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An jedem Werktag werden morgens Millionen in Windelhöschen gepackte Babys und verschlafene Kleinkinder in den Tagesstätten abgegeben. Vielen Kleinen macht der Wechsel zwischen zu Hause und der Tagesstätte nichts aus.
Die Kinder, die sich an den täglichen Ablauf gewöhnt haben, sind lieb oder teilnahmslos. Anfangs weinen zwar einige noch und klammern sich an ihre Mutter, aber nach ein paar tröstenden Worten von Mami versiegen meist die Tränen. Wenn nicht, setzt eine Betreuerin in der Tagesstätte das Trösten fort. Die Frauen müssen zur Arbeit, ob Tränen fließen oder nicht. Und in den folgenden zehn Stunden muß die Tagesstätte Mami ersetzen ...
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Wer soll auf die Kinder aufpassen?Erwachet! 1987 | 8. Dezember
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Wer soll auf die Kinder aufpassen?
KINDERTAGESSTÄTTEN sind weltweit eine Folgeerscheinung des beispiellosen Ansturms der Frauen auf den Arbeitsmarkt. „Die am schnellsten wachsende Gruppe auf dem Arbeitsmarkt“, so Alison Clarke-Stewart, Expertin für Tagesstätten, „sind Mütter von Kindern im Vorschulalter, vor allem unter drei Jahren. Diese Entwicklungstendenz ist weltweit deutlich zu beobachten.“
Jemand zu finden, der auf die Kinder aufpaßt und zuverlässig ist, ist jedoch leichter gesagt als getan. Verwandte erklären sich selten dazu bereit. Ein unüberschaubares Babysitternetzwerk aus Freunden und Nachbarn verwirrt die Kinder und ist oft zumindest bedenklich. Zuverlässige Babysitter oder Kindermädchen sind schwer zu bekommen — und für die meisten Ehepaare zu teuer.
Die Lage ist in den Entwicklungsländern nicht weniger frustrierend. In Nigeria trugen bisher die Frauen bei der Arbeit ihr Kind gewöhnlich auf dem Rücken. Doch immer häufiger geben afrikanische Frauen ihre Arbeit im Haus oder auf dem Feld auf und ziehen es vor, im Büro, im Geschäft oder in der Fabrik zu arbeiten, wo es nicht mehr angebracht ist, das Kind auf dem Rücken zu tragen. Früher konnten die Frauen stets damit rechnen, daß ein Verwandter auf das Kind aufpaßte. Doch „zufolge der Schulgeldfreiheit an Grundschulen und zufolge des größeren Angebots an Arbeitsplätzen für Ungelernte sind“, wie die in Lagos (Nigeria) erscheinende Zeitung Sunday Times erklärt, „die letzten Reserven [an verfügbaren Verwandten], die die Kinder beaufsichtigen könnten, ebenfalls aufgebraucht“. Das Sonntagsblatt macht folgenden Vorschlag: „Gut organisierte Tagesstätten könnten Abhilfe schaffen.“
Die Betreuung der Kinder durch Tagesmütter oder in Kindertagesstätten ist tatsächlich für immer mehr Eltern genau das, was sie suchen. Diese Art von Betreuung ist vor allem meist zuverlässiger, angenehmer und billiger als ein Babysitter. Außerdem sind die Kinder mit Gleichaltrigen zusammen. Die Mahlzeiten sind gut, und es laufen Freizeit- und Bildungsprogramme. In ihrer Eigenschaft als Beraterin für Tagesstättenprogramme sagte Delores Alexander gegenüber Erwachet!: „Die Betreuung in Kindertagesstätten ist eine Stütze für die ganze Familie.“
Dennoch werden auch Befürchtungen laut, wonach sich der derzeitige Trend zur Fremdbetreuung von Kindern unheilvoll auswirken könnte. Sind solche Sorgen berechtigt? Wenn Eltern in bezug auf ihre eigenen Kinder eine überlegte Entscheidung treffen wollen, sollten sie darüber informiert sein.
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Die Diskussion um die ganztägige Betreuung der KinderErwachet! 1987 | 8. Dezember
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Die Diskussion um die ganztägige Betreuung der Kinder
Es ist ein behaglicher Ort. Die Spielzimmer sind lustig und bunt bemalt und mit Postern sowie mit Kindermalereien geschmückt. Spielzeug und Spiele stehen ordentlich in den Regalen. Und von überall her sind Kinderstimmen zu hören.
