Die uralten Probleme mit Schwiegereltern
„ICH kann deinen Anblick nicht mehr ertragen!“ schrie Fujiko ihre Schwiegermutter Tomiko an. Fujiko war es leid, herumkommandiert zu werden. Obwohl sie es bis dahin fertiggebracht hatte, äußerlich ruhig zu bleiben, hatte sie innerlich gezittert. „Ich war verbittert“, sagt sie. „Ich hatte mich völlig verändert. Dieses Leben war für mich nicht mehr auszuhalten.“
Eine alte Japanerin, die allein lebt, erzählt: „Mein Sohn und seine Frau haben mich allein gelassen. Jetzt brauche ich mich nicht mehr um andere zu sorgen, und ich lebe mein Leben, wie es mir gefällt, aber wenn die Sonne untergegangen ist, fühle ich mich einsam.“
Der uralte Konflikt zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter ist in der ganzen Welt zu beobachten. Dulcie Boling, Herausgeberin einer in Australien erscheinenden Zeitschrift, erklärt: „Bedauerlicherweise sind manche Frauen von vornherein auf ihre Schwiegertochter eifersüchtig. ... Man kann daran kaum etwas ändern, sondern nur gute Miene zum bösen Spiel machen.“ Im Fernen Osten gibt es sogar Sagen von alten Weibern, die auf Betreiben der Schwiegertochter in den Bergen ausgesetzt wurden.
Heute ist dieser Konflikt schwieriger denn je. Laut Statistiken steigt die Lebenserwartung und werden die Familien kleiner, auch vergrößert sich der Unterschied zwischen dem Lebensalter von Männern und Frauen. Was ist die Folge? Da mehr Frauen über 70 oder 80 Jahre alt werden, dehnt sich der Konflikt zwischen Mutter und Schwiegertochter von dem 100-Meter-Sprint, der er einmal war, zu einem zermürbenden Marathon aus.
Was wünschen ältere Menschen?
Wie möchten ältere Menschen trotz solcher Konflikte versorgt werden, wenn sie die Wahl haben? „In den letzten beiden Jahrzehnten“, sagen die Demographen Jacob S. Siegel und Cynthia M. Taeuber, „waren sowohl Frauen als auch Männer, die keinen Ehepartner mehr hatten, weniger geneigt, mit anderen zusammen zu wohnen.“ Elaine M. Brody, ehemalige Leiterin des Ministeriums für Sozialwesen, berichtet, daß in den Vereinigten Staaten „ältere Menschen vorzugsweise von den Angehörigen getrennt leben“. Oft wohnen die Kinder in der Nähe, besuchen sie und kümmern sich um sie.
Im Fernen Osten zieht man eine andere Lebensweise vor. Gemäß einer internationalen Umfrage, die von einer japanischen Behörde durchgeführt wurde, möchten die meisten betagten Menschen in Japan und Thailand bei ihren Angehörigen wohnen. Die Befragung ergab, daß 61 Prozent der älteren Menschen in Thailand und 51 Prozent in Japan das tatsächlich tun.
Natürlich ist diese Entscheidung auch in westlichen Ländern üblich. Sehr betagte oder bettlägerige Eltern leben oft bei ihren Kindern. In Frankreich wohnen alte Menschen, die über 75 sind und ihren Ehepartner durch den Tod verloren haben, meist bei einem ihrer Kinder.
Das Für und Wider akzeptieren
Wenn zwei oder drei Generationen beschließen, gemeinsam unter einem Dach zu leben, ergeben sich gewisse Vorteile. Der alte Mensch fühlt sich geborgener und weniger einsam. Die jüngere Generation kann von der Erfahrung der Älteren lernen. Auch sind wirtschaftliche Vorteile damit verbunden.
Andererseits kann durch das Zusammenleben ein bereits problematisches Verhältnis zu den Schwiegereltern noch gespannter werden. In Japan zum Beispiel, wo betagte Eltern traditionsgemäß beim ältesten Sohn und seiner Familie wohnen, ist der Konflikt zwischen Mutter und Schwiegertochter sprichwörtlich.
Was kann man tun, wenn man sich in einer solchen Lage befindet? Paul E. Zopf jr., Professor für Soziologie am Guilford-College, schreibt in seinem Buch America’s Older Population: „Die Familie verursacht Konflikte, bietet aber auch die Gelegenheit zur Konfliktlösung. Die Fähigkeit, Konflikte einzudämmen und positiv auf ältere Familienglieder einzuwirken, kann auf andere Beziehungen übergreifen.“
Man sollte der Sache also zuversichtlich gegenüberstehen. Wenn man lernt, familiäre Konflikte einzudämmen, wird man wahrscheinlich auch geschickter im Umgang mit anderen schwierigen Situationen. Die Situation als Herausforderung zu akzeptieren wirkt sich vorteilhaft auf die Persönlichkeit aus. Wir wollen nun die Probleme des Zusammenlebens mit den Schwiegereltern beleuchten und untersuchen, wie sie gelöst werden können. Wer sich nicht in einer solchen Lage befindet, kann dennoch aus den entsprechenden Grundsätzen Nutzen ziehen.
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Mehr Eltern als Kinder
Wie der Demograph Samuel Preston erklärt, hat das Durchschnittsehepaar nun zum ersten Mal in der Geschichte mehr Eltern- teile als Kinder. Viele Ehepaare stehen heute vor dem Problem, wie sie ausgeglichen sein können, wenn es darum geht, ihrer Verantwortung, sich um die Eltern beider Seiten zu kümmern, nachzukommen.