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Sollte man Weihnachten feiern?Der Wachtturm 1986 | 15. Dezember
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Lieber David!
Es ist wieder soweit. Die Menschen werden von den Kaufleuten gelenkt wie von Hohenpriestern. Der Weihnachtsmann ist der Zeremonienmeister. Weihnachtsbäume sind das Symbol der Feier. Opfer werden in Form von Weihnachtsgebäck und Spielzeug dargebracht. In Japan propagiert der Handel die Weihnachtsreligion. Seine Mission war in den letzten 30 bis 40 Jahren sehr erfolgreich. Eine enorme Zahl von Japanern hat sich zu dieser „Religion“ bekehren lassen — wenn auch nur für ein paar Tage im Jahr.
Das hat mich neugierig gemacht. Ich habe mich oft gefragt, warum so viele Japaner, die ja zum größten Teil keine Christen sind, ein „christliches“ Fest feiern. Wann begannen die Japaner, in diesem Umfang Weihnachten zu feiern? Wie kam es überhaupt dazu?
Als ich mich mit dem Ursprung des Weihnachtsfestes in Japan beschäftigte, stieß ich auf folgende Geschichte: Sōseki Natsume, ein großer Schriftsteller der Meidschiära (1868—1912), schickte Shiki Masaoka, einem berühmten Dichter, aus England eine Weihnachtskarte mit einer rührenden Weihnachtsszene aus dem London des Jahres 1900. Shiki schrieb sogar ein Haiku (die kürzeste Form eines japanischen Gedichtes) über eine kleine Kapelle an einem Weihnachtstag. Um die Jahrhundertwende war Weihnachten in Japan offensichtlich noch etwas ganz Neues. Doch wann feierten die Japaner ihr erstes Weihnachtsfest?
Es wird Dich vielleicht interessieren, daß in einigen Quellen angegeben wird, man habe schon im achten Jahr des Meidschi (1875) in einer Mädchenschule in Ginza Weihnachten gefeiert. Doch „der Brauch, Weihnachten zu feiern, setzte sich in Japan nicht vor 1945 durch“, heißt es in der Zeitschrift The Christian Century. Damals sahen die Japaner, wie die Angehörigen der amerikanischen Soldaten und Missionare das Weihnachtsfest begingen. Nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg, die die Japaner in ein geistiges Vakuum gestürzt hatte, benötigten sie ganz einfach etwas, was sie aufmunterte.
Weihnachten befriedigte dieses Bedürfnis. Wie Du Dir vorstellen kannst, verlor der Handel keine Zeit, den Verkauf am Ende des Jahres anzukurbeln, indem man die Geschäfte weihnachtlich dekorierte. Diese Weihnachtsdekorationen „wirkten wie ein Zauber, der die Kunden anlockte“, sagte der Zeitungskolumnist Kimpei Shiba. Er fügte hinzu: „Das geschah, weil die Dekorationen hübsch anzusehen waren und Frohsinn verbreiteten.“
Als Engländer wirst Du wahrscheinlich nicht wissen, daß es bei den Japanern, bereits lange bevor Weihnachtsgeschenke aufkamen, Brauch war, sich am Ende des Jahres zu beschenken. Der Dezember war schon immer ein Segen für den Einzelhandel. Da die Leute dank ihrer Jahresgratifikation eine dicke Brieftasche haben, geben sie das Geld mit vollen Händen aus. „Die [weihnachtliche] Umgebung ... versetzte die Menschen in eine fröhliche, spendable Stimmung und verleitete sie dazu, mehr osei-bo-Geschenke [Geschenke zum Jahresende] zu kaufen als gewöhnlich. Daher wurden die Weihnachtsdekorationen beibehalten“, schrieb Kimpei Shiba.
Kaufhäuser und Einzelhändler haben sich heute darauf eingestellt, von dem offenbar hervorragend wirkenden „Geist des Weihnachtsfestes“ soviel wie möglich zu profitieren. Spielzeughersteller und Bäckereien konzentrieren sich auf diese Stimmung und machen sich die Zeit zunutze. Im Dezember sind die Umsätze bei Kiddy Land, der größten Kette von Spielwarengeschäften in Japan, viermal so hoch wie in den anderen Monaten. Schätzungsweise 5 bis 10 Prozent des Gebäcks, das jedes Jahr in Japan hergestellt wird, kann man als „Weihnachtsgebäck“ bezeichnen.
Ich habe festgestellt, daß sich einige Leute daran stören, daß die Weihnachtsszene in Japan vom Kommerz beherrscht wird. In der Zeitung The Daily Yomiuri äußerte sich zum Beispiel ein Amerikaner, der seit langem in Japan lebt, wie folgt: „Die Japaner haben fast jeden Werbetrick in Verbindung mit Weihnachten übernommen, aber irgendwie vermißt man hier die weihnachtliche Stimmung.“ Er meinte den religiösen Aspekt des Weihnachtsfestes.
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Sollte man Weihnachten feiern?Der Wachtturm 1986 | 15. Dezember
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Warum feiern die angeblichen Christen in den westlichen Ländern das Weihnachtsfest? Es sind — genau wie in Deinem Land — unter anderem kommerzielle Gründe. Ich habe gelesen, daß ein Baptistenprediger in den Vereinigten Staaten geklagt haben soll: „Ließe man den kommerziellen Aspekt völlig weg, wären die meisten Leute der Meinung, nichts von Weihnachten zu haben. Der religiöse Aspekt könnte jedoch gänzlich fallengelassen werden, und viele würden den Unterschied überhaupt nicht merken.“ Das trifft genauso auf England zu.
Interessanterweise deckt die Bibel eine enge Verbindung zwischen dem Kommerz und einer Organisation auf, die sie „Babylon die Große“ nennt. Nachdem der Fall „Babylons der Großen“ beschrieben worden ist, heißt es in der Bibel (in Offenbarung 18:2, 11-19): „Die reisenden Kaufleute der Erde weinen und trauern über sie, weil niemand mehr da ist, der ihr volles Lager kauft ... Die Kaufleute, die mit diesen Dingen reisten und durch sie reich wurden, werden aus Furcht vor ihrer Qual in der Ferne stehen und weinen und trauern.“
Weißt Du, wer „Babylon die Große“ ist? Nun, wer verhilft denn den „reisenden Kaufleuten der Erde“ sowohl hier in England als auch in Japan zu enormen Gewinnen, indem sie falsche Lehren über Weihnachten verbreiten? Sind es nicht die Kirchen der Christenheit? Ja, ich habe durch ein Studium der Bibel erfahren, daß „Babylon die Große“ ein Synonym für das Weltreich der falschen Religion ist, zu dem auch die Christenheit gehört.
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