„Wir betreuen ungefähr 130 Kinder“, sagt die Leiterin der Tagesstätte, Bernice Spence, eine Frau mit mütterlichem Wesen. Und woher stammen die Kleinen? „Meistens sind es Kinder aus der näheren Umgebung, deren Eltern beide berufstätig sind. Unser Personal besteht aus einer Anzahl examinierter Erzieherinnen.“
EINE gutgeführte Kindertagesstätte, die mit fürsorglichem, fachkundigem Personal besetzt ist, hinterläßt wirklich einen vorzüglichen Eindruck. Eltern fühlen sich sicher, wenn ihre Kinder an einem solchen Ort betreut werden. Trotzdem sind die Kindertagesstätten in den Brennpunkt der Diskussion gerückt. Aus welchen Gründen? Ein Grund ist, daß nicht alle Tagesstätten gut geführt werden. Einige sind verwahrlost und werden schlecht verwaltet, das Personal ist unqualifiziert, und die Kinder werden regelrecht zusammengepfercht.
Die städtischen Kindertagesstätten in New York haben im allgemeinen einen hohen Standard. Der Stadt werden 1987 dadurch aber 201 Millionen Dollar an Kosten entstehen — über 4 800 Dollar je Kind. Auch in Schweden, wo der Staat die Fremdbetreuung der Kinder großzügig fördert, ist der Standard hoch. Doch in der dritten Welt und sogar in einigen Gemeinden der Vereinigten Staaten mangelt es an Mitteln für die ganztägige Beaufsichtigung von Kindern. Das Ergebnis: Die Kinder werden weniger gut betreut.
Private Kinderbetreuung
Das zuvor Gesagte trifft selbst auf privat geführte Tagesstätten zu. Zugegeben, es gibt viele gute. Aber einige Tagesstätten sparen, indem sie zuwenig Personal für die Kinder bereitstellen. Oder sie kürzen die Ausgaben, indem sie Mindestgehälter zahlen, was dazu führt, daß die fähigsten Kräfte schließlich abwandern.
Es stimmt, daß viele Erzieherinnen die schlechte Bezahlung aus Liebe zu den Kindern in Kauf nehmen. Aber wohin führt es, wenn eine solche Bereitschaft fehlt? Samuel und seine Frau stellten dies fest. Sie unterhielten gemeinsam eine Tagesstätte in Lagos (Nigeria) — bis sie es nicht mehr verantworten konnten, sie weiterhin zu führen. Samuel erzählt: „Immer wenn meine Frau Einkäufe zu erledigen hatte oder aus anderen Gründen abwesend war und dann wieder heimkam, stellte sie fest, daß die Betreuerinnen sich nicht um die Kinder gekümmert hatten.“ (Siehe Seite 6.)
In den Vereinigten Staaten werden private Tagesstätten behördlich überwacht. Die Zeitung Newsweek meldete jedoch: „Die Betriebsvorschriften werden lax gehandhabt; außerdem fehlt es den staatlichen Stellen an Geld und Personal, um die Tagesstätten zu kontrollieren.“
Tagesmütter
Eng verwandt mit den Kindertagesstätten ist die Betreuung durch Tagesmütter in deren Privatwohnung, wo eine kleine Gruppe Kinder beaufsichtigt wird. Da diese Art der Betreuung nicht so teuer ist wie die in den Tagesstätten, ist sie außerordentlich gefragt. Rund dreiviertel der Kinder in den Vereinigten Staaten, die außerhalb der elterlichen Wohnung betreut werden, werden an solchen Orten versorgt. In der Regel hat die Tagesmutter selbst Kinder.
Die Betreuung durch eine Tagesmutter kann für das Kind folgende Vorteile haben: eine häusliche Umgebung, die Beaufsichtigung durch eine fürsorgliche Frau und die Gemeinschaft mit einer kleinen Gruppe anderer Kinder. Diese Art der Betreuung wird allerdings nur wenig überwacht. Gemäß der Zeitung Globe and Mail (Toronto) rangiert in Kanada demzufolge die Qualität der Betreuung durch Tagesmütter zwischen „ausgezeichnet und miserabel“. Zehn Prozent der Wohnungen waren nicht einmal kindersicher.
Ganztägige Betreuung — Wie wirkt sie sich auf die Kinder aus?
Da die Qualität der Betreuung stark variiert, kann man nur schwer ermitteln, wie sie sich auf die Kinder wirklich auswirkt. Es stimmt, daß einige Befürworter recht optimistisch sind. So schreibt Alison Clarke-Stewart in ihrem Buch Daycare (Ganztägige Kinderbetreuung): „Das Erfreuliche an all diesen Studien — in Kanada, England, Schweden, der Tschechoslowakei und den Vereinigten Staaten — ist, daß es der intellektuellen Entwicklung anscheinend nicht abträglich ist, wenn Kinder in passablen Tagesstätten betreut werden.“ Einige Untersuchungen haben sogar ergeben, daß sich der intellektuelle Anreiz, den die ganztägige Betreuung mit sich bringt, auf Kinder aus Familien mit niedrigem Einkommen positiv auswirkt.
