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RumänienJahrbuch der Zeugen Jehovas 2006
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Rumänien verschwindet hinter dem Eisernen Vorhang
Im November 1946, im Jahr vor Alfred Rütimanns Besuch, kam Rumänien unter kommunistische Herrschaft. Innerhalb weniger Jahre wurde jeder noch verbliebene Widerstand ausgeschaltet und die „Sowjetisierung“ vorangetrieben, wobei die kulturellen und politischen Einrichtungen in Rumänien nach sowjetischem Muster ausgerichtet wurden.
Die Brüder nutzten die Ruhe vor dem Sturm noch tüchtig aus: Sie druckten Hunderttausende von Zeitschriften, Broschüren und anderen Veröffentlichungen, die sie auf 20 Literaturdepots im ganzen Land verteilten. Gleichzeitig verstärkten viele ihre Zeugnistätigkeit und manch einer begann mit dem Pionierdienst — so zum Beispiel Mihai Nistor und Vasile Sabadâş.
Mihais Gebiet umfasste die Mitte und den Nordwesten Siebenbürgens, wo er auch während des kommunistischen Verbots, unter dem er lange Zeit vom Feind verfolgt wurde, weiter als Pionier diente. Wie schaffte er es, nicht verhaftet zu werden? Er erzählte: „Ich machte mir eine Tasche, wie sie die Fensterverkäufer haben. Dann zog ich Arbeitskleidung an und ging mit Werkzeug und Fensterscheiben in den Städten und Dörfern herum, in denen ich predigen sollte. Wenn ich Polizisten oder andere Verdächtige bemerkte, pries ich lautstark meine Fenster an. Andere Brüder griffen zu anderen Methoden, um den Verfolgern zu entgehen. Es war aufregend und riskant zugleich — nicht nur für uns Pioniere, sondern auch für die Familien, die uns aufnahmen. Aber wir freuten uns immer sehr, zu sehen, wie Studierende Fortschritte machten und die Reihen der Verkündiger sich füllten.“
Vasile Sabadâş blieb ebenfalls im Pionierdienst, obwohl er oft den Wohnort wechseln musste. Er war eine besondere Hilfe, wenn es darum ging, Brüder zu finden und zu unterstützen, die durch die Geheimpolizei Securitate — das Hauptinstrument des umfangreichen kommunistischen Sicherheitsnetzes — zerstreut worden waren. „Ich musste vorsichtig und erfinderisch sein, damit sie mich nicht fassten“, erzählte Vasile. „Wenn ich zum Beispiel in einen anderen Landesteil reiste, verschaffte ich mir immer einen triftigen Grund, wie etwa eine Überweisung zu einer Therapie in einem Badeort.
So war es mir möglich, unauffällig Verbindungen zwischen den Brüdern herzustellen, sodass sie regelmäßig Nachschub an geistiger Speise erhalten konnten. Meine Leitsprüche waren Jesaja 6:8: ‚Hier bin ich! Sende mich‘ und Matthäus 6:33: ‘So fahrt denn fort, zuerst das Königreich zu suchen.’ Diese Verse gaben mir Freude und Kraft zum Ausharren.“ Ja, Freude und Durchhaltevermögen, das brauchte Vasile wirklich, denn trotz aller Vorsicht sollte auch er — wie so viele andere — letztlich verhaftet werden.
Schwere Angriffe auf Gottes Organisation
Im Jahr 1948 war die Korrespondenz mit dem Hauptbüro sehr schwierig geworden und so verschickten die Brüder oft verschlüsselte Botschaften auf Postkarten. Im Mai 1949 übermittelte Martin Magyarosi folgende Mitteilung von Petre Ranca, einem Mitarbeiter im Bukarester Büro: „Uns geht es allen gut. Wegen Sturm und eisiger Kälte konnten wir auf dem Feld nichts tun.“ Ein anderer Bruder schrieb später, die Familie sei „nicht in der Lage, irgendwelche Süßigkeiten zu erhalten“, außerdem seien „viele krank“. Er meinte damit, dass keine geistige Speise nach Rumänien geschickt werden konnte und dass viele Brüder im Gefängnis saßen.
Auf Beschluss des Justizministeriums vom 8. August 1949 wurde der Büro- und Wohnbereich des Zweigbüros geschlossen und das gesamte Inventar — auch Privatgegenstände — beschlagnahmt. In den Folgejahren wurden Hunderte von Brüdern verhaftet und verurteilt. Unter dem Faschismus hatte man Jehovas Zeugen beschuldigt, sie seien Kommunisten, und als dann die Kommunisten an die Macht kamen, bezeichnete man sie als „Imperialisten“ und „amerikanische Propagandisten“.
Überall lauerten Spione und Informanten. Über die Maßnahmen der Kommunisten war im englischen Jahrbuch von 1953 zu lesen: „[Sie] sind jetzt so streng geworden, dass jeder, der in Rumänien Post aus dem Westen bekommt, auf die schwarze Liste gesetzt und schärfstens überwacht wird.“ Weiter hieß es in dem Bericht: „Es herrscht ein nahezu unvorstellbarer Terror. Nicht einmal in den Familien kann einer dem anderen trauen. Die Freiheit ist ganz und gar dahin.“
Anfang 1950 wurden Pamfil und Elena Albu, Petre Ranca, Martin Magyarosi und viele weitere verhaftet und fälschlich der Spionage für den Westen angeklagt. Manchen Brüdern wollte man durch Folter vertrauliche Informationen und Geständnisse über ihre vermeintliche Spionage abpressen. Ihr einziges Geständnis war jedoch, dass sie Jehova anbeteten und den Interessen seines Königreiches dienten. Nach solchen Torturen wurden einige Brüder ins Gefängnis, andere wiederum in Arbeitslager gesteckt. Wie wirkte sich diese Verfolgungswelle auf das Werk aus? Noch im selben Jahr, also 1950, hatte Rumänien 8 Prozent Mehrung zu verzeichnen. Was für ein großartiger Beweis, wie machtvoll doch der Geist Gottes ist!
Bruder Magyarosi, der damals schon auf die 70 zuging, wurde ins Gefängnis in Gherla (Siebenbürgen) eingeliefert, wo er Ende 1951 starb. „Er hat viel und schwer für die Wahrheit gelitten“, hieß es in einem Bericht, „besonders seit seiner Festnahme im Januar 1950. Nun hat sein Leiden ein Ende.“ Ja, Martin hatte fast 20 Jahre lang brutale Angriffe von Geistlichen, Faschisten und Kommunisten ertragen. Seine beispielhafte Lauterkeit erinnert uns an die Worte des Apostels Paulus, der sagte: „Ich habe den vortrefflichen Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt“ (2. Tim. 4:7). Martins Frau Maria wurde zwar nicht eingesperrt, aber auch sie harrte unter Widerwärtigkeiten beispielhaft aus. Ein Bruder beschrieb sie als „intelligente Schwester, die ganz dem Werk des Herrn ergeben“ war. Nach Martins Festnahme kümmerten sich Verwandte um sie, darunter ihre Adoptivtochter Mărioara, die selbst eine Zeit lang in Haft war und im Herbst 1955 freigelassen wurde.
„Sie sind feine Menschen“
Im Jahr 1955 erließ die Regierung eine Amnestie, was den meisten Brüdern die Freiheit brachte. Diese währte jedoch nicht lange. Von 1957 bis 1964 wurden Jehovas Zeugen erneut gejagt, verhaftet und zum Teil zu lebenslänglichen Freiheitsstrafen verurteilt. Die inhaftierten Brüder ließen aber den Kopf nicht hängen, sondern ermunterten einander, standhaft zu bleiben. Mit der Zeit wurden sie wegen ihrer guten Grundsätze und ihrer Lauterkeit sogar allseits bekannt. Ein politischer Häftling sagte über die Brüder: „Sie sind feine Menschen. Sie gaben nicht nach und hätten nie ihre Religion aufgegeben.“ An dem Ort, wo er einsaß, waren die Zeugen „die angesehensten Häftlinge“.
Im Jahr 1964 wurde abermals eine Amnestie erlassen, doch auch sie war nur von kurzer Dauer: Zwischen 1968 und 1974 kam es wiederum zu Massenverhaftungen. „Weil wir das Evangelium verbreiten“, so schrieb ein Bruder, „sind [wir] gefoltert und verhöhnt worden. ... Wir flehen euch an, in euren Gebeten unserer eingesperrten Brüder zu gedenken. Wir wissen, dass all dies eine Prüfung ... ist, die wir erdulden müssen. Aber wir werden fortfahren, mutig die gute Botschaft zu predigen, wie es in Matthäus 24:14 vorausgesagt wird! Doch wir bitten euch nochmals dringend von ganzem Herzen: Vergesst uns nicht!“ Wie wir noch sehen werden, hörte Jehova die eindringlichen Gebete, die seine loyalen Diener unter Tränen sprachen, und er tröstete sie auf verschiedene Weise.
