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  • Wie die Welt versklavt wurde
    Erwachet! 1986 | 8. April
    • Wie die Welt versklavt wurde

      DER amerikanische Senator raucht am Tag zwei Packungen Zigaretten. „Ich weiß, daß ich mein Leben dadurch keineswegs verlängere ... Wahrscheinlich bringt es mich sogar um“, sagte er gegenüber Kollegen in einer Debatte über die finanzielle Förderung der Tabakfarmer. „Ich verwünsche den Tag, an dem ich nach dem schrecklichen Kraut süchtig zu werden begann.“

      Der verdrossene Senator steht nicht allein. In seinem Land möchten neun von zehn seiner Leidensgenossen mit dem Rauchen aufhören, oder sie haben es zumindest versucht. In Japan haben es 1983 zwei Millionen Raucher geschafft. Nach Meinung eines Experten „bedauert wohl so gut wie jeder gewohnheitsmäßige Raucher, je zum Tabak gegriffen zu haben, und sie alle warnen ihre Kinder davor, ihrem Beispiel zu folgen“.

      Wie ist es aber dazu gekommen, daß all diese verdrossenen Raucher dem Tabak so versklavt sind? Der Historiker Robert Sobel sieht das, auf die gesamte Weltbevölkerung bezogen, etwa so: „Welche Vor- oder Nachteile die Sache auch immer haben mag, unsere Zivilisation ist mit diesen Papierhülsen und dem bißchen krümeligen Unkraut darin verheiratet.“ Einer der sechs Riesen der Zigarettenindustrie beschäftigt eine viertel Million Arbeitskräfte. Derselbe Konzern erzielt in 78 Ländern auf sechs Kontinenten einen Jahresumsatz von 10 Milliarden Dollar. Wie konnte durch eine Gewohnheit, die in weiten Kreisen unerwünscht ist, ein so großer Bedarf entstehen, daß zu seiner Deckung eine riesige Industrie erforderlich ist?

      Der Siegeszug der Zigarette ist womöglich eine der größten Überraschungen der letzten hundert Jahre. Die Zündfunken für die explosionsartig gestiegene Nachfrage im sogenannten Jahrhundert der Zigarette waren zwei Kriege des 19. Jahrhunderts. Geschürt wurde die Glut dann von einer völlig neuen Industrie: die Werbung. Und ein neuartiger Tabak — hellgelb, mild und chemisch anders — ermutigte die Raucher dazu, den Rauch zu inhalieren. Dieser bemerkenswerte Wandel in den Gewohnheiten der Raucher — das Inhalieren — garantierte, daß die Mehrzahl der Raucher ihr Leben lang dem Tabak versklavt blieb.

      Die Kriege, die die Nachfrage belebten

      Tabak war ein extravaganter Luxusartikel, bevor er 1856 seinen ersten großen Absatzmarkt fand. Dazu kam es, als britische und französische Soldaten aus dem Krimkrieg mit „Papierzigarren“ als Mitbringsel heimkehrten — und mit einer Gewohnheit, die sie sich dort angeeignet hatten. Das Zigarettenrauchen verbreitete sich über ganz Europa und führte zu einem unerwartet hohen Bedarf an türkischen oder gleichartigen englischen Zigaretten.

      Die „Krim-Mode“ bewirkte, daß im Krieg die Pfeife oder die Zigarre durch die billigere Zigarette ersetzt wurde. Doch die Mode hielt sich nicht. Außerdem bestand, wie Robert Sobel betont, „Anfang der 1860er Jahre keine Aussicht darauf, daß der amerikanische Mittelstand — der hauptsächliche Markt für Rauchwaren — zur Zigarette greifen würde“. Der Rauch der ersten Zigaretten wurde als nicht so angenehm empfunden wie der Zigarettenrauch heute. Er war wie der Zigarrenrauch leicht alkalisch, und man behielt ihn im Mund. Den Rauchern bereitete es damals keinen Genuß, den Rauch einzuatmen. Die Zeit war reif für eine weitere überraschende Entwicklung.