Die Forscher Belsky und Steinberg mahnen allerdings zur Vorsicht: „Die Forschungen auf dem Gebiet der Fremdbetreuung sind überwiegend in Kindertagesstätten erfolgt, die zu Universitäten gehören oder diesen angeschlossen sind und die sich durch ein hohes Personal-Kinder-Verhältnis sowie durch gutgestaltete Programme auszeichnen. ... Doch die meisten Einrichtungen zur ganztägigen Betreuung, die den Eltern unseres Landes zur Verfügung stehen, sind gewiß nicht dieses Typs und entsprechen diesem Standard möglicherweise nicht.“ Wie ergeht es denn den Kindern in typischeren Betreuungsstätten? Belsky und Steinberg kamen zu dem Schluß: „Wir wissen erschreckend wenig darüber, wie sich der Einfluß der Fremdbetreuung auf die Kinder auswirkt“ (Child Development, Jahrgang 49, S. 929, 930).
Noch weniger weiß man darüber, wie es sich auswirkt, wenn sich Tagesmütter um die Kinder kümmern — diese Art macht den Hauptanteil der ganztägigen Fremdbetreuung aus. Es hat aber den Anschein, daß eine Tagesmutter wenig dazu beiträgt, das intellektuelle und das emotionelle Wachstum des Kindes anzuregen; ihre Betreuung wird wohl kaum darüber hinausgehen, das Kind mit Nahrung zu versorgen und es vor Schaden zu bewahren, bis die eigene Mutter zurückkommt. „Tagesmütter-Kinder“ sieht man daher nicht selten vor dem Fernsehgerät hocken.
Man weiß auch nur wenig darüber, wie sich die Fremdbetreuung auf die emotionelle Bindung zwischen Mutter und Kind auswirkt oder inwieweit sich Kinder über Gebühr zu ihren Erzieherinnen hingezogen fühlen. Versuche haben jedoch gezeigt, daß die meisten Kinder immer noch die Mutter bevorzugen, wenn man sie zwischen Mutter oder Erzieherin wählen läßt.
Das Problem des Kontakts mit Gleichaltrigen
Ein Vorteil der Betreuung außerhalb des Elternhauses ist, daß die Kinder es lernen, mit Gleichaltrigen besser auszukommen. Doch das ist nur die eine Seite. Ein Bibelspruch lautet: „Schlechte Gesellschaft verdirbt nützliche Gewohnheiten“ (1. Korinther 15:33). Forschungen in den Vereinigten Staaten und Europa ergaben, daß Kinder, die auswärts betreut werden, häufiger aggressiv, weniger zur Zusammenarbeit mit Erwachsenen bereit, selbstbewußter, weniger einfügsam und durch Bestrafung weniger zu beeindrucken sind als Kinder, die im Elternhaus erzogen werden.
Alison Clarke-Stewart meint, daß ein solches Verhalten in Wirklichkeit „größere Reife und bessere soziale Fähigkeiten widerspiegelt und nicht etwas ist, worüber man beunruhigt sein sollte“. Für Eltern, insbesondere für diejenigen, die sich bemühen, ihrem Kind biblische Grundsätze einzuprägen, mag dies allerdings ein schwacher Trost sein, wenn sie beobachten, daß ihr einst sanftes Kind beginnt, mit Kraftausdrücken um sich zu werfen (Epheser 4:29).
Gesundheitsrisiken
Die Fremdbetreuung birgt auch Gesundheitsrisiken in sich. Das amerikanische Seuchenkontrollzentrum CDC spricht von „einer steigenden Notwendigkeit der Kontrolle von Infektionskrankheiten, die bei Kindern, die in Tagesstätten betreut werden, häufiger als sonst auftreten“. Unter die sogenannten Tagesstätten-Krankheiten fallen Hepatitis A, Bakterienruhr und die bakterielle Grippeinfektion mit dem Erreger Hämophilus Influenza, Typ B. Häufig klagen die Kinder über Durchfall und Fieber. Zu den Erkrankungen kommt es meist dadurch, daß kleine Kinder, die alles in den Mund nehmen und noch nicht reinlich in bezug auf die Toilettenbenutzung sind, zusammengesteckt werden.
In einer vorbildlich geführten Tagesstätte wird streng auf Hygiene geachtet. „Wir bringen den Kindern bei, sich die Hände zu waschen, wenn sie die Toilette benutzt haben“, erklärte die Beraterin Delores Alexander. „Außerdem nehmen wir keine Kinder an, wenn uns bekannt ist, daß sie krank sind.“ Bernice Spence, die Leiterin der Willoughby-House-Tagesstätte, fügte hinzu: „Wenn ein Kind während des Tages erkrankt, verständigen wir nicht selten die Eltern und bitten sie, das Kind abzuholen.“ Auch die regelmäßige Untersuchung des Personals und der Kinder gehört zu den Vorsichtsmaßnahmen.
