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Der Wachtturm verkündet Jehovas Königreich 1968
w68 15. 4. S. 251-256

Die Königreichsinteressen allem voranstellen

VON ROSCO JONES ERZÄHLT

WIR waren in unserer Familie zehn Kinder, und wir lebten auf einer Farm etwa 15 Kilometer östlich von Raleigh (Nordkarolina). Hier wurde ich am 11. September 1895 geboren, und hier blieb ich, bis ich einundzwanzig Jahre alt war, um meinem Vater zu helfen, die Familie durchzubringen. Meine Eltern waren ziemlich religiös; sie gehörten der örtlichen Baptistengemeinde an. Der Vater war Diakon und achtete streng darauf, daß wir alle regelmäßig dem Gottesdienst beiwohnten. Er versorgte uns auch stets mit allen möglichen religiösen Geschichtsbüchern.

Da mein Vater früher einmal mit den Bibelforschern, wie die Zeugen Jehovas damals genannt wurden, in Berührung gekommen war und schon einige ihrer Schriften gelesen hatte, wußte er, daß sich Krieg und wahres Christentum nicht miteinander vereinbaren lassen. Er sprach mit mir oft über dieses Thema. Als dann die Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg eintraten, erhielt ich bei der ersten Aushebung das Aufgebot. Eines Sonntags abends kamen drei Prediger zu uns nach Hause und sprachen lange mit meinem Vater, um ihn davon zu überzeugen, daß es für mich ein Segen sei, in die Armee einzutreten.

DIE SCHRECKEN DES KRIEGES BRINGEN DIE ENTSCHEIDUNG

Am 31. März 1918 wurde ich schließlich eingezogen. Als unsere Division in Frankreich landete, hatte ich bereits mein ganzes Vertrauen zur Geistlichkeit verloren. Es war leicht zu erkennen, daß der Gott der Bibel mit diesem Krieg nichts zu tun hatte. Wir waren insgesamt hunderttausend Mann auf neun Truppentransportern. Wir fuhren unter dem Geleit von mehreren Zerstörern, die uns vor den feindlichen Unterseebooten schützten.

Nach unserer Landung kamen wir sofort an die Front, der Hindenburglinie gegenüber. Wir mußten neun Tage tüchtig marschieren, um rechtzeitig an Ort und Stelle zu sein. Wir gingen an unseren Geschützen vorbei und stellten uns kilometerweit Mann an Mann auf, bereit, das Feuer auf die deutschen Stellungen zu eröffnen. Kannst du dir das Bild vorstellen, das sich uns in jener Nacht bot, als die schweren Geschütze das Feuer eröffneten und hunderttausend Mann, die fast fünf Kilometer vor der Artillerie der Alliierten und etwa 2,5 Kilometer von der feindlichen Linie entfernt, wo die Geschosse einschlugen, auf das Signal zum Vorrücken warteten? Die Erde unter unseren Füßen erbebte und erzitterte, so daß wir uns vorkamen, als wären wir in einem alten rappelnden Güterzug. Jedes andere Geräusch ging im Lärm der Geschütze unter, und zeitweise wurde die Nacht so hell wie bei Flutlicht.

Zuerst war es schrecklich. Viele Soldaten erlitten einen Schock und wurden ohnmächtig. Nach der ersten Viertelstunde wurde ich ruhig und begann über die vielen biblischen Themen nachzudenken, über die sich mein Vater mit mir unterhalten hatte. Ich erinnerte mich, wie Gott seine Diener stets beschützt hatte, und ich leistete ihm in jener Nacht allen Ernstes ein Gelübde: Wenn ich die Schrecken dieses Krieges überleben würde und es mir vergönnt sein sollte, seinen Willen noch besser kennenzulernen, so wollte ich mich der Aufgabe widmen, anderen die Wahrheit über ihn und sein Vorhaben kundzutun.