      Im Amerikanischen Bürgerkrieg (1861 bis 1865) kam ein Tabak auf, der eine so starke Abhängigkeit erzeugte, daß der Tabakexperte Jerome E. Brooks von „Explosivkraft“ sprach. Wiederum wurden die Soldaten im Krieg mit billigen Zigaretten versorgt — zuerst die konföderierten Truppen, dann die Unionsarmeen. Diesmal hielt sich die Mode des Zigarettenrauchens aber.

      Die Zigaretten waren jetzt aus amerikanischem Tabak hergestellt, und irgend etwas an ihnen war neu. Die amerikanischen Tabakzüchter hatten neue Arten gezogen, die auf ihrem stickstoffarmen Boden gut gediehen. Auf einer Farm in Nordkarolina kam man außerdem durch Zufall auf eine Beizmethode, durch die die Tabakblätter hellgelb und im Rauch mild und angenehm wurden. Im Jahre 1860 bezeichnete das US-amerikanische Amt für Statistik diese Entdeckung als „eine der absonderlichsten Entwicklungen in der Landwirtschaft, die die Welt je erlebt hat“. Wer einige Zigaretten mit diesem neuartigen Tabak probiert hatte, verspürte einen unwiderstehlichen Drang, sich die nächste anzustecken.

      Versklavt!

      Damals erkannte man noch nicht, daß dieser kleine, aber unaufhaltsam wachsende Markt physisch abhängig geworden war — einer hochgradig suchterzeugenden Substanz versklavt. „Aus jugendlichen Gelegenheitsrauchern, die mehr als zwei oder drei Zigaretten am Tag rauchen“, werden nach den Erfahrungen von Dr. Michael A. H. Russell, der auf dem Gebiet der Suchtentstehung forscht, fast ausnahmslos „Suchtraucher“. „Ein Jugendlicher, der seine erste Packung Zigaretten geraucht hat, hat sich etwa 200mal hintereinander ‚einen Nikotin-Schuß gesetzt‘, während ein Jugendlicher, der Heroin nimmt, sich anfänglich nur ein- oder zweimal in der Woche ‚einen Schuß setzt‘.“

      Ja, das Geheimnis war das Inhalieren. Nikotin reizt und durchdringt die Schleimhäute nur unter alkalischen Bedingungen. Da der Zigarettenrauch schwach sauer ist, wird er im Gegensatz zu anderem Tabakrauch im Mund- und Rachenraum als so mild empfunden, daß er regelmäßig inhaliert werden kann. In der Lunge wird die Säure aber neutralisiert, und das Nikotin kann ungehindert in die Blutbahn übergehen. In nur sieben Sekunden gelangt das mit Nikotin angereicherte Blut ins Gehirn, so daß auf jeden Zug fast sofort eine Nikotin„belohnung“ folgt. Jugendliche, die täglich mehr als eine Zigarette rauchen, werden gemäß einer Studie der britischen Regierung „nur zu 15 Prozent wieder Nichtraucher“.

      Somit hat die Zigarettenindustrie in dem Jahrzehnt, in dem der Krimkrieg geführt wurde, der Welt eine neue, versklavende Sucht beschert. Über einen Zeitraum von zwanzig Jahren gingen die Tabakhändler mit verfänglichen Zeitungsanzeigen, in denen sich Raucher lobend über das Produkt äußerten, erfolgreich auf Kundenfang. Mit einer 1880 patentierten Maschine wurde die Massenproduktion von Zigaretten aufgenommen, der Preis konnte niedrig gehalten werden, und gleichzeitig wurde der männlichen Öffentlichkeit mit Bildern von Sportgrößen und lächelnden Frauen das mit dem Zigarettenrauchen verbundene Ansehen schmackhaft gemacht. Weshalb blieb aber die Kundschaft treu? Wegen ihrer Nikotinabhängigkeit. Treffend sagte William Bennet, Arzt und Fachjournalist für Gesundheitsfragen: „Automatisierung sowie geschickte Werbe- und Verkaufstechniken leisteten zwar ihren Beitrag, aber ohne das Nikotin wäre niemals so viel getrocknetes Kraut gekauft worden.“

      Um das Jahr 1900 war die bereits international bekannt gewordene Zigarette auf dem besten Weg, die Welt fest in den Griff zu bekommen.