Dennoch räumt die Forscherin Clarke-Stewart ein: „Tagesstätten-Kinder bekommen öfter eine Grippe, Ausschläge, Erkältungen und Husten als Kinder zu Hause ... Mütter, die möchten, daß ihr Kind während der Arbeitszeit in einer Tagesstätte betreut wird, werden unter anderem in Kauf nehmen müssen, daß dem Kind öfter mal die Nase läuft.“ Aber angesichts des zuvor Gesagten scheint die Fremdbetreuung größere Risiken einzuschließen, als daß dem Kind die Nase läuft. Was bedeutet all das für Mütter, die meinen, sie hätten keine andere Wahl, als arbeiten zu gehen?
[Kasten auf Seite 6]
Ganztägige Betreuung und sexueller Kindesmißbrauch
In letzter Zeit wurde sehr viel über Skandale berichtet, bei denen es darum ging, daß Erzieher in Tagesstätten Kinder sexuell mißbraucht haben. Sind Kindertagesstätten ein Magnet für Pädophile und Kinderpornographen?
Solch eine Frage führt bei einigen Erziehern zu heftigen Gefühlsregungen. „Das macht mich wirklich wütend“, sagte Bernice Spence. „Ich möchte einfach nicht, daß die Tagesstätten in Verruf geraten. Die meisten der mir bekannten Personen, die in der Kinderbetreuung tätig sind, widmen sich ihrer Tätigkeit mit Hingabe — sie sorgen sich um die Kinder.“
Verantwortungsbewußte Tagesstättenleiter haben jedoch einschneidende Maßnahmen ergriffen. Erwachet! sprach mit Doby Flowers, der stellvertretenden Leiterin der New Yorker Behörde für Kindesentwicklung. Unter ihrer Aufsicht laufen Programme zur ganztägigen Betreuung, an denen über 40 000 Kinder teilnehmen. Sie sagte: „Die Eignung unserer Mitarbeiter wird gründlich überprüft. Wir vergewissern uns, ob sie vorbestraft sind und ob in der Vergangenheit Kindesmißbrauch vorgelegen hat. Außerdem werden seit 1984 von allen Erziehern, die in Kindertagesstätten tätig sind, Fingerabdrücke abgenommen.“
Bevorzugen Personen, die Kinder mißbrauchen, den Beruf des Erziehers? Doby Flowers erwiderte: „Pädophile gibt es unter Ordensleuten, unter Juristen und unter Erziehern. Die Pädophilie tritt in allen Einkommens- und Berufsschichten auf, bei allen Rassen und in allen ethnischen Gruppen.“ Dessenungeachtet bemerkte Dr. Roland Summit, ein Psychiater, der sich auf die Behandlung sexuell mißbrauchter Kinder spezialisiert hat: „Das Risiko der sexuellen Ausbeutung des Kindes steigt direkt proportional zu dem Ausmaß, in dem die Betreuung von der biologischen Mutter auf jemand anders übertragen wird.“
Was ist Eltern zu raten, die ihre Kinder anderen zur Betreuung anvertrauen? „Achten Sie auf das, was Ihr Kind erzählt“, rät Doby Flowers. „Setzen Sie sich mit Ihrem Kind hin, und sprechen Sie mit ihm. Achten Sie auf Verhaltensänderungen oder auf Anzeichen von Kummer, wie z. B. Bettnässen oder eine plötzliche Abneigung, in die Tagesstätte zu gehen.“ Die Wachsamkeit der Eltern und die Erziehung, die sie dem Kind angedeihen lassen, sind die besten Waffen gegen Kindesmißbrauch. (Siehe auch die Artikelserie in der Erwachet!-Ausgabe vom 8. August 1985 mit dem Thema „Kindesmißbrauch — Man kann sein Kind schützen“.)
[Bild auf Seite 5]
Wie beeinflußt die ganztägige Betreuung die Bindung zwischen Mutter und Kind?
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Ganztägige Betreuung — Für das Kind das Beste wählenErwachet! 1987 | 8. Dezember
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Ganztägige Betreuung — Für das Kind das Beste wählen
DAS Thema Kinderbetreuung ist vielschichtig. Zahlreiche Familien sind wirklich darauf angewiesen, daß jemand anders nach den Kindern sieht. Gleichzeitig erheben sich Fragen über Fragen hinsichtlich der Auswirkung auf die Kinder. Eltern müssen der Tatsache ins Auge sehen, daß es sowohl positive als auch negative Seiten hat, wenn Fremde, die nicht immer qualifiziert sein mögen, auf ihre Kinder aufpassen. Es will also gut überlegt sein, ob man sein Kind tagsüber anderen zur Betreuung überläßt.
