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  • Die Karäer und ihr Streben nach Wahrheit
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Der Wachtturm verkündigt Jehovas Königreich 1995
w95 15. 7. S. 28-31

Die Karäer und ihr Streben nach Wahrheit

„FORSCHET gründlich in der Schrift, und verlaßt euch nicht auf meine Meinung.“ Diese Worte stammen von einem Führer der Karäer aus dem achten Jahrhundert u. Z. Wer waren die Karäer? Hat ihr Beispiel für uns irgendeinen Wert? Ein Rückblick in die Geschichte eines seit langem bestehenden Streits, der zur Entstehung des Karäertums führte, wird diese Fragen beantworten.

Wie nahm der Streit seinen Anfang?

In den letzten Jahrhunderten vor der Zeitenwende wurde im Judentum eine neue Philosophie entwickelt. Es handelte sich um die Auffassung, Gott habe am Berg Sinai zwei Gesetze gegeben — das eine schriftlich und das andere mündlich.a Im ersten Jahrhundert u. Z. kam es zwischen den Befürwortern und den Gegnern jener neuen Lehre zu hitzigen Auseinandersetzungen. Die Pharisäer waren ihre Befürworter, zu den Gegnern zählten die Sadduzäer und die Essener.

Jene Auseinandersetzungen waren in vollem Gang, da erschien Jesus von Nazareth als der verheißene Messias (Daniel 9:24, 25; Matthäus 2:1-6, 22, 23). Jesus sah sich mit all diesen einander widersprechenden jüdischen Gruppen konfrontiert. In seinen Unterredungen mit ihnen sprach er sich dagegen aus, das Wort Gottes um ihrer Überlieferungen willen ungültig zu machen (Matthäus 15:3-9). Jesus lehrte Glaubenswahrheiten auch auf eine Weise, wie es nur der Messias konnte (Johannes 7:45, 46). Beweise für die göttliche Unterstützung konnten darüber hinaus nur die wahren Nachfolger Jesu aufweisen. Sie wurden als Christen bekannt (Apostelgeschichte 11:26).

Die Pharisäer überstanden als einzige religiöse Sekte unbeschadet die Zerstörung des Tempels in Jerusalem im Jahre 70 u. Z. Da es nun keine Priesterschaft, keine Opfer und keinen Tempel mehr gab, konnte das Judentum pharisäischer Ausprägung einen Ersatz für all dies einführen, wobei Überlieferung und Auslegung das geschriebene Gesetz verdrängten. Dadurch wurde es möglich, neue „heilige Bücher“ zu verfassen. Zunächst entstand die Mischna mit ihren Zusätzen zur „mündlichen Thora“ und deren Auslegung. Später kamen weitere Sammlungen von Schriften hinzu, und der Talmud entstand. Gleichzeitig begannen abtrünnige Christen, willkürlich die Lehren Jesu abzuändern. Aus beiden Kreisen gingen mächtige Religionssysteme hervor — das der rabbinischen Autorität einerseits und das der kirchlichen andererseits.

Bedingt durch Konflikte mit Rom — anfangs mit dem heidnischen und später mit dem „christlichen“ —, wurde mit der Zeit Babylon zum Zentrum des Judentums. Dort wurden die Schriften des Talmuds in ihrer umfassendsten Form zusammengestellt. Obgleich die Rabbaniten behaupteten, der Talmud offenbare den Willen Gottes vollständiger, erkannten doch viele Juden, daß der rabbinischen Autorität immer mehr Gewicht beigemessen wurde, und verlangten nach dem Wort Gottes, wie es ihnen durch Moses und die Propheten verkündet worden war.

In der zweiten Hälfte des achten Jahrhunderts u. Z. sammelten sich Juden in Babylon, die die rabbinische Autorität ablehnten und nicht an deren „mündliche Thora“ glauben wollten, um einen Gelehrten namens Anan ben David. Er verkündete das Recht eines jeden Juden, uneingeschränkt die Hebräischen Schriften als die einzige Quelle der wahren Religion zu studieren, ohne auf die rabbinische Auslegung oder den Talmud zu achten. Anan lehrte: „Forschet gründlich in der Schrift [dem geschriebenen Gesetz Gottes], und verlaßt euch nicht auf meine Meinung.“ Wegen dieser Betonung der Schrift wurden die Nachfolger Anans als Qara’ím bekannt, ein hebräischer Name, der „Leser“ bedeutet.

