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Miteinander reden — eine KunstErwachet! 1995 | 8. April
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Elaines Problem ist Schüchternheit. Sie berichtet: „Ich wuchs in einer Familie auf, in der es keine sinnvollen Gespräche gab. Mein Vater hatte ein ausgesprochen einschüchterndes Wesen. Während ich heranwuchs, wurde mir das Gefühl vermittelt, ich hätte sowieso nichts Bedeutsames zu sagen.“ Schüchternheit kann eine gewaltige Barriere bilden, so daß einem die Freude an einer Unterhaltung versagt bleibt. Ja, sie kann einen wie eine Mauer umgeben!
„Es ist einfach zu dumm“, klagt John, ein christlicher Ältester, der zugibt, daß geringe Selbstachtung ihm zu schaffen macht. „Gibt man der Schüchternheit nach, kapselt man sich ab. Selbst wenn hundert Leute in einem Raum versammelt sind, unterhält man sich mit keinem, und man selbst ist der Leidtragende.“
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Miteinander reden — eine KunstErwachet! 1995 | 8. April
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„Was kann ich sagen?“
„Worüber könnte ich sprechen?“ „Ich weiß nichts.“ „Niemand interessiert sich für das, was ich zu sagen habe.“ Wenngleich dir solche Gedanken kommen mögen, treffen sie wahrscheinlich nicht zu. Du weißt viel mehr, als dir bewußt ist, und einiges davon ist wahrscheinlich für andere von Interesse. Es könnte zum Beispiel sein, daß du vor kurzem eine Reise in eine andere Gegend gemacht hast. Vielleicht möchten andere gern erfahren, wie die Menschen dort leben.
Außerdem könnte und sollte man sein Allgemeinwissen verbessern, indem man liest. Es ist eine gute Gewohnheit, sich jeden Tag etwas Zeit zum Lesen zu nehmen. Die Literatur von Jehovas Zeugen enthält Wissenswertes über die Bibel und über Themen von allgemeinem Interesse. Je mehr Wissen man erwirbt, desto mehr Gesprächsstoff hat man. Guten Gesprächsstoff bietet zum Beispiel der Tagestext in der Broschüre Täglich in den Schriften forschen, die Jehovas Zeugen verwenden. So kann man jeden Tag über etwas anderes nachdenken und sprechen.
Eine Unterhaltung wird nicht nur von einer Person bestritten. Beide Gesprächspartner sollten Gedanken und Empfindungen zum Ausdruck bringen. Laß den anderen auch zu Wort kommen. Falls er etwas scheu ist, kann man ihn durch taktvolle Fragen ermutigen. Angenommen, man spricht mit einer älteren Person. Dann könnte man sich nach Ereignissen von früher erkundigen, oder man könnte fragen, wie sich die Welt oder das Familienleben im Vergleich zu damals geändert hat. Das Zuhören wird sicher Freude bereiten, und man lernt etwas.
Sei ein guter Zuhörer
Ein entscheidender Faktor bei der Unterhaltung ist das aufmerksame Zuhören. Durch die Art, wie wir zuhören, kann Personen, die Kummer haben und Beistand benötigen, wirklich geholfen werden. Ein Mann, der das Gefühl hatte, „nur noch für den Schrottplatz zu taugen“, rief hilfesuchend einen Freund an. Obwohl der Anruf zu einer äußerst ungünstigen Zeit kam, hörte der Freund geduldig zu — zwei Stunden lang. Heute betrachtet der Mann diese Unterhaltung als eine entscheidende Wende in seinem Leben. Was war ausschlaggebend? „Ich brauchte einfach nur ein guter Zuhörer zu sein“, meint der aufmerksame Freund. „Ich kann mich nicht erinnern, etwas besonders Kluges gesagt zu haben. Ich habe einfach die richtigen Fragen gestellt, wie zum Beispiel: ‚Warum empfindest du so?‘ ‚Weshalb beunruhigt es dich?‘ ‚Was könnte helfen?‘ Er beantwortete alle seine Fragen selbst, indem er auf meine einging.“
Kinder lieben Eltern, die sich Zeit für ein Gespräch nehmen. Scott, ein Jugendlicher, berichtet: „Es tut gut, wenn sich die Eltern zu einem setzen und sich erkundigen, was einen so beschäftigt. Vati hat das in letzter Zeit getan, und es war eine Hilfe, denn es gibt Dinge, mit denen man allein einfach nicht fertig wird.“
„Man muß eine Atmosphäre schaffen, in der die Kinder mit einem reden möchten“, rät ein Vater. Er verbringt regelmäßig mit jedem seiner vier Kinder Zeit, denn nach seiner Meinung ist das aufmerksame, einfühlsame Zuhören der Eltern entscheidend dafür, daß Jugendliche zu ausgeglichenen Persönlichkeiten heranwachsen. Wie lautet seine Empfehlung? Wenn sich die Gelegenheit ergibt und ein Kind reden möchte, dann sei bereit zuzuhören. „Ungeachtet dessen, wie müde oder überlastet du auch sein magst, weise es niemals ab! Höre zu!“ mahnt er.
