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  • Das Judentum — Die Suche nach Gott mit Hilfe der Bibel und der Tradition
    Die Suche der Menschheit nach Gott
    • Vor nahezu 4 000 Jahren wanderte ihr Vorvater Abram aus dem Ur der Chaldäer, einer blühenden Metropole in Sumer, nach Kanaan aus, dem Land, von dem Gott gesagt hatte: „Deinem Samen will ich dieses Land geben“b (1. Mose 11:31 bis 12:7). In 1. Mose 14:13 ist von ihm als „Abram, dem Ebräer“, die Rede; doch später wurde sein Name auf Abraham umgeändert (1. Mose 17:4-6). Von ihm leiten die Juden eine Abstammungslinie ab, die mit seinem Sohn Isaak und seinem Enkel Jakob beginnt, dessen Name auf Israel umgeändert wurde (1. Mose 32:27-29). Israel hatte 12 Söhne, die die Begründer von 12 Stämmen wurden. Einer von ihnen war Juda, von dessen Namen schließlich die Bezeichnung „Jude“ abgeleitet wurde (2. Könige 16:6).

      6 Im Laufe der Zeit wurde die Bezeichnung „Jude“ nicht mehr nur auf einen Nachkommen Judas angewandt, sondern auf alle Israeliten (Esther 3:6; 9:20). Da die jüdischen Geschlechtsregister vernichtet wurden, als die Römer im Jahre 70 u. Z. Jerusalem schleiften, kann heute kein Jude mehr genau feststellen, welchem Stamm seine Vorfahren angehörten. Wie dem auch sei, die alte jüdische Religion hat Jahrtausende überdauert und war Veränderungen unterworfen. Heute wird die jüdische Religion in der Republik Israel und in der Diaspora (der Zerstreuung) von Millionen Juden ausgeübt. Worauf beruht diese Religion?

      Moses, das Gesetz und eine Nation

      7. Welchen Eid schwor Gott Abraham, und warum?

      7 Im Jahre 1943 v. u. Z.c erwählte Gott Abram zu seinem besonderen Diener und schwor ihm später — wegen seiner Treue und seiner Bereitschaft, ihm seinen Sohn Isaak zu opfern — einen feierlichen Eid, obwohl das Opfer nie vollzogen wurde (1. Mose 12:1-3; 22:1-14). In Verbindung mit diesem Eid sagte Gott: „Bei mir habe ich geschworen, ist der Spruch des Ewigen [hebräisch: יהוה, JHWH], daß, weil du solches getan und deinen einzigen Sohn nicht geweigert hast, ich dich segnen will und deinen Samen zahlreich machen gleich den Sternen des Himmels ... Und segnen sollen sich mit deinem Samen alle Völker der Erde, dafür, daß du meiner Stimme gehorcht hast.“ Dieser Eidschwur wurde Abrahams Sohn und seinem Enkel gegenüber wiederholt und blieb dann im Stamm Juda und in der Linie Davids weiter bestehen. Diese streng monotheistische Vorstellung von einem persönlichen Gott, der mit Menschen direkt verkehrte, war in der damaligen Welt etwas Einmaliges, und sie bildete dann die Grundlage der jüdischen Religion (1. Mose 22:15-18; 26:3-5; 28:13-15; Psalm 89:4, 5, 29, 30, 36, 37 [Psalm 89:3, 4, 28, 29, 35, 36, NW]).

      8. Wer war Moses, und welche Rolle spielte er in Israel?

      8 Um die Verheißungen, die er Abraham gegeben hatte, zu erfüllen, schloß Gott mit den Nachkommen Abrahams einen besonderen Bund und schuf so die Grundlage für eine Nation. Dieser Bund wurde durch Moses, den großen hebräischen Führer und den Mittler zwischen Gott und Israel, eingeführt. Wer war Moses, und warum ist er für die Juden so wichtig? Aus dem Bibelbuch 2. Mose geht hervor, daß er in Ägypten geboren wurde (1593 v. u. Z.) und daß seine Eltern Israeliten waren, die wie die übrigen Israeliten in der Sklaverei lebten. Er war es, den „der Ewige erkannte“ und dazu bestimmte, sein Volk in die Freiheit zu führen, nach Kanaan, in das Land der Verheißung (5. Mose 6:23; 34:10). Moses spielte die wichtige Rolle des Mittlers, als Gott mit den Israeliten den Gesetzesbund schloß; außerdem war er ihr Prophet, ihr Richter, ihr Führer und ihr Geschichtsschreiber (2. Mose 2:1 bis 3:22).