      [Herausgestellter Text auf Seite 5]

      Wer mit dem Rauchen anfängt, „setzt“ sich mit seiner ersten Packung Zigaretten 200mal einen „Nikotin-Schuß“

  • Das beliebte heilige Blatt
    Erwachet! 1986 | 8. April
    • Das beliebte heilige Blatt

      Drei Jahrhunderte wurde Tabak in Europa als Arzneimittel verwendet. Ärzte verschrieben das Heilkraut gegen alles — von Mundgeruch bis zu Hühneraugen. Es begann damit, daß Kolumbus und seine Mannschaft 1492 die Bewohner Westindiens bei ihren Stammesriten Zigarren rauchen sahen und so als erste Europäer den Tabak kennenlernten.

      Lange vor Kolumbus wurde der Tabak von fast allen Ureinwohnern Amerikas heiliggehalten. Ursprünglich war das Rauchen das Recht und die Obliegenheit der Medizinmänner und Priester. Sie benutzten seine berauschende Wirkung zur Erzeugung von Visionen bei den feierlichen Stammesriten. „Tabak stand mit ihren Göttern in enger Verbindung“, berichtet der Historiker W. F. Axton, „und das nicht nur bei ihren religiösen Feiern, sondern auch bei ihren Heilverfahren, die alle auf die eine oder andere Weise mit ihrer Religion verbunden waren.“ Wenn auch den spanischen und portugiesischen Entdeckern die medizinische Verwendung des Tabaks zuerst auffiel, so dauerte es doch nicht lange, bis sie merkten, daß er auch zur Steigerung des Wohlbefindens verwendet wurde.

      „Nach der nächsten Zigarette schmacht’ ich, und Sir Walter Raleigh veracht’ ich“, sangen die Beatles John Lennon und Paul McCartney. Sir Walter, den man „den bekanntesten englischen Propagandisten für die Tabakspfeife“ nannte, baute auf seinem Besitz in Irland Tabak an. Er setzte alles daran, die Gewohnheit hoffähig zu machen. Seiner Zeit weit voraus, erinnert er an die Tabakindustriellen und die Reklamefachleute des „Jahrhunderts der Zigarette“.

      Jerome E. Brooks meint allerdings, daß es nicht der Charme Sir Walter Raleighs war, der das 17. Jahrhundert in Europa zum „großen Zeitalter der Tabakspfeife“ machte, sondern der Dreißigjährige Krieg. „Das Rauchen“, betonte er, „breitete sich hauptsächlich durch die Vermittlerrolle des Krieges über den Kontinent aus“ sowie nach Asien und Afrika. Eine ähnliche Entwicklung sollte die Ära der Zigarette in Gang setzen.

  • Die Sucht bricht den Widerstand
    Erwachet! 1986 | 8. April
    • Die Sucht bricht den Widerstand

      DER Zigarettenmarkt reagiert wie ein Raucher, der nur ungern mit dem Rauchen aufhört, jedoch aus Angst vor gesundheitlichen Schädigungen und der suchterzeugenden Wirkung des Rauchens seinen Verbrauch gelegentlich einschränkt, dann aber mehr raucht als zuvor. Wodurch werden solche Ängste beschwichtigt? Durch Werbung und Krieg, „die beiden wichtigsten Helfershelfer bei der Verbreitung des Zigarettenrauchens“, wie der Historiker Robert Sobel schreibt.

      Als sich im Ersten Weltkrieg ‘Nation gegen Nation’ erhob, schnellte der Zigarettenverbrauch in die Höhe (Matthäus 24:7). Warum stieg in den Vereinigten Staaten die Zigarettenproduktion von 18 Milliarden Stück im Jahre 1914 auf 47 Milliarden im Jahre 1918? Man hatte einen Kreuzzug für die Versorgung der Soldaten mit kostenlosen Zigaretten geführt, da Zigaretten wegen ihrer betäubenden Wirkung für ein hilfreiches Mittel zur Bekämpfung der Einsamkeit an der Front gehalten wurden.

      „Pack deine Sorgen in deinen alten Seesack, solange du ein Streichholz für deinen Glimmstengel hast“, empfahl ein Lied den britischen Soldaten. Als der Staat und patriotische Bürger für die kämpfenden Truppen Tabakwaren spendeten, verstummte selbst die Kritik der Zigarettengegner.

