Was gibt dem Käse den delikaten Geschmack?
VIELLEICHT hat dein Baby gerade seine Milch getrunken. Sie hat ihm geschmeckt, doch wo ist sie jetzt? Was ist damit passiert?
Die Milch hat in seinem Verdauungssystem eine faszinierende Reaktion ausgelöst. Hast du gewußt, daß das, was in seinem Magen mit der Milch geschieht, große Ähnlichkeit mit den Vorgängen bei der Käseherstellung hat? Die Käsebereitung ist eigentlich so etwas wie eine künstliche Verdauung, eine Nachahmung dessen, was im Magen der milchtrinkenden Menschen und Tiere vor sich geht.
Was im Magen mit der Milch geschieht
Die Milch, die so einheitlich weiß aussieht, ist in Wirklichkeit ein Gemisch. Vollmilch besteht zu nicht ganz 90 Prozent aus Wasser. Und die übrigen gut 10 Prozent sind Milchfett, Milcheiweiß und Mineralien. Wenn der Säugling dieses Gemisch trinkt, wird der Magen veranlaßt, Labferment abzusondern. Es bewirkt rasch, daß die Milch gerinnt und sich in ihre Grundbestandteile auflöst. Diese werden dann durch den Körper transportiert und zum Bau neuer Gewebe benutzt, in Energie umgewandelt oder als Fett gespeichert. Der Körper des Säuglings kann die Milch nur verwerten, nachdem das Lab auf sie eingewirkt hat. Auch im Magen milchtrinkender Tiere gerinnt die Milch. Die wissenschaftliche Bezeichnung für alle milchtrinkenden Geschöpfe lautet „Säuger“.
Wenn man das weiß, versteht man besser, wie ganz früher Käse bereitet wurde und welche Entwicklungen zu der heutigen Kunst der Käseherstellung geführt haben. In einer Geschichte über den Ursprung der Käseherstellung ist die Rede von dem Gebrauch getrockneter Tiermägen zum Aufbewahren von Flüssigkeiten. Ein Reisender in Asien wollte Milch in einem solchen Behälter aufbewahren. Die in dem Säugetiermagen noch vorhandenen Enzyme Rennin und Pepsin bewirkten die Trennung der Milch in weichen Quark und flüssige Molke. Als der durstige Reisende den Schlauch öffnete, um seine Milch zu trinken, hatte er einen einfachen Käse vor sich. Noch nicht so lange her ist es, daß die amerikanischen Kolonisten jeweils eine Schüssel mit warmer Milch füllten und sie mit Hilfe eines kleinen Stückes von einem Kälbermagen zum Gerinnen brachten.
Die heutigen Käsehersteller benutzen eine Mischung aus Rennin und Pepsin, die beide aus Kälbermägen gewonnen werden. Sie wird in kommerziellen Laboratorien hergestellt. Wenn man diese Enzyme der Milch zusetzt, wird der mit Milch gefüllte Kessel sozusagen ein überdimensionaler Magen. Nach etwa einer halben Stunde hat sich das Eiweiß als dickflüssige Masse von der dünnflüssigen Molke abgesetzt. Die weiche Käsemasse könnte man mit einer riesigen Menge Joghurt vergleichen. Sie wird zunächst in kleine gleichmäßige Stücke zerschnitten und dann leicht erwärmt, um die Trennung der Käsemasse von der Molke zu intensivieren. Fast alle bekannten Käse werden auf diese Weise hergestellt.
Warum die Unterschiede im Geschmack und in der Konsistenz?
Für die vielen Unterschiede im Geschmack, im Aroma und in der Konsistenz der Käse sind die Mikroorganismen verantwortlich, die der Milch zugesetzt werden. Dabei handelt es sich um Bakterien, mikroskopisch kleine pflanzliche Lebewesen, die sich von festen Bestandteilen der Milch ernähren und gewisse Säuren erzeugen. Bestimmte Bakterien erzeugen bestimmte Säuren, und das hat bestimmte Käsesorten zur Folge. Die eine Kultur wird beispielsweise benutzt, um den etwas süßlichen Geschmack des Emmentaler Käses zu erzielen. Durch die Tätigkeit dieser Bakterien entstehen auch die bekannten Löcher in jenem Käse. Eine andere Bakterienart wird für die Herstellung von Cheddarkäse (gut ausgereifter, fetter Hartkäse mit feinem, nußähnlichem Geschmack) benutzt. Und bestimmte, einzigartige Kulturen liefern Käseköstlichkeiten wie Roquefort, Limburger und Camembert. Während des Reifungsprozesses wirken diese Bakterien und ihre Säuren in einer bestimmten Weise auf die Käsemasse ein, so daß sich der typische Geschmack sowie die übrigen Merkmale der Käsesorte entwickeln.