Was ist das Beste für das Kind?
Wie steht es zum Beispiel um Kleinstkinder? Einige Fachleute, wie der angesehene Psychologe Burton White, raten entschieden davon ab, Kleinstkinder in eine Kinderkrippe zu geben. Er sagte gegenüber Erwachet!: „In den ersten sechs Monaten entwickelt sich das Kind am besten, das mit Liebe überschüttet wird und nach dem sofort gesehen wird, wenn es sich unwohl fühlt, und mit dem jemand, der meint, das Kind sei das Allerwichtigste auf der Welt, viel spielt.“
„Wenn das Kind mit sechs oder sieben Monaten anfängt zu krabbeln“, fuhr Dr. White fort, „muß es jemand um sich haben, der auf das Kleine regelrecht versessen ist. Das fördert den natürlichen Lernprozeß, steigert die Wißbegier, die Begeisterung und bewirkt vieles andere, was der Entwicklung zu einem innerlich gefestigten Menschen dienlich ist. Von einer Ersatzperson bekommt das Kind diese Unterstützung nicht. Selten zeigt jemand anders als die Eltern oder die Großeltern des Kindes ein solches Interesse.“
Ein Prophet aus alter Zeit stellte die Frage: „Kann eine Frau ihren Säugling vergessen, so daß sie sich nicht des Sohnes ihres Leibes erbarmte?“ (Jesaja 49:15). Mütter reagieren unverzüglich auf das fast ununterbrochene Verlangen eines Babys nach Liebe und Aufmerksamkeit. Ist zu erwarten, daß Betreuerinnen, die gegen Entgelt arbeiten und die mehreren Kindern ihre Aufmerksamkeit schenken müssen, sich wie Mütter oder Väter verhalten? Die Bibel spricht von der Art und Weise, wie „eine stillende Mutter ihre Kinder pflegt“ (1. Thessalonicher 2:7, Revidierte Elberfelder Bibel). Das Stillen verstärkt die Mutter-Kind-Bindung, wenngleich gesagt werden muß, daß nicht alle Mütter ihr Kind stillen können. Kann ein Kind in einer Tagesstätte eine solche Pflege erhalten?
Überdenken, was wichtiger ist
Manche Ärzte empfehlen daher, mit der Fremdbetreuung mindestens zu warten, bis das Kind vier Monate alt ist. Dr. White schlägt dagegen vor, daß Kinder in den ersten sechs Monaten „nur hin und wieder einem Babysitter überlassen werden und danach nicht länger als drei bis vier Stunden täglich und daß sie nur von hochqualifizierten Kräften betreut werden“.
Was wäre, wenn sich die Fremdbetreuung auf die Kinder nachteilig auswirkte? Würden sie den Problemen, die sich daraus ergeben, nicht einfach entwachsen? Dr. White sträubt sich gegen diese Vorstellung mit den Worten: „Das läuft auf Spekulation hinaus. Bei meinen Kindern lasse ich es auf einen solchen Versuch nicht ankommen, und ich empfehle niemand anders, dies zu tun.“
Viele stehen einer derartig strikten Haltung zwar eher ablehnend gegenüber, aber die von Dr. White geäußerten Bedenken sind schwer auszuräumen. Wie dem auch sei, nicht Wissenschaftler, sondern die Eltern müssen entscheiden, was für sie und ihre Kinder am besten ist. Und oft stehen wirtschaftliche Überlegungen obenan. Jemand könnte sich also, nachdem er alle Faktoren sorgfältig erwogen hat, nach wie vor für irgendeine Art der Kinderbetreuung entscheiden. (Siehe Seite 10.)
Andere mögen die Wahl haben, neu zu überdenken, was wichtiger ist. Schließlich sind Kinder nur einmal klein. Die Gelegenheit, sein Kind „von frühester Kindheit an“ zu erziehen, geht schnell vorüber (2. Timotheus 3:15). Wenn den Eltern eine mehrjährige Unterbrechung der Berufstätigkeit — oder eine Einschränkung des Lebensstandards — ungünstig erscheint, entscheiden sie sich manchmal für eine Teilzeitbeschäftigung. Das gestattet es ihnen, sich in erster Linie selbst um ihre Kinder zu kümmern.
