Von wem dürfen wir wahre Gerechtigkeit erwarten?
„Sollte der Richter der ganzen Erde nicht Gerechtigkeit üben?“ (1. MOSE 18:25, Jerusalemer Bibel).
1, 2. Wie reagieren manche auf die herrschende Ungerechtigkeit?
HÖCHSTWAHRSCHEINLICH bist du dir der traurigen Tatsache bewußt, daß die Ungerechtigkeit überhandnimmt. Wie reagierst du persönlich darauf, daß es an wahrer Gerechtigkeit mangelt?
2 Die Reaktion einiger besteht darin, daß sie die Existenz eines gerechten Gottes in Frage ziehen. Vielleicht bezeichnen sie sich auch als Agnostiker. Dieser Begriff ist dir wahrscheinlich bekannt. Er bezieht sich auf Personen, „die nur die sinnliche Wahrnehmung gelten lassen und davon ausgehen, daß alle über diese Wahrnehmung hinausgehenden Phänomene [wie zum Beispiel Gott] nicht erkannt werden können“. Thomas H. Huxley, ein Biologe, der im 19. Jahrhundert lebte und ein Verfechter der darwinistischen Evolutionstheorie war, gebrauchte das Wort zum erstenmal in diesem Sinne.a
3, 4. Woher stammt der Begriff „Agnostiker“?
3 Woher hatte jedoch Huxley den Ausdruck? Eigentlich zog er ein Wort heran, das von einem Rechtsgelehrten des ersten Jahrhunderts in einem anderen Sinne gebraucht worden war, nämlich von dem Apostel Paulus. Das Wort kam in einer der berühmtesten Reden vor, die je gehalten wurden. Diese Rede ist für uns heute von Belang, denn sie bietet eine vernünftige Grundlage, von der wir ausgehen können, um festzustellen, wie und wann einmal Gerechtigkeit für alle herbeigeführt werden wird, ja wie uns das sogar persönlich von Nutzen sein kann.
4 Der Begriff „Agnostiker“ ist von einem griechischen Wort abgeleitet, das „unbekannt“ bedeutet. Paulus erwähnte dieses Wort in Verbindung mit einem Altar, auf dem die Inschrift stand: „Einem unbekannten Gott“. Seine kurze Rede wurde von dem Arzt Lukas im 17. Kapitel der Apostelgeschichte aufgezeichnet. In dem Kapitel 17 wird zunächst gezeigt, wie Paulus nach Athen kam. Auf Seite 6 findet man die einleitenden Bemerkungen des Lukas und den vollständigen Wortlaut der Rede.
5. Unter welchen Umständen hielt Paulus seine Rede vor den Athenern? (Laß Apostelgeschichte 17:16-31 vorlesen.)
5 Die Rede des Paulus ist tatsächlich eindrucksvoll und verdient eine eingehende Betrachtung. Angesichts der schwerwiegenden Ungerechtigkeiten, die wir überall beobachten, können wir daraus viel lernen. Berücksichtigen wir zunächst die näheren Umstände, über die in Apostelgeschichte 17:16-21 berichtet wird. Die Athener waren stolz darauf, daß ihre Stadt ein berühmtes Zentrum der Gelehrsamkeit war, ein Ort, an dem einst Sokrates, Platon und Aristoteles gelehrt hatten. Athen war auch eine sehr religiöse Stadt. Überall sah Paulus Götzen — wie zum Beispiel Statuen des Kriegsgottes Ares oder Mars, des Zeus, des Äskulap (des Gottes der Heilkunde) sowie Statuen Poseidons (des ungestümen Gottes des Meeres), des Dionysos, der Athene und des Eros.
