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Warum so viele neue Sekten?Der Wachtturm 1983 | 15. Dezember
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Warum so viele neue Sekten?
ZEHN große Religionen, aber 10 000 Sekten! Das ergab die neueste Schätzung der Zahl religiöser Gruppen, in die die Menschheit gespalten ist. Etwa 6 000 davon soll es in Afrika geben, 1 200 in den Vereinigten Staaten, 421 in Japan und 247 in Frankreich.
Bei einigen dieser Sekten handelt es sich um etablierte religiöse Gruppen, die sich als eigenständige Kirchen betrachten. Bestimmte ältere Religionen sind in Sekten aufgespalten, die sich wiederum in Untersekten gliedern. Der Schintoismus in Japan umfaßt zum Beispiel 153 Sekten und Untersekten, und der Buddhismus gliedert sich in 171 Sekten und Untersekten auf. Interessanterweise gehören viele Japaner mehr als einer Sekte an.
Das Statistische Amt in Südafrika hat über 4 000 religiöse Gruppen registriert, davon 500 unter der weißen Bevölkerung und die übrigen unter den Schwarzen. Mehrere dieser Sekten, in denen Rassentrennung herrscht, behaupten, christlich zu sein.
Kirche oder Sekte?
Nicht in allen Ländern hat das Wort „Kirche“ dieselbe Bedeutung. In vorherrschend katholischen Ländern versteht man unter „Kirche“ die römisch-katholische Kirche. In Frankreich zum Beispiel wird das Wort Eglise (Kirche) oft ohne das Adjektiv catholique (katholisch) und fast immer ohne romaine (römisch) gebraucht. Für einen Franzosen bedeutet das Wort Eglise nur eines: die römisch-katholische Kirche. Desgleichen versteht man in Ländern, wo eine orthodoxe Kirche des Ostens vorherrscht, unter dem Wort „Kirche“ die orthodoxe Kirche.
In vorwiegend protestantischen Ländern muß man jedoch im allgemeinen eindeutig sagen, welcher Kirche man angehört. Selbst in diesen Ländern kann man gewöhnlich nur dann sagen, man gehöre einer Kirche an, wenn man Mitglied einer der größeren, etablierten protestantischen Religionsgemeinschaften ist. Andernfalls wird man als Angehöriger einer Sekte betrachtet. In den Vereinigten Staaten werden freilich oft sogar kleinere religiöse Abspaltungen mit dem Namen Kirche bedacht. Doch in den meisten anderen Ländern haben sie sich mit der Bezeichnung Sekte zu begnügen.
Was ist eine Sekte?
Eine Definition für Sekte lautet: „Eine verhältnismäßig kleine neuorganisierte ausschließlich religiöse Gruppe; bes. eine, die sich von einer länger bestehenden Religionsgemeinschaft getrennt hat.“ Gemäß einer anderen Definition versteht man unter einer Sekte „eine andersdenkende religiöse Gruppe; bes. eine, die in den Augen anderer Mitglieder derselben Religionsgemeinschaft abtrünnig ist“.
Einige behaupten, das Wort „Sekte“ sei von dem lateinischen Verb secare (abschneiden) abgeleitet, und sie definieren eine Sekte als eine Gruppe, die sich von einer etablierten Kirche abgespalten hat. Andere leiten das Wort „Sekte“ von dem lateinischen Verb sequi (folgen) her und wenden es auf eine Gruppe an, die einem bestimmten menschlichen Führer oder Lehrer folgt.
Kirchen verachten Sekten
Ob es sich nun bei einer Sekte um eine Splittergruppe handelt, die von einer größeren Glaubensgemeinschaft abgefallen ist, oder um eine Gruppe von Personen, die als Jünger irgend jemandem nachfolgen, so steht doch eines fest: Die etablierten Kirchen blicken auf die Sekten herab. Das französische Werk Grande Encyclopédie erläutert diese Verachtung und erklärt, das Wort „Sekte“ und sein Gebrauch würden die Gemüter erregen und Leidenschaften schüren. Weiter wird gesagt: „Im allgemeinen erhebt die Religionsgemeinschaft, von der sich die kleine Gruppe getrennt hat, Anspruch auf Authentizität und ist der Meinung, sie allein habe die wahre Lehre und könne das Seelenheil vermitteln, während sie mit einer gewissen mitleidigen Geringschätzung von den Sektierern spricht. Mit dieser herablassenden Haltung geht oft ein ziemliches Maß an Streitsucht einher, und das um so mehr, als die Sekte eine unbarmherzige Erinnerung an all das ist, was die betreffende Kirche einmal war, aber nicht mehr ist — eine herzliche, lebendige, dynamische und gewinnende Bruderschaft.“
Warum so viele neue Sekten?
Die Sekten, von denen heutzutage in den Medien am meisten die Rede ist — oft wegen ihres Finanzgebarens und ihrer Indoktrinationsmethoden —, sind alle innerhalb der letzten 20 bis 30 Jahre aufgekommen. Man fragt sich, warum gerade heute die Entstehung so vieler religiöser Gruppen zu beobachten ist. In ihrem Supplément für 1981 schreibt die oben zitierte französische Enzyklopädie: „Warum sind diese Sekten so erfolgreich? Erstens sorgt das in der westlichen Zivilisation herrschende krisenhafte Klima (alle Institutionen wie die Familie, die Schulen, das Heer und die Kirchen werden angefochten) für eine passende Brutstätte. ... Letztendlich sind Sekten vor allem ein Zeichen der Zeit, symptomatisch für das Unbehagen junger Leute, die nach etwas anderem als unserer protzigen ‚Konsumgesellschaft‘ lechzen.“
Ähnlich drückt sich R. Quebedeaux, ein Sektenforscher, aus: „Die permissive Gesellschaft hat einen Hunger nach Strenge, Disziplin und Autorität entstehen lassen. Sie [die jungen Leute] finden die materialistische Gesellschaft lästig, und das hat die Suche nach einem neuen Sinn im Leben ausgelöst.“
Diese beiden Erklärungen sind zumindest ein stillschweigendes Eingeständnis, daß die etablierten Religionen Millionen Menschen, junge und alte, die sich neuen Sekten zugewandt haben, nicht befriedigen konnten. Die Entstehung neuer Sekten innerhalb weniger Jahrzehnte ist ein weiterer Beweis dafür, daß „Angst und Bangen unter den Nationen“ herrscht, was Jesus Christus als ein „Zeichen“ vorhersagte, an dem zu erkennen sein sollte, daß dieses System der Dinge endet und „das Königreich Gottes nahe ist“ (Matthäus 24:3; Lukas 21:10, 11, 25-31).
Aber diese neuen Sekten, die so viele Mitglieder anwerben, lehren nicht, daß Gottes Königreich die einzige Hoffnung der Menschheit ist. Was sie lehren, gleicht statt dessen mehr einer Lebensphilosophie und stammt oft von einer orientalischen Religion oder beruht auf den Lehren irgendeines Gurus (geistigen Führers). Jeder dieser Gurus gründet, wenn er über eine ansehnliche Anhängerschaft verfügt, eine neue Sekte. Das ist für östliche Religionen, in denen das Guru-Prinzip allgemein anerkannt wird, nicht weiter verwunderlich.
Verwunderlich ist aber, daß von den etwa 10 000 Kirchen und Sekten, die es in der ganzen Welt geben soll, viele Hunderte, wenn nicht sogar Tausende, beanspruchen, christlich zu sein. Warum ist das so verwunderlich? Weil die Mitglieder vieler dieser Sekten einem menschlichen Führer folgen, wohingegen Jesus Christus sagte: „E i n e r ist euer Führer, der Christus“ (Matthäus 23:10). Verwunderlich ist auch die Tatsache, daß sogenannte Christen in so viele Kirchen, Glaubensgemeinschaften und Sekten aufgespalten sind, obwohl Christus seinen Vater bezüglich seiner Nachfolger bat, daß „sie alle eins seien“ (Johannes 17:20, 21).
Warum gibt es also so viele Kirchen und Sekten, die behaupten, christlich zu sein? Und wie ist es zu dieser Verwirrung auf religiösem Gebiet gekommen?
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Warum so viele „christliche“ Religionsgemeinschaften?Der Wachtturm 1983 | 15. Dezember
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Warum so viele „christliche“ Religionsgemeinschaften?
ETWA ein Viertel der Weltbevölkerung behauptet, christlich zu sein, also Jesus Christus nachzufolgen. Doch untereinander sind diese „Christen“ äußerst entzweit. Man nimmt an, daß ungefähr 580 000 000 römisch-katholisch sind. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gibt es jedoch unter ihnen eine liberale Richtung und eine, die die lateinische Tradition befürwortet. Die schätzungsweise 74 000 000 Orthodoxen sind in verschiedene Staatskirchen mit unterschiedlichen Liturgien aufgespalten. Was die mehr als 343 000 000 Protestanten betrifft, so sind sie in mehrere episkopale, lutherische, calvinistische (presbyterianische, reformierte), baptistische, methodistische und andere Glaubensgemeinschaften aufgeteilt.