      Die Umklammerung wird enger

      Wer während des Krieges mit dem Rauchen angefangen hatte, war nachher ein guter Kunde. Im Jahre 1925 rauchten die US-Bürger im Durchschnitt fast 700 Zigaretten. In Griechenland war nach dem Krieg der Pro-Kopf-Verbrauch von Tabak immerhin eineinhalbmal so hoch wie in den Vereinigten Staaten. Amerikanische Zigaretten wurden international bekannt, aber einige Länder wie Indien, China, Japan, Italien und Polen deckten ihre Inlandsnachfrage mit eigenem Tabak.

      Um die Position auf dem amerikanischen Markt zu stärken, visierten die Werbefachleute einen neuen Kundenkreis an — das weibliche Geschlecht. Jerome E. Brooks berichtet: „Gegen Ende der 20er Jahre bezeichnete man die Tabakreklame als ‚verrückt‘.“ Dennoch hielt die Zigarettenwerbung die Kauflust der Amerikaner während und nach der Wirtschaftskrise von 1929 lebendig. Als Alternative zu Süßwaren wurde mit einem riesigen Kostenaufwand (1931 etwa 75 000 000 Dollar) die Zigarette als Schlankheitsmittel angepriesen. Filme, in denen zigarettenrauchende Stars wie Marlene Dietrich glorifiziert wurden, halfen, ein anspruchsvolles Image zu schaffen. So kam es, daß 1939, am Vorabend eines weiteren Weltkrieges, die Amerikanerinnen ihren Männern beim Verbrauch der 180 Milliarden Zigaretten zur Seite standen.

      Wieder brach Krieg aus. Und wieder bekamen die Soldaten die Zigaretten gratis, sogar in ihrer Marschverpflegung. „Lucky Strike Green ist in den Krieg gezogen!“ verkündete ein wirksamer Werbetext, mit dem man sich die patriotische Kriegsstimmung zunutze machte. Wer hätte am Ende des Zweiten Weltkrieges bei einem Zigarettenverbrauch der Amerikaner von schätzungsweise 400 Milliarden Stück im Jahr den hohen Stellenwert des Tabaks in der Welt noch anzweifeln können?

      Und wer hätte die Bedeutung der Zigarette für das Nachkriegseuropa in Zweifel ziehen können, wo Zigaretten in Stangen auf dem schwarzen Markt vorübergehend sogar als Ersatzwährung dienten? Die in Europa stationierten amerikanischen Soldaten bezahlten ganze fünf Cent für eine Packung subventionierter Zigaretten und konnten sich damit alles kaufen — angefangen von neuen Schuhen bis hin zu Freundinnen. Beim Militär schoß der Verkauf steuerfreier Zigaretten in die Höhe — von pro Kopf 5 400 Stück im Jahre 1945 auf 21 250 zwei Jahre später.

      Jahrzehntelang hielt man jeden Zweifel an der Unbedenklichkeit des Tabakgenusses von der Öffentlichkeit fern — die Bedenken wurden zwar nicht beseitigt, aber durch die sich stark ausbreitende Volksgewohnheit in den Hintergrund gedrängt. Insgeheim blieben jedoch Fragen offen wie: Ist das Rauchen vielleicht doch schädlich? Verunreinigt man dadurch seinen Körper oder nicht?

      Im Jahre 1952 gelangte die bis dahin verdrängte Frage nach der Gesundheitsschädlichkeit unverhofft an die Öffentlichkeit. Britische Ärzte publizierten eine Studie, aus der hervorging, daß starke Raucher häufiger an Krebs erkrankten. Reader’s Digest griff das Thema auf und sorgte somit dafür, daß die Gefahr überall bekannt wurde. Im Jahre 1953 schien eine Anti-Zigaretten-Kampagne Erfolg zu haben. Würde die Welt von der Gewohnheit loskommen?