6. Was ist im Vergleich zu dem, was Paulus in Athen vorfand, in deiner Gegend zu sehen?
6 Was wäre bei einem Besuch in deiner Stadt oder Gegend zu sehen? Vielleicht eine Menge Götzenbilder oder religiöser Statuen — und das selbst in Ländern der Christenheit. Anderswo wären es möglicherweise noch mehr. In einem Reiseführer heißt es: „Indische Götter sind im Gegensatz zu ihren launenhaften griechischen ‚Brüdern‘ monogam, und ihren Gemahlinnen schrieb man die eindrucksvollsten Kräfte zu ... Es gibt ohne Übertreibung Millionen Götter, die mit allen Lebensformen und Naturerscheinungen zu tun haben.“
7. Was ist über die Götter der alten Griechen zu sagen?
7 Viele griechische Götter wurden als engstirnig und sehr unmoralisch dargestellt. Ihr Lebenswandel wäre in den meisten Ländern für Sterbliche eine Schande, ja sogar ein Verbrechen. Mit gutem Grund fragt man sich daher, welche Art Gerechtigkeit die alten Griechen wohl von solchen Göttern erwarteten. Jedenfalls fiel es Paulus auf, daß die Athener ihnen besonders ergeben waren. Von der Gerechtigkeit seiner Sache überzeugt, begann er ihnen die erhabenen Wahrheiten des echten Christentums zu erläutern.
Die Zuhörerschaft — eine Herausforderung
8. (a) Durch welche Ansichten und Standpunkte zeichneten sich die Epikureer aus? (b) Was glaubten die Stoiker?
8 Einige Juden und Griechen hörten ihm interessiert zu. Wie würden aber die einflußreichen epikureischen und stoischen Philosophen reagieren? Wie du feststellen wirst, glichen ihre Vorstellungen in vieler Hinsicht heute üblichen Ansichten, selbst gewissen Lehren, die man heutzutage Schülern beibringt. Nach Auffassung der Epikureer sollte man im Leben nach einem Höchstmaß an Lust streben, besonders vergeistigter Lust. Ihre Philosophie „Eßt und trinkt, denn morgen sterben wir“ war durch ein völliges Fehlen von moralischen Grundsätzen oder Tugenden gekennzeichnet (1. Korinther 15:32). Sie glaubten nicht, Götter hätten das Universum erschaffen, sondern nahmen an, das Leben sei in einem auf den Gesetzen der Mechanik beruhenden Universum durch Zufall entstanden. Des weiteren waren die Götter ihrer Meinung nach nicht an den Menschen interessiert. Wie verhielt es sich mit den Stoikern? Sie legten Nachdruck auf Logik und waren der Ansicht, Stoff und Kraft seien die Hauptelemente im Weltall. Die Stoiker glaubten nicht an einen persönlichen Gott, sondern stellten sich eine unpersönliche Gottheit vor. Ihrer Ansicht nach wurden die menschlichen Belange vom Schicksal beherrscht.
9. Inwiefern predigte Paulus in einer herausfordernden Situation?
9 Wie reagierten diese Philosophen auf die Lehren, die Paulus öffentlich vertrat? Neugier und intellektuelle Arroganz zählten damals zu den Charakterzügen der Athener. Daher begannen die Philosophen, mit Paulus zu argumentieren. Schließlich führten sie ihn zum Areopag. Oberhalb des Marktplatzes von Athen, doch noch unterhalb der hoch aufragenden Akropolis, befand sich ein Felshügel, der nach dem Kriegsgott Mars oder Ares benannt war: der Marshügel oder Areopag. In alter Zeit tagte dort ein Gericht oder eine Ratsversammlung. Man führte also Paulus möglicherweise einem Gericht vor, das sich in unmittelbarer Nähe der Akropolis versammelt hatte, die mit ihrem berühmten Parthenon, den kleineren Tempeln und zahllosen Statuen eine eindrucksvolle Kulisse bildete. Nach Auffassung einiger drohte dem Apostel Gefahr, weil das römische Recht die Einführung neuer Götter untersagte. Aber selbst wenn er nur zur Klarstellung seiner Glaubensansichten zum Areopag geführt worden war oder um den Beweis für seine Befähigung als Lehrer zu erbringen, stand er dort immerhin vor einer ernst zu nehmenden Zuhörerschaft. Würde es ihm gelingen, seine wichtige Botschaft darzulegen, ohne Befremden zu erregen?