Alle diese Kirchen halten sich für „etablierte“, „rechtgläubige“, „achtbare“ Religionsgemeinschaften. Zu diesen hinzu kommen die Hunderte sogenannter Sekten, auf die das Gros der Katholiken, Orthodoxen und Protestanten verächtlich herabblickt.
„Rechtgläubig“ oder abtrünnig?
Betrachtet man die traditionellen „christlichen“ Kirchen unvoreingenommen vom Standpunkt der Geschichte aus, so kann tatsächlich keine den Anspruch erheben, die ursprüngliche christliche Religion zu sein. Sie alle haben als Abspaltungen — Sekten — ihren Anfang genommen, ja selbst die römisch-katholische Kirche, die die älteste von ihnen zu sein beansprucht.
Geschichtlich gesehen, könnten mehrere Städte als frühe Zentren des Christentums den Vorrang gegenüber Rom beanspruchen. Als zu Pfingsten des Jahres 33 u. Z. das Christentum ins Leben gerufen wurde, gab es in Rom keinen einzigen Nachfolger Christi. Das erste Zentrum der Christenversammlung war ohne Zweifel Jerusalem. Zu Pfingsten hielten sich zwar Juden und Proselyten aus Rom in Jerusalem auf, und einige wurden zweifellos Christen und kehrten dann nach Rom zurück, wo sie eine Christenversammlung gründeten. Aber das trifft auch auf viele andere in der Bibel genannte Orte zu. Tatsächlich werden die Besucher aus Rom ziemlich am Ende der Aufzählung erwähnt, nämlich an drittletzter Stelle, vor den Kretern und den Arabern (Apostelgeschichte 2:5-11).
In jenen frühen Tagen war Rom kein Zentrum für die Organisierung christlicher Aktivitäten. Nicht in Rom, sondern im syrischen Antiochia wurden Jesu Jünger zuerst Christen genannt (Apostelgeschichte 11:26). Und der Apostel Paulus unternahm nicht von Rom, sondern von Antiochia aus seine drei Missionsreisen (Apostelgeschichte 13:1-4; 14:26; 15:35, 36; 18:22, 23). Paulus wurde zwar höchstwahrscheinlich in Rom hingerichtet, doch er war keiner der 12 Apostel Jesu, da Judas Iskariot durch Matthias ersetzt worden war (Apostelgeschichte 1:23-26). Tatsächlich gibt es absolut keinen biblischen Beweis dafür, daß irgendeiner der 12 Apostel nach Rom ging oder dort starb. Als letzter Apostel starb Johannes, wahrscheinlich in Ephesus oder in der Nähe davon. Der Tod der Apostel öffnete dem Abfall Tür und Tor (1. Johannes 2:18, 19; 2. Thessalonicher 2:3, 4).
Im Laufe der Zeit erlangten andere Städte als Zentren des abtrünnigen Christentums Ansehen, zum Beispiel Alexandrien und Karthago in Nordafrika sowie Byzanz (das spätere Konstantinopel) an der Grenze zwischen Asien und Europa. Im Westen entstand eine wohlhabende und einflußreiche Kirche in der Reichshauptstadt Rom.
Mit dem Auftreten des von den Aposteln vorhergesagten Abfalls entwickelte sich die Klasse der Geistlichkeit. Angesehene Männer erhoben sich über die Herde und wurden Bischöfe genannt. Diese wetteiferten um die Macht und wurden die Anführer rivalisierender Strömungen oder Sekten des abtrünnigen Christentums. Anfänglich dominierte keine Stadt oder kein einzelner Bischof eindeutig über die anderen. Aber allmählich entbrannte ein Machtkampf, bei dem es den Sekten oder abtrünnigen Gruppen des ursprünglichen biblischen Christentums darum ging, für sich den Nachweis zu erbringen, „rechtgläubig“ bzw. „orthodox“ zu sein, und die anderen dadurch als „abtrünnig“ abzustempeln.
Alle begannen als Sekten
In einem vor einiger Zeit veröffentlichten Werk über dieses Thema ist zu lesen: „Was war christliche Häresie? Und was war somit die Kirche? ... Das [abtrünnige] Christentum nahm seinen Anfang mit Verwirrung, Streit und Schisma, und dabei blieb es. Eine dominierende orthodoxe Kirche mit einer erkennbaren kirchlichen Struktur trat nur ganz allmählich in Erscheinung. ... Und wie es nun einmal bei solchen Kämpfen ist, war es nicht besonders erbaulich. ... In den mittleren und östlichen Mittelmeergebieten wimmelte es im ersten und zweiten Jahrhundert n. Chr. von einer Unmenge religiöser Ideen, die kämpferisch propagiert wurden. ... Von Anfang an gab es also zahlreiche Abarten des Christentums, die wenig gemeinsam hatten. ... Es wäre falsch, vor der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts von einer dominanten Linie des Christentums zu sprechen. Soweit wir es beurteilen können, waren Ende des ersten Jahrhunderts und praktisch während des gesamten zweiten Jahrhunderts die meisten Christen Anhänger verschiedener Formen des christlichen Gnostizismus oder gehörten zu rivalisierenden Sekten, die sich um Charismatiker scharten. ... Die Orthodoxie war im dritten Jahrhundert lediglich eine von mehreren Formen des Christentums und war vielleicht bis zur Zeit des Eusebius [Anfang des 4. Jahrhunderts] nicht dominant“ (A History of Christianity von Paul Johnson).
Eine solche Wende war vom Apostel Paulus vorhergesagt worden. Er schrieb: „Es kommt ja eine Zeit, da man gesunde Lehre nicht ertragen mag, vielmehr nach eigenen Begierden Lehrer über Lehrer für sich sucht, weil man nur nach Ohrenkitzel verlangt. Von der Wahrheit wird man dann sein Ohr abwenden, hingegen Fabeleien gerne sich zuneigen“ (2. Timotheus 4:3, 4, Rießler-Storr-Bibel).
Einige dieser abtrünnigen Lehrer werden von den Kirchen der Christenheit als Kirchenväter bezeichnet. Man teilt sie unter anderem in vornizäische und nachnizäische Kirchenväter ein, wobei man von dem sogenannten ersten ökumenischen Konzil von Nizäa ausgeht, das im Jahre 325 u. Z. von dem heidnisch-römischen Kaiser Konstantin in dieser Stadt in Kleinasien einberufen wurde.
Bemühungen Roms, die Vorrangstellung zu erlangen
Es ist bemerkenswert, daß weitaus die meisten „Kirchenväter“ des zweiten und dritten Jahrhunderts nicht in Rom lebten, und sie schrieben Griechisch, nicht Lateinisch. Das bestätigt die Encyclopædia Britannica mit den Worten: „Ungefähr bis [zum Jahre] 250 sprachen die meisten der christlichen Führer des Westens Griechisch, nicht Lateinisch (z. B. Irenäus und Hippolyt). Die lateinische Theologie kam in der Hauptsache nicht aus Rom, sondern aus Nordafrika (z. B. Tertullian und Cyprianus).“
Welche Städte waren in den ersten Jahrhunderten des Abfalls die großen Zentren der sogenannten christlichen Theologie? Nicht Rom, sondern Antiochia, Alexandrien, Karthago, Cäsarea, Jerusalem und mehrere Städte in Kleinasien. In dem Werk The Catholic Encyclopedia wird folgendes zugegeben: „Rom war im zweiten Jahrhundert zwar mächtig und wurde verehrt, ... doch in seiner Literatur klafft eine riesige Lücke. Die lateinische Literatur ist ... praktisch zweieinhalb Jahrhunderte jünger [als die griechische]. Tertullian steht allein, und er wurde zum Häretiker. Bis zur Mitte des vierten Jahrhunderts war nur ein einziger lateinischer Kirchenvater aufgetreten [Cyprianus von Karthago (Nordafrika)]. ... Von Cyprianus (gestorben 258) bis Hilarius [gestorben um 367] ... gab es überhaupt keine Theologie.“
Wie gelang es dann der Kirche von Rom, eine Vorrangstellung gegenüber den Kirchen in anderen Städten einzunehmen, die weit mehr „Kirchenväter“ hervorgebracht hatten als sie? Zweifellos spielte dabei das Ansehen eine Rolle, das mit ihrem Sitz in der Reichshauptstadt verbunden war. Sie war eine wohlhabende Kirche, die ärmere Kirchen in anderen Städten finanziell unterstützte, und dadurch erlangte ihr Bischof eine gewisse Macht. Er beanspruchte das Recht, Berufungen gegen Entscheidungen anzuhören, die andere Bischöfe in Angelegenheiten der Kirchenzucht getroffen hatten.
