind die Barmherzigen, da ihnen Barmherzigkeit erwiesen werden wird“ (Matth. 5:7). Als Jesus am Marterpfahl hing, ließ er kurz vor seinem Tod eine ganz ähnliche Einstellung erkennen, denn er sagte: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Auch Stephanus hatte diese Einstellung, denn als er zu Tode gesteinigt wurde, rief er aus: „Jehova, rechne ihnen diese Sünde nicht zu!“ (Luk. 23:34; Apg. 7:60). In jedem dieser Fälle belohnte Jehova die barmherzige Einstellung.
18. Wieso ist es für uns besonders wichtig, daß wir Barmherzigkeit üben?
18 Geht daraus nicht deutlich hervor, wieso wir daran interessiert sein sollten, barmherzig zu sein? Paulus versichert uns, daß „jeder von uns für sich selbst Gott Rechenschaft ablegen“ wird (Röm. 14:12). Wie beruhigend ist es doch zu wissen, daß ‘Barmherzigkeit triumphierend über das Gericht frohlockt’! Wie es uns ergehen wird, wenn wir für uns selbst Gott und seinem ernannten Richter, Jesus Christus, Rechenschaft ablegen — ganz gleich, ob es zu irgendeinem kritischen Zeitpunkt in der Gegenwart oder während des schnell herannahenden Gerichtstages (2. Petr. 3:7) sein mag —, wird unter anderem davon abhängen, ob dann Beweise dafür vorliegen, daß wir in der Vergangenheit barmherzig waren. Wenn wir beständig das Gebot Jesu, unter allen Umständen Liebe zu üben, befolgen, wird es uns leichter fallen, dieser Voraussetzung zu entsprechen und gleichzeitig zu Jehovas Ruhm und zum Frieden der Versammlung beizutragen.
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Keine geistige „Energiekrise“ für die VerständigenDer Wachtturm 1974 | 15. November
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Keine geistige „Energiekrise“ für die Verständigen
HEUTE herrscht in vielen Ländern eine „Energiekrise“. Für manche Leute bedeutet das, daß sie weniger Auto fahren können, da das Benzin knapp ist. Kraftstoff wird auch benötigt, um die riesigen Generatoren zu betreiben, die der Stromerzeugung dienen. Viele Leute versuchen daher, Energie zu sparen, indem sie jede unnötige Beleuchtung ausschalten.
Es gibt indes ein Licht, das nicht von den übrigen Energiequellen abhängig ist. Dankbare Personen, die dieses Licht besitzen, weigern sich, es auszulöschen oder es zu dämpfen. Sie lassen in geistigem Sinne ‘ihr Licht leuchten’ (Matth. 5:14-16).
An diese Personen dachte Jesus Christus, als er das Königreich Gottes mit zehn Jungfrauen verglich, die zu einem Hochzeitsfest eingeladen worden waren. Er beantwortete mit diesem Gleichnis zum Teil die Frage: „Was wird das Zeichen deiner Gegenwart und des Abschlusses des Systems der Dinge sein?“ (Matth. 24:3). Die Tatsachen zeigen, daß wir jetzt in den „letzten Tagen“ leben; daher sollte uns die Erfüllung des vorhergesagten „Zeichens“ interessieren.
Alle zehn Jungfrauen hatten Lampen; wahrscheinlich waren es Gefäße mit einer Schnauze und einem Docht an einem Ende und einem Griff am anderen Ende. Sie mögen mit Olivenöl gefüllt gewesen sein, das allgemein als Brennstoff für die Beleuchtung benutzt wurde. Da der Bräutigam ausblieb,
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