10. Inwiefern führte sich Paulus taktvoll ein?
10 Aus Apostelgeschichte 17:22, 23 ist zu erkennen, wie taktvoll und weise Paulus seine Ausführungen begann. Einige seiner Zuhörer mögen den Hinweis auf die Religiosität der Athener und ihre vielen Götzen als ein Kompliment aufgefaßt haben. Statt ihren Polytheismus anzuprangern, nahm Paulus auf einen Altar Bezug, den er gesehen hatte, einen Altar, der einem „unbekannten Gott“ geweiht war. Wie die Geschichte bezeugt, gab es solche Altäre, was unser Vertrauen in den Bericht des Lukas bestärken sollte. Paulus benutzte den Hinweis auf den Altar als eine Art Sprungbrett. Die Athener würdigten Wissen und Logik. Dennoch räumten sie ein, daß es einen Gott gab, der ihnen „unbekannt“ (griechisch: ágnōstos) war. Es entsprach daher nur der Logik, Paulus zu gestatten, eine Erklärung über diesen Gott abzugeben. Sicherlich konnte niemand daran etwas auszusetzen haben, oder?
Kann Gott nicht erkannt werden?
11. Wie brachte es Paulus fertig, daß seine Zuhörer über den wahren Gott nachdachten?
11 Was war das nun für ein „unbekannter Gott“? „Der Gott“, der die Welt und alles, was darin ist, gemacht hat. Niemand würde die Existenz des Universums leugnen sowie das Dasein von Pflanzen und Tieren und von uns Menschen. Die Macht und die Intelligenz, ja die Weisheit, die in all dem zum Ausdruck kommt, läßt erkennen, daß es das Produkt eines weisen und mächtigen Schöpfers ist, kein Produkt des Zufalls. Heute hat diese Gedankenfolge des Paulus sogar noch mehr Gültigkeit (Offenbarung 4:11; 10:6).
12, 13. Welche in neuerer Zeit zutage getretenen Beweise stützen den von Paulus dargelegten Gedanken?
12 Der britische Astronom Sir Bernard Lovell beschreibt in seinem vor wenigen Jahren erschienenen Buch In the Centre of Immensities (Im Zentrum des Unermeßlichen) den äußerst komplexen Aufbau der einfachsten Lebensformen auf der Erde. Bei seinen Überlegungen, ob solche Lebensformen durch Zufall entstehen konnten, kommt er zu dem Schluß: „Die Wahrscheinlichkeit ... eines zufälligen Geschehens, das zur Bildung eines einzigen der kleinsten Proteinmoleküle führte, ist unvorstellbar gering. Innerhalb der zur Betrachtung stehenden Grenzbedingungen von Zeit und Raum ist sie praktisch gleich Null.“
13 Betrachten wir das andere Extrem: das Universum. Astronomen bedienen sich elektronischer Geräte, um Aufschluß über seinen Ursprung zu erhalten. Zu welchen Ergebnissen sind sie gelangt? Dr. Robert Jastrow schreibt in dem Buch God and the Astronomers (Gott und die Astronomen): „Jetzt erkennen wir, daß das Beweismaterial der Astronomie zu einer biblischen Ansicht über die Entstehung der Welt führt.“ „Für den Wissenschaftler, der von seinem Glauben an die Macht der Vernunft gelebt hat, endet die Geschichte wie ein böser Traum. Er hat die Berge der Unwissenheit erklommen und ist gerade dabei, den höchsten Gipfel zu bezwingen. Während er sich am letzten Felsen hochzieht und seinen Kopf darüberstreckt, wird er von einer Gruppe Theologen [Vertretern der Schöpfungslehre] begrüßt, die schon Jahrhunderte diesen Platz einnehmen.“ (Vergleiche Psalm 19:1.)