Konfrontation zwischen Karäern und Rabbaniten

Betrachten wir einige Lehren der Karäer, die in rabbinischen Kreisen für große Aufregung sorgten. Die Rabbaniten untersagten es, Fleisch und Milch zusammen zu essen. Sie stellten dies als Erläuterung der „mündlichen Thora“ zu 2. Mose 23:19 dar, wo es heißt: „Du sollst ein Böckchen nicht in der Milch seiner Mutter kochen.“ Die Karäer hingegen lehrten, dieser Vers bedeute einfach nur das, was darin gesagt werde — nicht mehr und nicht weniger. Die rabbinischen Einschränkungen, so ihr Argument, seien die Erfindung von Menschen.

Die Rabbaniten vertraten auf Grund ihrer Auslegung von 5. Mose 6:8, 9 die Meinung, männliche Juden müßten beim Gebet Tefillin oder Gebetsriemen anlegen und an allen Türpfosten müsse eine Mesusa angebracht werden.b Die Karäer schrieben diesen Versen lediglich eine sinnbildliche, symbolische Bedeutung zu und lehnten daher solche rabbinischen Vorschriften ab.

In anderen Fragen waren die Karäer weitaus restriktiver als die Rabbaniten. Ein Beispiel dafür ist ihre Ansicht zu 2. Mose 35:3, wo es heißt: „Ihr sollt am Sabbattag an irgendeinem eurer Wohnorte kein Feuer anzünden.“ Die Karäer untersagten es, einen Leuchter oder ein Licht brennen zu lassen, auch wenn es vor dem Sabbat angezündet worden war.

Vor allem nach dem Tod Anans kam es unter karäischen Führern häufig zu Meinungsverschiedenheiten über Art und Ausmaß bestimmter Vorschriften, und ihre Aussagen waren nicht immer eindeutig. Da die Karäer niemand als Führer ansahen, sondern im Gegensatz zu der rabbinischen Autorität die Freiheit des einzelnen betonten, die Schriften zu lesen und zu interpretieren, mangelte es ihnen an Einheit. Ungeachtet dessen wurde ihre Bewegung weit über die jüdische Gemeinde in Babylon hinaus immer populärer und gewann an Einfluß, so daß sie sich im ganzen Nahen Osten ausbreitete. Ein bedeutendes geistiges Zentrum der Karäer entstand sogar in Jerusalem.

Im neunten und zehnten Jahrhundert u. Z. taten sich karäische Gelehrte darin hervor, die hebräische Sprache neu zu studieren, und erlebten gewissermaßen ein goldenes Zeitalter. Sie sahen nicht die mündlichen Überlieferungen, sondern nur den Text der Hebräischen Schriften als heilig an. Einige Karäer wurden sorgfältige Abschreiber der Hebräischen Schriften. Gerade durch die Auseinandersetzung mit dem Karäertum wurde das massoretische Studium der Heiligen Schrift unter allen Juden vorangetrieben, wodurch gewährleistet wurde, daß der Text der Bibel mit großer Genauigkeit bis heute erhalten geblieben ist.

Während jener Epoche schnellen Wachstums entfalteten die Karäer eine emsige missionarische Tätigkeit unter den anderen Juden. Das stellte für das rabbinische Judentum eindeutig eine Bedrohung dar.

Wie reagierten die Rabbaniten?

Die rabbinische Gegenoffensive bestand in einem erbitterten Krieg der Worte, geführt mit schlauer Wendigkeit und Anpassung der Lehre. Während der Jahrhunderte nach dem Angriff Anans übernahm das rabbinische Judentum eine Reihe Methoden von den Karäern. Die Rabbaniten wurden im Zitieren der Schriften immer geschickter und nahmen Stil und Methode der Karäer in ihre Rhetorik auf.