Satan sät Misstrauen
Der Teufel greift Gottes Diener nicht nur von außen, sondern auch von innen an. Einige Brüder zum Beispiel wurden nach ihrer Entlassung im Jahr 1955 nicht mehr in ihre früheren Aufsichtsstellungen eingesetzt. Darüber ärgerten sie sich und brachten Disharmonie in die Bruderschaft. Wie traurig, dass sie nach ihrer Standhaftigkeit im Gefängnis dem Stolz erlegen waren! Mindestens ein verantwortlicher Bruder arbeitete sogar mit der Securitate zusammen, um einer Bestrafung zu entgehen; dadurch fügte er den Treuen und dem Predigtwerk großen Schaden zu (Mat. 24:10).
Auch Unterschiede in Gewissensentscheidungen machten Gottes Dienern damals zu schaffen. So war es oft der Fall, dass Brüder nach ihrer Verhaftung wählen konnten, ob sie ins Gefängnis gehen oder in einem Salzbergwerk arbeiten wollten. Manche betrachteten es als Verrat an biblischen Grundsätzen, sich für das Salzbergwerk zu melden. Andere Brüder waren der Ansicht, Schwestern sollten sich nicht schminken und Kinofilme, Theaterstücke, ja sogar Radios seien nichts für Christen.
Positiv war jedoch, dass die Brüder im Großen und Ganzen nie das Wichtigste aus den Augen verloren: ihre Loyalität gegenüber Gott. Das zeigt der Bericht über das Dienstjahr 1958. Damals beteiligten sich 5 288 Verkündiger am Predigtdienst — über 1 000 mehr als im Jahr zuvor! 8 549 Personen kamen zum Gedächtnismahl und 395 ließen sich taufen.
Im Jahr 1962 kam erneut eine Prüfung auf die Brüder zu: Im Wachtturm wurde erklärt, die „obrigkeitlichen Gewalten“ in Römer 13:1 seien menschliche Regierungsgewalten und nicht, wie bisher angenommen, Jehova Gott und Jesus Christus. Viele Brüder, die in Rumänien unter brutalen Herrschern gelitten hatten, konnten das nur schwer akzeptieren. Manche dachten allen Ernstes, es handle sich um einen raffinierten Schachzug der Kommunisten, durch den die Brüder — im Widerspruch zu dem Grundsatz in Matthäus 22:21 — dem Staat völlig gefügig gemacht werden sollten.
Ein Bruder sprach einen Mitzeugen, der in Berlin, Rom und anderen Städten gewesen war, darauf an. „Dieser Reisende“, so erinnert sich der Bruder, „versicherte mir, das neue Verständnis sei keine Täuschung der Kommunisten, sondern geistige Speise von der Sklavenklasse. Trotzdem hatte ich noch Bedenken. Also fragte ich unseren Bezirksaufseher, was wir jetzt tun sollten.“
Er antwortete: „Ganz einfach — wir müssen im Werk vorandrängen!“
„Das war ein ausgezeichneter Rat und ich kann zu meiner Freude sagen, dass ich heute immer noch vorandränge.“
Trotz der erschwerten Kommunikation taten die Weltzentrale und der für Rumänien zuständige Zweig alles in ihrer Macht Stehende, damit die Brüder in Rumänien mit der geoffenbarten Wahrheit auf dem Laufenden bleiben und als geeinte geistige Familie zusammenwirken konnten. Zu diesem Zweck schrieben sie Briefe und veröffentlichten entsprechende Artikel im Königreichsdienst.
Wie gelangte die geistige Speise zu Jehovas Volk? Jedes Glied des Landeskomitees unterhielt insgeheim Verbindungen zu den reisenden Aufsehern und den Ältesten der Versammlungen. Diese Verbindungen wurden durch vertrauenswürdige Kuriere aufrechterhalten, über die auch Briefe und Berichte zum Büro in der Schweiz hin- oder von dort aus weggesandt wurden. So konnten die Brüder zumindest ein gewisses Maß an geistiger Speise und theokratischer Anleitung erhalten.
Loyale Brüder und Schwestern gaben sich zudem alle Mühe, in ihren Versammlungen und Gruppen eine Atmosphäre der Harmonie zu fördern. Iosif Jucan zum Beispiel sagte oft: „Wir können nicht hoffen, in Harmagedon gerettet zu werden, wenn wir nicht regelmäßig geistige Speise zu uns nehmen und uns eng an die ‚Mutter‘ halten.“ Er bezog sich damit auf die Verbindung zum irdischen Teil der Organisation Jehovas. Brüder wie er waren wertvolle Stützen in Gottes Volk und ein Bollwerk gegen Unruhestifter.
Methoden des Feindes
Um den Glauben der Diener Jehovas zu schwächen und sie gefügig zu machen, setzten die Kommunisten Spione, Verräter, Folter, Lügenpropaganda und Todesdrohungen ein. Als Spione und Informanten dienten unter anderem Nachbarn, Arbeitskollegen, Abtrünnige, Familienangehörige sowie Agenten der Securitate. Letztere schlichen sich sogar in die Versammlungen ein, indem sie Interesse an der Wahrheit vortäuschten und sich theokratisches Vokabular aneigneten. Solche „falschen Brüder“ richteten erheblichen Schaden an und brachten viele hinter Gitter. Einer von ihnen, Savu Gabor, hatte sogar eine verantwortliche Stellung inne, bis er 1969 entlarvt wurde (Gal. 2:4).
Die Regierung ließ Einzelpersonen und Familien auch mit Abhörgeräten ausspionieren. Timotei Lazăr berichtete: „Als ich wegen meiner christlichen Neutralität im Gefängnis saß, wurden meine Eltern und mein jüngerer Bruder regelmäßig zur Securitate zitiert und dort bis zu sechs Stunden ununterbrochen verhört. Während eines solchen Verhörs wurden dann bei uns zu Hause Wanzen installiert. Mein Bruder, der von Beruf Elektriker war, bemerkte an jenem Abend, dass der Stromzähler ungewöhnlich schnell lief. Er schaute sich um und entdeckte zwei Abhörgeräte, die er fotografierte und dann abmontierte. Am nächsten Tag kamen Securitate-Agenten und verlangten ihr ‚Spielzeug‘ zurück, wie sie es nannten.“
Um Lügen zu propagieren, wurden auch oft Presseartikel aus anderen kommunistischen Ländern übernommen. So zum Beispiel der Artikel „Die Jehovisten-Sekte und ihr reaktionärer Charakter“, der aus einer russischen Zeitung stammte. Darin wurde behauptet, Jehovas Zeugen hätten den „Charakter einer typisch politischen Organisation“, deren Ziel es sei, „in sozialistischen Ländern zersetzend zu wirken“. Die Leser wurden angehalten, jeden zu melden, der die Lehren der Zeugen verbreite. Vernünftig denkende Menschen sahen in diesem politischen Getöse jedoch ein indirektes Armutszeugnis für die Gegner, denn der Artikel machte ja allen deutlich, dass Jehovas Zeugen bei weitem nicht besiegt oder zum Schweigen gebracht worden waren.
Wenn Securitate-Agenten einen Bruder oder eine Schwester fassten, wandten sie die ausgeklügeltsten Grausamkeiten an. Um ihre Opfer zum Reden zu bringen, setzten die Peiniger sogar gehirn- und nervenschädigende Substanzen ein. Samoilă Bărăian, der Opfer solcher Misshandlungen wurde, erzählte: „Nachdem das Verhör begonnen hatte, musste ich Medikamente nehmen, die noch schlimmer waren als die Schläge. Ich merkte bald, dass etwas mit mir nicht stimmte. Ich konnte nicht mehr gerade gehen und kam keine Treppe mehr hoch. Als Nächstes plagte mich chronische Schlaflosigkeit. Ich konnte mich nicht konzentrieren und sprach nur noch stockend.
Ich baute körperlich immer mehr ab. Nach etwa einem Monat verlor ich den Geschmackssinn. Die Verdauung versagte und ich hatte das Gefühl, als wären alle meine Gelenke ausgerenkt. Ich hatte fürchterliche Schmerzen. Meine Füße schwitzten so stark, dass die Schuhe innerhalb von zwei Monaten auseinander fielen und ich sie wegwerfen musste. ‚Warum hören Sie nicht auf zu lügen‘, brüllte mich mein Befrager immer wieder an. ‚Sehen Sie nicht, was aus Ihnen geworden ist?‘ Ich brauchte große Selbstbeherrschung, um nicht vor Wut zu platzen.“ Bruder Bărăian konnte sich nach dieser Tortur allmählich wieder vollständig erholen.