14. Welcher logische Gedankengang stützte die Worte des Paulus über die von Menschen errichteten Tempel?
14 Wir können also sehen, wie korrekt die Worte des Paulus aus Apostelgeschichte 17:24 sind. Und damit kommen wir zu seinem nächsten Gedanken (Vers 25). Der mächtige Gott, „der die Welt und alles, was darin ist, gemacht hat“, ist mit Sicherheit größer als das materielle Universum (Hebräer 3:4). Folglich wäre es nicht vernünftig, zu denken, er wohne in Tempeln, die von Menschen errichtet wurden — noch dazu von Menschen, die öffentlich zugaben, daß er ihnen „unbekannt“ war. Welch ein eindrucksvolles Argument für jene Philosophen, die vielleicht gerade zu den vielen Tempeln aufblickten, die sich über ihnen erhoben! (1. Könige 8:27; Jesaja 66:1).
15. (a) Warum mögen die Zuhörer des Paulus an Athene gedacht haben? (b) Zu welcher Schlußfolgerung sollte man aufgrund der Tatsache gelangen, daß Gott der Gebende ist?
15 Wahrscheinlich hatten die Zuhörer des Paulus schon einmal auf der Akropolis einer der Statuen ihrer Schutzgöttin Athene Verehrung dargebracht. Die Statue, die im Parthenon verehrt wurde, bestand sogar aus Elfenbein und Gold. Eine andere Statue der Athene stand in 20 Meter Höhe und konnte auf Schiffen vom Meer aus gesehen werden. Von einem Götzenbild, der sogenannten Athene Polias, hieß es, es sei vom Himmel gefallen; das Volk brachte ihm regelmäßig ein neues handgefertigtes Gewand. Aber wenn der Gott, den jene Menschen nicht kannten, der Höchste war und das Universum erschaffen hatte, warum sollte er dann auf Dinge angewiesen sein, die Menschen beschaffen konnten? Er ist es vielmehr, der uns das gibt, was wir benötigen: das „Leben“ und den zu dessen Bewahrung unerläßlichen „Odem“, ja „alles“, auch die Sonne, den Regen und den fruchtbaren Boden, auf dem unsere Nahrung wächst (Apostelgeschichte 14:15-17; Matthäus 5:45). Er ist der Gebende, wir Menschen sind die Empfangenden. Der Gebende ist zweifellos nicht von den Empfangenden abhängig.
Von e i n e m Menschen — alle
16. Welche Behauptung stellte Paulus in bezug auf die Herkunft des Menschen auf?
16 Gemäß Apostelgeschichte 17:26 wies Paulus auf eine Wahrheit hin, die viele Menschen nachdenklich stimmen sollte, besonders angesichts der heute offenkundigen Rassendiskriminierung. Wie er sagte, hat der Schöpfer „aus e i n e m Menschen jede Nation der Menschen gemacht, damit sie auf der ganzen Erdoberfläche wohnen“. Der Gedanke, daß die Menschheit eine Einheit oder Bruderschaft ist (und alles, was sich in bezug auf Gerechtigkeit daraus ergibt), war etwas, was jene Leute in Betracht ziehen sollten, denn die Athener behaupteten, von besonderer Herkunft zu sein und sich dadurch von den übrigen Menschen zu unterscheiden. Für Paulus galt jedoch, was die Genesis über Adam berichtet, den ersten Menschen, der unser aller Vorfahr war (Römer 5:12; 1. Korinther 15:45-49). Man könnte sich allerdings fragen: Läßt sich eine solche Auffassung in unserem modernen Zeitalter der Wissenschaft noch aufrechterhalten?
17. (a) Inwiefern deutet neueres Beweismaterial in dieselbe Richtung? (b) Welchen Einfluß hat das auf die Frage der Gerechtigkeit?
17 Nach der Evolutionstheorie hat sich der Mensch an verschiedenen Orten und auf unterschiedliche Weise entwickelt. Doch Anfang vergangenen Jahres widmete die Zeitschrift Newsweek ihren wissenschaftlichen Teil der „Suche nach Adam und Eva“. Im Mittelpunkt standen neuere Entwicklungen auf dem Gebiet der Genetik. Zwar sind sich, wie man sich denken kann, nicht alle Wissenschaftler einig, es zeichnet sich aber immer mehr die Schlußfolgerung ab, daß aus genetischer Sicht alle Menschen e i n e n gemeinsamen Vorfahren haben. Wenn wir alle, wie die Bibel schon von jeher sagt, Brüder sind, sollte es dann nicht Gerechtigkeit für alle geben? Sollten wir nicht alle Anspruch darauf haben, unparteiisch behandelt zu werden, ungeachtet unserer Hautfarbe, unserer Haare oder anderer äußerer Merkmale? (1. Mose 11:1; Apostelgeschichte 10:34, 35). Allerdings bleibt die Frage noch offen: Wie und wann wird die Gerechtigkeit Einzug halten — Gerechtigkeit für alle Menschen?