Die Auswahl der Betreuung
Kann man Kinder vom 1. bis zum 3. Lebensjahr ohne Bedenken tagsüber zur Betreuung weggeben? Forscher sind darüber geteilter Meinung, obwohl die Mehrheit von ihnen sagt, daß das Kind mit zunehmendem Alter die Trennung von den Eltern besser erträgt. Wiederum müssen die Eltern entscheiden, ob ihr Kind die Fremdbetreuung verkraften kann. Wenn dies der Fall ist, bedeutet das nicht, daß man das Kind bei der erstbesten Kindertagesstätte oder der erstbesten Tagesmutter abliefern könnte. Doby Flowers, stellvertretende Leiterin der New Yorker Behörde für Kindesentwicklung, rät: „Die Art der ganztägigen Betreuung bedarf einer sorgfältigen Auswahl. In welchem Ruf steht die Kindertagesstätte am Wohnort? Sind Ausstattung und Spielsachen altersgerecht? Ist sie in gutem Zustand, und wird sie saubergehalten? Welchen Ausbildungsstand hat das Personal?“
Das Betreuungspersonal — nicht die luxuriöse Ausstattung oder das Spielzeug — ist das wichtigste. Daher empfiehlt es sich für Eltern, mehrere Tagesstätten und mehrere Tagesmütter aufzusuchen und sich persönlich anzusehen, wie man mit den Kindern umgeht — vor allem mit ihrem eigenen Kind. Man gehe folgenden Fragen nach: Ist das Personal charakterlich gefestigt? Was für Mahlzeiten werden serviert? Wie viele Kinder kommen auf eine Betreuerin? (Je weniger, um so besser.) Machen die Kinder einen glücklichen Eindruck, und fühlen sie sich wohl? Entspricht die Tagesstätte oder die Wohnung der Tagesmutter den örtlichen Bestimmungen und den Sicherheitsanforderungen? Wie ist der Tagesablauf gestaltet?
Zu wissen, daß man die bestmögliche — und zugleich erschwingliche — Betreuung für das Kind gewählt hat, kann viel dazu beitragen, unnötige Schuldgefühle zu vertreiben.
Aus der Fremdbetreuung das Beste machen
Wenn eine geeignete Kindertagesstätte oder Tagesmutter gefunden worden ist, setzt man sein Kind nicht einfach dort ab. Ihm sollte erklärt werden, warum es dort bleiben muß. Und ihm muß versichert werden, daß es nicht abgeschoben wird. Die Gewöhnung an die Fremdbetreuung muß ihm erleichtert werden, indem man mit ihm eine Reihe von Besuchen — von jeweils längerer Dauer — in der Tagesstätte oder in der Wohnung der Tagesmutter macht, bevor man es den ganzen Tag über dort zurückläßt. Und wenn das Kind morgens zur Tagesstätte gebracht wird, dann „tun Sie es nicht übereilt“, rät Bernice Spence, die selbst eine Kindertagesstätte leitet. „Ist das Kind aus der Fassung geraten, dann nehmen Sie sich bitte die Zeit, es zu beruhigen.“
William und Wendy Dreskin, ehemalige Leiter einer Tagesstätte, machen auf folgendes aufmerksam: „Die Kinder können das Gefühl bekommen, daß ihnen nichts anderes übrigbleibt, und ergeben sich in ihr Schicksal. Sie fangen vielleicht an, sich vor den Betreuerinnen und den Eltern zu verschließen. Aber ihre Probleme sind deshalb nicht verflogen.“ Aus diesem Grund gilt es, im Auge zu behalten, wie das Kind darauf reagiert, daß es tagsüber von jemand anders beaufsichtigt wird. Eltern sollten sich die Zeit nehmen, mit dem Kind über die Ereignisse des Tages zu sprechen, und sich seine Beschwerden anhören (Sprüche 21:13). Besondere Aufmerksamkeit verdienen Anzeichen für Kummer wie Alpträume oder Bettnässen. „Jedes Kind reagiert anders“, erklärte die Erziehungsberaterin Delores Alexander. „Und nicht jedes Kind hält es in einer Tagesstätte aus.“
Von christlichen Eltern wird erwartet, daß sie ihren Kindern große Aufmerksamkeit schenken. Jehovas Zeugen nehmen zum Beispiel von Aktivitäten Abstand, die mit gewissen religiösen Feiertagen verbunden sind. Obwohl sie alles daransetzen, um ihren Kleinen den biblischen Standpunkt zu vermitteln, erfassen diese nicht immer völlig, worum es geht. Vielleicht bereitet es ihnen Kummer, daß sie sich an gewissen Betätigungen, die Freude machen würden, nicht beteiligen dürfen. Christliche Eltern müssen sich daher für ihre Kinder einsetzen und die Betreuerinnen genau darüber informieren, welche Handlungen nicht in Frage kommen, und entsprechende Ausweichmöglichkeiten erörtern.a
Sie achten auch darauf, daß ungeziemende Manieren nicht auf ihre Kinder abfärben. Das Buch Auf den Großen Lehrer hören (herausgegeben von der Wachtturm-Gesellschaft) hat zahlreichen Eltern geholfen, sogar bei sehr kleinen Kindern Wertschätzung für göttliche Grundsätze zu wecken.