Auch psychische Folter wurde eingesetzt. Alexa Boiciuc erinnert sich: „Am schlimmsten war es, als sie mich eines Nachts weckten und in einen Raum brachten, wo ich hörte, wie ein Bruder geschlagen wurde. Später hörte ich das Schluchzen einer Schwester und dann die Stimme meiner Mutter. Ich wäre lieber selbst geschlagen worden, als so etwas mitzumachen.“
Brüdern wurde gesagt, sie hätten nichts mehr zu befürchten, wenn sie die Namen von Mitzeugen oder die Zeiten und Orte der Zusammenkünfte preisgäben. Schwestern wurden angehalten, sich von ihren inhaftierten Männern zu trennen, damit ihre Kinder eine bessere Zukunft haben könnten.
Da viele Brüder vom Staat enteignet wurden, mussten sie auf Kolchosen arbeiten. Die Arbeit dort war an sich nicht schlecht, aber es fanden oft politische Versammlungen statt. Wer nicht erschien, wurde verspottet und bekam fast keinen Lohn mehr. Für Jehovas Zeugen, die sich ja grundsätzlich aus politischen Angelegenheiten heraushielten, brachte das natürlich Härten mit sich.
Bei Razzien beschlagnahmten die Handlanger der Regierung auch persönlichen Besitz der Brüder, besonders Gegenstände, die sich zu Geld machen ließen. Nicht selten demolierten sie im tiefsten Winter Öfen — die einzigen Wärmequellen im Haus. Warum dieses rabiate Vorgehen? Öfen seien gute Verstecke für Literatur, so die Erklärung. Trotz allem ließen sich die Brüder nicht mundtot machen. Sogar in Arbeitslagern und Gefängnissen gaben sie, wie wir nachfolgend sehen werden, unter Misshandlungen und Entbehrungen weiterhin Zeugnis für Jehova und spendeten einander Trost.
Lobpreis für Jehova in Lagern und Gefängnissen
Zusätzlich zu den Gefängnissen gab es in Rumänien drei große Arbeitslager: im Donaudelta, auf der großen Donauinsel bei Brăila und am Donau-Schwarzmeer-Kanal. In der kommunistischen Ära kam es immer wieder vor, dass Zeugen Jehovas zusammen mit ehemaligen Verfolgern eingesperrt wurden, die wegen ihrer Verbindungen zum früheren Regime festgenommen worden waren. Ein Kreisaufseher zum Beispiel war mit 20 Pfarrern inhaftiert — eine Zusammensetzung, die mit Sicherheit zu manch interessanter Diskussion Anlass gab.
In einem Gefängnis unterhielt sich ein Bruder einmal ausgiebig mit einem Theologieprofessor, der früher Priesteramtskandidaten geprüft hatte. Der Bruder merkte bald, dass der Professor von der Bibel herzlich wenig Ahnung hatte. Unter den Häftlingen, die der Diskussion folgten, war auch ein General des gestürzten Regimes.
„Wie kommt es“, fragte der General den Professor, „dass einfache Handwerker eine größere Erkenntnis der Bibel besitzen als Sie?“
Der Professor erwiderte: „In Theologieseminaren werden religiöse Überlieferungen und dergleichen gelehrt, aber nicht die Bibel.“
Völlig unbeeindruckt sagte der General: „Wir haben auf euer Wissen vertraut, aber jetzt sehe ich, dass wir jämmerlich irregeführt worden sind.“
Mit der Zeit kamen etliche Gefangene zu einer genauen Erkenntnis der Wahrheit und gaben sich Jehova hin, darunter ein Häftling, der wegen wiederholten Raubüberfalls zu 75 Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Dieser Mann machte eine so erstaunliche Änderung durch, dass die Gefängnisleitung auf ihn aufmerksam wurde. Er bekam eine Aufgabe übertragen, die man normalerweise keinem Häftling geben würde, der wegen Raubüberfall einsitzt. Der Mann wurde allein in die Stadt geschickt, um für das Gefängnis Besorgungen zu machen.
Dennoch war die Haft eine harte Zeit und es gab wenig zu essen. Gefangene baten sogar darum, ihre Kartoffeln mit Schale essen zu dürfen, damit sie etwas mehr im Magen hatten. Zusätzlich aßen sie Rüben, Blätter, Gras und andere Pflanzen, um nur irgendwie satt zu werden. Alle Häftlinge hatten Ruhr und im Lauf der Zeit fielen einige der Unterernährung zum Opfer.
Im Sommer mussten die Brüder für den Bau eines Dammes im Donaudelta Erde schaufeln und abtransportieren. Im Winter schnitten sie auf dem Eis Schilf ab. Sie übernachteten auf einer alten, eisernen Fähre — frierend, verdreckt, voller Läuse und von herzlosen Wächtern bewacht, die nicht einmal beim Tod eines Häftlings Gefühle zeigten. Doch unter all diesen Umständen machten sich die Brüder gegenseitig Mut und halfen einander, geistig stark zu bleiben. Das zeigt der Bericht von Dionisie Vârciu.
Kurz vor Dionisies Entlassung fragte ein Gefängnisbeamter: „Nun, Vârciu, haben Sie in der Haft Ihren Glauben aufgegeben?“
„Entschuldigen Sie“, entgegnete Dionisie, „aber würden Sie einen hochwertigen Anzug gegen einen minderwertigeren eintauschen?“
„Nein“, antwortete der Mann.
Dionisie erklärte weiter: „In der Haft hat mir keiner etwas angeboten, das meinen Glauben übertroffen hätte. Warum sollte ich ihn also aufgeben?“
Darauf gab der Beamte Dionisie die Hand und sagte: „Sie sind frei, Vârciu. Bewahren Sie sich Ihren Glauben.“
Brüder und Schwestern wie Dionisie waren keine Übermenschen. Sie schöpften Mut und geistige Kraft aus dem Glauben an Jehova, einen Glauben, den sie sich auf erstaunliche Weise erhielten (Spr. 3:5, 6; Phil. 4:13).
Studium aus dem Gedächtnis
„Für mich war die Haft eine Zeit theokratischer Schulung“, erinnert sich András Molnos. Wieso konnte er das sagen? Er erkannte, wie wertvoll es war, sich jede Woche mit seinen Brüdern zum Studium des Wortes Gottes zu versammeln. Er erzählte: „Oft hatten wir nichts Schriftliches, sondern nur das, woran wir uns noch erinnern konnten. Die Brüder versuchten, sich Wachtturm-Artikel ins Gedächtnis zu rufen, die sie vor der Haft studiert hatten. Manche Brüder hatten noch ganze Zeitschriften im Kopf — einschließlich der Studienfragen!“ Das war zum Teil darauf zurückzuführen, dass sie vor ihrer Festnahme geistige Speise mit der Hand abgeschrieben hatten. (Siehe den Kasten „Vervielfältigungsverfahren“ auf Seite 132, 133.)
Wenn Zusammenkünfte geplant waren, nannten verantwortliche Brüder das zu besprechende Thema, und jeder von uns versuchte, sich an möglichst viel zu erinnern, von Bibeltexten bis zu Gedanken aus christlichen Bibelstudienhilfsmitteln. Schließlich kamen alle zusammen, um den Stoff zu besprechen. Es wurde ein Leiter bestimmt, der nach einem Anfangsgebet die Besprechung durch passende Fragen leitete. Nachdem jeder einen Kommentar gegeben hatte, sagte auch der Leiter jeweils noch etwas dazu und ging dann zum nächsten Punkt über.
In manchen Gefängnissen waren Gruppenbesprechungen verboten, doch der Einfallsreichtum der Brüder kannte keine Grenzen. Ein Bruder erinnert sich: „Wir nahmen die Fensterscheibe im Waschraum aus dem Rahmen und überzogen sie mit Seife vermischt mit Kalk, den wir von der Wand abgekratzt hatten. Wenn das Gemisch trocken war, hatten wir eine recht passable Tafel, auf die wir jeden Tag eine Lektion schreiben konnten. Ein Bruder diktierte leise und ein anderer schrieb auf der Scheibe mit.