      Die gewaltige Zigarettenindustrie

      Die Zigarettenindustrie beharrte nach außen hin auf dem Standpunkt, die Einwände gegen das Zigarettenrauchen seien unbewiesen und rein statistisch. Doch überraschenderweise — und geradezu paradox — setzte sie dann ihre Geheimwaffe ein: die Zigarette mit niedrigem „Teer“gehalt (niedrigem Rauchkondensatwert). Verängstigten Rauchern, die sich vom „blauen Dunst“ nicht trennen wollten, vermittelte das neue Produkt ein Gefühl von Sicherheit und die Befriedigung, etwas für die Gesundheit zu tun, wobei die Werbung einmal mehr ihre suggestive Wirkung bewies.

      Zigaretten mit niedrigen Rauchkondensatwerten erwiesen sich hauptsächlich für das Gewissen des Rauchers als Balsam, weniger für seine Gesundheit. Wissenschaftler fanden später heraus, daß viele Raucher als Ausgleich den Rauch tiefer inhalierten und ihn länger in der Lunge behielten, um die gleiche Dosis Nikotin wie zuvor aufzunehmen. Doch es sollte ein weiteres Vierteljahrhundert vergehen, bis die Fachleute den Beweis für all das antreten konnten. In der Zwischenzeit schwang sich die Zigarettenindustrie zu einer der gewinnbringendsten Industrien der Welt auf; derzeit erzielt sie einen Jahresumsatz von über 40 Milliarden Dollar.

      Wirtschaftlich ist die Zigarettenindustrie so stark wie nie zuvor. Die Kundschaft bleibt treu. Der Konsum steigt — in den Industrieländern jährlich um 1 Prozent und um über 3 Prozent in den Entwicklungsländern der dritten Welt. Zum Beispiel ist die Steigerungsrate in Pakistan und in Brasilien sechs- bis achtmal höher als in den meisten westlichen Ländern. In Thailand wird ein Fünftel des Pro-Kopf-Einkommens für Zigaretten ausgegeben.

      Mit dieser „festen Umarmung“ ist für viele Menschen, die etwas weiter denken, das Kapitel der Geschichte über die hundertjährige Liebesaffäre der Welt mit der Zigarette aber noch nicht zu Ende. Könnte es mit dem stark gestiegenen Tabakverbrauch — besonders seit 1914 — und mit der Tatsache, daß so viele ihre Augen davor verschließen, eventuell mehr auf sich haben, als auf den ersten Blick zu erkennen ist? Wie steht es um die selten angeschnittenen Fragen hinsichtlich der moralischen Einstufung der Gewohnheit? Ist das Rauchen moralisch neutral zu bewerten, oder ist es tadelnswert? Der nächste Artikel gibt die Antwort.

      [Bild auf Seite 7]

      Werbung und Krieg — die beiden wichtigsten Helfershelfer bei der Verbreitung des Zigarettenrauchens

  • Den Tatsachen ins Auge sehen: Tabak heute
    Erwachet! 1986 | 8. April
    • Den Tatsachen ins Auge sehen: Tabak heute

      ERSTAUNT darüber, daß es überhaupt zu einer so großen Nachfrage nach Zigaretten gekommen ist, stellt ein Herausgeber der Gesundheitsnachrichten der Medizinischen Fakultät der Harvarduniversität die Frage: „Warum hat ein Laster, das immer seltener wurde und in der Mitte des Viktorianischen Zeitalters [in den 1870er Jahren] als verpönt galt, auf einmal wieder an Boden gewonnen?“ Ja, es bestätigt sich ein moderner Werbetext, der Raucherinnen mit den Worten umwirbt: „Du hast einen weiten Weg hinter dir, Kleines.“ Daß das Rauchen allgemein Zuspruch findet, ist nach Meinung von Historikern auf die Sucht, die Werbung und die Kriege zurückzuführen. „Neben der Sucht ist die Werbung die wirkungsvollste Bundesgenossin der Industrie in ihrem Kampf um Herz und Sinn des Rauchers“, heißt es in einem Forschungsbericht neueren Datums. Das mag stimmen. Ist das Thema aber damit abgeschlossen?