18. Worauf beruhte das, was Paulus über Gottes Handlungsweise mit den Menschen sagte?
18 Nun, gemäß Vers 26 wies Paulus darauf hin, daß man vom Schöpfer erwarten dürfe, einen gerechten Vorsatz in bezug auf die Menschheit zu haben. Dem Apostel war folgendes bekannt: Als Gott noch mit der Nation Israel handelte, hatte er verordnet, wo die Israeliten wohnen sollten und wie andere Nationen sie behandeln durften (2. Mose 23:31, 32; 4. Mose 34:1-12; 5. Mose 32:49-52). Natürlich konnte es sein, daß die Zuhörer des Paulus diese Worte voller Stolz in erster Linie auf sich selbst bezogen. Tatsächlich hatte Jehova Gott — ob ihnen dies bekannt war, sei dahingestellt — in einer Prophezeiung seinen Willen darüber zum Ausdruck gebracht, wann oder in welchem Zeitabschnitt der Geschichte Griechenland die fünfte der großen Weltmächte sein sollte (Daniel 7:6; 8:5-8, 21; 11:2, 3). Sollten wir nicht vernünftigerweise den Wunsch haben, denjenigen kennenzulernen, der sogar imstande ist, ganze Nationen zu manövrieren?
19. Wieso ist der in Apostelgeschichte 17:27 aufgezeichnete Gedanke des Paulus vernünftig?
19 Gott läßt uns nicht etwa in Unwissenheit, was ihn betrifft, so daß wir gewissermaßen blind umhertasten müßten. Er schuf — nicht nur für die Athener, sondern auch für uns — die Voraussetzung, ihn kennenlernen zu können. Paulus schrieb später gemäß Römer 1:20: „Seine [Gottes] unsichtbaren Eigenschaften werden seit Erschaffung der Welt deutlich gesehen, da sie durch die gemachten Dinge wahrgenommen werden, ja seine ewigwährende Macht und Göttlichkeit.“ Folglich ist uns Gott in Wirklichkeit nicht fern, wenn wir ihn finden und kennenlernen möchten (Apostelgeschichte 17:27).
20. Inwiefern „haben wir Leben und bewegen uns und existieren“ wir durch Gott?
20 Dankbarkeit sollte diesen Wunsch in uns wecken, wie aus Apostelgeschichte 17:28 hervorgeht. Gott hat uns das Leben gegeben. Und eigentlich haben wir nicht nur in dem Sinne Leben, wie es ein Baum hat. Wir und die meisten Tiere verfügen über eine höhere Lebensqualität — wir können uns fortbewegen. Sind wir nicht froh darüber? Aber Paulus verfolgte den Gedanken noch weiter. Wir haben als vernunftbegabte Geschöpfe eine Persönlichkeit. Unser Gehirn — eine Gabe Gottes — ermöglicht es uns zu denken, Abstraktes (wie zum Beispiel wahre Gerechtigkeit) zu begreifen und Hoffnung zu hegen, ja uns auf die künftige Verwirklichung des Willens Gottes zu freuen. Wie man sich vorstellen kann, muß Paulus gewußt haben, daß es für die epikureischen und die stoischen Philosophen nicht leicht war, das alles gelten zu lassen. Um ihnen entgegenzukommen, zitierte er einige griechische Dichter, die sie kannten und achteten — Dichter, die etwas Ähnliches gesagt hatten, zum Beispiel: „Denn wir sind auch sein Geschlecht.“