Schließlich kam ich zum Bataillonsspähtrupp. Von da an arbeitete ich meist selbständig. Ich beobachtete unbemerkt den Feind, erkundete das Gebiet zwischen den beiden Fronten, suchte es nach Verwundeten ab und sorgte dafür, daß ihnen geholfen wurde. Verwundete Soldaten mußten betreut werden, bis die Erste Hilfe eintraf, und die Erkennungsmarke und die persönlichen Sachen gefallener Soldaten mußten ins Hauptquartier zurückgebracht werden. Es war eine gefährliche Arbeit, aber irgendwie kam ich stets mit heiler Haut davon.

Nach vier Monaten heftiger Kämpfe war der Krieg zu Ende. Nach meiner Entlassung fuhr ich sofort nach Hause. Meine Angehörigen waren alle wohlauf, aber mein Vater war inzwischen ein engherziger Baptist geworden. Ich konnte seine Ansichten nicht mehr teilen und zog deshalb nach Richmond (Virginia). Im Jahre 1922 heiratete ich dort. Ich hatte das Gelübde, das ich im Krieg abgelegt hatte, nicht vergessen und schloß mich zum Ärger meines Vaters der Methodistenkirche an.

Inzwischen war mein jüngerer Bruder Leroy nach Washington (D. C.) gezogen. Eines Tages kam er mit einem Bibelforscher in Berührung und kam mit ihm in ein lebhaftes Gespräch über eine biblische Lehre. Da Leroy seine Bibel nicht bei sich hatte, lud er den Bibelforscher ein, zu ihm nach Hause zu kommen, wo sie dann noch mehrere Stunden weiter diskutierten. Leroy war davon überzeugt, die Wahrheit gefunden zu haben, und aus seinen Briefen, die er mir danach schrieb, konnte ich schließen, daß er ziemlich entschieden war. Ich lud ihn ein, an einem Sonnabend nach Richmond zu kommen und bei mir zu übernachten, damit ich ihn wieder zurechtbringen könne.

Als er an jenem Nachmittag kam, schlug ich vor, daß wir zusammen ins Schlafzimmer gehen könnten, um zu beten. „Nein“, sagte er, „bleiben wir zunächst bei der Bibel, und nachher können wir beten.“ Bis drei Uhr morgens saßen wir beisammen und sprachen über die Bibel. Dann wußte ich, daß das, was mein Bruder mir sagte, die Wahrheit war. Ich konnte vor lauter Dankbarkeit gar nicht einschlafen. Ich wußte, daß ich nun auf dem richtigen Weg war und nun in der Lage sein würde, mein Gelübde zu erfüllen.

GEMEINSCHAFT MIT GOTTES VOLK

Durch Leroy erfuhr ich von den bibelerklärenden Schriften, die die Watchtower Society herausgab. Ich gab ihm sieben Dollar und bat ihn, mir alles, was er bekommen könne, zukommen zu lassen. Ich wußte, daß ich noch einen weiten Weg gehen mußte. Sobald ich die Bücher bekam, begann ich sie zu studieren. Nachdem Leroy an jenem Morgen abgereist war, hatte ich meine Bibel genommen, war mit dem Bus knapp fünf Kilometer gefahren, hatte dann den Weg nach Hause wieder zu Fuß zurückgelegt und dabei in verschiedenen Häusern vorgesprochen und versucht, mit den Menschen über das Gelernte zu sprechen.

Dann schrieb mir Leroy, ein Herr Skinner aus der Zentrale der Watchtower Society in Brooklyn komme nach Washington, um einen besonderen bibelerklärenden Vortrag zu halten. Meine Frau und ich fuhren am Sonnabend hin. Noch am gleichen Abend beteiligte ich mich am Verteilen von Handzetteln auf der Straße. Am anderen Morgen nahmen mich einige Bibelforscher mit in den Predigtdienst von Haus zu Haus, und ich lernte, wie man seine Bibelkenntnisse am besten mit anderen teilt. Der Vortrag, den wir an jenem Tag hörten, war gerade das, was mir noch gefehlt hatte. Ich fuhr danach unverzüglich nach Hause und bereitete mich darauf vor, am nächsten Abend meine Nachbarn aufzusuchen, um ihnen Zeugnis zu geben.