      Der eigentliche Hintergrund

      Aufmerksame Bibelleser lassen die Bedeutung der Zigaretten-Ära nicht einfach außer acht. Warum nicht? Weil sich in diesem Zeitabschnitt — besonders seit 1914 — Prophezeiungen erfüllen. Zuerst erhob sich im Weltkrieg von 1914 bis 1918 ‘Nation gegen Nation’. Dann erfüllte sich ein weiterer Teil der Vorhersage Jesu, als „wegen der zunehmenden Gesetzlosigkeit“ der Zerfall der menschlichen Gesellschaft einsetzte. Der Krieg beraubte die Menschen aller Illusionen, erschütterte ihre viktorianischen Wertvorstellungen und ebnete so den Weg für den beispiellosen Siegeszug der Zigarette (Matthäus 24:7, 12).

      Im Jahre 1914 brach für die Welt ein Zeitalter der Angst an, und das Geschäft mit der Zigarette florierte. Viele gewöhnten sich das Rauchen an, um die Verhältnisse besser ertragen zu können, die eine Folge der „kritischen Zeiten“ sind, mit denen man, wie die Bibel sagt, „schwer fertig wird“. Das Lockmittel Werbung und die Nikotinabhängigkeit begünstigten das Heranwachsen einer genußsüchtigen Gesellschaft. Treffend wird in der Bibel vorhergesagt, daß die Menschen in den letzten Tagen „die Vergnügungen mehr lieben als Gott“ (2. Timotheus 3:1-5).

      All das sollte uns vergegenwärtigen, daß die Zeit drängt. Wir sollten aus der Geschichte etwas lernen, statt ‘keine Kenntnis davon zu nehmen’, was nach Jesu Worten einige Menschen in einer Zeit der Krise taten. Die Bibel rät uns, unsere Hoffnung auf Gottes Königreich zu setzen und nicht auf aussichtslose Bestrebungen, die Welt zu verbessern, oder auf den Traum, daß die Menschen eines Tages mit ihren schlechten Gewohnheiten brechen werden (Matthäus 24:14, 39).

      Kann die Welt das Laster loswerden?

      Die Aussichten, daß die Welt sich von dem Laster des Rauchens befreit, sind alles andere als rosig. Das Königliche Ärztekollegium in England ließ 1962 zum erstenmal eine Warnung vor dem Rauchen ergehen, aber 1981 haben die Briten nicht weniger als 110 Milliarden Zigaretten gekauft. Der höchste beamtete Arzt in den Vereinigten Staaten machte 1964 zum erstenmal auf die Gesundheitsschädlichkeit des Rauchens aufmerksam. Doch im folgenden Jahr wurde ein Rekordumsatz erzielt. Im Jahre 1980 kauften die Amerikaner 135 Milliarden Zigaretten mehr als 1964, und das trotz der Tatsache, daß auf jeder Packung vor dem Gesundheitsrisiko gewarnt wird. Heute sieht es so aus, daß weltweit vier Billionen Zigaretten im Jahr gekauft werden.

      Angesichts der Finanzlage im heutigen Tabakgeschäft sollte jedem, ob Raucher oder Nichtraucher, klar sein, daß Regierungen und Politiker den Tabakhandel kaum abschaffen werden. In den Vereinigten Staaten sterben beispielsweise jedes Jahr 350 000 Menschen an den Folgen des Rauchens, doch der Tabak bringt auch 21 Milliarden Dollar an Steuern ein. Und die Tabakindustrie bietet — direkt oder indirekt — immerhin zwei Millionen Menschen einen Arbeitsplatz. Außerdem haben die Tabakfirmen eine dicke Brieftasche. Weltweit geben sie zwei Milliarden Dollar im Jahr für Reklame aus — dagegen sind die sieben Millionen Dollar, die die Amerikanische Krebsgesellschaft und die Amerikanische Lungenheilvereinigung zusammen für Maßnahmen gegen das Rauchen ausgeben, ein Tropfen auf den heißen Stein.

