‚Sich nach dieser Welt richten‘
Widerstehen die Kirchen der Christenheit der heutigen Tendenz, sich nach der Welt zu richten?
Der Mensch hat seit langem dazu geneigt, sich nach der Masse zu richten. Das hat jedoch keine erfreulichen Ergebnisse gezeitigt. Aber trotz der wiederholten traurigen Ergebnisse passen sich die Menschen und ihre Organisationen weiterhin der Welt an. Wir brauchen uns daher nicht zu wundern, daß wir — wie ein Pädagoge sich ausdrückte — im „Zeitalter des Konformismus [der Anpassung]“ angelangt sind. Massenkommunikationsmittel und Erziehungsorganisationen sind kritisiert worden, weil sie der heutigen Tendenz, sich nach der Masse zu richten, nicht entgegenwirken. Wohin können sich die Menschen wenden, um zu erfahren, wie sie der weltlichen Neigung, sich der Mehrheit anzupassen, widerstehen können?
Viele halten sich an die Kirchen der Christenheit und erwarten von ihnen eine Wegleitung. Sie haben das Empfinden, daß von allen Einrichtungen heute zweifellos die Kirchen im Widerstand gegen den weltlichen Konformismus vorangehen sollten. Vernünftigerweise wäre zu erwarten, daß sich religiöse Führer an die biblische Regel halten, die in Römer 12:2 aufgezeichnet ist und nach der bekannten Zürcher Bibel wie folgt lautet: „Richtet euch nicht nach dieser Welt.“
Widerstehen die Kirchen aber wirklich der heutigen Tendenz, sich der Welt anzupassen? Weisen sie entschieden auf die biblischen Grundsätze hin? Warnen sie die sogenannten Christen mit aller Deutlichkeit vor den schlimmen Folgen, die eine Anpassung an diese Welt mit sich bringt? Geben die Kirchen selbst ein gutes Beispiel, indem sie sich nicht nach dieser Welt richten?
Ein namhafter Pädagoge führte vor kurzem über das kirchliche Leben eine Erhebung durch. Seine Feststellungen sind in dem Buche The Age of Conformity [Das Zeitalter des Konformismus] zu finden. „In ihrem Bemühen, ihren Einfluß auf eine religiös eingestellte Gesellschaft auszuüben, haben die Kirchen verfehlt, sich mit kompromißloser Deutlichkeit an die geistigen Maßstäbe zu halten, an die sie sich ursprünglich hielten. Einige haben ihre Anhänger durch populäre Unterhaltungsprogramme anzulocken versucht, um sie wenigstens ab und zu in ihren Gotteshäusern zu sehen. In den Kirchengemeindehäusern wird mit heiligem Eifer gearbeitet; in der Krypta wird nach der Kommunion Kaffee serviert, und Bingoveranstaltungen bringen Leben in die Kathedralen … Die Predigten sind weltlicher und volkstümlicher geworden, und einige Geistliche beteiligen sich … an den politischen und wirtschaftlichen Auseinandersetzungen ihrer Gemeinden. Alle diese Versuche vermochten die Leute nicht frömmer zu machen.“
DIE ATMOSPHÄRE EINES GESELLIGKEITSVEREINS
Wenn wir ein für die heutigen Kirchen typisches Wochen- oder Monatsprogramm in die Hand nehmen, weht uns daraus oft die Atmosphäre eines Geselligkeitsvereins entgegen. Kirchenbulletins sind voll von unzähligen Hinweisen auf Bankette, verschiedene Arten von Picknicks, Tanzveranstaltungen, gesellige Anlässe für die Jugend, Programme für Sportveranstaltungen, Basare und Unterhaltungsanlässe. „Eine große Anzahl von Geistlichen“, schreibt J. F. Saunders, „fürchtet, daß die Hauptfunktionen der Kirche durch die Nebenfunktionen in den Hintergrund gedrängt werden. Es besteht die Tendenz, mehr Wert auf Mitgliederzahl-Rekorde zu legen als auf eine solide geistige Gesinnung, ferner die Tendenz, die Betätigung auf sozialem Gebiet mit religiösem Eifer zu verwechseln.“
Ohne Zweifel übt die Atmosphäre eines Geselligkeitsverein einen wunderbaren Einfluß auf die Mitgliederzahlen einer Kirche aus. Aber welchen Einfluß hat sie auf die Kirche? Kermit Eby, ein Soziologe an der Chikagoer Universität, sieht die Schwierigkeit heute darin, daß „die Kirche zu Ansehen gelangt ist, daß sie eine Einrichtung geworden ist, die der Masse zu gefallen sucht, statt daß sie unerschrocken für Grundsätze eintritt … Durch diese Tendenz, zu Ansehen zu gelangen und sich der Masse anzupassen, ist die Kirche als Werkzeug Gottes unterhöhlt worden.“ — Cleveland Plain Dealer, 13. August 1956.