Die Fremdbetreuung darf nicht dazu führen, daß das Band der Liebe zwischen Eltern und Kindern zerreißt. Die Bibel berichtet darüber, daß Hanna, eine Frau, die ihren kleinen Sohn Samuel nur selten sah, ein liebevolles Verhältnis zu ihm aufrechterhielt (1. Samuel 2:18, 19). Gewiß ist das auch heute möglich, wenn Eltern nach Feierabend oder am Wochenende die kostbare Zeit, die sie zusammen mit ihrem Kind verbringen, ausnützen. Ein solches Verhältnis kann gedeihen, wenn es richtig gepflegt wird.
Dennoch bleibt die Fremdbetreuung nur das, was sie ist: ein Ersatz für die liebevolle Fürsorge der Mutter und des Vaters. Man muß zugeben, daß eine solche Lösung alles andere als ideal ist. Aber bevor Gottes neues System da ist und ideale Verhältnisse eintreten, mag vielen Eltern nichts anderes übrigbleiben, als ihre Kinder von einer Ersatzperson betreuen zu lassen (2. Petrus 3:13; Jesaja 65:17-23). Wenn dies der Fall ist, gilt es, die Betreuung sorgfältig auszuwählen. Man sollte auch immer darauf achten, wie sich die Betreuung auf die Kinder auswirkt — körperlich, gefühlsmäßig und geistig. Kinder sind schließlich ein Erbe von Gott (Psalm 127:3).
[Fußnote]
a Die Broschüre Jehovas Zeugen und die Schule (herausgegeben von der Wachtturm-Gesellschaft) kann Personen, die in Kindertagesstätten tätig sind, überreicht werden, um den christlichen Standpunkt zu diesen Fragen zu klären.
[Kasten auf Seite 10]
Arten der Kinderbetreuung: das Für und Wider
Die überwiegende Mehrheit der Eltern greift auf vielfältige Mittel zurück, wenn es darum geht, daß jemand auf die Kinder aufpassen muß. Es folgen einige Beispiele:
GROSSELTERN: Manche meinen, die Großeltern kämen in bezug auf die Eignung zur Kinderbetreuung nach den Eltern an zweiter Stelle. Großeltern kann jedoch die zusätzliche Verantwortung schnell zuviel werden, besonders wenn das Baby das erste Lebensjahr überschritten hat. Außerdem führen unterschiedliche Erziehungsmaßstäbe (Oma weiß es am besten) nicht selten zu Auseinandersetzungen. In dem Buch The Child Care Crisis schreibt Fredelle Maynard: „Eben weil ... [Großmutter] zur Familie gehört, erhält sie keine Anweisungen und muß eventuell mit Samthandschuhen angefaßt werden. Wenn eine bezahlte Betreuerin das Kind schlägt oder ihm Süßigkeiten statt Hüttenkäse gibt, kann man etwas dagegen unternehmen oder nötigenfalls auf ihre Dienste verzichten. Wenn sich aber Großmutter über Wertmaßstäbe und Richtlinien hinwegsetzt, gibt es Ärger.“
Aber durch einen guten Gedankenaustausch wird meist vermieden, daß es zwischen Eltern und Großeltern zu unnötigen Reibereien kommt. „Pläne scheitern, wo es kein vertrauliches Gespräch gibt“, sagt die Bibel (Sprüche 15:22). Eine Großmutter mag zwar für das Kind sorgen, doch sie muß auch anerkennen, daß gemäß der Bibel die Erziehung der Kinder den Eltern obliegt (Epheser 6:4). Eltern und Großeltern müssen sich daher über Regeln und Maßstäbe verständigen, wenn eine Zusammenarbeit zufriedenstellend funktionieren soll.
GESCHWISTER IM TEENAGERALTER: Sind Geschwister einigermaßen vernünftig und verantwortungsbewußt, so können sie ebenfalls eine große Hilfe sein. Jugendliche sind aber oft gar nicht begeistert, wenn sie auf ihr Brüderchen oder Schwesterchen aufpassen sollen. Und wer das Aufpassen auf Kinder nicht ernst nimmt, ist höchstwahrscheinlich auch unzuverlässig, sorglos und nachlässig. Man erinnere sich daran, daß die Bibel sagt: „Torheit ist an das Herz eines Knaben [oder Mädchens] geknüpft“ (Sprüche 22:15).
Wenn ältere Geschwister zur Beaufsichtigung der Kinder herangezogen werden, muß dies also gut überwacht werden. Eltern sollten ihrem älteren Sohn oder ihrer älteren Tochter genau erklären, was sie in bezug auf die Mahlzeiten, die Pflege und in Notfällen tun muß, und sie sollten sich vergewissern, ob das ältere Kind bereit ist, dem jüngeren die erforderliche Aufmerksamkeit zu schenken.
