Der gehörnte Moses — ein künstlerisches Kuriosum
MANCHER Italienreisende wird sie schon einmal gesehen haben: Michelangelos berühmte Sitzstatue des Moses, die heute in der Kirche San Pietro in Vincoli in Rom steht. Die Skulptur aus dem 16. Jahrhundert ist ein echtes Kuriosum, da sie Moses mit aus dem Kopf hervortretenden Hörnern darstellt. Tatsächlich haben zahlreiche Künstler Moses auf ihren Werken mit Hörnern versehen. Warum? Liefert die Bibel eine Grundlage für diese Vorstellung?
Gemäß der lateinischen Vulgata war das Angesicht Mose „gehörnt“, nachdem er auf dem Berg Sinai mit Gott gesprochen hatte (2. Mose 34:29, 30, 35). Die Vulgata erfreute sich einst in weiten Teilen der Christenheit großer Beliebtheit und beeinflußte so das Verständnis gewisser Schriftstellen.
Das mit „gehörnt“ übersetzte hebräische Wort hat jedoch auch die Bedeutung „Strahlen werfen“ oder „glänzen“. (Siehe die Randbemerkung in der Lutherbibel erklärt zu 2. Mose 34:29.) Gemäß dem Theological Wordbook of the Old Testament bezeichnet das Wort „mehr die Form eines Horns als den tatsächlichen Gegenstand“. Und wenn man es sich einmal bildlich vorstellt, erinnert die Form von Lichtstrahlen tatsächlich an Hörner.
Daß das Gesicht Mose Strahlen warf, ist erklärlich, da kurz vorher Jehovas Herrlichkeit an ihm vorübergegangen war (2. Mose 33:22; 34:6, 7). Paulus bestätigte, daß diese Bedeutung die richtige ist, denn er sprach von der „Herrlichkeit“ des Angesichts Mose und nicht von seinen „Hörnern“ (2. Korinther 3:7).
Ein besseres Verständnis der biblischen Ausdrücke ermöglicht es uns somit, den Bibelbericht genauer zu verstehen. Die Hörner an Michelangelos berühmter Statue des Moses sind tatsächlich nur ein künstlerisches Kuriosum aufgrund eines seit langem korrigierten Übersetzungsfehlers.
[Bildnachweis auf Seite 7]
Gestützt auf Short History of Art