Wir waren auf mehrere Zellen verteilt, die jeweils eine Studiengruppe bildeten. Jede Lektion wurde an alle Brüder in der Zelle weitergegeben. Da unsere ‚Schreibtafel‘ immer nur in einer Zelle war, wurde der Text in die anderen Zellen gemorst. Wie ging das? Ein Bruder klopfte die Morsezeichen so leise wie möglich an die Wand oder an die Heizungsrohre. Die Brüder in den anderen Zellen hielten ihre Tassen an die Wand oder an die Rohre, legten das Ohr an die Tasse und benutzten sie so als Hörer. Wer die Morsezeichen nicht kannte, musste sie natürlich lernen.“
In manchen Gefängnissen erhielten die Brüder frische geistige Speise von außerhalb durch Schwestern, die sich als nicht minder geschickt und einfallsreich erwiesen. Zum Beispiel schleusten sie Literatur in selbst gebackenem Brot ein. Die Brüder nannten es liebevoll „Brot vom Himmel“. Die Schwestern schafften es sogar, Bibelteile ins Gefängnis zu schmuggeln. Sie falteten die Seiten mehrmals zusammen, steckten sie in kleine Plastikkugeln und überzogen diese mit Schokolade und Kakaopulver.
Das Unangenehme an der Sache war, dass die Brüder nur auf der Toilette lesen konnten, dem einzigen Ort, an dem sie ein paar Minuten unbewacht waren. Wenn sie fertig waren, versteckten sie ihre Lektüre hinter dem Wasserkasten. Nichtzeugen wussten ebenfalls von dem Versteck und viele freuten sich, dass auch sie ungestört ein wenig lesen konnten.
Frauen und Kinder bewahren die Lauterkeit
Die Geschwister Viorica und Aurica Filip wurden — wie viele andere Zeugen — von ihren Angehörigen sehr unter Druck gesetzt. Die beiden Mädchen hatten sieben Brüder und eine Schwester. Viorica erzählt: „Weil Aurica gern Jehova dienen wollte, musste sie 1973 von der Universität in Cluj-Napoca abgehen; kurz darauf ließ sie sich taufen. Ihr Eifer und ihre Aufrichtigkeit machten mich neugierig, und so begann auch ich, mich mit Gottes Wort zu befassen. Als ich erfuhr, dass Gott ewiges Leben in einem Paradies auf der Erde verheißen hat, dachte ich: ‚Etwas Besseres gibt’s doch gar nicht!‘ Während meines Studiums nahm ich mir nach und nach die biblischen Grundsätze über christliche Neutralität zu Herzen und lehnte es ab, der Kommunistischen Partei beizutreten.“
Viorica berichtet weiter: „Ich gab mich 1975 Jehova hin. Damals war auch ich schon von zu Hause weggezogen und wohnte bei Verwandten in Sighetu Marmaţiei, wo ich als Lehrerin arbeitete. Da ich mich aus der Politik heraushalten wollte, teilte man mir mit, ich würde zum Schuljahresende entlassen. Um das zu verhindern, begannen unsere Angehörigen, meiner Schwester und mir schwer zuzusetzen.“
Auch Schulkinder wurden eingeschüchtert — zum Teil von der Securitate. Sie wurden verbal und tätlich angegriffen, und viele wurden gezwungen, die Schule zu wechseln. Anderen versperrte man alle Wege zu einer höheren Bildung. Agenten versuchten sogar, Kinder als Spione zu rekrutieren!
Daniela Măluţan, die heute im Pionierdienst steht, erinnert sich: „Ich wurde oft vor der Klasse gedemütigt, weil ich nicht in die Union der kommunistischen Jugend eintreten wollte, in der junge Leute politisch indoktriniert wurden. Als ich in die 9. Klasse kam, machten mir Agenten der Securitate und Informanten unter den Lehrern und den Angestellten der Schule oft das Leben schwer. Von 1980 bis 1982 wurde ich fast jeden zweiten Mittwoch im Büro des Schulleiters verhört. Der Schulleiter selbst durfte übrigens bei den Verhören nicht dabei sein. Befragt wurde ich von einem Oberst der Securitate, der bei den Brüdern im Kreis Bistriţa-Năsăud dafür bekannt war, dass er uns hasste und uns verbissen verfolgte. Er kam sogar mit Briefen an, in denen verantwortliche Brüder belastet wurden. Sein Ziel war es, mein Vertrauen in die Brüder zu untergraben, mich vom Glauben abzubringen und mich — ein Schulmädchen — zu einer Spionin der Securitate zu machen. Nichts davon ist ihm gelungen.
Ich habe allerdings nicht nur schlechte Erfahrungen gemacht. Mein Geschichtslehrer zum Beispiel, der Parteimitglied war, wollte wissen, warum ich so oft verhört wurde. Eines Tages ließ er den Geschichtsunterricht ausfallen und befragte mich zwei Stunden lang vor der ganzen Klasse ausführlich über meinen Glauben. Meine Antworten beeindruckten ihn, und er fand es nicht richtig, dass man mich so unfreundlich behandelte. Von da an respektierte er unsere Ansichten und nahm sogar Literatur.
Die Schulverwaltung machte mir aber weiterhin Schwierigkeiten. Sie sorgte dafür, dass ich nach der 10. Klasse von der Schule abging. Ich fand aber sofort Arbeit und habe es nie bereut, dass ich Jehova treu geblieben bin. Ich bin ihm wirklich dankbar, dass ich von christlichen Eltern erzogen wurde, die trotz allem, was ihnen unter dem Kommunismus angetan wurde, an ihrer Lauterkeit festhielten. Sie sind mir noch heute ein gutes Vorbild.“
Junge Männer machen Prüfungen durch
In ihrem Kampf gegen Jehovas Zeugen hatte es die Securitate vor allem auf junge Brüder abgesehen, die ihre christliche Neutralität bewahren wollten. Sie wurden verhaftet, eingesperrt, freigelassen, aufs Neue verhaftet und wieder ins Gefängnis geworfen — all das mit dem Ziel, sie zu zermürben. Einer dieser Brüder war József Szabó. Er wurde unmittelbar nach seiner Taufe zu 4 Jahren Haft verurteilt.
Im Jahr 1976 kam József nach zweijähriger Haft frei und wenig später lernte er seine zukünftige Frau kennen. „Wir verlobten uns und legten das Hochzeitsdatum fest“, erzählt József. „Dann bekam ich wieder eine Vorladung vors Militärgericht in Cluj. Ausgerechnet am Tag unserer Hochzeit sollte ich dort erscheinen! Meine Verlobte und ich verschoben unseren Hochzeitstermin aber trotzdem nicht, sondern ich ging erst hinterher zum Gericht. Obwohl ich gerade erst ein paar Minuten verheiratet war, wurde ich zu weiteren 3 Jahren Gefängnis verurteilt, die ich auch absitzen musste. Ich kann gar nicht beschreiben, wie weh mir diese Trennung tat.“
Ein anderer junger Zeuge, Timotei Lazăr, erinnert sich: „Mein jüngerer Bruder und ich wurden 1977 aus dem Gefängnis entlassen. Unser älterer Bruder, der ein Jahr vorher freigekommen war, kam nach Hause, um diesen Anlass mit uns zu feiern. Doch er tappte geradewegs in eine Falle — die Securitate wartete schon auf ihn. Wir waren nun 2 Jahre, 7 Monate und 15 Tage gewaltsam von unserem Bruder getrennt gewesen und jetzt wurde er uns wieder entrissen und wegen seiner christlichen Neutralität ins Gefängnis geworfen. Meinem jüngeren Bruder und mir brach schier das Herz.“
Gedächtnismahlfeiern
An den Gedächtnismahlabenden war die Hetzjagd auf Jehovas Zeugen immer besonders wild. Es wurden Häuser durchsucht, Geldstrafen verhängt und Verhaftungen vorgenommen. Aus diesem Grund gedachten die Brüder des Todes Jesu vorsichtshalber in kleinen Gruppen — manchmal nur im Familienkreis.
Teodor Pamfilie erzählt: „Am Tag des Gedächtnismahls saß der örtliche Polizeichef einmal lange mit Freunden beim Alkohol zusammen. Als er dann wegwollte, um bei Brüdern eine Razzia zu machen, fragte er einen Fremden mit Auto, ob er ihn fahren könne. Aber das Auto wollte nicht anspringen. Irgendwann lief der Motor dann doch, und sie kamen zu unserem Haus, wo wir in einer kleinen Gruppe das Gedächtnismahl feierten. Da wir alle Fenster gut verdunkelt hatten, sahen sie jedoch kein Licht und dachten, es sei niemand zu Hause. Also fuhren sie zu einem anderen Haus. Doch dort war die Feier bereits vorbei und alle waren weg.