UNTERSCHIEDLICHE ARBEITSZEIT: Zahlreiche Ehepaare versuchen, sich selbst um die Kinder zu kümmern, indem sie zu unterschiedlichen Zeiten arbeiten. Ein Vater erklärte: „Ich gehe am Nachmittag oder gegen Abend zur Arbeit, wenn meine Frau nach Hause kommt. Somit werden unsere Kinder entweder von dem einen oder dem anderen Elternteil beaufsichtigt. ... Diese Regelung, so meinen wir, macht es möglich, daß wir unsere Kinder sehr gut kennen und daß wir es sind, die ihr Leben vorrangig beeinflussen.“
Die Freude ist jedoch nicht ungetrübt. Es kann sein, daß Ehepartner sich nur noch flüchtig sehen und wenig Zeit füreinander haben. Wenn man morgens von der Arbeit heimkommt, ist man nicht gerade in der besten Verfassung, auf die Kinder aufzupassen. Wahrscheinlich wird man auch tagsüber kaum zum Schlafen kommen. Dennoch meinen einige Ehepaare, sich selbst um die Kinder kümmern zu können sei das Opfer wert.
BEZAHLTE BABYSITTER: Ein geeigneter, fürsorglicher Babysitter oder ein Kindermädchen kann oft außergewöhnlich gut für die Kinder sorgen. Kindermädchen sind allerdings nicht billig. Einige Familien nehmen die finanzielle Hürde, indem sie sich mit ein oder zwei anderen Familien zusammenschließen und jemanden anstellen, der auf ihre Kinder aufpaßt. Die Schwierigkeit liegt jedoch darin, die richtige Person zu finden. Die Bibel warnt: „Wie ein Bogenschütze, der alles durchbohrt, ist der, ... der Vorbeigehende dingt“ (Sprüche 26:10).
Das macht es erforderlich, die Person, der man sein Kind anvertrauen möchte, einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen. Was ist einem wirklich über die Frau, die man voraussichtlich als Babysitter nimmt, bekannt? Ist sie in der Betreuung von Kindern ausgebildet und erfahren? Wie verhält sie sich gegenüber dem Kind und umgekehrt? Sieht sie übertrieben viel fern, raucht sie, oder nimmt sie Drogen, oder hat sie andere unerwünschte Gewohnheiten? Wird sie sich an die Grundsätze der Eltern und an die Hausregeln halten?
Hat eine Familie dann einen verantwortlichen, fürsorglichen Babysitter gefunden, so stellt sie oft zu ihrer Enttäuschung fest, daß Babysitter meist nicht lange bleiben. Für das Kind kann es stets aufs neue schmerzlich sein, wenn ein anderer Babysitter kommt — und wieder geht.
[Kasten auf Seite 11]
Sich selbst überlassene Kinder
Immer mehr Kinder werden sich selbst überlassen. Man nennt sie Schlüsselkinder, weil man ihnen den Wohnungsschlüssel gibt, damit sie in die Wohnung kommen, wenn noch niemand zu Hause ist. Allein in den Vereinigten Staaten soll es Millionen von Schlüsselkindern geben.
Fachleute auf dem Gebiet der Kinderbetreuung sind geteilter Meinung darüber, ab welchem Alter es unbedenklich sei, ein Kind allein zu Hause zu lassen. Eltern müssen daher sorgsam abwägen, was für ihr Kind das Beste ist, und sein Alter, sein Temperament, seine Fähigkeiten sowie die besonderen Umstände, was die Wohnung und die Nachbarschaft betrifft, berücksichtigen. Ebenso wichtig ist die Kenntnis der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen, da es, je nachdem, wo man wohnt, gesetzwidrig sein kann, ein Kind unbeaufsichtigt zu lassen (Römer 13:1).
Wenn es unumgänglich ist, sein Kind als Schlüsselkind unbeaufsichtigt zu lassen, sind folgende Hinweise nützlich, die der Sicherheit des Kindes dienen:
1. Dein Kind muß auf jeden Fall wissen, wie es dich erreichen kann, damit es dich anrufen kann, sobald es von der Schule kommt.
2. Wichtige Telefonnummern (Arzt, Polizei, Feuerwehr) sollten in der Nähe des Telefons angebracht sein.
3. Schärfe deinem Kind ein, keinem Fremden die Tür zu öffnen.
4. Unterweise dein Kind in der Bedienung von Geräten, von denen Gefahren ausgehen können. Streichhölzer sollten nicht herumliegen.
5. Beschäftige dein Kind mit Haus- und Schularbeiten. (Siehe Erwachet! vom 22. August 1986, Seite 14—16.)
[Bilder auf Seite 9]
Selten hat ein Erzieher an einem Kind so viel Interesse wie ein Vater oder eine Mutter
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