An der ersten Tür schrie mich eine Frau an und schlug mir die Tür vor der Nase zu, bevor ich viel sagen konnte. Ich war innerlich so empört, daß ich vorerst einmal nach Hause ging, um mich etwas zu beruhigen. Kurz darauf kehrte ich aber wieder zurück und versuchte es an der nächsten Tür. Ich hörte erst nach fünf Stunden wieder auf.

Die Zusammenkunft in Washington hatte meinen Appetit geweckt, und ich suchte nun die Versammlung in Richmond. Ich wurde herzlich willkommen geheißen und begann bald, Fortschritte zu machen.

Im Jahre 1926 waren wir in Richmond acht farbige Bibelforscher, und es erschien uns nun ratsam, eine eigene Versammlung zu gründen, da wir feststellten, daß einige Neuinteressierte zögerten, die Zusammenkünfte der Versammlung der Weißen zu besuchen. Mittlerweile hatten meine Frau und ich meinem Vater geschrieben, wir würden unseren Urlaub in Nordkarolina verbringen. Wir nahmen zwei Kartons Bücher mit, und schon nach kurzer Zeit hatten wir sie in unserem Heimatbezirk verbreitet. Vielen meiner ehemaligen Nachbarn versprach ich, sie am darauffolgenden Sonntag vor der Kirche zu treffen. In dem Eichenwäldchen, das die Kirche umgibt, hörten mir mehr Leute zu als dem Prediger in der Kirche. Der Prediger, mein leiblicher Vetter, kam heraus und fragte, was hier los sei. Die Leute stellten ihm dieselbe Frage, die ich ihnen soeben beantwortet hatte: „Wohin kommt man, wenn man stirbt?“ Er gab ihnen die richtige Antwort, konnte aber dann nicht erklären, warum so viele Prediger sagen, jedermann komme beim Tod unverzüglich in den Himmel oder in die Hölle.

Dann mischten sich die Diakone ein, zu denen auch mein Vater gehörte. Als sie damit drohten, sie würden mich aus der Kirche ausschließen, sagte ich ihnen, das könnten sie gar nicht, da ich kein Mitglied sei und auch nicht die Absicht habe, Mitglied zu werden. Darauf schlugen sie einen anderen Ton an und versuchten mich zu überreden, aber ich ließ mich von meinem Entschluß nicht abbringen. Ich wollte ein Prediger der Gerechtigkeit werden, nicht einer von denen, die das eine sagen und das andere tun.

Im Jahre 1929 wurde ich in dem Hotel, in dem ich arbeitete, zum Oberkellner befördert. Dadurch konnte ich aber nicht mehr alle Zusammenkünfte der Christenversammlung besuchen. Ich sagte zu dem Direktor, ich würde jeden Sonntag frühzeitig weggehen, um unserem Bibelstudium beizuwohnen. Er sagte, dann sei es besser, ich suche mir eine andere Stelle. Das geschah mehrmals, aber jedesmal, wenn ich zurückkam, wartete die Arbeit auf mich. Ich blieb drei Jahre an dieser Stelle, doch dann begann mich mein Gewissen zu plagen, weil ich die meisten größeren Zusammenkünfte der Zeugen Jehovas versäumte, da ich nicht frei bekam. Was sollte ich nun tun?