Aber warum schmeckt ein und dieselbe Käsesorte nicht immer gleich? Es gibt vieles, was den Geschmack des Käses beeinflussen kann. So wirkt es sich zum Beispiel aus, ob er in einer großen Käsefabrik oder in einer ganz kleinen Käserei hergestellt worden ist. Bereitest du hin und wieder zu Hause Käse, passiert es dir auch, daß er nicht immer gleich schmeckt. Geringe Unterschiede in der Milch, in der Bakterienkultur oder in der Herstellungsweise wirken sich auf das Enderzeugnis aus. Soll der Käse immer den gleichen Geschmack haben, sind strenge Kontrollen erforderlich.
Die Reifung
Wie lange muß der Käse reifen? Man könnte die Reifung des Käses mit dem Reifen eines Pfirsichs vergleichen. Der Pfirsich mag, wenn man ihn pflückt, schon die normale Größe haben, aber noch hart, grün und bitter sein. Allmählich wird er gelb, weich und saftig. Ißt man ihn nicht bald, so wird er ungenießbar. An welchem Tag kann man den Pfirsich essen? Das hängt größtenteils von demjenigen ab, den du fragst. Der eine mag Pfirsiche, wenn sie innen noch fest sind; ein anderer ißt sie lieber, wenn sie weich und etwas breiig sind. Und keiner der beiden versteht, warum der andere Pfirsiche so mag. Ähnlich ist es mit dem Käse; doch die Reifung dauert natürlich viel länger (nur Frischkäsesorten müssen keinen Reifungsprozeß durchmachen).
Die Temperaturen in den Reiferäumen spielen die entscheidende Rolle. Bei höheren Temperaturen reift der Käse viel schneller. Mancher Käse, der in einem warmen Reiferaum liegt, schmeckt vielleicht bereits nach sechs Wochen ganz gut. Bei niedrigeren Temperaturen mag der gleiche Käse erst nach drei Monaten soweit sein. Emmentaler Käse schmeckt schon nach acht Wochen sehr gut. Ein bestimmter anderer Emmentaler würde dir aber erst nach vier bis fünf Monaten schmecken — je nachdem, bei welcher Temperatur er den Reifungsprozeß durchgemacht hat. Eine dreijährige Lagerzeit kann dem schärfsten Cheddarkäse von Nutzen sein; doch ist man sich im allgemeinen darin einig, daß sich der Käse nach dreijähriger Reifung kaum noch verbessert. In der Regel ist der Reifungsprozeß bei milderen Käsen kürzer — deshalb kosten sie gewöhnlich auch weniger, während die kräftigeren Sorten eine längere Reifezeit benötigen, weshalb sie teurer sind.
Wie man Käse genießt
Guter Käse kann teuer sein. Aber dein Käsegenuß hängt nicht davon ab, daß du dir besondere Feinschmeckerkäse leisten kannst. Etwas anderes ist vielleicht noch wichtiger.
Wenn immer möglich, sollte der Käse Zimmertemperatur haben, wenn er auf den Tisch kommt. Wird er kalt serviert — direkt aus dem Kühlschrank —, so entfaltet er nicht seinen vollen, überaus delikaten Geschmack. Etwa eine Stunde (pro Pfund) vor Verzehr sollte man ihn aus dem Kühlschrank nehmen; um aber zu verhindern, daß er austrocknet, muß man ihn gut eingepackt lassen. Man braucht keine Angst zu haben, daß er verdirbt. Das würde erst geschehen, nachdem er tagelang bei Zimmertemperatur aufbewahrt worden wäre. Obschon Käse ein Molkereiprodukt ist, enthält er doch so viel Säure, daß die unerwünschte Schimmelbildung gehemmt wird.
Bevor du den Käse ißt, halte einen Augenblick inne, um sein Aroma zu ermitteln. Mit der Zeit wirst du die verschiedenen Aromen des Käses — auch die anderer köstlicher Speisen — immer besser unterscheiden können. Deine Nase dient dir als eine Art Kundschafterin; sie läßt dir Meldungen zukommen, die dir den Mund wässerig machen. Dieses erste Schnuppern gehört zum Essen, und es kann deinen Genuß steigern.
Nimm jetzt einen kleinen Bissen. Laß ihn auf der Zunge zergehen. Beeile dich nicht, ihn hinunterzuschlucken. Denke an den Geschmack, während der Käse auf deiner Zunge die verschiedensten Empfindungen auslöst. Ist er salzig? Sahnig? Scharf? Sagt er dir zu? Warum? Laß das Aroma und den Geschmack zusammenwirken. Versuche, deine Eindrücke in Worten wiederzugeben; das wird dir helfen, dich daran zu erinnern. Sehr wahrscheinlich wirst du für deine Fähigkeit, Käse beurteilen zu können, nie bezahlt werden, aber zu wissen, wie man Speisen kostet, wird dir immer und immer wieder zugute kommen, weil du dann das, was du ißt, mehr genießt.
Die Nahrungsaufnahme gehört zu den Genüssen des Lebens. Sie ist eine angenehme Belohnung für unsere Arbeit. Doch die Nahrung ist nicht nur dazu da, den Magen zu füllen, sondern der Schöpfer hat sie so gemacht, daß uns das Essen Genuß bereitet (Prediger 8:15).