21. Wie sollte es uns berühren, daß wir Gottes Geschlecht sind?
21 Wenn man versteht, daß wir Menschen Gottes Geschlecht sind, das heißt von Gott, dem Höchsten, hervorgebracht wurden, ist es nur recht und billig, von ihm Anleitung darüber zu erwarten, wie man leben sollte. Mit welchem Freimut Paulus — sozusagen im Schatten der Akropolis — auftrat, ist wirklich zu bewundern. Beherzt argumentierte er, daß unser Schöpfer zweifellos größer ist als jede von Menschenhand gefertigte Skulptur, selbst wenn sie aus Gold und Elfenbein bestehen sollte wie die Statue im Parthenon. Jeder von uns, der die Worte des Paulus akzeptiert, muß gleichfalls zugeben, daß Gott keinem der heute verehrten Götzen gleicht (Jesaja 40:18-26).
22. Wieso kommt es darauf an, daß wir bereuen, damit uns Gerechtigkeit zuteil wird?
22 Man darf diesen Gedanken nicht lediglich theoretisch auffassen, ihn rein verstandesmäßig akzeptieren und dann so weiterleben wie bisher. Paulus machte das gemäß Vers 30 deutlich, indem er sagte: „Wohl hat Gott über die Zeiten solcher Unwissenheit [in denen man dachte, Gott gleiche einem armseligen Götzen oder die durch einen solchen Götzen dargebrachte Anbetung sei für ihn annehmbar] hinweggesehen, doch läßt er jetzt den Menschen sagen, daß sie alle überall bereuen sollten.“ Paulus legte mit diesen Worten nicht nur eine Grundlage für seinen eindrucksvollen Schluß, sondern unterbreitete einen aufsehenerregenden Gedanken — die Notwendigkeit der Reue. Von Gott Gerechtigkeit zu erwarten bedeutet also, daß wir bereuen müssen. Was erfordert das unsererseits? Und wie wird Gott Gerechtigkeit für alle herbeiführen?
[Fußnote]
a Wie viele in der heutigen Zeit bemerkte Huxley die Ungerechtigkeiten in der Christenheit. In einem Essay über den Agnostizismus schrieb er: „Wenn wir mit einem Blick die Flut von Heuchelei und Grausamkeit, von Lügen, Schlächtereien und Verletzungen jedes Gebotes der Menschlichkeit, die sich im Laufe der Geschichte der christlichen Völker aus dieser Quelle ergossen hat, sehen könnten, würden unsere schlimmsten Vorstellungen von der Hölle dagegen verblassen.“
Kannst du darauf antworten?
◻ Welche Situation fand Paulus in religiöser Hinsicht in Athen vor, und inwiefern herrscht heute eine ähnliche Situation?
◻ Inwiefern ist Gott größer als die falschen Gottheiten, die zur Zeit des Paulus in Athen verehrt wurden?
◻ Welche grundlegende Tatsache in bezug darauf, wie Gott das Menschengeschlecht erschuf, bedeutet, daß es Gerechtigkeit für alle geben sollte?
◻ Wie sollten Menschen auf die Größe Gottes reagieren?