DIE GANZE ZEIT FÜR DAS KÖNIGREICH EINSETZEN

Meine Frau, die von meiner neuen Religion zunächst gar nicht begeistert war, nahm sie im Jahre 1932 ebenfalls an. Wir nahmen uns vor, in den Vollzeitpredigtdienst einzutreten und irgendwohin zu gehen, wo wir benötigt würden. Im Jahre 1933 waren wir so weit, daß wir dies tun konnten. Mein Bruder Leroy und seine Frau standen bereits im Vollzeitpredigtdienst, und wir schlossen uns ihnen in einem Gebiet in Allendale (Südkarolina) an. Wir waren sechs Pioniere, und mit unserer Unterstützung entstand eine Versammlung in Atlanta.

Im Jahre 1935 konnten wir zu unserer großen Freude dem ganzen Programm des Kongresses der Zeugen Jehovas in Washington (D. C.) beiwohnen. Danach wurden wir beauftragt, ein Landgebiet in Georgia durchzuarbeiten, wo wir einige ungewöhnliche Erlebnisse hatten. In einem Falle gestattete uns zum Beispiel ein Weißer, daß wir unseren Wohnwagen auf einem Stück Straße parkten, das nicht benutzt wurde. Ein anderer Weißer, der etwas weiter weg an derselben Straße wohnte, sagte uns, wir sollten hier nicht über Nacht bleiben, wenn wir keine Unannehmlichkeiten haben wollten. Es wimmelte von Farbigen in jener Gegend, und viele baten uns weiterzufahren, da sie wußten, wie gemein dieser Mann sein konnte, und da sie dachten, er würde uns nur Schwierigkeiten machen. Sie sagten, vor etwa drei Monaten habe er einen Farbigen ermorden lassen und einen anderen habe er mit einem Axtstiel verprügelt.

Nachdem wir zu Jehova gebetet hatten, beschlossen wir zu bleiben, und es geschah nichts in jener Nacht. Am nächsten Morgen sahen wir, gerade als wir im Begriff waren, in den Dienst zu gehen, einen kräftig gebauten Weißen mit einem Axtstiel auf unseren Wohnwagen zukommen. Als er die Warnung des anderen Weißen wiederholte, sagte ich zu ihm, ich hätte weder mit ihm noch mit dem anderen Mann etwas zu tun und würde mich auch nicht vor ihm fürchten. Schließlich bat ich ihn einzutreten. Er folgte meiner Einladung, ließ aber den Axtstiel an der Tür stehen. Bei dieser Gelegenheit sah er die bibelerklärende Broschüre mit dem Wort „Regierung“ im Titel, und hernach muß er das Gerücht verbreitet haben, ich sei von der Regierung, denn von da an arbeiteten Weiße und Farbige so gut mit mir zusammen, wie ich es mir nicht besser hätte wünschen können.

Einige Wochen später arbeiteten wir in einem anderen Gebiet, das dafür bekannt war, daß die Farbigen unterdrückt wurden. Kurz bevor wir das Negerviertel erreichten, in dem wir predigen wollten, ging uns das Benzin aus. In einer Entfernung von etwa 400 Metern konnten wir eine Tankstelle sehen. Rechts neben der Straße war ein Weißer beim Pflügen, und auf der anderen Seite sahen wir vier Weiße, die eine Bulldogge, ein Gewehr und eine große Flasche Whisky bei sich hatten. Einer von ihnen zupfte eine Gitarre. Nachdem ich meine Frau vorausgeschickt hatte, damit sie etwas Benzin hole, kamen die vier auf mich zu, und der Gitarrenspieler sagte: „Tanze uns etwas vor, Alter.“ Ein anderer sagte: „Gebt ihm einen Schnaps.“ Ich sagte ihnen, ich könne weder tanzen, noch dürfe ich Schnaps trinken, denn ich sei ein Prediger. Dann wollten sie, daß ich ihnen eine Predigt halte, ein Lied vorsinge oder ein Gebet spreche. Ich sagte, ich würde auch das nicht tun, denn Gott lasse sich nicht spotten.