Außerdem hatte der heidnisch-römische Kaiser Konstantin die Möglichkeit erkannt, das verfallende Imperium durch das abtrünnige Christentum zu festigen, und der Bischof von Rom sah, daß seiner Form des abtrünnigen Christentums durch heidnische Bräuche mehr Popularität verliehen werden konnte. Die römische Kirche übernahm den heidnischen Sonntag und legte das Osterfest auf diesen Tag, während die Kirchen in den Städten des Ostens jeweils an dem Tag der Woche feierten, auf den der 14. Nisan gemäß dem jüdischen Kalender fiel. Und während mehrere Ostkirchen geneigt waren, Arius zu folgen, der die Dreieinigkeitslehre ablehnte, beeilte sich Rom, diese heidnische Vorstellung von einem dreieinigen Gott zu übernehmen.
In diesen beiden Angelegenheiten begünstigte Kaiser Konstantin Rom, indem er im Jahre 321 u. Z. die Beobachtung des Sonntags gesetzlich verankerte und im Jahre 325 u. Z. auf dem Konzil von Nizäa die Dreieinigkeitslehre durchsetzte. Er vereinigte das abtrünnige Christentum mit dem heidnischen Kult Roms und erhob diese „allgemeine“ oder „katholische“ Anbetungsform zur Staatsreligion.
Im Jahre 382 u. Z. erließ dann Kaiser Gratian ein Gesetz, mit dem er Damasus, dem Bischof von Rom, die Gerichtshoheit über andere Bischöfe übertrug, selbst über die in „entfernteren Gegenden“ des Imperiums. Obwohl diese Entscheidung von Bischöfen des Ostens und selbst von einigen im Westen bekämpft wurde, erlangte der Bischof von Rom dadurch zweifellos eine Vorrangstellung. Bischof Damasus nahm die Ehrenzeichen des Pontifex maximus an — ein heidnischer Titel, den Kaiser Gratian schließlich abgelegt hatte, weil er ihn für einen Christen als unpassend erachtete. Damasus hatte indes keine derartigen Skrupel. Und gemäß der Catholic Encyclopedia gilt die Bezeichnung Pontifex maximus immer noch als einer der „bemerkenswertesten Titel“ des Papstes. In Frankreich nennt man den Papst bis heute le souverain pontife, den obersten Hohenpriester.
Schismen, Lehrstreitigkeiten und Reformation
Natürlich wurde dieser Anspruch des Bischofs von Rom auf die Vorrangstellung nicht widerspruchslos hingenommen. Die Führer des abtrünnigen Christentums in den Städten des Ostens wie Alexandrien, Jerusalem, Antiochia und besonders Konstantinopel fochten diese Machtaneignung an. Doch obschon sie in ihrem Widerstand gegen die Vormachtstellung Roms geeint waren, stimmten sie in Lehrfragen nicht überein. In diesen und in anderen Städten gab es rivalisierende Schulen, wodurch verschiedene Sekten entstanden, die alle christlich zu sein behaupteten.
In dem Bemühen, die wachsende Kluft zwischen den rivalisierenden christlichen Sekten, die ihre Zentren in Rom und in Konstantinopel hatten, zu beseitigen und abtrünnige christliche Lehrer in anderen Städten als Häretiker zu brandmarken, wurden im Laufe der Jahrhunderte mehrere „ökumenische (allgemeine) Konzilien“ abgehalten. Auf dem ersten, das im Jahre 325 u. Z. in Nizäa stattfand, wurde die „Häresie“ der Arianer, die gegen die Dreieinigkeitslehre waren, verurteilt. Weitere solcher Konzilien wurden nach Konstantinopel (viermal), Ephesus, Chalkedon (am Bosporus, gegenüber von Konstantinopel) und erneut nach Nizäa einberufen. Die ersten sieben Konzilien werden sowohl von der römisch-katholischen Kirche als auch von den orthodoxen Kirchen anerkannt. Zu den Lehren, die man auf diesen Konzilien aufstellte, gehören die Dreieinigkeitslehre und die Ansicht, daß Maria die „Mutter Gottes“ sei, sowie weitere Dogmen, die nichts mit dem biblischen Christentum zu tun haben. Auf diesen Konzilien wurden auch mehrere „Häresien“ verurteilt, was zu weiteren Spaltungen (Sekten) des abtrünnigen Christentums beitrug.
Interessanterweise wurde kein einziges dieser „allgemeinen“ Kirchenkonzilien in Rom abgehalten, der Stadt, die den Anspruch erhob, das allgemeine Zentrum des Christentums zu sein. Erst im Jahre 1123 u. Z. fand in Rom das erstemal ein sogenanntes ökumenisches Konzil statt. Doch bis dahin war das „große Schisma“ zwischen Rom und den Ostkirchen bereits Wirklichkeit, denn die erste Spaltung war im Jahre 867 u. Z. erfolgt und das endgültige Schisma im Jahre 1054. Vom streng historischen Standpunkt aus gesehen, fand in Rom also nie ein wirklich ökumenisches oder allgemeines Konzil statt.
Die östliche Abart des abtrünnigen Christentums, die sich von Rom abspaltete, sammelte sich nicht um irgendeinen anderen Bischof, der behauptete, der Stellvertreter Christi auf Erden zu sein. Zwar wäre die Kirche von Konstantinopel (auch Neu-Rom genannt) gern das „Rom“ der östlichen orthodoxen Richtung geworden, doch es gelang ihr nicht. Schließlich spaltete sich die östliche orthodoxe Richtung in 15 eigenständige Staatskirchen auf, die dem Patriarchen von Konstantinopel (heute Istanbul) lediglich einen Ehrenprimat einräumen. Außerdem gibt es mehrere unabhängige östliche Kirchen, die weder Rom noch Konstantinopel anerkennen. Das östliche „Christentum“ ist fraglos ein geteiltes Haus.
Während die römische Kirche nach dem Schisma mit dem Osten immer noch hoffte, die Ostkirchen wieder gleichschalten zu können, rechnete sie zumindest damit, in ihrem eigenen Haus — dem Westen — unangefochtene Herrin zu sein. Doch ihre Schwierigkeiten waren noch nicht vorüber. Bald traten Andersdenkende auf den Plan. Das durfte nicht geduldet werden, weshalb drastische Maßnahmen gegen diese „Häretiker“ ergriffen wurden. Man führte die Inquisition ein, aber dennoch gab es weiterhin Andersdenkende. Im 16. Jahrhundert kam es zu einer allgemeinen Auflehnung, zunächst aus religiösen und später aus politischen Beweggründen.
Aus dieser Auflehnung, der sogenannten Reformation, ist eine dritte Gruppe von Religionsgemeinschaften hervorgegangen, die ebenfalls behaupten, christlich zu sein. Statt jedoch die ursprüngliche Einheit und die wahren Lehren des biblischen Christentums wiederherzustellen, hat der Protestantismus zur Bildung weiterer Kirchen und Sekten geführt.
Warum so viele?
Wenn du einer Kirche oder Sekte angehörst, die christlich zu sein behauptet, hast du dich zweifellos schon gefragt, warum es so viele Religionsgemeinschaften gibt, die angeblich alle Christus nachfolgen und sich an die Bibel halten. Vielleicht rufen solche Spaltungen bei dir einen Widerwillen hervor, besonders wenn sie zu religiöser Verfolgung oder zu Religionskriegen führen, wie dies im Laufe der Jahrhunderte immer wieder der Fall war und jetzt noch der Fall ist. Aus diesen und anderen Gründen gehst du vielleicht nicht mehr zur Kirche und begnügst dich mit deiner eigenen Vorstellung vom Christentum. Doch im Herzen weißt du, daß es mit dem Christentum mehr auf sich haben muß. Aus der Bibel ist dir bekannt, daß die allerersten Christen eine glückliche, geeinte geistige Familie bildeten (Johannes 13:34, 35; Epheser 4:1-6).
Heute sind Jehovas Zeugen eine solch glückliche Familie von Christen. Sie sind keine Sekte, da sie weder die Jünger irgendeines menschlichen Lehrers oder Führers sind noch eine Abspaltung von irgendeiner Kirche oder Sekte. Sie kommen aus allen Schichten. Sie folgen keinem Menschen nach, sondern richten sich nach Gott und seinem Sohn Jesus Christus aus. Auf deine Frage: „Warum so viele ‚christliche‘ Religionsgemeinschaften?“ antworten sie: „Weil diese religiösen Gruppen Menschen nachfolgen und sich nicht an die Bibel halten.“ Jehovas Zeugen würden sich freuen, dir bei der Suche nach dem wahren biblischen Christentum behilflich zu sein. Sprich daher bitte mit demjenigen, der dir diese Zeitschrift gebracht hat, oder schreibe an die Herausgeber.