Auch wir hatten inzwischen unser Programm beendet und die Brüder waren schnell fortgegangen. Nur mein leiblicher Bruder und ich waren noch da, als zwei Polizisten hereinplatzten, sich im Zimmer postierten und brüllten: ‚Was geht hier vor?‘
‚Nichts‘, sagte ich. ‚Ich habe mich mit meinem Bruder unterhalten.‘
‚Hier hat doch ein Treffen stattgefunden‘, sagte einer der Männer. ‚Wo sind die anderen?‘ Mit Blick auf meinen Bruder fragte er: ‚Und was machen Sie hier?‘
‚Ich bin bei ihm zu Besuch‘, antwortete mein Bruder und deutete mit der Hand in meine Richtung. Frustriert stürmten die Polizisten hinaus. Am nächsten Tag erfuhren wir, dass sie trotz allen Eifers nicht einen Einzigen verhaften konnten!“
Weltzentrale appelliert an rumänische Behörden
Wegen der harten Behandlung der Zeugen Jehovas sah sich die Weltzentrale veranlasst, im März 1970 einen 4-seitigen Brief an den rumänischen Botschafter in den Vereinigten Staaten zu schreiben und im Juni 1971 einen 6-seitigen Brief an den rumänischen Präsidenten Nicolae Ceauşescu. Dem Botschafter teilten die Brüder Folgendes mit: „Christliche Liebe zu unseren Brüdern in Rumänien und die Sorge um sie hat uns dazu bewogen, uns an Sie zu wenden.“ Nach einer namentlichen Aufzählung von 7 Brüdern, die aus Glaubensgründen inhaftiert waren, hieß es: „Es wurde berichtet, dass einige der oben genannten Personen im Gefängnis sehr grausam behandelt worden sind. ... Jehovas Zeugen sind keine Kriminellen. Sie sind nirgends in der Welt irgendwie politisch oder subversiv tätig, sondern beschränken ihr Wirken ausschließlich auf ihre Gottesanbetung.“ Der Brief schloss mit einem Appell an die Regierung, „den leidenden Zeugen Jehovas Erleichterung zu gewähren“.
In dem Schreiben an Präsident Ceauşescu wurde erklärt, dass Jehovas Zeugen in Rumänien „nicht die in der rumänischen Verfassung vorgesehene Religionsfreiheit“ genossen, sondern Gefahr liefen, verhaftet und grausam behandelt zu werden, wenn sie mit anderen über ihren Glauben sprachen oder sich zum Bibelstudium versammelten. Ferner wurde auf eine kurz vorher erlassene Amnestie aufmerksam gemacht, die vielen Brüdern die Freiheit gebracht hatte. Man habe gehofft, dass auch für Jehovas Zeugen „eine neue Ära anbrechen“ würde, so der Brief. „Doch leider hat sich diese Erwartung nicht erfüllt. Aktuelle Berichte aus ganz Rumänien bestätigen ein und dieselbe traurige Tatsache: Jehovas Zeugen sind nach wie vor Zielscheibe staatlicher Verfolgung. Ihre Häuser werden durchsucht, Druckerzeugnisse beschlagnahmt, Männer und Frauen verhaftet und verhört, manche zu jahrelanger Haft verurteilt und manche grausam behandelt — und das alles, weil sie das Wort unseres Gottes Jehova lesen und predigen. So etwas ist dem guten Ruf eines Landes nicht zuträglich, und wir sind tief besorgt über das, was Jehovas Zeugen in Rumänien widerfährt.“
Dem Schreiben wurden zwei Bücher beigelegt: Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt in Rumänisch und Ewiges Leben — in der Freiheit der Söhne Gottes in Deutsch.
Die Lage der Zeugen Jehovas besserte sich allmählich, nachdem Rumänien im Jahr 1975 die Schlussakte von Helsinki der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa unterzeichnet hatte. Sie sollte Menschenrechte und Grundfreiheiten — einschließlich Religionsfreiheit — garantieren. Von da an wurden nur noch Wehrdienstverweigerer verhaftet und inhaftiert.
Im Jahr 1986 wurde in einer neuen Verfassung festgelegt, dass niemand — auch keine Amtspersonen — eine Privatwohnung ohne Erlaubnis des Bewohners betreten darf, außer in bestimmten gesetzlich festgelegten Fällen. Nun konnten sich die Brüder beim Gedächtnismahl und bei anderen christlichen Zusammenkünften in Privathäusern endlich sicherer fühlen.
Drucken im Untergrund
Während des Verbots wurde geistige Speise unter anderem auf Matrizen oder bereits in gedruckter Form heimlich nach Rumänien gebracht und dort vervielfältigt. Die Texte wurden zum Teil schon in Rumänisch oder in Ungarisch geliefert, doch normalerweise mussten sie im Land erst aus dem Englischen, Französischen, Deutschen oder Italienischen übersetzt werden. Als Kuriere dienten die verschiedensten Personen, wie zum Beispiel Touristen und Studenten aus dem Ausland oder Einheimische, die von einer Reise zurückkehrten.
Die Securitate versuchte mit allen Mitteln, die Kuriere abzufangen und herauszubekommen, wo in Rumänien Literatur hergestellt wurde. Mit großer Vorsicht arbeiteten die Brüder in verschiedenen Städten in mehreren schalldichten Privatwohnungen. Sie bauten in Häusern geheime Abteile oder Räume ein, in denen sie ihre Vervielfältigungsausrüstung aufstellten. Manche dieser Räume waren hinter Kaminen verborgen, die normalerweise mit der Wand verbunden waren. Die Brüdern bauten sie aber so um, dass man sie bewegen und dahinter zu einem versteckten Eingang gelangen konnte.
Sándor Parajdi half in Tîrgu Mureş an einem geheimen Ort beim Drucken des Tagestextes, des Königreichsdienstes, des Wachtturms und des Erwachet! mit. „An den Wochenenden arbeiteten wir bis zu 40 Stunden und legten uns abwechselnd eine Stunde schlafen“, erinnert sich Sándor. „Der Geruch von Chemikalien drang durch unsere Kleidung und unsere Haut. Als ich einmal nach Hause kam, sagte mein dreijähriger Sohn: ‚Vati, du riechst ja wie der Tagestext!‘ “
Traian Chira, der Frau und Kinder hatte, vervielfältigte und beförderte Literatur im Bezirk Cluj. Zur Vervielfältigung benutzte er ein altes, handbetriebenes Gerät — „die Mühle“ genannt —, das längst hätte ausrangiert werden müssen. Es funktionierte zwar, aber mit dem, was es von sich gab, hätte man keine Preise gewinnen können. Traian bat deshalb einen Bruder, der Mechaniker war, das Gerät zu überholen. Der Bruder schaute es sich an, aber sein ernstes Gesicht sagte alles: Die alte „Mühle“ war nicht mehr zu retten. Dann strahlte er auf einmal und sagte: „Ich kann dir eine neue bauen!“ Doch damit nicht genug. Er richtete bei einer Schwester im Keller eine Werkstatt ein und baute sich eine Drehbank. Damit machte er nicht nur ein Vervielfältigungsgerät, sondern mehr als zehn! Die neuen „Mühlen“ wurden in verschiedene Landesteile verschickt und leisteten hochwertige Arbeit.
In den 1980er Jahren wurden einige Brüder in die Bedienung von Offset-Vervielfältigungsgeräten eingewiesen, die besser waren als andere Maschinen. Der Erste, der geschult wurde, war Nicolae Bentaru, der wiederum andere anlernte. Wie so oft war die Literaturproduktion auch im Hause Bentaru ein Familienprojekt, bei dem jeder seine Aufgaben zu erfüllen hatte. Vor allem in der Zeit, als die Securitate Leute bespitzelte und Häuser durchsuchte, war es natürlich nicht einfach, solche Aktionen geheim zu halten. Es musste alles schnell gehen, und die Brüder arbeiteten am Wochenende gewöhnlich sehr lange, um die Literatur zu drucken und zu verschicken. Warum am Wochenende? Weil sie wochentags ihrer regulären Arbeit nachgingen.
Auch beim Papierkauf mussten die Brüder vorsichtig sein. Schon wenn ein Käufer ein halbes Ries (500 Bogen) verlangte, musste er angeben wofür. Die Brüder verbrauchten jedoch monatlich bis zu 40 000 Bogen! Sie mussten also im Umgang mit den Verkäufern sehr umsichtig vorgehen. Und wegen der häufigen Straßenkontrollen war auch beim Transport Vorsicht geboten.
Übersetzen — eine schwierige Aufgabe
Etliche Brüder und Schwestern in verschiedenen Teilen Rumäniens übersetzten die Literatur in Regionalsprachen, wie etwa Ukrainisch, das von einer ethnischen Minderheit im Norden gesprochen wurde. Einige Übersetzer waren Sprachlehrer, die zur Wahrheit gekommen waren, andere wiederum hatten sich selbst eine Fremdsprache beigebracht — zum Beispiel durch Sprachkurse.