      9, 10. (a) Woraus bestand das Gesetz, das durch Moses übermittelt wurde? (b) Welche Lebensbereiche umfassen die Zehn Gebote? (c) Wozu wurde Israel durch den Gesetzesbund verpflichtet?

      9 Das Gesetz, das die Israeliten annahmen, bestand aus den Zehn Worten oder Geboten und über 600 Gesetzen, die einen umfangreichen Kodex von Richtlinien und Satzungen für das tägliche Verhalten bildeten. (Siehe Kasten, Seite 211.) Dieses Gesetz umfaßte Weltliches und Heiliges — Hygienevorschriften und Sittengesetze sowie Anweisungen für die Gottesanbetung.

      10 Durch den Gesetzesbund oder diese religiöse Verfassung wurde der Glaube der Patriarchen formuliert. Demzufolge wurden die Nachkommen Abrahams eine dem Dienst Gottes gewidmete Nation. So begann die jüdische Religion feste Formen anzunehmen, und die Juden wurden eine für die Anbetung und den Dienst ihres Gottes organisierte Nation. Gemäß 2. Mose 19:5, 6 verhieß ihnen Gott: „Wenn ihr nun auf meine Stimme hören und meinen Bund wahren werdet, ... sollt [ihr] mir sein ein Reich von Priestern und ein heilig Volk.“ Die Israeliten sollten also ein „auserwähltes Volk“ sein, das Gottes Vorsätzen diente. Die Erfüllung der Bundesverheißungen war jedoch an die Bedingung geknüpft: „Wenn ihr ... auf meine Stimme hören ... werdet.“ Dieses Volk war nun seinem Gott verpflichtet. Daher konnte Gott später (im achten Jahrhundert v. u. Z.) zu den Juden sagen: „Ihr seid mir Zeugen / ist des Ewgen [hebräisch: יהוה, JHWH] Spruch / und Knecht mein“ (Jesaja 43:10, 12).

      Eine Nation mit Priestern, Propheten und Königen

      11. Wie entstanden das Priestertum und das Königtum?

      11 Als sich das Volk Israel noch in der Wüste auf dem Weg in das Land der Verheißung befand, wurde im Geschlecht Aarons, des Bruders Mose, ein Priestertum gegründet. Eine Stiftshütte, ein großes tragbares Zelt, bildete den Mittelpunkt der Anbetung und des Opferdienstes der Israeliten (2. Mose, Kapitel 26 bis 28). Nach einiger Zeit erreichte die Nation Israel das Land Kanaan, das Land der Verheißung, und nahm es ein, wie Gott es geboten hatte (Josua 1:2-6). Schließlich wurde ein irdisches Königtum gegründet, und im Jahre 1077 v. u. Z. wurde David aus dem Stamm Juda König. Unter seiner Herrschaft wurden Königtum und Priestertum in Jerusalem, einem neuen nationalen Mittelpunkt, fest gegründet (1. Samuel 8:7).

      12. Welche Verheißung hatte Gott David gegeben?

      12 Nach Davids Tod baute sein Sohn Salomo in Jerusalem einen prächtigen Tempel, der die Stiftshütte ersetzte. Da Gott mit David einen Bund geschlossen hatte, wonach das Königtum für immer in Davids Linie bleiben sollte, nahm man an, daß der Messias, ein gesalbter König, eines Tages aus seiner Abstammungslinie hervorgehen werde. Eine Prophezeiung wies darauf hin, daß durch diesen messianischen König oder „Samen“ sowohl Israel als auch alle übrigen Nationen eine vollkommene Regierung erhalten würden (1. Mose 22:18). Diese Erwartung schlug Wurzeln, und der messianische Charakter der jüdischen Religion nahm deutlich feste Formen an (2. Samuel 7:8-16; Psalm 72:1-20; Jesaja 11:1-10; Sacharja 9:9, 10).