Der Soziologe Eby gibt uns damit in der Tat Stoff zum Nachdenken — „eine Einrichtung … die der Masse zu gefallen sucht, statt daß sie unerschrocken für Grundsätze eintritt“. Durch diese Worte werden so viele Kirchen treffend beschrieben: diese Kirchen haben sich weltlichen Methoden angepaßt, um Mitglieder zu gewinnen. Die ersten Christen dagegen hatten sich nicht der Masse angepaßt, sondern dem in der Bibel geoffenbarten Willen Gottes. Sie kamen dem Befehl in Römer 12:2 (NW) nach, wo es heißt: „Formt euch nicht mehr nach diesem System der Dinge, sondern werdet dadurch umgewandelt, daß ihr euren Sinn neu gestaltet, damit ihr euch selbst von dem guten, annehmbaren und vollständigen Willen Gottes überzeugen mögt.“
DER VERSUCH, ZWEI HERREN ZU DIENEN
Wie unmöglich ist es also für die wahre Religion, sich dieser Welt anzupassen! Man kann sich nicht der Welt und gleichzeitig dem Willen Gottes anpassen. Der Meister legte die unumstößliche Regel fest: „Niemand kann ein Sklave zweier Meister (Herren) sein; denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird dem einen anhangen und den anderen verachten.“ — Matth. 6:24, NW.
Die Kirchen haben indes versucht, zwei Herren zu dienen. Der englische Prälat H. R. L. Sheppard schrieb in seinem Buche If I Were Dictator [Wenn ich Diktator wäre] folgendes: „Der Fehler, den die Kirchen begehen, besteht darin, daß sie christlich und gleichzeitig weltlich sein wollen. Bedeutet das vielleicht nicht, daß sie dem Kaiser das geben, was Gott gehört? … Gegenwärtig sind die Kirchen in erster Linie auf Geld und Ansehen bedacht … Sie haben eingewilligt, sich in die Arena der Welt zu begeben.“
Vom finanziellen Gesichtspunkt aus betrachtet, hat diese Taktik zu erfreulichen Ergebnissen geführt; in geistiger Hinsicht sind sie jedoch katastrophal gewesen. Es ist deshalb kein Wunder, daß sich die Christenheit in der schlimmsten Lage ihrer Geschichte befindet. Das riesige Gespenst des sittlichen Zusammenbruchs schleicht durch die Christenheit. Die Kirche bekommt die nachteiligen Folgen ihrer Anpassungspolitik zu spüren. Kirchenmitglieder unterscheiden sich kaum noch von Konfessionslosen. Sie sind nicht dazu erzogen worden, dem Willen Gottes gemäß zu leben. Ein Christ zu sein bedeutet nicht nur zu glauben; es bedeutet auch, entsprechend zu leben. Die Kirchen, die sich der Welt angepaßt haben, vermochten ihre Anhänger nicht in Christen umzuwandeln, die dem Willen Gottes gemäß leben.
Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß wir oft Äußerungen hören wie z. B. jene, die einst aus dem Munde des amerikanischen Geistlichen John Haynes Holmes kam: „Es fällt einem etwas schwer, zu denken, Amerika sei eine christliche Nation, das heißt, wenn man im Christentum nicht nur ein Glaubensbekenntnis erblickt, sondern das tatsächliche Leben. Es gibt in unserem Land genügend christliche Kirchen … Doch welchen Einfluß üben diese Kirchen auf das Denken und den Wandel des Durchschnittsbürgers aus, und was würde es am Leben in der Gemeinde ändern, wenn sie geschlossen und nie mehr geöffnet würden?“
Die Antwort liegt klar auf der Hand. Anpassung an die Welt ist gleichbedeutend mit Schwäche, nicht mit Stärke, mit Kompromißbereitschaft, nicht mit der Bewahrung der Lauterkeit. Echte sittliche und geistige Kraft sind das Ergebnis des unerschütterlichen Festhaltens am Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes; jede andere Handlungsweise beraubt uns unserer geistigen Lebenskraft. ‚Das Christentum von heute betrügt sich selbst‘, erklärt Dr. Albert Schweitzer, ‚und zwar durch die täuschenden Gedanken, daß es seine Stellung als Kirche von Jahr zu Jahr verstärke. Es paßt sich dem Geiste unseres Zeitalters an, indem es eine Art moderne Weltlichkeit annimmt … In dem Maße, in dem es nach außen an Einfluß gewinnt, büßt es an geistigem Einfluß ein‘.