Die Übersetzer schrieben anfangs ihre Texte noch per Hand in Schreibhefte, die sie dann zum Korrekturlesen nach Bistriţa, einer Stadt im Norden Rumäniens, brachten. Ein- bis zweimal im Jahr kamen die Übersetzer und die Korrekturleser zusammen, um Fragen zu besprechen. Wurden sie erwischt, war es keine Seltenheit, dass sie durchsucht, verhört, geschlagen und verhaftet wurden. Diejenigen, die verhaftet wurden, ließ man nach einigen Stunden oder Tagen frei und nahm sie dann erneut fest — immer und immer wieder, um sie einzuschüchtern. Andere wurden unter Hausarrest gestellt oder mussten sich täglich bei der Polizei melden. Nicht wenige kamen ins Gefängnis, unter anderem Dumitru und Doina Cepănaru sowie Petre Ranca.
Dumitru Cepănaru war Lehrer für Rumänisch und Geschichte und seine Frau Doina war Ärztin. Die Securitate kam den beiden irgendwann auf die Spur, nahm sie fest und schickte sie getrennt voneinander siebeneinhalb Jahre ins Gefängnis. Doina verbrachte fünf davon in Einzelhaft. Übrigens wurden die beiden in dem erwähnten Schreiben der Weltzentrale an den rumänischen Botschafter in den Vereinigten Staaten namentlich genannt. Doina schrieb während der Haft an ihren Mann und an inhaftierte Glaubensschwestern 500 Briefe, um sie zu ermuntern.
Ein Jahr nach Dumitrus und Doinas Verhaftung wurde auch Dumitrus Mutter Sabina Cepănaru festgenommen; sie saß 5 Jahre und 10 Monate im Gefängnis. Der Einzige in der Familie, der sich noch auf freiem Fuß befand — wenn auch von der Securitate scharf überwacht —, war Sabinas Ehemann, der ebenfalls ein Zeuge Jehovas war. Er besuchte regelmäßig alle drei Familienmitglieder, obwohl er sich dadurch selbst in große Gefahr brachte.
Im Jahr 1938 wurde Petre Ranca Sekretär des rumänischen Büros der Zeugen Jehovas. Diese Aufgabe — ganz zu schweigen von seiner Tätigkeit als Übersetzer — machte ihn zu einem besonders gesuchten Mann. 1948 kam ihm die Securitate auf die Spur, nahm ihn wiederholt fest und stellte ihn 1950 zusammen mit Martin Magyarosi und Pamfil Albu vor Gericht. Er wurde beschuldigt, einem angloamerikanischen Spionagering anzugehören und musste 17 Jahre in einigen der schlimmsten Gefängnisse des Landes zubringen, und zwar in Aiud, Gherla und Jilava; außerdem wurde er im Bezirk Galaţi 3 Jahre unter Hausarrest gehalten. Trotz allem gab dieser treue Bruder im Dienst für Jehova sein Bestes, bis er am 11. August 1991 seinen irdischen Lauf beendete.
Der liebevolle Einsatz solcher Bewahrer der Lauterkeit erinnert uns an die Worte: „Gott ist nicht ungerecht, dass er eure Arbeit und die Liebe vergessen würde, die ihr seinem Namen gegenüber erzeigt habt, indem ihr den Heiligen dientet und noch dient“ (Heb. 6:10).
Kongresse im Freien
In den 1980er Jahren versammelten sich die Brüder bei Hochzeiten, Beerdigungen und anderen Anlässen erstmals in größeren Gruppen — mitunter zu Tausenden. Bei Hochzeiten zum Beispiel stellten sie an einem passenden Ort in der Umgebung ein großes Zelt auf und schmückten es mit schönen Teppichen aus, in die biblische Szenen und Bibeltexte eingewebt waren. Für die vielen „Gäste“ wurden Tische und Stühle aufgestellt und hinter dem Podium hing ein Plakat mit dem überdimensionalen Schriftzug Der Wachtturm und dem Jahrestext. Die Verkündiger vor Ort sorgten gemäß ihren Mitteln für Verpflegung. So konnten die Anwesenden in zweierlei Hinsicht Festmahl halten — buchstäblich und geistig.
Das Programm begann mit einer Hochzeits- oder einer Beerdigungsansprache und ging dann mit Vorträgen über verschiedene biblische Themen weiter. Da die Redner manchmal nicht rechtzeitig da sein konnten, standen immer befähigte Brüder zum Einspringen bereit; diese hatten normalerweise keine gedruckten Dispositionen, sondern gebrauchten nur die Bibel.
Im Sommer strömten Städter in Scharen zur Erholung aufs Land, darunter auch Zeugen Jehovas. Letztere nutzten die Ausflüge jedoch dazu, in Wäldern und auf Bergen kleine Kongresse abzuhalten. Dabei wurden sogar biblische Dramen in Kostümen aufgeführt.
Ein weiterer beliebter Ferienort war das Schwarze Meer, das auch für Taufen ideal war. Wie wurden Neue untergetaucht, ohne dass es auffiel? Das geschah zum Beispiel bei einer Art Spiel. Die Taufbewerber und einige getaufte Verkündiger standen im Wasser im Kreis und spielten Ball. Der Redner stellte sich in die Mitte, hielt die Ansprache und dann wurden die Taufbewerber untergetaucht — ganz unauffällig natürlich.
Ein Saal für Imker
Im Jahr 1980 hatten die Brüder in Negreşti-Oaş, einer Stadt in Nordwestrumänien, eine geniale Idee, wie sie die Baugenehmigung für einen Königreichssaal bekommen könnten. In Rumänien wurde damals die Bienenzucht staatlich gefördert. Einige Brüder, die Bienenstöcke hatten, kamen auf den Gedanken, am Ort einen Imkerverein zu gründen, was sie zum Bau eines Versammlungsgebäudes berechtigen würde.
Nachdem sie sich mit den Ältesten im Kreis beraten hatten, ließen sich die Brüder bei der rumänischen Bienenzüchtervereinigung eintragen und reichten bei der Stadt den Bauantrag für ihr Versammlungsgebäude ein. Anstandslos wurde ihnen ein 34 Meter langes und 14 Meter breites Gebäude aus Holz genehmigt. Begeistert zogen die Imker und ihre vielen Helfer das Projekt in drei Monaten durch. Vertreter der Stadt sagten ihnen sogar noch eigens dafür Dank!
Da die Eröffnungsversammlung gut besucht sein und mehrere Stunden dauern würde, beantragten die Brüder, das Gebäude für ein Erntefest nutzen zu dürfen, was ihnen auch genehmigt wurde. Zu dem Anlass kamen über 3 000 Zeugen aus allen Landesteilen. Vertreter der Stadt wunderten sich, wie viele bei der Getreideernte helfen und hinterher gemeinsam „feiern“ wollten.
Die Feier erwies sich für die Versammelten natürlich als eine geistige Bereicherung. Dem offiziellen Zweck des Gebäudes entsprechend, wurden bei dem Programm oft Bienen erwähnt — allerdings im geistigen Kontext. Die Redner betonten den Fleiß der Bienen, ihre Navigations- und Organisationsfähigkeiten, wie sie sich zum Schutz des Bienenstocks mutig aufopfern und vieles andere mehr.
Von jenem Tag an wurde der „Bienensaal“, wie ihn die Brüder nannten, noch bis drei Jahre nach Ende des Verbots genutzt.
Zonenaufseher helfen, die Einheit zu fördern
Die Kommunisten versuchten jahrzehntelang mit allen Mitteln, die Kommunikation innerhalb des Volkes Gottes zu unterbinden und Zweifel und Uneinigkeit zu säen. Wie schon erwähnt, hatten sie dabei auch einen gewissen Erfolg. Manche Unstimmigkeiten zogen sich bis in die 1980er Jahre hin. Doch die Besuche von Zonenaufsehern sowie der politische Klimawandel schufen hier Abhilfe.
Gerrit Lösch, der früher im österreichischen Zweigkomitee war und heute der leitenden Körperschaft angehört, kam ab Mitte der 1970er Jahre mehrere Male nach Rumänien. 1988 reisten Theodore Jaracz und Milton Henschel als Vertreter der leitenden Körperschaft zweimal dorthin, begleitet von Bruder Lösch und Jon Brenca, der damals noch zur Bethelfamilie in den Vereinigten Staaten gehörte und ihnen als Dolmetscher diente. Die ermunternden Besuche dieser Männer hatten zur Folge, dass Tausende von Brüdern, die sich vom Gros des Volkes Jehovas getrennt hatten, wieder vertrauensvoll zur Herde zurückkehrten.
