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Kenia und benachbarte LänderJahrbuch der Zeugen Jehovas 1992
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Schließlich ein neuer Anfang in Kenia
Im November 1949 zog Mary Whittington mit ihren drei kleinen Kindern von Britannien nach Kenia, weil ihr Mann in Nairobi für die ostafrikanische Eisenbahn arbeitete. Obwohl sie erst knapp ein Jahr getauft war, lernte sie bald, auf eigenen Füßen zu stehen. Sie war von schlankem Wuchs, diszipliniert und hatte einen außergewöhnlichen Pioniergeist. Sie ließ keine trübseligen Gedanken der Einsamkeit in sich aufkommen — in einem Land, das größer war als ihr Heimatland —, sondern nutzte die Gelegenheit, in diesem riesigen Gebiet die biblische Wahrheit zu verbreiten.
Da in jenen Tagen — es war Kolonialzeit — noch eine Politik der Rassentrennung verfolgt wurde, mußte sich Schwester Whittington beim Predigen von Haus zu Haus in ihrer Nachbarschaft auf die Europäer beschränken. Die Wohnungsinhaber waren sehr freundlich; oft wurde sie hereingebeten, und sie konnte biblische Literatur zurücklassen. Nicht selten fragten die Leute: „Wo haben Sie Ihre Zusammenkünfte?“ Ihre Antwort lautete dann: „Soviel ich weiß, bin ich die einzige Zeugin Jehovas im ganzen Land.“
Bald sollte ihre Lauterkeit geprüft werden. Nach drei Monaten wurde ihr Mann von seinen Vorgesetzten davon unterrichtet, daß die Predigttätigkeit seiner Frau das Mißfallen der Polizei erregt habe. Würde sie damit nicht aufhören, so könnte es sein, daß sie ausgewiesen würde. Ihr Mann wies sie an, nur ihren Freunden zu predigen. Darauf entgegnete sie, daß sie in Kenia keine Freunde habe und daß sie, wenn sie eine treue Christin sein wolle, ihre Tätigkeit unbedingt fortsetzen müsse. Ihr Mann machte ihr klar, daß er es ihr im Falle ihrer Ausweisung nicht erlauben werde, die Kinder mitzunehmen.
Nach einigen Monaten suchten Beamte einer speziellen Polizeibehörde Herrn Whittington in seinem Büro auf und verlangten einige Muster von der Literatur, die seine Frau verbreitet hatte. Schwester Whittington gab ihnen gern mehrere Exemplare. Der Beamte, der diese dann zurückbrachte, sagte, er habe sie gelesen und sie hätten ihm gefallen. Er verbot ihr nicht die Predigttätigkeit, sondern betonte nur, daß sie nicht der afrikanischen Bevölkerung predigen solle. Das war zum damaligen Zeitpunkt kein Problem, denn es gab unter den Einwohnern Nairobis, die keine Afrikaner waren, genug zu tun.
Kurz darauf bekam Schwester Whittington eine Partnerin, aber auf eine Weise, wie sie es nicht erwartet hatte. Das nordrhodesische Zweigbüro der Watch Tower Society teilte ihr mit, daß sich eine gewisse Frau Butler für biblische Themen interessierte. Olga Butler — sie stammte von den Seschellen — hatte in Tanganjika über zehn Jahre die Literatur der Gesellschaft erhalten und war kürzlich, nach dem Tod ihres Mannes, nach Nairobi gezogen. Schwester Whittington setzte sich brieflich mit ihr in Verbindung, und sie vereinbarten, sich in einem Café im Geschäftsviertel Nairobis zu treffen. Ein Bibelstudium konnte begonnen werden. Anfangs mußten sie in einem öffentlichen Park studieren, denn der Kontakt zwischen verschiedenen Rassen war noch immer verboten. Nach zwei Jahren wurde Olga Butler in der Badewanne der Whittingtons getauft.
Bemühungen, Hilfe zu leisten
Um dieses riesige Gebiet zu erschließen und auch um Schwester Whittington in ihrer Isolation zu helfen, bemühte man sich, Missionare ins Land zu bekommen, doch die Kolonialregierung war dagegen. Im Jahre 1952 besuchten der Präsident der Watch Tower Society, Nathan H. Knorr, und sein Sekretär, Milton G. Henschel, Nairobi und verbrachten einen Abend mit einer kleinen Gruppe von Brüdern und Schwestern aus Kenia und Uganda. Wiederum wurde ein Antrag auf Einreise von Missionaren gestellt, doch auch diesen lehnte man ab.
Weitere Schwierigkeiten stellten sich von anderer Seite ein. Wegen Aufständen der Mau-Mau wurde der Ausnahmezustand verhängt, und Zusammenkünfte von mehr als neun Personen waren gesetzlich verboten, es sei denn, sie waren vorher amtlich zugelassen worden. Im Jahre 1956 wurde ein Gesuch um die Bewilligung christlicher Zusammenkünfte abgelehnt. In jenen Jahren kamen einige ausländische Zeugen für jeweils kurze Zeit nach Kenia, nur Mary Whittington, ihre Kinder und Olga Butler waren ständig dort, um die gute Botschaft zu verkündigen.
Ankunft von Gileadabsolventen
So sah die Lage in Kenia aus, als 1956 die Gileadabsolventen William und Muriel Nisbet aus Schottland in Nairobi eintrafen. William Nisbet war der Bruder der beiden Pioniere, die in den 30er Jahren von Südafrika nach Kenia gekommen waren. Damit Bruder Nisbet im Land bleiben konnte, mußte er eine Arbeit annehmen. Trotzdem war er in der Lage, die kleine Bibelstudiengruppe zu beaufsichtigen. Unterdessen gingen Schwester Nisbet und Schwester Whittington jeden Vormittag unauffällig von Haus zu Haus.
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Kenia und benachbarte LänderJahrbuch der Zeugen Jehovas 1992
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Im selben Jahr fand in New York auch der internationale Kongreß „Göttlicher Wille“ statt, der von über 250 000 Personen aus der ganzen Welt besucht wurde. Wie glücklich war doch Mary Whittington, dabeizusein und einen kurzen Bericht über das Werk in Kenia geben zu dürfen!
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