[Karte auf Seite 6]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
Die wichtigsten Zentren des abtrünnigen Christentums
Karthago
Rom
Byzanz (Konstantinopel)
Nizäa
Ephesus
Antiochia
Jerusalem
Alexandrien
[Bild auf Seite 9]
Die Kirchen der Christenheit — hoffnungslos gespalten!
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Das ‘unauffällige Einführen verderblicher Sekten’Der Wachtturm 1983 | 15. Dezember
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Das ‘unauffällige Einführen verderblicher Sekten’
„Es [wird] auch unter euch falsche Lehrer geben ... Eben diese werden unauffällig verderbliche Sekten einführen“ (2. PETRUS 2:1).
1, 2. (a) Als was haben alle Kirchen der Christenheit begonnen? (b) Welche Fragen verdienen es daher, näher untersucht zu werden?
ALLE Kirchen der Christenheit haben als Sekten begonnen. Einige davon — insbesondere die Kirche von Rom und die orthodoxen und die protestantischen Staatskirchen — erheben den Anspruch auf Vorrang gegenüber den anderen sogenannten christlichen Glaubensgemeinschaften, die sie geringschätzig als Sekten bezeichnen. Die geschichtlichen Tatsachen sind in den beiden vorangegangenen Artikeln behandelt worden.
2 Doch einige mögen sich fragen: „War der Abfall vom wahren Christentum tatsächlich von Jesus Christus und seinen treuen Aposteln vorhergesagt worden? Haben sie davor gewarnt, Männern nachzufolgen, die Sekten bilden würden? Mußten wahre Nachfolger Jesu vor 1 900 Jahren wirklich vor solch trennenden Tendenzen auf der Hut sein? Und ist diese Wachsamkeit auch heute am Platze?“
Frühe Neigung, Sekten zu bilden
3, 4. (a) Welche Warnung äußerte Jesus, und was bedeutet das im Hinblick auf das wahre Christentum? (b) Welche ähnliche Warnung äußerte Petrus?
3 Jesus sagte in seiner Bergpredigt: „Gehet ein durch die enge Pforte; denn weit ist die Pforte und breit [„bequem“, Die Bibel in heutigem Deutsch] der Weg, der zum Verderben führt, und viele sind, die durch dieselbe eingehen. Denn eng ist die Pforte und schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind, die ihn finden. Hütet euch aber vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ (Matthäus 7:13-16, Elberfelder Bibel). Nein, Jesus Christus sagte nicht, das wahre Christentum werde ein breiter, bequemer Weg sein, eine allgemeine oder „katholische“ Religion, die „vielen“ zusage. Es sollte vielmehr ein schwerer, eingeengter Weg sein, der nur von „wenigen“ gefunden würde. Diese „wenigen“ wurden warnend darauf hingewiesen, daß harmlos erscheinende „falsche Propheten“ versuchen würden, sie auf den „bequemen“ Weg, „der zum Verderben führt“, zu leiten.
4 Über 30 Jahre später schrieb der Apostel Petrus: „Es gab ... auch falsche Propheten unter dem Volke [Israel], wie es auch unter euch [den Christen] falsche Lehrer geben wird. Eben diese werden unauffällig verderbliche Sekten einführen und werden sogar den Gebieter verleugnen, der sie erkauft hat, wodurch sie schnelle Vernichtung über sich bringen. Ferner werden viele ihren Zügellosigkeiten folgen, und ihretwegen wird vom Wege der Wahrheit lästerlich geredet werden. Auch werden sie euch aus Habsucht mit verfälschten Worten ausbeuten“ (2. Petrus 2:1-3).
5. Wann traten die „Wölfe“, die Abtrünnigen, in Erscheinung, und wie ‘führten sie unauffällig verderbliche Sekten ein’?
5 Der „Weg der Wahrheit“, der Weg, „der zum Leben führt“, ist der Weg des wahren Christentums. Die „falschen Propheten“ oder „falschen Lehrer“ sind Abtrünnige, ‘Wölfe in Schafskleidern’, die sich schon vor dem Tod der Apostel Jesu unter den ersten Christen bemerkbar machten (1. Johannes 2:18, 19; 4:1-3). Auch der Apostel Paulus warnte vor solchen „bedrückenden Wölfen“. Er kennzeichnete sie als Männer, die „aufstehen und verdrehte Dinge reden“ würden, „um die Jünger hinter sich her wegzuziehen“ (Apostelgeschichte 20:29, 30). Von der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts an ‘führten diese falschen Lehrer unauffällig verderbliche Sekten ein’ und beuteten die frühen Christen „mit verfälschten Worten“ aus. Wegen dieser Abtrünnigen wurde vom „Wege der Wahrheit“, dem wahren Christentum, „lästerlich geredet“.
Einige frühe Sekten
6. Wie zeigt die Offenbarung, daß es am Ende des ersten Jahrhunderts bereits Abtrünnige, Sekten, gab, und warum wurden sie von Christus gehaßt?
6 In der Offenbarung, die der Apostel Johannes um das Jahr 96 u. Z. erhielt, wird über mehrere von Gott inspirierte Botschaften berichtet, die den geistigen Zustand widerspiegelten, der damals in den Christenversammlungen herrschte und der im Laufe der Jahrhunderte wieder auftreten konnte. Aus zweien dieser Botschaften geht hervor, daß es Abtrünnige gab, Sekten, die von Christus, dem Haupt der wahren Christenversammlung, gehaßt wurden. Offensichtlich duldete zumindest eine dieser Sekten Götzendienst und Hurerei (Offenbarung 2:6, 14, 15).
7. Wie geht aus den Briefen des Paulus hervor, daß der Kampf gegen das Sektierertum in seinen Tagen bereits im Gange war?
7 Einige der Briefe, die der Apostel Paulus viel früher geschrieben hatte, lassen erkennen, daß er bereits einen harten Kampf gegen die Neigung zur Sektenbildung führen mußte. In seinem ersten Brief an die Christen in Korinth beklagte Paulus deren Hang, Menschen nachzufolgen, denn dies hatte zu „Streitigkeiten“ und „Spaltungen“ geführt (1. Korinther 1:10 bis 13; 3:1-4). In seinem Brief an die Galater (1:6-9; 5:19-21), an Titus (3:9, 10) und an Timotheus drückte er eine ähnliche Besorgnis aus (1. Timotheus 1:3-7; 4:1-3; 6:20, 21; 2. Timotheus 4:3, 4).
8. Was glaubten die Gnostiker, und warum wurde ihretwegen „vom Wege der Wahrheit lästerlich geredet“?
8 Verschiedene Bibelgelehrte sind der Ansicht, Paulus habe in seinem ersten Brief an die Korinther und ganz besonders in seinem Brief an die Epheser und an die Kolosser absichtlich bestimmte griechische Wörter (wie gnósis, Erkenntnis, und pléroma, Fülle) gebraucht, um den Gnostizismus zu widerlegen. Wie dem auch sei, Paulus bekämpfte sicherlich irrige Auffassungen, die später von den Sekten der Gnostiker weiterentwickelt wurden. Die Gnostiker, die im zweiten Jahrhundert u. Z. eine besondere Rolle spielten, waren Dualisten und glaubten, daß alles Materielle böse und der Geist gut sei. Sie vertraten die Ansicht, Rettung komme durch eine mystische „Erkenntnis“ (gnósis). Ihre Auffassung, der Fleischesleib sei böse, führte unter ihnen zu zwei Extremen: Askese und Schwelgerei. Der sogenannte christliche Gnostizismus trug viel dazu bei, daß „vom Wege der Wahrheit lästerlich geredet“ wurde.
9. Nenne und beschreibe andere frühe Sekten des abtrünnigen Christentums.
9 Zu den frühen Sekten gehörten auch die Marcioniten, die Anhänger Marcions, des Sohnes eines abtrünnigen christlichen „Bischofs“ in Kleinasien. Marcion glaubte an zwei Götter, einen unvollkommenen Gott des „Alten Testaments“ und einen Gott der Liebe, der im „Neuen Testament“ geoffenbart werde oder vielmehr in den Teilen, die Marcion anerkannte (einige der Schriften des Paulus und des Lukas). Eine andere Sekte des zweiten Jahrhunderts waren die Montanisten. Montanus war ein „Prophet“ aus Kleinasien, der das nahe zweite Kommen Christi predigte sowie die Aufrichtung des Neuen Jerusalem in Pepuza, in der Nähe der heutigen Stadt Ankara (Türkei). Er kritisierte auch die zunehmende Macht und die sittliche Laxheit der Geistlichkeit des abtrünnigen Christentums. Tertullian wurde z. B. ein Montanist. Außerdem gab es zwei weitere Bewegungen, die gegen die sittliche Laxheit der sogenannten Christen und gegen die Nachsicht gegenüber Abtrünnigen protestierten: die Novatianer im dritten Jahrhundert und die Donatisten im vierten Jahrhundert. Aber diese beiden schismatischen Gruppen übernahmen die wichtigsten Irrlehren der älteren, etablierten Kirchen.