Nach und nach stellten sich immer stärkere politische Veränderungen ein, die den kommunistischen Teil Europas bis in die Grundfesten erschütterten und Ende der 1980er Jahre darin gipfelten, dass die meisten dieser Regime zusammenbrachen. In Rumänien spitzte sich die Lage 1989 zu, als das Volk gegen die kommunistische Führung aufbegehrte. Am 25. Dezember wurden der Parteichef Nicolae Ceauşescu und seine Frau hingerichtet. Im Jahr darauf wurde eine neue Regierung eingesetzt.
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RumänienJahrbuch der Zeugen Jehovas 2006
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[Kasten/Bild auf Seite 124, 125]
Wir prägten uns 1 600 Bibelverse ein
Dionisie Vârciu
Geburtsjahr: 1926
Taufe: 1948
Kurzporträt: Ab 1959 war Dionisie mehr als fünf Jahre in verschiedenen Gefängnissen und Arbeitslagern. Er starb im Jahr 2002.
Während der Haft durften wir mit unseren Familien in Kontakt bleiben und jeden Monat ein bis zu 5 Kilogramm schweres Päckchen erhalten. Die Päckchen wurden allerdings nur denen ausgehändigt, die ihr Arbeitspensum geschafft hatten. Die Lebensmittel wurden immer brüderlich geteilt — normalerweise in etwa 30 Portionen. Das geschah auch einmal mit zwei Äpfeln. Die Stückchen waren natürlich winzig, aber unser Hunger wurde doch ein bisschen gelindert.
Obwohl wir weder Bibeln noch Studienhilfsmittel besaßen, blieben wir geistig stark, denn wir versuchten uns an früher Gelerntes zu erinnern und erzählten es einander. Wir hatten abgemacht, dass jeden Morgen ein Bruder einen Bibelvers aus dem Kopf zitieren sollte. Dann murmelte jeder den Text vor sich hin und dachte beim morgendlichen 15- bis 20-minütigen Hofgang darüber nach. In der Zelle, wo 20 Mann auf 8 Quadratmetern zusammengepfercht waren, sprachen wir anschließend noch eine halbe Stunde darüber. Auf diese Weise schafften wir es, uns alle zusammen insgesamt 1 600 Bibelverse einzuprägen. Mittags besprachen wir andere Themen und 20 bis 30 damit verbundene Schriftstellen. Jeder bemühte sich, den Stoff im Kopf zu behalten.
Ein Bruder dachte anfangs, er sei schon zu alt, um sich noch viele Bibeltexte zu merken. Aber er hatte sich unterschätzt. Nachdem er die Texte 20-mal von uns gehört hatte, konnte auch er zu seiner großen Freude viele Schriftstellen auswendig zitieren!
Wir waren natürlich hungrig und schwach, aber in geistiger Hinsicht hat uns Jehova gut ernährt. Das Geistiggesinntsein mussten wir uns auch nach der Haft bewahren, denn wir wurden ständig von der Securitate verfolgt, die uns vom Glauben abbringen wollte.
[Kasten auf Seite 132, 133]
Vervielfältigungsverfahren
In den 1950er Jahren war das einfachste und praktischste Verfahren zur Vervielfältigung von Bibelstudienhilfsmitteln das Abschreiben per Hand — oft mit Durchschlagpapier. Das war zwar mühsam und langwierig, aber es hatte einen besonders positiven Nebeneffekt — die Abschreiber prägten sich viel von dem Inhalt ein. Wurden sie verhaftet, konnten sie damit andere im Gefängnis geistig sehr ermuntern. Auch Schreibmaschinen wurden verwendet, aber sie mussten bei der Polizei gemeldet werden und waren schwer zu bekommen.
Ende der 50er Jahre kamen Vervielfältigungsgeräte auf. Um Matrizen herzustellen, verteilten die Brüder ein Gemisch aus Leim, Gelatine und Wachs gleichmäßig dünn auf eine glatte, rechteckige Fläche — möglichst aus Glas. Mit einer speziellen selbst gemachten Tinte wurde der Text auf Papier geschrieben. Bevor die Tinte trocken war, wurde die beschriebene Seite gleichmäßig auf die Wachsfläche gepresst, sodass eine Matrize entstand. Leider hielten diese Matrizen nicht lange und man brauchte ständig neue. Außerdem stellten sie — wie auch die Abschriften per Hand — ein Sicherheitsrisiko dar, denn über die Handschrift konnte man den Schreiber herausfinden.
Von den 70er Jahren bis in die letzten Verbotsjahre bauten und betrieben die Brüder mehr als zehn tragbare, handbetriebene Vervielfältigungsgeräte. Sie waren nach einem österreichischen Modell konstruiert und die Druckformen bestanden aus kunststoffbeschichtetem Papier. Die Brüder nannten die Geräte scherzhaft „die Mühle“. Ab Ende der 70er Jahre wurden dann einige Bogenoffsetmaschinen beschafft, die zunächst jedoch nicht in Betrieb genommen wurden, weil die Brüder nicht wussten, wie man Druckplatten herstellt. 1985 begann dann ein Bruder, ein Chemieingenieur aus der damaligen Tschechoslowakei, den Brüdern die notwendigen Kenntnisse zu vermitteln. Dadurch wurden Quantität und Qualität der Druckerzeugnisse merklich gesteigert.
[Kasten/Bild auf Seite 136, 137]
Jehova hat mich geschult
Nicolae Bentaru
Geburtsjahr: 1957
Taufe: 1976
Kurzporträt: Nicolae diente in der kommunistischen Ära als Drucker und ist jetzt mit seiner Frau Veronica im Sonderpionierdienst tätig.
Ich begann 1972 in Săcele die Bibel zu studieren und ließ mich vier Jahre später im Alter von 18 Jahren taufen. Das Werk war damals verboten und die Brüder konnten sich nur im Rahmen von Buchstudiengruppen versammeln. Trotzdem wurden wir regelmäßig mit geistiger Speise versorgt — wir hatten sogar biblische Dramen in Form von Lichtbildern mit begleitenden Tonaufnahmen.
Meine erste Aufgabe nach der Taufe bestand darin, den Projektor zu bedienen. Zwei Jahre später durfte ich dann zusätzlich für unsere Drucktätigkeit im Untergrund Papier einkaufen. 1980 lernte ich das Drucken und half bei der Produktion der Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet! sowie anderer Veröffentlichungen mit. Wir benutzten einen Mimeographen und ein anderes kleines, manuell betriebenes Vervielfältigungsgerät.
In der Zwischenzeit hatte ich Veronica kennen gelernt, eine tüchtige Schwester, die Jehova die Treue bewiesen hatte. Sie wurde meine Frau und war mir bei meiner Tätigkeit eine große Stütze. 1981 brachte mir Otto Kuglitsch aus dem österreichischen Zweigbüro bei, wie unsere erste Bogenoffsetmaschine zu bedienen war. 1987 nahmen wir in Cluj-Napoca eine zweite in Betrieb, und ich wurde beauftragt, die Brüder dort anzulernen.
Nach Ende des Verbots im Jahr 1990 waren Veronica und ich zusammen mit unserem Sohn Florin noch 8 Monate mit dem Drucken und Verteilen von Literatur beschäftigt. Florin half beim Kollationieren der gedruckten Seiten, die anschließend gepresst, beschnitten, gestapelt, verpackt und ausgeliefert wurden. Im Jahr 2002 erhielten wir alle drei eine Pionierzuteilung in Mizil, einer Stadt mit 15 000 Einwohnern etwa 80 Kilometer nördlich von Bukarest. Veronica und ich dienen als Sonderpioniere und Florin ist allgemeiner Pionier.
[Kasten/Bild auf Seite 139, 140]
Jehova schlug den Feind mit Blindheit
Ana Viusencu
Geburtsjahr: 1951
Taufe: 1965
Kurzporträt: Schon von früher Jugend an ging sie ihren Eltern bei der Vervielfältigung von Literatur zur Hand. Später half sie bei der Übersetzung von Veröffentlichungen ins Ukrainische mit.
Im Jahr 1968 schrieb ich eines Tages wieder einmal einen Wachtturm zum Vervielfältigen auf Papiermatrizen ab. Gedankenlos ließ ich die Matrizen auf dem Tisch liegen und ging zu einer Zusammenkunft. Als ich um Mitternacht nach Hause kam, hörte ich ein Auto vorfahren. Noch bevor ich nachsehen konnte, wer es war, kamen fünf Männer von der Securitate mit einem Durchsuchungsbefehl zur Tür herein. Der Schreck fuhr mir in die Glieder, aber ich blieb gefasst. Ich flehte zu Jehova, er möge mir doch meine Nachlässigkeit verzeihen, und versprach ihm, meine Sachen nie wieder offen liegen zu lassen.