      13. Durch wen wies Gott die abtrünnigen Israeliten zurecht? Führe ein Beispiel an.

      13 Die Juden ließen sich aber von der falschen Religion der Kanaaniter und anderer Nachbarvölker beeinflussen. So kam es, daß sie die Bestimmungen ihres Bundes mit Gott übertraten. Um sie zurechtzuweisen und zur Umkehr zu veranlassen, sandte Jehova eine Reihe von Propheten zu ihnen, die ihnen seine Botschaften ausrichteten. Demzufolge wurden Prophezeiungen ein weiteres charakteristisches Merkmal der jüdischen Religion, und ein großer Teil der Hebräischen Schriften besteht aus Prophezeiungen. 18 Bücher der Hebräischen Schriften tragen sogar den Namen von Propheten (Jesaja 1:4-17).

      14. Wie bestätigten die Ereignisse die Worte der Propheten in Israel?

      14 Unter diesen Propheten traten besonders Jesaja, Jeremia und Hesekiel hervor, die alle die Nation vor Jehovas drohender Bestrafung wegen ihres Götzendienstes warnten. Zu dieser Bestrafung kam es im Jahre 607 v. u. Z., als Jehova wegen Israels Abtrünnigkeit zuließ, daß die damalige Weltmacht Babylon Jerusalem samt seinem Tempel zerstörte und das Volk in die Gefangenschaft führte. Das Wort der Propheten hatte sich bewahrheitet, und die 70jährige Gefangenschaft Israels während des größten Teils des sechsten Jahrhunderts v. u. Z. ging in die Geschichte ein (2. Chronika 36:20, 21; Jeremia 25:11, 12; Daniel 9:2).

      15. (a) Wie kam unter den Juden eine neue Form des Gottesdienstes auf? (b) Wie wirkte sich der Synagogengottesdienst auf die Anbetung im Tempel in Jerusalem aus?

      15 Im Jahre 539 v. u. Z. besiegte Cyrus, der Perser, Babylon und gestattete den Juden, ihr Land wieder zu besiedeln und den Tempel in Jerusalem wieder aufzubauen. Ein Überrest nahm diese Gelegenheit zwar wahr, doch die meisten blieben unter dem Einfluß der babylonischen Gesellschaft. Später kamen die Juden unter den Einfluß der persischen Kultur. So entstanden im Nahen Osten und im ganzen Mittelmeerraum jüdische Siedlungen. In jeder Gemeinde kam eine neue Form des Gottesdienstes auf, die mit der Synagoge (dem örtlichen Versammlungszentrum der Juden) verbunden war. Dadurch büßte der wieder erbaute Tempel in Jerusalem natürlich an Bedeutung ein. Die weitverstreuten Juden waren nun im wahrsten Sinne des Wortes eine Diaspora (Esra 2:64, 65).

      Das Judentum taucht in griechischem Gewand auf

      16, 17. (a) Welcher neue Einfluß breitete sich im vierten Jahrhundert v. u. Z. im Mittelmeerraum aus? (b) Durch wen wurde die griechische Kultur verbreitet, und wie? (c) Wie erschien das Judentum danach auf dem Schauplatz der Welt?

      16 Im vierten Jahrhundert v. u. Z. war die jüdische Gemeinschaft stetigen Veränderungen unterworfen und wurde so von den Wellen der nichtjüdischen Kultur überrollt, die damals den Mittelmeerraum und weitere Gebiete überfluteten. Die Flut ging von Griechenland aus, und das Judentum entstieg ihr in hellenistischem Gewand.

      17 Im Jahre 332 v. u. Z. eroberte der griechische Feldherr Alexander der Große den Nahen Osten in einem Blitzfeldzug und wurde von den Juden begrüßt, als er nach Jerusalem kam.d Alexanders Nachfolger setzten die Verwirklichung seines Hellenisierungsplans fort, indem sie im ganzen Reich die griechische Sprache, die griechische Kultur und die griechische Philosophie förderten. So kam es zu einer Verschmelzung der griechischen und der jüdischen Kultur, was überraschende Folgen haben sollte.

      18. (a) Warum wurde die Übersetzung der Hebräischen Schriften ins Griechische (die Septuaginta) notwendig? (b) Von welchem Bereich der griechischen Kultur wurden die Juden besonders beeinflußt?