„Der Mensch der Gesetzlosigkeit“ organisiert sich
10. Wer sollte zu den „falschen Lehrern“ gerechnet werden, die ‘unauffällig verderbliche Sekten einführten’?
10 Alle diese und andere, nicht erwähnte Sekten waren Abarten des abtrünnigen Christentums. Doch die Männer, die sie gründeten, waren nicht die einzigen „falschen Lehrer“, die ‘unauffällig verderbliche Sekten einführten’ (2. Petrus 2:1-3). Petrus hatte auch vorhergesagt, daß „viele ihren Zügellosigkeiten folgen“ würden. Wir haben eben gesehen, daß einige dieser frühen Sekten gebildet wurden, um gegen den zügellosen Wandel der herrschenden Klasse der Geistlichkeit zu protestieren. Daher sollten auch diese Geistlichen zu den „falschen Lehrern“ gezählt und ihre Kirchen als „verderbliche Sekten“ betrachtet werden.
11. Welche neue Klasse begann sich über andere zu erheben, und wie hatte Paulus das vorhergesagt?
11 Wie bereits erwähnt, kämpften alle diese Sekten um die Vormachtstellung. Jede suchte als die eine und einzige „orthodoxe“ (rechtgläubige), „apostolische“ und „katholische“ (allgemeine) Kirche zu gelten und behandelte ihrerseits die anderen als Häretiker. Gleichzeitig war innerhalb der größeren, mächtigeren Kirchen eine Klasse von Geistlichen bestrebt, sich über die übrigen der Herde zu erheben. Der Apostel Paulus sprach von diesem Abfall und von der Entstehung einer herrschenden Klasse der Geistlichkeit, als er schrieb: „Laßt euch in keiner Weise von irgend jemandem verführen, denn er [der Tag Jehovas] wird nicht kommen, es sei denn, der Abfall komme zuerst und der Mensch der Gesetzlosigkeit, der Sohn der Vernichtung, werde geoffenbart. Er widersetzt sich und erhebt sich über jeden, der ‚Gott‘ oder ein Gegenstand der Verehrung genannt wird, so daß er sich in den Tempel d e s GOTTES niedersetzt und sich öffentlich darstellt, daß er ein Gott sei“ (2. Thessalonicher 2:2-4).a
12. (a) Was ist „der Mensch der Gesetzlosigkeit“, und wann wurde dieser „Mensch“ völlig geoffenbart? (b) Welche Schritte führten zur vollständigen Entwicklung der Klasse der Geistlichkeit? (c) Beschreibe das hierarchische System.
12 Dieser Abfall war in den Tagen des Paulus „bereits am Werke“. Er wurde jedoch erst nach dem Tod der wahren Apostel Jesu völlig „geoffenbart“, als das „Hemmnis“, ihre Anwesenheit, beseitigt war (2. Thessalonicher 2:6, 7). Nach und nach trat eine Klasse von Geistlichen in Erscheinung. Anfang des 2. Jahrhunderts u. Z. schrieb Ignatius, „Bischof“ von Antiochia, über eine dreistufige Hierarchie von Bischöfen, Presbytern (Priestern) und Diakonen. „Der Mensch der Gesetzlosigkeit“ begann Form anzunehmen. Aber der „Kirchenvater“, der die Klasse der Geistlichkeit wirklich zu einem hierarchischen System organisierte, war Cyprianus, der „Bischof“ von Karthago (Nordafrika), der im Jahre 258 u. Z. starb. Das maßgebende Werk Dictionnaire de Théologie Catholique sagt, daß Cyprianus eine monarchische siebenstufige Hierarchie aufzeigte, in der der Bischof die oberste Stellung einnahm. Unter ihm standen Priester, Diakone, Subdiakone, Akolythen (Gefolgsleute), Exorzisten und Lektoren (Vorleser). Später wurde in der westlichen Kirche, der lateinischen oder römischen, eine achte Stufe — Pförtner oder Türhüter — hinzugefügt, während die östliche oder griechische Kirche eine fünfstufige Hierarchie festlegte. So war bis zum dritten Jahrhundert u. Z. der kollektive „Mensch der Gesetzlosigkeit“, die aus abtrünnigen Christen bestehende Klasse der Geistlichkeit, völlig „geoffenbart“ worden. Er blieb in allen Kirchen und Sekten der Christenheit, die eine Klasse von Geistlichen oder einen Klerus haben, all die Jahrhunderte hindurch bestehen.
„Verderbliche Sekten“ in der Zeit des Endes
13. In welch doppelter Hinsicht erweisen sich die Sekten der Christenheit als „verderblich“?
13 In der griechischen Ursprache bedeutet der von Petrus gebrauchte Ausdruck „verderbliche Sekten“ buchstäblich „Sekten der Vernichtung“. Dieser Ausdruck ist in doppelter Hinsicht zutreffend. Die Sekten und Kirchen der Christenheit haben sich für das reine Christentum, den „Weg der Wahrheit“, als verderblich erwiesen. Sie sind aber auch insofern „Sekten der Vernichtung“, als ihre Irrlehrer „schnelle Vernichtung über sich bringen“ und über diejenigen, die „ihren Zügellosigkeiten folgen“. Petrus fügte hinzu: „Was aber sie [die Irrlehrer] betrifft, nimmt das Gericht von alters her keinen langsamen Verlauf, und ihre Vernichtung schlummert nicht“ (2. Petrus 2:1-3). Diese „schnelle Vernichtung“ wird in der mit Riesenschritten herannahenden „großen Drangsal“ über sie kommen (Matthäus 24:21).
14. Wann wird „der Mensch der Gesetzlosigkeit“ vernichtet werden, und was wird diese Vernichtung beweisen?
14 Der Apostel Paulus zeigte, daß der kollektive „Mensch der Gesetzlosigkeit“ erst während der „Gegenwart“ Christi vernichtet würde, indem er schrieb: „Der Gesetzlose [wird] geoffenbart werden, den der Herr Jesus beseitigen wird durch den Geist seines Mundes und zunichte machen durch das Kundwerden seiner Gegenwart [parusías]“ (2. Thessalonicher 2:8). Ja, durch die Vernichtung der Klasse der Geistlichkeit, des „Menschen der Gesetzlosigkeit“, und des übrigen Teils des babylonischen religiösen Reiches Satans wird die „Gegenwart“ oder Parusie Christi auf bemerkenswerte Weise ‘kundwerden’, was für Freund und Feind gleichermaßen der Beweis dafür sein wird, daß der Herr Jesus unsichtbar gegenwärtig ist und die vorhergesagte „große Drangsal“ begonnen hat.
Eine Warnung für wahre Christen
15. Welche Warnung für Christen enthält Jesu Gleichnis vom Weizen und vom Unkraut?
15 Wie Jesus in seinem Gleichnis vom Weizen und vom Unkraut zeigte, würde zugelassen werden, daß die Kirchen und Sekten des „Unkrauts“, der abtrünnigen Christen, während der Jahrhunderte hindurch wachsen würden. Erst in der Zeit des „Abschlusses des Systems der Dinge“ sollte eine deutliche Trennung zwischen diesen Scheinchristen und den wahren „Söhnen des Königreiches“, dem „Weizen“, erfolgen (Matthäus 13:24-30, 37-40). Jesu Gleichnis enthält jedoch auch eine Warnung für wahre Christen — seien es gesalbte „Söhne des Königreiches“ oder ihre Gefährten. Jesus sagte: „Der Sohn des Menschen wird seine Engel aussenden, und sie werden aus seinem Königreich alle Dinge herauslesen, die Anlaß zum Straucheln geben, und Personen, die gesetzlos handeln, und sie werden sie in den Feuerofen werfen. Dort wird ihr Weinen und ihr Zähneknirschen sein“ (Matthäus 13:41, 42).
16. (a) Welches Trennungswerk findet seit dem Jahr 1919 statt? (b) Welche weitere Warnung äußerten die Apostel, und welche Worte fügt Judas hinzu?
16 Auf dem religiösen Feld ist der Weizen seit 1919 vom „Unkraut“ getrennt worden. Das heißt aber nicht, daß die Engel des Sohnes des Menschen seither nicht weiterhin „aus seinem Königreich alle Dinge herauslesen [würden], die Anlaß zum Straucheln geben, und Personen, die gesetzlos handeln“. Judas erinnert uns daran, daß die „Apostel unseres Herrn Jesus Christus“ folgende Warnung äußerten: „In der letzten Zeit wird es Spötter geben, die gemäß ihren eigenen Begierden gottlosen Dingen nachgehen.“ Und er fügt hinzu: „Diese sind es, die Trennungen [„Spaltungen“, Die Bibel in heutigem Deutsch] hervorrufen“ (Judas 17-19).