Der leitende Polizeibeamte setzte sich genau an den Tisch, wo die Matrizen lagen, die ich nur flüchtig mit einem Tuch zugedeckt hatte, als das Auto kam. Der Mann saß einige Stunden dort, bis die Durchsuchung zu Ende war. Während er nur wenige Zentimeter neben den Matrizen seinen Bericht abfasste, rückte er das Tuch gelegentlich zurecht. In seinem Bericht notierte er, dass weder im Haus noch bei irgendwelchen Personen verbotene Literatur gefunden worden sei.
Dennoch nahmen sie Vater nach Baia Mare mit. Mutter und ich beteten inbrünstig für ihn und dankten Jehova, dass er uns in dieser Nacht beschützt hatte. Zu unserer großen Erleichterung kam Vater nach einigen Tagen wieder heim.
Wenig später war ich wieder einmal damit beschäftigt, Abschriften herzustellen, als erneut ein Wagen vor dem Haus hielt. Ich löschte das Licht und sah von dem verdunkelten Fenster aus mehrere uniformierte Männer mit blinkenden Abzeichen auf den Schulterstücken aus dem Auto steigen und in das Haus gegenüber gehen. Am nächsten Abend wurden sie von anderen abgelöst. Das bestätigte unsere Vermutung, dass es sich um Spione der Securitate handelte. Wir vervielfältigten trotzdem weiter, trugen aber unsere Sachen zur Sicherheit immer durch den Garten hinter dem Haus weg.
Vater sagte oft: „Die Straße zwischen uns und dem Feind ist wie die Wolkensäule zwischen den Israeliten und den Ägyptern“ (2. Mo. 14:19, 20). Ich habe persönlich erlebt, wie Recht er damit hatte!
[Kasten/Bild auf Seite 143, 144]
Ein beschädigter Auspuff war unsere Rettung
Traian Chira
Geburtsjahr: 1946
Taufe: 1965
Kurzporträt: Einer der Brüder, die in den Verbotsjahren für die Herstellung und den Transport von Literatur verantwortlich waren.
Eines schönen Sonntags im Sommer lud ich in aller Frühe acht Taschen Literatur in mein Auto. Da nicht alle in den Kofferraum passten, baute ich den Rücksitz aus und verstaute auch dort einen Teil. Ich legte eine Decke darüber und warf ein Kissen darauf. Nun würde es so aussehen, als wollte ich mit meiner Familie an den Strand. Vorsichtshalber deckte ich auch die Literatur im Kofferraum mit einer Decke zu.
Nachdem wir um Jehovas Segen gebetet hatten, machten wir uns zu fünft — meine Frau, unsere beiden Jungen, unsere Tochter und ich — mit der Literatur nach Tîrgu Mureş und Braşov auf den Weg. Auf der Fahrt sangen wir Königreichslieder. Nach ungefähr 100 Kilometern kamen wir zu einem Straßenabschnitt mit lauter Schlaglöchern. Die schwere Ladung drückte das Auto nach unten und irgendwann kamen wir mit dem Auspuff auf der Straße auf und er ging kaputt. Ich fuhr an die Seite und verstaute das defekte Teil im Kofferraum neben dem Ersatzrad, legte es aber auf die Decke. Dann ging es mit lautem Getöse weiter!
In Luduş hielt uns ein Polizist an, um die Fahrtüchtigkeit unseres Autos zu prüfen. Er schaute nach der Motornummer, probierte Hupe, Scheibenwischer, Licht und noch manches andere aus und wollte dann das Reserverad sehen. Auf dem Weg zum Kofferraum beugte ich mich nach vorn und flüsterte meiner Frau und den Kindern durchs Fenster zu: „Betet! Jetzt kann uns nur noch Jehova helfen.“
Als ich den Kofferraum öffnete, entdeckte der Polizist sofort das beschädigte Auspuffrohr. „Was ist denn das?“, wollte er wissen. „Dafür müssen Sie Strafe zahlen!“ Voller Genugtuung über seinen Fund schloss er die Inspektion ab. Ich machte den Kofferraum zu und seufzte erleichtert auf. Noch nie habe ich so gern Strafe gezahlt! Es gab keinen weiteren Zwischenfall und die Brüder bekamen ihre Literatur.
[Kasten/Bild auf Seite 147-149]
Eine Begegnung mit der Securitate
Viorica Filip
Geburtsjahr: 1953
Taufe: 1975
Kurzporträt: Sie begann 1986 mit dem Vollzeitdienst und gehört heute zur Bethelfamilie.
Als meine Schwester Aurica und ich Zeuginnen Jehovas wurden, mussten wir in unserer Familie einiges aushalten. Doch so schmerzlich das auch war, es gab uns Kraft für spätere Begegnungen mit der Securitate. Eine dieser Begegnungen war an einem Dezemberabend im Jahr 1988. Ich wohnte damals bei Aurica und ihrer Familie in Oradea unweit der ungarischen Grenze.
Ich war gerade auf dem Weg zu einem Bruder, der die Übersetzungsarbeiten beaufsichtigte, und hatte eine Zeitschrift in der Handtasche, die ich Korrektur las. Ich wusste nicht, dass das Haus des Bruders von der Securitate durchsucht wurde und alle, die dort wohnten oder zu Besuch kamen, verhört wurden. Nachdem ich begriffen hatte, was da vor sich ging, konnte ich die Zeitschrift zum Glück gerade noch unbemerkt verbrennen. Ich wurde dann zum weiteren Verhör zusammen mit anderen Zeugen zur Securitate gebracht.
Das Verhör dauerte die ganze Nacht. Am nächsten Tag durchsuchten sie meinen offiziellen Wohnsitz, ein Häuschen in dem nahe gelegenen Dorf Uileacu de Munte. Ich wohnte seinerzeit nicht dort, sondern das Haus diente den Brüdern als Materiallager für die Untergrundtätigkeit. Als das Material entdeckt wurde, brachte man mich wieder zur Securitate und schlug mich mit einem Gummiknüppel, um herauszubekommen, wem die Gegenstände im Haus gehörten oder wer direkt damit zu tun hatte. Ich flehte Jehova an, er möge mir doch helfen, die Schläge auszuhalten. Da überkam mich ein innerer Frieden und die Schläge taten immer nur ein paar Sekunden weh. Meine Hände waren aber bald so geschwollen, dass ich mich fragte, ob ich je wieder in der Lage sein würde, zu schreiben. Am Abend ließen sie mich gehen — völlig kraftlos, mit knurrendem Magen und ohne das kleinste bisschen Geld.
Von einem Securitate-Agenten beschattet, ging ich zum Busbahnhof. Da ich beim Verhör nicht verraten hatte, wo ich wohnte, konnte ich jetzt natürlich nicht gleich zu Auricas Haus fahren, ohne sie und ihre Familie in Gefahr zu bringen. Ich wusste weder aus noch ein, und so betete ich inbrünstig zu Jehova und sagte ihm, dass ich schrecklichen Hunger hatte und nur gar zu gern in meinem Bett schlafen würde. „Ob das zu viel verlangt ist?“, dachte ich.
Als ich zum Busbahnhof kam, fuhr gerade ein Bus ab. Obwohl ich kein Fahrgeld hatte, sprang ich schnell hinein. Der Bus fuhr zufällig in das Dorf, wo mein Haus stand. Der Mann von der Securitate hatte den Bus ebenfalls noch erwischt, und nachdem er mich gefragt hatte, wohin der Bus fuhr, war er auch schon wieder draußen. Ich folgerte daraus, dass mich jetzt ein anderer Agent in Uileacu de Munte erwarten würde. Zu meiner Erleichterung brauchte ich für die Fahrt nichts zu bezahlen. „Aber was soll ich denn in Uileacu de Munte?“, überlegte ich. Ich wollte nicht in mein Haus, denn dort hatte ich ohnehin nichts zu essen, nicht einmal ein Bett.
Während ich noch Jehova mein Herz ausschüttete, hielt der Fahrer im Außenbezirk von Oradea an, um einen Freund aussteigen zu lassen. Kurz entschlossen stieg ich mit aus. Als der Bus davonfuhr, durchströmte mich ein Glücksgefühl, und ich ging vorsichtig zur Wohnung eines mir bekannten Bruders. Bei meiner Ankunft nahm seine Frau gerade einen Topf Gulasch vom Herd — eine meiner Lieblingsspeisen. Die beiden luden mich zum Essen ein.
Etwas später, als ich mich sicher glaubte, machte ich mich auf den Weg zu Auricas Haus und legte mich dort in mein Bett. Jehova hatte mir doch tatsächlich beide Herzenswünsche erfüllt — ich hatte gut gegessen und lag in meinem eigenen Bett. Was für einen wunderbaren Vater wir doch haben!
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