Aufrichtige Anteilnahme stößt auf Gegenliebe
Viele Menschen benötigen emotionellen Beistand, damit sie sich öffnen und sich frei äußern können. Ein junger Mann klagte: „Ich muß mit jemandem sprechen, doch zu wem kann ich gehen? Es fällt mir nicht leicht, ein Gespräch zu beginnen. Ich muß spüren, daß jemand wirklich an mir interessiert ist.“ Echte, von Herzen kommende Zuwendung kann eine Atmosphäre des Vertrauens und der Sicherheit schaffen, so daß es einem Menschen leichter fällt, sein Herz zu öffnen und über seine innersten Gefühle zu sprechen.
Ein Familienvater berichtet: „Vor Jahren hatte ich Familienprobleme und wollte mich mit einem Freund unterhalten. Alles, was er sagte, war: ‚Reiß dich am Riemen, sei ein Mann; es wird schon wieder werden!‘ Es gab keinen Dialog, kein Gespräch, und es war keine Hilfe. Tatsächlich zog ich mich wieder in mein Schneckenhaus zurück. Später sprach ich mit einem Ältesten der Zeugen Jehovas — welch ein Gegensatz! Seine Augen, sein Gesichtsausdruck und seine freundliche Art zeigten mir, daß er mitfühlend war. Die Folge war, daß ich aus mir herausging und redete, denn der Älteste war aufrichtig an mir interessiert. Er versicherte mir: ‚Wir werden alles tun, um dich in deiner Situation zu unterstützen.‘ Auf solche Menschen reagiert man günstig.“
Könnten mehr von uns ihr Herz weit machen und andere an sinnvollen Gesprächen teilhaben lassen? Falls wir bemerken, daß jemand in einer Gruppe zu schüchtern ist, um sich an dem Gespräch zu beteiligen, versuchen wir dann, ihn mit in das Gespräch einzubeziehen? John, der schon erwähnt wurde, sagt: „Ich weiß, wie das ist; ich kann mich in den Betreffenden hineinversetzen und leide mit ihm.“ Er fügt hinzu: „Entscheidend ist, daß man sich innerlich zu ihm hingezogen fühlt und ihn mit einbezieht. Wir könnten sogar im stillen beten.“
Dan berichtet von einem Freund: „Roy fehlte es so sehr an Selbstvertrauen, daß er zu anderen, die sich unterhielten, immer einige Schritte Abstand hielt. Ich stellte ihm einfach eine Frage. ‚Sag mal Roy, wie war das noch, was du neulich erwähntest ...?‘ Und schon fing er an zu erzählen. Das Ergebnis war, daß andere ihn von einer Seite kennenlernten, die sie nicht bei ihm vermutet hatten.“ Dan bittet eindringlich: „Gib nicht auf, wenn es schwierig ist, sich mit jemandem zu unterhalten oder ihn aus der Reserve zu locken. Sag dir einfach, daß ein guter Kern in ihm steckt und daß er sich danach sehnt, mit einbezogen zu werden. Zieh ihn immer wieder ins Gespräch, und laß dich nicht davon abbringen!“
Wer liebevolles, aufrichtiges Interesse an anderen bekundet, tut sich selbst einen Gefallen — sogar wenn er schüchtern ist. John stellte fest, daß er dadurch die Neigung, sich abzukapseln, überwand. „Die Liebe blickt nicht nach ihren eigenen Interessen aus“, sagt er (1. Korinther 13:5). „Damit du liebevoll handeln kannst, mußt du mit anderen reden und dich mit ihnen befassen. Sich einzuigeln und über seine Unzulänglichkeiten nachzusinnen bringt nichts. Mit der Hilfe des Gebets kann man über sich hinauswachsen.“ Er fügt hinzu: „Wer das tut, wird reich belohnt. Wenn man sieht, wie andere reagieren, wie sich ihre Stimmung hebt, dann fühlt man sich auch selbst ermuntert. Und das sollte einem Mut einflößen, es immer wieder zu versuchen.“
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Miteinander reden — eine KunstErwachet! 1995 | 8. April
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Was hat Elaine geholfen? Nachdem sie eine genaue biblische Erkenntnis erlangt hatte, wurde ihr bewußt, daß sie etwas Wertvolles und Lohnenswertes zu sagen hat. Sie erklärt: „Wenn ich die Aufmerksamkeit nicht auf mich lenke, sondern mit anderen über geistige Dinge spreche, bin ich ganz entspannt. Das Lesen der biblischen Literatur, die wir regelmäßig erhalten, ist ebenfalls eine Hilfe. Wenn ich damit auf dem laufenden bleibe, habe ich immer etwas Aktuelles, worüber ich reden kann.“
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