17. Was sagte Jesus über den „übelgesinnten Sklaven“?
17 Was gemäß Jesu Worten über die Gesetzlosen kommen sollte, die „Anlaß zum Straucheln geben“, erinnert uns an das, was er später über diejenigen sagte, die es ablehnen würden, den „treuen und verständigen Sklaven“ — die aus gesalbten Christen bestehende „Weizen“-Klasse — anzuerkennen, den Christus „über seine ganze Habe setzen“ würde. Jesus sagte warnend: „Wenn aber jener übelgesinnte Sklave in seinem Herzen sagen sollte: ‚Mein Herr bleibt noch aus‘ und anfangen sollte, seine Mitsklaven zu schlagen, und mit den Gewohnheitstrinkern essen und trinken sollte, wird der Herr jenes Sklaven an einem Tage kommen, an dem er es nicht erwartet, und in einer Stunde, die ihm nicht bekannt ist, und wird ihn mit der größten Strenge bestrafen und wird ihm seinen Teil mit den Heuchlern setzen. Dort wird sein Weinen und sein Zähneknirschen sein“ (Matthäus 24:45-51).
18. (a) Inwiefern lassen heute einige die Eigenschaften des „übelgesinnten Sklaven“ erkennen? (b) Wie werden sie enden, wenn sie weiterhin „Spaltungen hervorrufen“?
18 Heute lassen einige Illoyale die Eigenschaften dieses „übelgesinnten Sklaven“ erkennen, indem sie in ihrem Herzen sagen: „Mein Herr bleibt noch aus.“ Sie geben sich als „Spötter“ zu erkennen, die sagen: „Wo ist diese seine verheißene Gegenwart?“ (2. Petrus 3:1 bis 7). Wie Judas warnend sagte, versuchen sie, ‘Spaltungen hervorzurufen’ (Judas 19). Dadurch, daß sie die Klasse des „treuen und verständigen Sklaven“ kritisieren, durch die sie ursprünglich ihre Erkenntnis des „Weges der Wahrheit“ erlangt haben, ‘fangen sie an, ihre Mitsklaven zu schlagen’. Wenn sie aber auf ihrer trennend wirkenden Haltung beharren, ‘lesen’ die Engel sie mit der Zeit ‘heraus’ und ‘setzen ihnen ihr Teil mit den Heuchlern’ der Christenheit. ‘Dort weinen sie und knirschen mit den Zähnen’, indem sie mitunter ihre vermeintlichen Gründe zur Klage durch die Medien an die Öffentlichkeit bringen.
19. (a) Was sagte Paulus über „Sekten“ unter Gottes Volk? (b) Wie können wir beweisen, daß wir „Bewährte“ sind?
19 Das erinnert uns an die Worte, die Paulus an die Korinther schrieb: „Denn es muß auch Sekten unter euch geben, damit die Bewährten unter euch auch offenbar werden mögen“ (1. Korinther 11:19). Ja, wenn heute einige versuchen, unter Jehovas Zeugen unauffällig ‘verderbliche Sekten einzuführen’, haben loyale Christen eine gute Gelegenheit, sich in den Augen Gottes und Christi als „Bewährte“ zu erweisen. Sie können und müssen beweisen, daß sie die wahre christliche Einheit schätzen. Diese Einheit wird im folgenden Artikel besprochen.
[Fußnote]
a Wegen einer ausführlichen Besprechung des „Menschen der Gesetzlosigkeit“ siehe Kapitel 18 des Buches Gottes tausendjähriges Königreich hat sich genaht, herausgegeben von der Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft.
Erinnerst du dich noch?
□ Wann und wie begann die Abtrünnigkeit der Christenheit?
□ Wer oder was ist „der Mensch der Gesetzlosigkeit“?
□ In welch doppelter Hinsicht sind die Kirchen der Christenheit „verderblich“?
□ Welche warnenden Worte äußerte Jesus über den „übelgesinnten Sklaven“?
[Bild auf Seite 11]
Jesus wies warnend darauf hin, daß falsche Propheten Wölfen in Schafskleidern gleichen
[Bild auf Seite 13]
Falsche Christen gleichen „Unkraut“, das nur zur Vernichtung taugt
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„Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“Der Wachtturm 1983 | 15. Dezember
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„E i n Herr, e i n Glaube, e i n e Taufe“
„Da ist ... e i n Herr, e i n Glaube, e i n e Taufe; e i n Gott und Vater aller, der über allen ... ist“ (EPHESER 4:4-6).
1, 2. (a) Was machte Jehova, sich selbst betreffend, durch Moses deutlich? (b) Gab es somit in Israel Raum für unterschiedliche religiöse Meinungen?
„JEHOVA, unser Gott, ist e i n Jehova. Ihr sollt nicht anderen Göttern nachgehen, irgendwelchen Göttern der Völker, die rings um euch her sind (denn Jehova, dein Gott in deiner Mitte, ist ein Gott, der ausschließliche Ergebenheit fordert).“ Moses ließ im Sinn der Israeliten, die sich kurz vor dem Einzug in das Verheißene Land in den Ebenen Moabs versammelt hatten, keinen Zweifel aufkommen. Deutlich erklärte er, daß ihr Gott, Jehova, e i n Gott ist und daß Jehova ausschließliche Anbetung erwartet. In einer früheren Ansprache hatte Moses gesagt: „Jehova [ist] der wahre Gott ... in den Himmeln droben und unten auf der Erde. Es gibt keinen anderen. Und du sollst seine Bestimmungen und seine Gebote beobachten, die ich dir heute gebiete, damit es dir ... gut ergehe“ (5. Mose 6:4, 14, 15; 4:39, 40).
2 Diese Worte ließen keinen Raum für unterschiedliche religiöse Meinungen. Israel hatte e i n e n Gott. Und Jehova zeigte deutlich die e i n e annehmbare Art und Weise, wie man ihn anbeten sollte.
Jüdische Sekten kommen auf
3. Was geschah schließlich, weil die meisten Juden Jehova nicht treu blieben?
3 Statt jedoch die reine Anbetung des e i n e n wahren Gottes, Jehova, auszuüben, wurden die meisten Israeliten abtrünnig und verehrten Götzen (Jeremia 17:13; 19:5). Deswegen ‘erging es ihnen nicht gut’. Im Jahre 607 v. u. Z. wurde Jerusalem von den Babyloniern zerstört, und viele Juden wurden nach Babylonien deportiert. Ein treuer Überrest kehrte 70 Jahre später nach Jerusalem zurück und begann mit dem Bau eines zweiten Tempels für die Anbetung Jehovas. Aber im Laufe der Zeit wurden die meisten Juden abtrünnig und spalteten sich in mehrere Sekten auf.
4, 5. (a) Beschreibe einige der jüdischen Sekten, die nach der Babylonischen Gefangenschaft entstanden. (b) Brachten diese Sekten für die Juden irgend etwas Gutes mit sich? Erkläre es.
4 Im vierten oder dritten Jahrhundert v. u. Z. entstand die Sekte der Hasidim (der „Frommen“). Sie beobachteten übereifrig das jüdische Gesetz und gelten heute im allgemeinen als Vorläufer zweier weiterer Sekten, die im zweiten Jahrhundert v. u. Z. aufkamen: die Essener und die Pharisäer. Sowohl die Essener als auch die Pharisäer nahmen die griechische Lehre von der Unsterblichkeit der Seele an. Im Gegensatz zu ihnen glaubten die Sadduzäer nicht an ein Weiterleben nach dem Tode. Die Bibel berichtet von einem Zwiespalt zwischen den Sadduzäern und den Pharisäern zur Zeit der Apostel (Apostelgeschichte 23:7 bis 10). In dem Werk The Concise Jewish Encyclopedia heißt es: „Spannungen zwischen den beiden [Gruppen] führten sogar zu Massakern und zum Bürgerkrieg.“
5 Die Zeloten waren eine weitere jüdische Sekte, die es im ersten Jahrhundert u. Z. gab. Es waren militante Nationalisten, die vieles unternahmen, um den erfolgreichen jüdischen Aufstand gegen die Römer im Jahre 66 u. Z. anzufachen. Danach suchten sie andere bewaffnete Sekten in Jerusalem zu beherrschen, wodurch sie einen Bürgerkrieg entfesselten und viel Leid verursachten. Diese mit Waffengewalt geführten Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden jüdischen Sekten hielten bis zur endgültigen Belagerung und Zerstörung Jerusalems durch die Römer im Jahre 70 u. Z. an und sogar noch während dieser Zeit. Offensichtlich brachten sektiererische Abspaltungen und die Untreue gegenüber der geeinten, reinen Anbetung Jehovas, des e i n e n Gottes, den Juden nichts Gutes.