      18 Die Diasporajuden redeten nicht mehr Hebräisch, sondern begannen, Griechisch zu sprechen. Daher wurde Ende des dritten und Anfang des zweiten Jahrhunderts v. u. Z. die erste Übersetzung der Hebräischen Schriften ins Griechische, Septuaginta genannt, angefertigt. Dadurch lernten viele Nichtjuden die Religion der Juden kennen und respektieren, ja einige konvertierten sogar.e Andererseits wurden Juden mit griechischem Gedankengut vertraut, und einige wandten sich sogar der Philosophie zu — für die Juden etwas völlig Neues. Ein Beispiel ist Philon (Philo) von Alexandria, der im ersten Jahrhundert u. Z. lebte und der das Judentum anhand der griechischen Philosophie so zu erklären suchte, als ob das Judentum und die griechische Philosophie ein und dieselben Grundwahrheiten zum Ausdruck brächten.

      19. Wie beschreibt ein jüdischer Schriftsteller die Zeit der Verschmelzung der griechischen und der jüdischen Kultur?

      19 Der jüdische Schriftsteller Max Dimont faßt dieses ständige Tauziehen zwischen der griechischen und der jüdischen Kultur folgendermaßen zusammen: „Durch platonisches Gedankengut, aristotelische Logik und euklidisches Wissen bereichert, traten jüdische Gelehrte mit neuem Rüstzeug an die Thora heran. ... Sie gingen dazu über, der jüdischen Offenbarung griechische Vernunftschlüsse hinzuzufügen.“ Die Ereignisse, die sich unter der römischen Herrschaft abspielten und durch die das Griechische Reich und später (im Jahre 63 v. u. Z.) auch Jerusalem im Römischen Reich aufgingen, sollten den Weg zu weiteren, noch bedeutenderen Veränderungen ebnen.

      Das Judentum unter römischer Herrschaft

      20. Welche religiöse Situation bestand unter den Juden im ersten Jahrhundert u. Z.?

      20 Im ersten Jahrhundert u. Z. befand sich das Judentum in einer außergewöhnlichen Phase. Max Dimont spricht von einem Schweben zwischen „dem Geist Griechenlands und dem Schwert Roms“. Die politische Bedrückung und die Auslegung messianischer Prophezeiungen — besonders derjenigen Daniels — schraubten die jüdischen Erwartungen in die Höhe. Die Juden waren in verschiedene Parteien aufgespalten. Die Pharisäer legten mehr Nachdruck auf ein mündliches Gesetz (siehe Kasten, Seite 221) als auf Tempelopfer. Die Sadduzäer betonten die Wichtigkeit des Tempels und der Priesterschaft. Außerdem gab es noch die Essener, die Zeloten und die Herodianer. Sie alle hatten gegensätzliche religiöse und philosophische Ansichten. Die Führer der Juden wurden Rabbiner (Meister, Lehrer) genannt, und weil sie gesetzeskundig waren, gelangten sie zu hohem Ansehen und bildeten schließlich eine neue Klasse geistlicher Führer.

      21. Welche Ereignisse hatten für die Juden der ersten zwei Jahrhunderte u. Z. drastische Auswirkungen?

      21 Innere Zwistigkeiten und äußere Auseinandersetzungen erschütterten das Judentum jedoch weiterhin, besonders im Land Israel. Letztendlich kam es zur offenen Empörung gegen Rom, und im Jahre 70 u. Z. belagerten die Römer Jerusalem, machten die Stadt dem Erdboden gleich, brannten ihren Tempel nieder und zerstreuten ihre Bewohner. Schließlich wurde es den Juden untersagt, Jerusalem zu betreten. Ohne Tempel, ohne Land und mit einem über das ganze Römische Reich zerstreuten Volk benötigte das Judentum — sollte es überleben — eine Erneuerung seiner Religion.

      22. (a) Wie wirkte sich der Verlust des Tempels in Jerusalem auf das Judentum aus? (b) Wie unterteilen die Juden die Bibel? (c) Was ist der Talmud, und wie ist er entstanden?