Unbestrittener Führer in diesem verbalen Schlagabtausch mit den Karäern war Saadja ben Joseph, der in der ersten Hälfte des zehnten Jahrhunderts u. Z. Oberhaupt der jüdischen Gemeinde in Babylon wurde. Samuel Rosenblatt schrieb im Vorwort zu seiner englischen Übersetzung von Saadjas Hauptwerk Glaubenslehre und Philosophie: „Obwohl Saadja zu seinen Lebzeiten in bezug auf den Talmud die Autorität schlechthin war, macht er verhältnismäßig wenig Gebrauch von dieser Quelle jüdischer Überlieferung — offenbar deshalb, weil er die Karäer, die nur das geschriebene Gesetz als bindend anerkannten, mit ihren eigenen Waffen schlagen wollte.“

Saadjas Beispiel folgend, gewann das rabbinische Judentum schließlich die Oberhand. Das wurde erreicht, indem man sich gerade so weit anpaßte, daß den Argumenten der Karäer die Schlagkraft entzogen wurde. Den entscheidenden Schlag versetzte der Bewegung der berühmte Talmudgelehrte Moses Maimonides im zwölften Jahrhundert. Durch seine tolerante Einstellung gegenüber den Karäern, unter denen er in Ägypten lebte, sowie durch seine überzeugende Gelehrsamkeit gewann er ihre Bewunderung, was ihre eigene Führungsrolle schwächte.

Das Karäertum stagnierte

Infolge mangelnder Einheit und da gutorganisierte Gegenmaßnahmen ausblieben, stagnierte das Karäertum und hatte immer weniger Anhänger. Im Lauf der Zeit änderten die Karäer ihre Ansichten und Grundsätze. Leon Nemoy, Verfasser eines Buches über das Karäertum, schreibt: „Der Talmud galt zwar theoretisch als geächtet, doch aus seinem Inhalt fand vieles unbemerkt Eingang in Gesetzespraxis und Brauchtum der Karäer.“ Letztlich verfehlten die Karäer ihr ursprüngliches Ziel und übernahmen vieles aus dem rabbinischen Judentum.

Heute gibt es noch etwa 25 000 Karäer in Israel. Ein paar Tausend leben in anderen Gemeinden, hauptsächlich in Rußland und in den Vereinigten Staaten. Allerdings haben sie ihre eigenen mündlichen Überlieferungen und unterscheiden sich von den ersten Karäern.

Was können wir aus der Geschichte der Karäer lernen? Es ist ein schwerer Fehler, ‘das Wort Gottes um der Überlieferung willen ungültig zu machen’ (Matthäus 15:6). Eine genaue Erkenntnis der Heiligen Schrift ist erforderlich, um von bedrückenden Überlieferungen der Menschen frei gemacht zu werden (Johannes 8:31, 32; 2. Timotheus 3:16, 17). Wer Gottes Willen kennenlernen und befolgen möchte, darf sich wirklich nicht auf die Überlieferungen von Menschen verlassen. Vielmehr wird er eifrig die Bibel erforschen und die nützliche Unterweisung aus dem inspirierten Wort Gottes anwenden.

[Fußnoten]

a Für eine Erklärung der sogenannten mündlichen Thora siehe die Broschüre Wird es je eine Welt ohne Krieg geben?, herausgegeben von der Wachtturm-Gesellschaft, Seite 8—11.

b Tefillin sind Lederriemen mit zwei kleinen ledernen Kapseln, die auf Pergament geschriebene Bibeltexte enthalten und traditionell an Wochentagen beim Morgengebet auf dem linken Arm und am Kopf angelegt wurden. Die Mesusa ist eine kleine Pergamentrolle, die den Text von 5. Mose 6:4-9 und 11:13-21 enthält und in einer Kapsel am Türpfosten angebracht wird.

[Bild auf Seite 30]

Eine Gruppe Karäer

[Bildnachweis]

Aus dem Werk The Jewish Encyclopedia

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