      Oder man betrachte die widersprüchliche Tabakpolitik zweier Sonderorganisationen der Vereinten Nationen: Kürzlich gab die WHO (Weltgesundheitsorganisation) bekannt, daß eine Eindämmung der „Epidemie des Rauchens“ in den Staaten der dritten Welt „mehr zur Verbesserung der Gesundheit und zur Verlängerung des Lebens beitragen würde ... als irgendeine andere einzelne Maßnahme auf dem gesamten Gebiet der Präventivmedizin“. Die FAO (Welternährungsorganisation) steht dagegen auf dem Standpunkt, daß in der dritten Welt „der Tabakanbau für große Teile der Landbevölkerung Arbeitsplätze schafft“. Sie bezeichnet den Tabak als „eine sehr wichtige und einfach anzuzapfende Steuerquelle“, was für Bauern ein „starker Anreiz“ ist, „Tabak anzubauen“, und für Regierungen, „den Anbau und die Weiterverarbeitung zu fördern“.

      Den Tatsachen ins Auge sehen

      Besonders seit 1914 sieht man sich angesichts des Phänomens Zigarette vor harte Tatsachen gestellt. Einige handeln nach der Devise: Was einem guttut, schadet nicht. Aber die Tatsachen, die zeigen, daß das Rauchen mit Lungen- und Herzkrankheiten in Zusammenhang steht, widerlegen eine derart kurzsichtige Ansicht. In England, so sagt man, sterben an den Folgen des Rauchens achtmal mehr Menschen als durch Autounfälle. Weltweit hat das Laster „mehr Menschenleben ausgelöscht als alle Kriege dieses Jahrhunderts“, heißt es in einem Bericht im Manchester Guardian Weekly.

      Wie ist die Sucht zu bewerten? Es ist eine harte Wahrheit, daß das Nikotin einen Zustand der Abhängigkeit erzeugt. Und viele vernünftig denkende Menschen sind davon überzeugt, daß man es sich nicht leisten kann, Begleiterscheinungen wie den moralischen und geistigen Verfall zu übersehen.

      Moralische Einwände

      Für Christen fallen die moralischen und die biblischen Einwände gegen den Tabakgenuß weit mehr ins Gewicht als die Warnungen der Medizin oder des Gesundheitswesens. Der Tabakgenuß entstammt dem Animismus, dem Spiritismus und der Verehrung von Menschenhand geschaffener Götter — erniedrigende Praktiken, die in der Bibel verurteilt werden und die einen Menschen vom Schöpfer wegführen (Römer 1:23-25). (Siehe den Kasten „Das beliebte heilige Blatt“, Seite 4.) Das Rauchen ist unrein, gefährlich und mit christlichen Maßstäben unvereinbar (2. Korinther 7:1). Noch gewichtiger ist, daß die Gewohnheit wegen der sie begleitenden Sucht in die Nähe des „Drogengebrauchs“ rückt. Das ist die buchstäbliche Bedeutung von pharmakía, einem Ausdruck der Verachtung, der in der Bibel für geistig schädigende und abergläubische Praktiken steht. (Siehe Fußnote zu Offenbarung 21:8 und 22:15, New World Translation of the Holy Scriptures—With References [1984].)

      Eine Gewohnheit, bei der ein Wohlgefühl auf Kosten der Gesundheit erzeugt, durch die die Luft des Mitmenschen verpestet und die von beeinflußbaren Jugendlichen nachgeahmt wird, ist moralisch äußerst fragwürdig. Nach einigem Nachdenken und nach dem Abwägen des Für und Widers gelangen viele Raucher zu der schmerzlichen Einsicht, daß sie das Rauchen aufgeben müssen — in ihrem eigenen Interesse und im Interesse ihrer Familie.

      Den Prozeß umkehren

      Wenn du mit der Tabaksucht brechen möchtest, wirst du von deinem Körper und deiner Umgebung unter Druck gesetzt werden. Als Raucher bist du physisch vom Nikotin abhängig. Du verspürst dasselbe Verlangen, das die Raucher eines ganzen Jahrhunderts verspürten, seit man den Zigarettenrauch einatmet. Reklametafeln und Zeitschriften rufen ständig die Erinnerung an das Rauchen wach und verbinden damit stets Vergnügen, Freiheit, Abenteuer, Schönheit und Luxus. Wer selbst raucht, neigt dazu, das Rauchen als normal, unschädlich, harmlos, angenehm, flott und modern zu betrachten. Du hast dir eine positive Einstellung zum Rauchen angeeignet.