      22 Mit der Zerstörung des Tempels verschwanden die Sadduzäer, und das von den Pharisäern verfochtene mündliche Gesetz wurde zum Kernstück eines neuen, rabbinischen Judentums. Intensiveres Studium, Gebete und Liebeswerke traten an die Stelle der Tempelopfer und Wallfahrten. Nun konnte der jüdische Glaube überall, jederzeit und in jedem Kulturkreis ausgeübt werden. Die Rabbiner legten das mündliche Gesetz schriftlich nieder, fügten Erklärungen darüber hinzu und dann weitere Erklärungen über die Erklärungen. All das zusammen ergab schließlich den Talmud. (Siehe Kasten, Seite 220, 221.)

      23. Welche Veränderung ging unter dem Einfluß griechischen Denkens vor sich?

      23 Wie wirkten sich diese unterschiedlichen Einflüsse aus? Max Dimont schreibt in seinem Buch Jews, God and History, daß die Fackel der jüdischen Ideologie und Religion zwar von den Pharisäern getragen wurde, „die Fackel selbst aber von den griechischen Philosophen entzündet worden war“. Während der Talmud zum großen Teil streng legalistisch war, ließen seine Beispiele und Erklärungen doch eindeutig den Einfluß der griechischen Philosophie erkennen. Zum Beispiel wurden religiöse Vorstellungen der Griechen, wie die Vorstellung von der unsterblichen Seele, in jüdische Begriffe gekleidet. In dieser neuen, rabbinischen Ära brachten die Juden dem Talmud — der inzwischen eine Verschmelzung legalistischer und griechischer Philosophie geworden war — immer größere Verehrung entgegen, so daß er im Mittelalter mehr verehrt wurde als die Bibel.

      Das Judentum im Mittelalter

      24. (a) Welche zwei großen Gemeinschaften traten im Mittelalter unter den Juden in Erscheinung? (b) Wie beeinflußten sie das Judentum?

      24 Im Mittelalter (von 500 bis 1500 u. Z.) traten zwei unterschiedliche jüdische Gemeinschaften in Erscheinung: die Sephardim, die sich unter der muslimischen Herrschaft in Spanien eines ungestörten Lebens erfreuten, und die Aschkenasim in Mittel- und Osteuropa. Aus beiden Gemeinschaften gingen rabbinische Gelehrte hervor, deren Schriften und Gedanken heute noch die Grundlage religiöser jüdischer Auslegung bilden. Interessanterweise gehen viele religiöse Sitten und Bräuche der Juden in Wirklichkeit auf das Mittelalter zurück. (Siehe Kasten, Seite 231.)

      25. Was unternahm die katholische Kirche schließlich gegen die Juden in Europa?

      25 Im 12. Jahrhundert kam es in verschiedenen Ländern zu einer Massenvertreibung der Juden. Abba Eban, ein israelischer Politiker, schreibt in seinem Buch Dies ist mein Volk: „Mit der Ausbreitung des katholischen Glaubens ... brach über eine jüdische Gemeinde nach der anderen das Schicksal der Austreibung oder der Zwangstaufe herein. Ausschluß und Enteignung ...“ Im Jahre 1492 folgte Spanien, das erneut unter katholische Herrschaft gekommen war, diesem Beispiel, indem es die Ausweisung sämtlicher Juden aus seinem Gebiet anordnete. So waren bis zum Ende des 15. Jahrhunderts die Juden aus fast ganz Westeuropa vertrieben worden und hatten in Osteuropa und in den Ländern um das Mittelmeer Zuflucht gesucht.

      26. (a) Wer erwies sich unter den Juden als Versager? (b) Welche Hauptrichtungen entstanden nun unter den Juden?

      26 In den Jahrhunderten der Bedrückung und Verfolgung traten unter den Juden in verschiedenen Ländern Pseudomessiasse auf, die alle mehr oder weniger anerkannt wurden, die sich aber alle als Versager erwiesen. Im 17. Jahrhundert waren neue Impulse notwendig, um die Juden neu zu beleben und sie aus dieser finsteren Zeit emporzuheben. Mitte des 18. Jahrhunderts schien sich ein Weg aus der hoffnungslosen Lage des jüdischen Volkes abzuzeichnen. Es handelte sich um den Chassidismus (siehe Kasten, Seite 226), eine Mischung von Mystizismus und religiöser Schwärmerei, die in gläubiger Frömmigkeit und täglichen Verrichtungen zum Ausdruck kam. Im Gegensatz dazu wies der Philosoph Moses Mendelssohn, ein deutscher Jude, ungefähr um dieselbe Zeit auf einen anderen Weg hin: die Haskala oder Aufklärung, die später zu dem führte, was in der Geschichte als neuzeitliches Judentum bekannt wurde.