UNBIBLISCHE WELTLICHKEIT
Wie offenkundig ist doch das unbiblische, weltliche Verhalten der Kirchen der Christenheit! Machtvolle biblische Wahrheiten sind verwässert worden, damit die Predigten bei der Masse Anklang finden. „Denn es wird eine Zeitperiode kommen“, sagte ein Apostel Christi voraus, „da sie die gesunde Lehre nicht ertragen werden, sondern gemäß ihren eigenen Begierden werden sie sich selbst Lehrer aufhäufen, um sich die Ohren kitzeln zu lassen.“ Predigten, die die Ohren kitzeln, sind eine Spezialität vieler Kirchen! — 2. Tim. 4:3, NW.
Die Kirchen sind auf Ansehen und Geld bedacht gewesen. Sie haben die Ehre bei der Welt gesucht, ungeachtet der deutlichen Worte Jesu: „Wehe, wenn alle Menschen wohl von euch reden; denn desgleichen taten ihre Väter den falschen Propheten.“ Sie haben alle möglichen zweifelhaften Methoden eingeführt, um zu Geld zu kommen, unter anderem auch, z. B. in Amerika, Glücksspiele. Sie haben Gottes Wort verfälscht, indem sie es mit Philosophie und Psychologie vermischten, um bei mehr Menschen Anklang zu finden, und dies ungeachtet der Worte des Apostels Paulus: „Wir haben den hinterhältigen Dingen, derer man sich zu schämen hat, entsagt, indem wir weder in Arglist wandeln noch das Wort Gottes verfälschen, sondern uns selbst durch die offene Darlegung der Wahrheit jedem menschlichen Gewissen … empfehlen.“ Die Kirchen haben Politik gepredigt und sich mit Politik befaßt, und das trotz der klargehaltenen biblischen Warnung: „Die Form der Anbetung, die rein und unbefleckt ist vom Standpunkte unseres Gottes und Vaters aus, ist diese: für Waisen und Witwen in ihrer Drangsal sorgen und sich selbst von der Welt unbefleckt halten.“ „Ihr Ehebrecherinnen! wißt ihr nicht, daß die Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist? Wer immer daher ein Freund der Welt sein will, macht sich selbst zu einem Feinde Gottes.“ — Luk. 6:26; 2. Kor. 4:2; Jak. 1:27; 4:4, NW.
Ist es denn befremdend, daß man sich zu einem Feinde Gottes macht, wenn man sich dieser Welt anpaßt? Nein, denn diese Welt steht unter der Gewalt des „Gottes dieses Systems der Dinge“, unter Satan, dem Teufel. (2. Kor. 4:4, NW) Die Methoden dieser Welt stehen in direktem Widerspruch zu Gottes gerechten Anforderungen. Und trotzdem sagt G. G. D. Kilpatrick, der Rektor des „United Theological College“ von Montreal, über die Kirchen: „Wir haben Vereinbarungen, Bräuchen und Zielen zugestimmt, die zu den Idealen und dem Geist der Religion, zu der wir uns bekennen, völlig in Widerspruch stehen.“
Könnte da noch jemand daran zweifeln, daß sich die Kirchen der Christenheit dieser Welt angepaßt haben? Der Nationale Rat der Kirchen Christi in den Vereinigten Staaten von Amerika verneint diese Frage, wenn er in seinem „Bericht über den Zustand der Kirchen“ im Jahre 1954 sagt: „Die Durchschnittskirche hat sich der Welt so sehr angepaßt, daß die Leute erstaunt sind, wenn sie das allgemeine Verhalten der Gemeinde scharf beanstandet.“
Obwohl sich die Kirchen trotz des unzweideutigen Befehls: „Richtet euch nicht nach dieser Welt“ dieser Welt angepaßt haben, besteht kein Grund dafür, daß du denselben ungehorsamen Lauf einschlägst. Die Bibel macht uns mit Gottes Willen bekannt. Lerne diesen Willen kennen. Richte dein Leben danach. Laß dir durch diese Zeitschrift dabei Hilfe bieten!
[Bild auf Seite 92]
Übersetzung des obigen englischen Textes:
KIRCHE — HEUTE: ABENDESSEN PRO PERSON $ 1.—
— NÄCHSTE WOCHE TANZ