      Damit du von der Sucht loskommen kannst, mußt du, kurz gesagt, bei dir den Prozeß umkehren, durch den die Welt versklavt worden ist. Praktische Vorschläge, wie sie nebenstehend aufgeführt werden, können dir helfen, gegen die Neigung der Welt anzugehen, doch entscheidend ist der erste Schritt: Du mußt wissen, warum du aufhören möchtest. „Die Entscheidung muß tief im Innern getroffen werden“, schrieb Dr. C. F. Tate in der Zeitschrift American Medical News. „Ist dieser Entschluß einmal gefaßt, ist die Schlacht schon halb gewonnen.“

      Und wie ist es um die Welt bestellt, die weder fähig noch gewillt zu sein scheint, die Änderungen vorzunehmen, die du persönlich vornehmen kannst? Die menschliche Gesellschaft ist höchstwahrscheinlich nicht in der Lage, ihre selbstzerstörerischen Praktiken, wie zum Beispiel ihre Liebesaffäre mit der Zigarette, aus eigener Kraft aufzugeben. Eines steht aber fest: Gott hat die Zusicherung gegeben, „die zu verderben, die die Erde verderben“ (Offenbarung 11:18). Und Gottes Mittel, durch das er dies tut — seine himmlische Königreichsregierung —, ist für dich eine sichere Hoffnung. Eines Tages wirst du sehen können, wie überall auf der Erde die Gesundheit aller Menschen in geistiger, moralischer und physischer Hinsicht wiederhergestellt werden wird (Jesaja 33:24).

      [Übersicht/Bild auf Seite 9]

      (Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

      Verglichen mit den zwei Milliarden Dollar, die jährlich für Zigarettenreklame ausgegeben werden, sind die sieben Millionen Dollar für Maßnahmen gegen das Rauchen wie ein Tropfen auf den heißen Stein

      Maßnahmen gegen das Rauchen

      7 Millionen

      Zigarettenreklame

      2 Milliarden

      (Jedes Quadrat entspricht einer Million Dollar)

  • Wie man mit der Sucht bricht
    Erwachet! 1986 | 8. April
    • Wie man mit der Sucht bricht

      Versuche nicht, dich aus der Sucht „hinauszuschleichen“: Das verlängert die Entziehungserscheinungen.

      Verschwende kein Geld für kostspielige Entwöhnungsmittel: „Die Mittel, die eine Entwöhnung erleichtern sollen, sind alle ohne Ausnahme für den Raucher keine echte Hilfe“, meldet die Zeitschrift New Scientist. Und in der Zeitschrift World Health heißt es: „Der Hauptfaktor des Erfolges ... ist die Willenskraft des Rauchers. Alles andere ist nur schmückendes Beiwerk.“

      Erkenne deine Verantwortung, nimm aber auch Hilfe an: Die Unterstützung von Freunden, die selbst das Rauchen aufgegeben haben, ist äußerst wertvoll. Bete. Der aufrichtige Wunsch, Gott zu gefallen, wirkt Wunder (Philipper 2:4; 4:6, 13).

      Erkenne die Vorteile des Nichtrauchens: Verringerung des Risikos, vorzeitig an einem Herzleiden, einem Schlaganfall, an Bronchitis, einem Emphysem oder an Krebs zu sterben; du gibst anderen ein gutes Beispiel, sparst Geld, bist befreit von der Verunreinigung, dem üblen Geruch, dem Unbehagen und der Versklavung durch die Sucht.

      Verstehe die Ursachen der Entzugserscheinungen: In den ersten zwölf Stunden nach der letzten Zigarette kommen im Herzen und in der Lunge Reparaturmechanismen in Gang. Der Gehalt des Blutes an Kohlenmonoxyd und an Nikotin fällt rapide. Mit dem Heilprozeß sind Schmerzen verbunden. Du bist dann womöglich leicht reizbar oder empfindlich, aber du brauchst zur Beruhigung der Nerven keine Zigarette. Dieses vorübergehende Unbehagen ist der Anfang eines gesünderen Lebens.

      Sei dir der Herausforderung bewußt: Rechne mit Problemen. Bemitleide dich nicht selbst, und gehe keine Kompromisse ein. Sei aber sicher, du kannst von der Sucht loskommen.

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