Mittlerweile war der Pflüger auf uns zugekommen und sagte nun zu den vieren, sie sollten mich in Ruhe lassen. Er fragte mich dann, wohin ich wolle und was ich tue. Als ich es ihm erklärt hatte, sagte er: „Ich weiß, wo Sie sehr gut aufgehoben sein werden.“ Nachdem wir den Wagen wieder in Gang gebracht hatten, stieg er mit uns ein und fuhr mit uns zu seinem Haus. Als wir auf den Hof fuhren, rief er: „Liebling, hier bringe ich dir jemand von deinen Leuten.“ Wir hatten es dort sehr gut! Es herrschte eine Atmosphäre, in der wir uns wohl fühlten. Wir blieben mehrere Tage dort, und die Frau kochte für uns. Es verging kein Abend, ohne daß wir nicht drei bis vier Stunden über biblische Themen diskutierten. Die ganze Familie war interessiert. Als wir Abschied nahmen, weinte die Frau und dankte Jehova dafür, daß er uns zu ihnen geschickt habe. Sie hatten durch die Schriften schon einen großen Teil der biblischen Wahrheit kennengelernt, aber wir waren die ersten Zeugen, mit denen sie in Berührung kamen.

ALS GUTE SOLDATEN AUSHARREN

Doch nicht alle Erlebnisse gingen so gut aus. In Seale (Alabama) wurde ich wegen einer geringfügigen Verletzung der Verkehrsordnung festgenommen und in einem Schnellverfahren zu einer Geldstrafe von 35 Dollar oder zu sechs Monaten Zuchthaus verurteilt. Ich hatte das Geld nicht und sollte gerade einige Tage vor Beginn des Kongresses der Zeugen Jehovas in Columbus (Ohio) die sechsmonatige Strafe antreten. Als meine Frau meinte, sie werde mir hinterher alles erzählen, sagte ich zu ihr, ich hätte die Hoffnung, irgendwie hinzukommen, um das Eröffnungslied „Gib Lobpreis Jehova“ zu hören. Schließlich sagte mir der Richter, er werde die Strafe von Zuchthaus auf Gefängnis herabsetzen. So saß ich nun im Gefängnis. Am Sonnabendvormittag kam ein altes farbiges Mütterchen aus der Nachbarschaft zum Gefängnis und sagte, sie werde die Strafe für mich bezahlen, damit ich zum Kongreß fahren könne, und ich könne ihr das Geld später zurückzahlen. Nun ging alles sehr schnell. Gerade einen Tag vor der Abreise unserer Gruppe nach Columbus traf ich in Atlanta ein.

Nun gab es keine Schwierigkeiten mehr. Meine christlichen Brüder standen mir bei. Einer bezahlte mir die Rückfahrkarte nach Columbus, und ein anderer gab mir ein Lebensmittelpaket, das uns für zwei Tage reichte. Ich mußte mich wegstehlen, denn die Tränen kamen mir vor Freude darüber, daß Jehova es für gut befunden hatte, es mir zu ermöglichen, zu dem großen Kongreß in Columbus zu fahren und rechtzeitig dort einzutreffen, um die große Schar der Anbeter vereint in das Lied einstimmen zu hören: „Gib Lobpreis Jehova“. Auf diesem Kongreß gab die Watch Tower Society den Pionieren das Vorrecht, allen anderen Anwesenden das Buch Feinde und die Zeitschrift Trost (jetzt Erwachet!) abzugeben. Als wir wieder in unser Gebiet zurückkamen, hatten wir genügend Geld, um die geliehenen 35 Dollar zurückzugeben und einige dringend benötigte Kleidungsstücke zu kaufen.

Als meine Frau und ich begannen, auf den Straßen von Opelika (Alabama) Zeitschriften anzubieten, wurden wir verhaftet und wegen Verletzung der Bürgersteigordnung verurteilt. Dieser Fall gelangte über die verschiedenen gerichtlichen Instanzen schließlich vor das Oberste Bundesgericht der Vereinigten Staaten, das im Jahre 1942 gegen uns entschied. Im darauffolgenden Jahr stieß es sein Urteil allerdings wieder um. Das Königreichswerk wurde dadurch weit und breit bekannt, und während manche Gegner gezwungen wurden, ihren schlechten Geist zu offenbaren, gingen vielen aufrichtigen Menschen die Augen für die göttliche Wahrheit auf.