Die ersten Christen — keine Sekte
6. Warum hielten sich die ersten Christen von den jüdischen Sekten getrennt?
6 Selbstverständlich hielten sich die ersten Christen aus den Streitigkeiten der jüdischen Sekten heraus. Sie wußten, daß die Pharisäer und die Sadduzäer zu den erbittertsten Feinden Jesu gehörten. Christi Nachfolger konnten sich weder dem Glauben der Essener an die Unsterblichkeit der Seele anschließen, noch konnten sie deren Vorliebe für ein klösterliches, asketisches Leben teilen. Und als Neutrale hatten sie gewiß nichts mit den nationalistischen Zeloten gemein (Johannes 17:16; 18:36). Im Einklang mit den an eine nichtjüdische Frau gerichteten Worten Jesu: „Die Stunde [kommt], und sie ist jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater mit Geist und Wahrheit anbeten werden“ übten die Christen die geeinte, reine Anbetung des e i n e n wahren Gottes aus (Johannes 4:23).
7. Was sagten Jesus und Paulus, und was lassen ihre Worte hinsichtlich der wahren christlichen Anbetung erkennen?
7 Der Apostel Paulus sagte von wahren Christen: „So gibt es für uns tatsächlich e i n e n GOTT, den Vater, aus dem alle Dinge sind und wir für ihn; und es gibt e i n e n Herrn, Jesus Christus, durch den alle Dinge sind und wir durch ihn“ (1. Korinther 8:6). Wahres Christentum bedeutet geeinte Anbetung des e i n e n Gottes, des Vaters, Jehova, durch den e i n e n Herrn, Jesus Christus. Jesus sagte zu seinen Jüngern: „E i n e r ist euer Führer, der Christus“ (Matthäus 23:10).
8. Warum konnten die ersten Christen nicht zu Recht als eine Sekte bezeichnet werden?
8 Die Anhänger der etablierten jüdischen Sekten bezeichneten die ersten Christen zwar geringschätzig als eine Sekte (griechisch: haíresis, „eine Gruppe, die sich von anderen abgespalten hat und ihren eigenen Lehren folgt“) (Apostelgeschichte 24:5; 28:22). Aber der Apostel Paulus lehnte in seiner Verteidigung vor dem Statthalter Felix diese falsche Bezeichnung mit den Worten ab: „Ich [bringe] gemäß dem Wege, den sie [seine religiösen Feinde] eine ‚Sekte‘ nennen, dem Gott meiner Vorväter in dieser Weise heiligen Dienst [dar]“ (Apostelgeschichte 24:14). Christen konnten keinesfalls als eine Sekte bezeichnet werden, denn sie folgten nicht irgendeinem Menschen, sondern Jesus Christus. Des weiteren waren sie gewiß keine Abspaltung von einer der Sekten des Judaismus, die es im ersten Jahrhundert u. Z. gab.
Keine sektiererischen Spaltungen
9, 10. (a) Warum sollte sich das Christentum nicht in verschiedene Kirchen und Sekten aufspalten? (b) Welche Theorien über die Entstehung des Christentums sind völlig falsch?
9 Das frühe Christentum war weder eine Sekte, noch sollte es sich in einzelne Sekten aufspalten. Christus bat seinen Vater darum, daß seine Jünger „alle eins seien“ (Johannes 17:21). Sie sollten ‘Liebe unter sich haben’ (Johannes 13:35). Das schloß jegliche Spaltung oder Bildung von Sekten aus.
10 Dieser Umstand straft die von vielen Historikern und Theologen aufgestellten Theorien über verschiedene Arten des Christentums Lügen. Es ist die Rede von einem „Judenchristentum“ (das angeblich von Jakobus, Petrus und Johannes verteidigt wurde) im Gegensatz zu einem „Heidenchristentum“ (das Paulus verteidigt haben soll). Man spricht von einer „johanneischen Theologie“ und einer „paulinischen Theologie“ und behauptet, das Christentum hätte sich nicht weltweit ausgebreitet, wenn Paulus es nicht vollständig umgewandelt hätte. Solche Theorien werden von Männern vertreten, die entweder nicht vom Christentum überzeugt sind oder es als normal hinnehmen, daß die Christenheit in Hunderte von Kirchen und Sekten gespalten ist.
11. (a) Welche Schriftstellen beweisen, daß nicht Paulus auf den Gedanken kam, das Christentum unter den Nichtjuden zu verbreiten? (b) Billigte Paulus Sekten, die sich abspalteten? (c) Welche Begebenheit veranschaulicht die Einheit, die Paulus mit seinen Mitarbeitern bildete?
11 Die Tatsachen zeigen etwas ganz anderes. Bevor Paulus überhaupt ein Christ wurde, hatte Jesus Christus seine Jünger beauftragt, unter allen Nationen seine Zeugen zu sein (Matthäus 28:19, 20; Apostelgeschichte 1:8). Paulus selbst bekämpfte jede Neigung, Menschen nachzufolgen, und erklärte: „Nun ermahne ich euch, ... daß keine Spaltungen unter euch seien“ (1. Korinther 1:10-15; 3:3-5). Somit ist es völlig sinnlos, zu behaupten, Paulus habe eine andere Auffassung vom Christentum gehabt als Jakobus, Petrus und Johannes. Sie alle waren in dem Werk der Verbreitung der guten Botschaft vereint. Bei einer Gelegenheit — wahrscheinlich zur Zeit des Konzils, das wegen der Frage der Beschneidung im Jahre 49 u. Z. in Jerusalem stattfand — wirkten alle vier in völliger Übereinstimmung zusammen, was die Einteilung des Predigtgebietes betraf (Galater 2:7 bis 9).
Warnungen vor Uneinigkeit
12. Bestand zwischen Paulus und Petrus eine beständige Feindschaft?
12 Da die ersten Christen unvollkommene Menschen waren — wenngleich einige von ihnen in der Versammlung große Verantwortung trugen —, gab es natürlich Meinungsverschiedenheiten unter ihnen. Im syrischen Antiochia wies Paulus Petrus in einer bestimmten Sache zurecht (Galater 2:11-14). Ging aber Petrus hin und bildete eine eigene Sekte, als ob er nicht mit dem sogenannten paulinischen Christentum übereinstimmte? Keineswegs, denn Jahre danach, etwa im Jahre 64 u. Z., sprach er mit liebevollen Worten von Paulus (2. Petrus 3:15, 16).
13, 14. (a) Wozu zählte Paulus „Spaltungen“ und „Sekten“? (b) Wie sollte gemäß den Worten des Paulus mit Personen verfahren werden, die eine Sekte fördern?
13 Unter göttlicher Inspiration zählte Paulus auch „Spaltungen“ und „Sekten“ zu den „Werken des Fleisches“. Er schrieb: „Nun sind die Werke des Fleisches offenbar, und sie sind: Hurerei, Unreinheit, zügelloser Wandel, Götzendienst, Ausübung von Spiritismus, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Wutausbrüche, Wortzänkereien, Spaltungen, Sekten ... die, die solche Dinge treiben, [werden] Gottes Königreich nicht ererben“ (Galater 5:19-21).
14 Da diejenigen, die „Spaltungen“ hervorrufen und „Sekten“ bilden, „Gottes Königreich nicht ererben werden“, können sie in der wahren Christenversammlung nicht geduldet werden. Deshalb schrieb Paulus an Titus: „Meide törichte Streitfragen und Geschlechtsregister und Zank und Streitigkeiten wegen des ‚Gesetzes‘, denn sie sind nutzlos und nichtig. Einen Menschen, der eine Sekte fördert, weise ab nach einer ersten und zweiten ernsten Ermahnung, da du weißt, daß sich ein solcher vom Wege abgewandt hat und sündigt, wobei er durch sich selbst verurteilt ist“ (Titus 3:9-11).
Einheitlicher Glaube
15, 16. (a) Warum gibt es in der Christenversammlung keinen Raum für unterschiedliche theologische Schulen, und was sagt Paulus diesbezüglich? (b) Heißt das, daß ein Christ seine Denkfähigkeit nicht gebrauchen sollte? (c) Was sagen Petrus, Judas und Paulus über die Gefahr, zu zweifeln und von der Wahrheit weggeführt zu werden?
15 Aus dem Vorangegangenen wird deutlich, daß das wahre Christentum nicht in unterschiedliche Glaubensgemeinschaften und Sekten aufgespalten sein kann. In der Christenversammlung können auch nicht verschiedene theologische Richtungen oder Schulen nebeneinander bestehen. Paulus schrieb an die Korinther: „Nun ermahne ich euch, Brüder, durch den Namen unseres Herrn Jesus Christus, daß ihr alle übereinstimmend redet und daß keine Spaltungen unter euch seien, sondern daß ihr in demselben Sinn und in demselben Gedankengang fest vereint sein mögt“ (1. Korinther 1:10).