[Kasten auf Seite 6]
Gerechtigkeit für alle — Apostelgeschichte, Kapitel 17
„16 Während nun Paulus in Athen auf sie wartete, wurde sein Geist in ihm erregt, als er sah, daß die Stadt voll Götzen war. 17 Infolgedessen begann er sich in der Synagoge mit den Juden und den anderen Leuten, die Gott anbeteten, und jeden Tag auf dem Marktplatz mit denen zu unterreden, die gerade da waren. 18 Aber sowohl gewisse von den epikureischen wie auch von den stoischen Philosophen ließen sich auf einen Wortwechsel mit ihm ein, und einige sagten: ‚Was will dieser Schwätzer denn sagen?‘ Andere: ‚Er scheint ein Verkündiger ausländischer Gottheiten zu sein.‘ Das war, weil er die gute Botschaft von Jesus und der Auferstehung verkündigte. 19 Da ergriffen sie ihn und führten ihn zum Areopag und sagten: ‚Können wir erfahren, was das für eine neue Lehre ist, von der du redest? 20 Denn du führst gewisse Dinge ein, die unseren Ohren fremd sind. Daher möchten wir wissen, was das bedeuten soll.‘ 21 In der Tat, alle Athener und die dort zugezogenen Ausländer verbrachten ihre Mußezeit mit nichts anderem als nur damit, etwas Neues zu erzählen oder anzuhören. 22 Paulus stand nun in der Mitte des Areopags und sprach:
‚Männer von Athen! Ich sehe, daß ihr in allen Dingen mehr als andere der Furcht vor Gottheiten hingegeben zu sein scheint. 23 Als ich zum Beispiel umherging und eure Gegenstände der Verehrung aufmerksam betrachtete, fand ich auch einen Altar, auf dem die Inschrift steht: „Einem unbekannten Gott“. Den nun, welchen ihr unwissentlich verehrt, diesen verkündige ich euch. 24 Der Gott, der die Welt und alles, was darin ist, gemacht hat, dieser, der der Herr des Himmels und der Erde ist, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind, 25 noch wird er von Menschenhänden bedient, als ob er etwas benötigte, da er selbst allen Personen Leben und Odem und alles gibt. 26 Und er hat aus e i n e m Menschen jede Nation der Menschen gemacht, damit sie auf der ganzen Erdoberfläche wohnen, und er verordnete die bestimmten Zeiten und die festgesetzten Wohngrenzen der Menschen, 27 damit sie Gott suchen, ob sie ihn wohl tastend fühlen und wirklich finden mögen, obwohl er in der Tat einem jeden von uns nicht fern ist. 28 Denn durch ihn haben wir Leben und bewegen uns und existieren, wie auch einige von euren Dichtern gesagt haben: „Denn wir sind auch sein Geschlecht.“
29 Da wir nun Gottes Geschlecht sind, sollten wir nicht meinen, das GÖTTLICHE WESEN sei gleich dem Gold oder Silber oder Stein, gleich einem Gebilde der Kunst und Findigkeit des Menschen. 30 Wohl hat Gott über die Zeiten solcher Unwissenheit hinweggesehen, doch läßt er jetzt den Menschen sagen, daß sie alle überall bereuen sollten. 31 Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er die bewohnte Erde in Gerechtigkeit richten will durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und er hat allen Menschen eine Gewähr dafür gegeben, indem er ihn von den Toten zur Auferstehung gebracht hat.‘“
[Kasten auf Seite 7]
Das Universum wurde erschaffen
Im Jahre 1980 schrieb Dr. John A. O’Keefe von der NASA (Nationale Luft- und Raumfahrtbehörde der USA): „Ich pflichte der Ansicht Jastrows bei, daß die moderne Astronomie zuverlässige Beweise dafür gefunden hat, daß das Universum vor etwa fünfzehn bis zwanzig Milliarden Jahren erschaffen wurde.“ „Für mich ist es äußerst beeindruckend ..., daß alles in unserer Umwelt den Stempel des Beweises für die Schöpfung trägt: von den Gesteinen über den Himmel und die Radiowellen bis hin zu den grundlegendsten Gesetzen der Physik.“
[Kasten auf Seite 9]
„Die Suche nach Adam und Eva“
Unter diesem Titel hieß es in einem Artikel der Zeitschrift Newsweek auszugsweise: „Richard Leakey, ein erfahrener Ausgräber, erklärte 1977: ‚Die Geburt des modernen Menschen fand nicht an einem einzigen Ort statt.‘ Genetiker sind jetzt allerdings eher anderer Ansicht ... ‚Wenn das stimmt, und ich würde mein ganzes Geld darauf setzen, kommt dieser Vorstellung ungeheure Bedeutung zu‘, sagte der Harvard-Paläontologe und Essayist Stephen Jay Gould. ‚Uns wird bewußt, daß alle Menschen trotz Unterschieden in der äußeren Erscheinung Angehörige eines einzigen Ganzen sind, das einen sehr jungen Ursprung hat, und zwar an nur einem Ort. Es gibt eine Art biologische Verwandtschaft, die weitaus enger ist, als wir je annahmen‘“ (11. Januar 1988).