Im Jahre 1941 war La Grange (Georgia) das uns zugeteilte Gebiet. Auch hier glaubten die Geistlichkeit und die Polizei das Recht zu haben, alles zu kontrollieren, was die Leute sagten oder taten. Sie versuchten, uns durch Einschüchterungen aus der Stadt zu vertreiben, und verhafteten schließlich meine Frau. Als ich mich nach ihr erkundigte, sagte man mir, ich solle am nächsten Morgen vor Gericht erscheinen. Als ich am frühen Morgen hinkam, wurde ich von einer Gruppe Polizisten in Empfang genommen, in den Keller geschleppt und dort erbarmungslos geschlagen. Vier von ihnen hielten mich je an einem Arm und einem Bein fest, hoben mich empor und stießen mich mit den Füßen der Reihe nach gegen den Magen und die Rippen. Sie schlugen mir auch einen alten Fahrradreifen über den Kopf.

Als ich wieder zu Bewußtsein kam, befand ich mich in einer Zelle, und mein Gesicht war so geschwollen, daß ich kaum noch sehen konnte. Ich wurde vier oder fünf Tage festgehalten und dann wieder entlassen, nachdem ein Beamter mir mit der Pistole gedroht hatte, mich zu erschießen, wenn er mich nochmals mit dieser schwarzen Tasche (meiner Büchertasche) in der Stadt sehe. Trotz dieser Drohung beschloß ich am nächsten Tag, einige Interessierte zu besuchen. Als ich die Straße entlangging, sah ich den Streifenwagen mit zwei oder drei Männern darin auf mich zufahren. Ich dachte, nun sei meine letzte Stunde gekommen. Als sie jedoch an mir vorbeifuhren, schauten sie alle in die entgegengesetzte Richtung. Sie wollten meine Hauswirtin veranlassen, uns zu kündigen, aber sie ließ sich nicht dazu bewegen.

KEINE PENSIONIERUNG

Zwölf Jahre hatte ich das wunderbare Vorrecht, als reisender Vertreter der Gesellschaft in den Südstaaten zu wirken. Im Jahre 1955 besuchte ich dann mit meiner Frau die Wachtturm-Bibelschule Gilead, in der Missionare ausgebildet werden. Wir verlebten dort eine herrliche Zeit. Wir lernten viel und hatten enge Gemeinschaft mit unseren christlichen Brüdern aus anderen Teilen der Welt und auch mit Brüdern aus dem Hauptbüro der Gesellschaft in Brooklyn. Dann nahmen wir wieder den Sonderpionierdienst auf, das heißt, wir dienten in Städten, wo Hilfe not tat und wo neue Versammlungen der Zeugen Jehovas gegründet und aufgebaut werden mußten.

Im Mai 1965 kam ich zur Behandlung und Beobachtung in ein Krankenhaus in Jackson (Mississippi). Als ich wieder entlassen wurde, sagte mir der Arzt, ich würde an Verkalkung der Herzkranzgefäße leiden, habe ein Zwölffingerdarmgeschwür, Hämorrhoiden und schlechte Augen, ich müsse mir künftig mehr Ruhe gönnen. Sonst geht es mir aber gut, und ich nehme es noch nicht viel gemütlicher. Wenn ich an die vielen Segnungen denke, die mir im Dienste Jehovas — in dem ich nun über vierzig Jahre stehe — zuteil geworden sind, dann habe ich nichts zu bereuen. Ich bin mit tiefer Freude erfüllt, und die Königreichsinteressen nehmen in meinem Leben immer noch den ersten Platz ein.

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