16 Das heißt nicht etwa, daß wahre christliche Zeugen Jehovas ihre Denkfähigkeit nicht gebrauchen dürften. Nach den Worten des Apostels Petrus sollte „klares Denkvermögen“ angewandt werden, um „Spötter“, die „in den letzten Tagen“ auftreten und die „Gegenwart“ Christi leugnen würden, zu widerlegen (2. Petrus 3:1-4). Judas spricht in seinem Brief von „einigen, die Zweifel haben“ (Judas 22). Doch weder Petrus noch Judas sagt, ein Christ könne ein Spötter oder ein Zweifler bleiben. Petrus ermahnt uns, uns vor den „Unbefestigten“ zu ‘hüten’, die ‘die Schriften verdrehen’ (2. Petrus 3:16, 17). Und Judas erklärt, daß Zweifler in Gefahr sind und ‘aus dem Feuer gerissen’ werden müssen (Judas 23). Denjenigen, die von der Wahrheit weggeführt worden sind, muß „mit Milde“ geholfen werden in der Hoffnung, daß „sie wieder zur Besinnung kommen mögen, aus der Schlinge des Teufels heraus“ (2. Timotheus 2:23-26).
17. Wie gebraucht ein wahrer Christ sein Denkvermögen, und was zu tun, ist er ernsthaft bestrebt?
17 Ein wahrer Christ gebraucht sein „klares Denkvermögen“ auf demütige Weise. Paulus schreibt: „Ich ... bitte euch daher inständig, der Berufung, mit der ihr berufen worden seid, würdig zu wandeln, mit aller Demut und Milde, mit Langmut, einander in Liebe ertragend, euch ernstlich bemühend, die Einheit des Geistes in dem vereinigenden Band des Friedens zu bewahren. Da ist e i n Leib und e i n Geist, so, wie ihr in der e i n e n Hoffnung berufen worden seid, zu der ihr berufen wurdet; e i n Herr, e i n Glaube, e i n e Taufe; e i n Gott und Vater aller, der über allen und durch alle und in allen ist“ (Epheser 4:1-6).
Wie die Einheit erreicht und bewahrt wird
18. Was bedeutet der Ausdruck (a) „e i n Gott“, (b) „e i n Herr“, (c) „e i n Geist“? (d) Welches ist die einzige schriftliche Anleitung des Christentums?
18 Paulus sprach von ‘e i n e m Gott, der über allen ist’. Moses erklärte: „Jehova, unser Gott, ist e i n Jehova“ (5. Mose 6:4). An dieser fundamentalen Wahrheit hat sich nichts geändert. Sie ist der wichtigste Faktor der christlichen Einheit. Es gibt e i n e n Gott und e i n e annehmbare Art und Weise, ihn anzubeten, nämlich „mit Geist und Wahrheit“ (Johannes 4:23, 24). Der „e i n e Herr“ ist Jesus Christus, „das Haupt des Leibes, der Versammlung“ (Kolosser 1:18). Unter dem „e i n e n Geist“ ist die vereinigende Kraft Jehovas zu verstehen. Jesus Christus sagte zu seinen Jüngern: „Der Helfer ..., der heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, dieser wird euch alle Dinge lehren und euch an alle Dinge erinnern, die ich euch gesagt habe. Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“ (Johannes 14:26, 27). Die ‘Dinge, an die er sie erinnerte’, wurden in den Christlichen Griechischen Schriften aufgezeichnet. Diese bilden zusammen mit den Hebräischen Schriften die Bibel, die e i n e schriftliche Anleitung des wahren Christentums.
19. Was ist der „e i n e Leib“, und wer ist dazu eingesetzt worden, allen seinen Gliedern dieselbe geistige Speise darzureichen?
19 Der „e i n e Leib“ ist die Christenversammlung, deren „Haupt“ Jesus ist (Epheser 1:22, 23). Die einzelnen gesalbten Glieder dieser geeinten Versammlung sollten alle dieselbe geistige Speise erhalten. Zu diesem Zweck setzte ihr „Herr“ eine bestimmte Klasse ein, den „treuen Verwalter“, die Gruppe gesalbter Christen, die es seit Pfingsten des Jahres 33 u. Z. auf der Erde gibt. Da der „Herr“ die Übriggebliebenen dieser Gruppe damit beschäftigt fand, auf treue und verständige Weise „Speisevorrat“ auszuteilen, als er im Jahre 1919 zur Inspektion kam, setzte er sie „über seine ganze Habe“ (Lukas 12:42-44). Die Tatsachen beweisen, daß dieser „Verwalter“ seit 1919 treu für diese „Habe“ gesorgt hat.
20. (a) Von welchem Gegensatz zwischen Gottes Volk und Abtrünnigen ist in Jesaja 65:11, 13 die Rede? (b) Was hat viel zur Einheit des Volkes Jehovas beigetragen?
20 Die Geistlichkeit der zahllosen Kirchen und Sekten der Christenheit wurde nicht damit beschäftigt vorgefunden, den rechten geistigen „Speisevorrat“ an die „Dienerschaft“ Christi auszuteilen. Daher „hungern“ diese Kleriker und ihre Herden in geistiger Hinsicht (Jesaja 65:11, 13). Der „treue Verwalter“ hat dagegen für ein Übermaß an „Speisevorrat zur rechten Zeit“ gesorgt — für die einzelnen gesalbten Christen und seit 1935 für eine wachsende „große Volksmenge“ „anderer Schafe“ (Offenbarung 7:9, 10; Johannes 10:16). Alle diese Zeugen Jehovas folgen, ungeachtet, welche Sprache sie sprechen oder wo sie wohnen, weltweit dem gleichen Studienprogramm, das auf Gottes Wort beruht. Das hat viel zur Förderung und Bewahrung ihrer Einheit beigetragen.
Die wunderbare Einheit des Volkes Jehovas
21. Wie wird unter Jehovas Zeugen heute die Einheit bewahrt, und inwiefern ist dies mit der organisatorischen Einrichtung in den Tagen der Apostel zu vergleichen?
21 Die Einheit der etwa 45 000 Versammlungen der Zeugen Jehovas in über 200 Ländern wird auch durch ihre schriftgemäßen organisatorischen Methoden bewahrt. Die ‘Apostel und älteren Männer [Ältesten] in Jerusalem’ bildeten die leitende Körperschaft der Christenversammlung im ersten Jahrhundert (Apostelgeschichte 15:2). Sie und ihre Vertreter setzten in den Versammlungen „Aufseher“ und „Dienstamtgehilfen“ ein und trafen in ihrer Stellung als Aufseher auch andere Entscheidungen (Philipper 1:1; Titus 1:5; Apostelgeschichte 14:23; 16:4). Heute bildet ebenfalls eine Gruppe gesalbter christlicher Ältester die leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas. Und genauso, wie die Entscheidungen der leitenden Körperschaft im ersten Jahrhundert den Versammlungen mitgeteilt wurden, so erhalten die Versammlungen der Zeugen Jehovas heute Anweisungen von der leitenden Körperschaft und werden von reisenden Aufsehern besucht (Apostelgeschichte 15:22, 23, 30). Wie damals ‘werden die Versammlungen im Glauben weiterhin befestigt und nehmen von Tag zu Tag an Zahl zu’ (Apostelgeschichte 16:5).
22. Wofür sind Jehovas Zeugen besonders dankbar, und was werden sie weiterhin vereint tun?
22 Jehovas Zeugen sind aus den Sekten, in die die Christenheit aufgespalten ist, befreit worden. Unter der Leitung ihres „e i n e n Herrn“, Jesus Christus, und seines „Verwalters“ drängen sie geeint in der Verkündigung der „guten Botschaft vom Königreich“ voran (Matthäus 24:14). Sich weiter „ernstlich bemühend, die Einheit des Geistes in dem vereinigenden Band des Friedens zu bewahren“, stehen sie wirklich fest, „in e i n e m Geist, mit e i n e r Seele Seite an Seite für den Glauben der guten Botschaft streitend“ (Epheser 4:3; Philipper 1:27).
Erinnerst du dich an folgende Gedanken?
□ Welche Anbetung wurde ursprünglich im Volk Israel gepflegt?
□ Was ging vom vierten Jahrhundert v. u. Z. an unter den abtrünnigen Juden vor sich?
□ Welche Schriftstellen beweisen, daß sich das Christentum nicht in Sekten aufspalten sollte?
□ Wie läßt die Bibel erkennen, daß es in der Christenversammlung keinen Raum für unterschiedliche theologische Schulen gibt?
□ Welche Faktoren tragen unter Jehovas Zeugen zur Einheit im Verständnis und im Werk bei?
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