      Von der „Aufklärung“ zum Zionismus

      27. (a) Wie beeinflußte Moses Mendelssohn die Anschauungen der Juden? (b) Warum verwarfen viele von ihnen die Hoffnung auf einen persönlichen Messias?

      27 Moses Mendelssohn (1729—1786) vertrat die Ansicht, daß die Juden anerkannt würden, wenn sie sich von den Einschränkungen des Talmuds lösen und sich der westlichen Kultur anpassen würden. Er wurde damals einer der angesehensten Juden in der nichtjüdischen Welt. Doch im 19. Jahrhundert kam es, besonders im „christlichen“ Rußland, erneut zu gewalttätigen antisemitischen Aktionen, durch die die Hoffnungen der Anhänger seiner Bewegung zerstört wurden, weshalb sich danach viele darauf konzentrierten, einen politischen Zufluchtsort für die Juden zu finden. Sie lehnten die Vorstellung von einem persönlichen Messias ab, der die Juden nach Israel zurückführen würde, und begannen, mit anderen Mitteln an der Gründung eines jüdischen Staates zu arbeiten. Auf diese Weise entstand dann das Konzept des Zionismus — „die Säkularisierung des ... jüdischen Messianismus“, wie es in einem maßgeblichen Werk heißt.

      28. Welche Ereignisse im 20. Jahrhundert beeinflußten die Anschauungen der Juden?

      28 Die Ermordung von ungefähr sechs Millionen europäischen Juden in dem von den Nazis verursachten Holocaust (1935—1945) verlieh dem Zionismus den endgültigen Impuls und rief in der ganzen Welt große Sympathie dafür hervor. Mit der Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 verwirklichte sich der zionistische Traum, und das bringt uns zu dem heutigen Judentum und zu der Frage: Was glauben die Juden heute?

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    Die Suche der Menschheit nach Gott
    • [Kasten/Bild auf Seite 211]

      Zehn Gebote für Anbetung und Lebenswandel

      Millionen Menschen haben schon von den Zehn Geboten gehört, aber wenige haben sie je gelesen. Deshalb geben wir hier die wichtigsten Passagen ihres Wortlauts wieder.

      ▪ „Du sollst keine anderen Götter haben vor mir!

      ▪ Du sollst dir kein Bildnis machen und keinerlei Gestalt dessen, was im Himmel oben und was auf Erden unten und was im Wasser unter der Erde ist. Du sollst dich vor ihnen nicht niederwerfen und ihnen nicht dienen ... [Damals, 1513 v. u. Z., war dieses Gebot, das den Götzendienst verwarf, einzigartig.]

      ▪ Du sollst den Namen des Ewigen [hebräisch: יהוה], deines Gottes, nicht zur Unwahrheit aussprechen ...

      ▪ Gedenke des Sabbattages, ihn zu heiligen! ... der Ewige [hat] den Sabbattag gesegnet und ihn geheiligt.

      ▪ Ehre deinen Vater und deine Mutter ...

      ▪ Du sollst nicht morden!

      ▪ Du sollst nicht ehebrechen!

      ▪ Du sollst nicht stehlen!

      ▪ Du sollst nicht aussagen wider deinen Nächsten als falscher Zeuge!

      ▪ Du sollst nicht begehren das Haus deines Nächsten! Du sollst nicht begehren das Weib deines Nächsten, noch seinen Knecht, seine Magd, seinen Ochsen, seinen Esel, noch alles, was deinem Nächsten gehört“ (2. Mose 20:3-14).

      Zwar beziehen sich nur die ersten vier Gebote auf den Glauben und die Anbetung, aber die anderen lassen die Verbindung zwischen einem einwandfreien Lebenswandel und dem richtigen Verhältnis zum Schöpfer erkennen.

      [Bild]

      Trotz des einzigartigen Gesetzes, das die Israeliten von Gott erhalten hatten, ahmten sie den Kälberkult ihrer heidnischen Nachbarn nach (Goldenes Kalb, Byblos)

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